Die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz Mainz, 29. Mai 2018
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Bremen haben beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates für ein Gesetz zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 968. Sitzung des Bundesrates am 8. Juni 2018 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Malu Dreyer
Entschließung des Bundesrates für ein Gesetz zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
- 1. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass das Bundesverfassungsgericht am 10. Oktober 2017 in seinem Beschluss entschieden hat, dass die Regelungen des Personenstandrechts mit den grundgesetzlichen Anforderungen nicht vereinbar sind, da § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz (PStG) neben dem Eintrag "weiblich" oder "männlich" keine dritte Möglichkeit bietet, ein Geschlecht positiv eintragen zu lassen.
- 2. Der Bundesrat unterstreicht, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die geschlechtliche Identität derjenigen schützt, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.
- 3. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert hat, bis zum 31. Dezember 2018 eine Neuregelung zu schaffen, indem er auf einen personenstandrechtlichen Geschlechtseintrag generell verzichtet oder eine Möglichkeit einer weiteren positiven Geschlechtsbezeichnung schafft.
- 4. Der Bundesrat erinnert an seine Entschließung zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes sowie Erarbeitung eines Gesetzes zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung (Drs. 362/17(B) ) vom 2. Juni 2017, in der bedauert wurde, dass es Menschen, die sich nicht oder nicht nur den Geschlechtskategorien Frau oder Mann zuordnen (sog. Intersexualität bzw. Intergeschlechtlichkeit) oder nicht dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zuordnen (sog. Transsexualität bzw. Transidentität), an gesellschaftlicher Akzeptanz mangelt, ihre gesundheitliche Versorgung unzureichend ist und noch immer medizinisch nicht indizierte Operationen an intersexuellen Kindern durchgeführt werden. Der Bundesrat hatte die Bundesregierung darin aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich das Transsexuellengesetz (TSG) durch ein modernes Gesetz zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung ersetzt wird, das insbesondere die teure und unnötige Begutachtungspflicht vor einer Vornamens- bzw. Personenstandsänderung abschafft und durch ein Verwaltungsverfahren zur Anerkennung der Geschlechtsidentität ersetzt.
- 5. Der Bundesrat unterstreicht die Bedeutung und Schutzwürdigkeit, die das Bundesverfassungsgericht der individuellen Identität in seinem Urteil vom 10. Oktober 2017 zumisst, die sowohl den Schutz vor nicht selbstbestimmter Zuweisung zum männlichen oder weiblichen Geschlecht, als auch die Möglichkeit zur selbstbestimmten Angleichung an das männliche oder weibliche Geschlecht erfordern.
- 6. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 im Hinblick auf den bestehenden rechtlichen Regelungsbedarf für intersexuelle und transsexuelle bzw. transidente Menschen umzusetzen. Er hält darüber hinaus an seiner Forderung nach einem Gesetzentwurf fest, der die Anerkennung der Geschlechtsidentität und den Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung umfassend regelt, einschließlich einer Vereinfachung der Verfahrenswege und der Finanzierung medizinischer Behandlungen durch die Träger der Krankenversicherung.