A. Problem und Ziel
Die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen zum Nachweis der Identität eines Spurenlegers gehört mittlerweile zum Standardrepertoire staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Ermittlungstätigkeit. Als besonders erfolgreich erweist sich dabei die Nutzung der DNA-Datei des Bundeskriminalamtes, die in einer weiterhin steigenden Anzahl von Fällen die schnelle und zuverlässige Identifikation von Spurenlegern ermöglicht. Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden besteht ein dringendes Bedürfnis, den Aufbau und die Pflege der DNAAnalyse-Datei auf eine breitere Grundlage zu stellen und damit die Effizienz der Tataufklärung weiter zu verbessern. Dieses Bedürfnis begründet sich auch in einer Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Straftaten.
Das geltende Recht sieht die Erhebung des genetischen Fingerabdrucks zu Zwecken künftiger Strafverfahren nur in engen Grenzen vor. Voraussetzung ist der Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder eines Deliktes gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie die Prognose, dass gegen den Betroffenen künftig Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Mit diesen Einschränkungen will das bisherige Recht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere im Hinblick auf den Schutz der in der DNA verschlüsselten Erbinformationen Rechnung tragen. Die Erhebung und Nutzung des genetischen Fingerabdrucks erlaubt indes im Zusammenhang mit der DNA-Identitätsfeststellung über die Geschlechtsbestimmung hinaus keine qualitative Auswertung der Erbinformation, sondern hat ausschließlich eine Überprüfung von Mustern auf Übereinstimmung oder Abweichung zum Gegenstand.
B. Lösung
Der Entwurf schlägt vor, den Anwendungsbereich der DNA-Analyse für die Zwecke künftiger Strafverfahren zu erweitern und den im geltenden Recht für die Durchführung sonstiger erkennungsdienstlicher Maßnahmen vorgesehenen materiellen Voraussetzungen anzugleichen. Damit entfallen die im geltenden Recht vorgegebenen besonderen Verhältnismäßigkeitsabwägungen durch Bewertung von Anlassverdacht und prognostiziertem künftigen Verfahren nach dem Kriterium der Straftat von erheblicher Bedeutung. Die Maßnahme unterliegt vielmehr einer allgemeinen Negativprognose, wie sie der Polizei bereits im geltenden Recht für erkennungsdienstliche Maßnahmen aufgegeben ist. Auch der Richtervorbehalt hinsichtlich der Erhebung des DNA-Identifizierungsmusters wird damit entbehrlich und ermöglicht eine Vereinfachung.
C. Alternativen
Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine.
2. Vollzugsaufwand
Wenn häufiger als bisher DNA-Analysen für Zwecke künftiger Strafverfahren durchgeführt werden, kann dies zu erhöhtem Aufwand bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht führen. Dem können jedoch Erleichterungen bei der Tataufklärung und damit die Vermeidung ansonsten notwendiger Ermittlungstätigkeiten mit entsprechendem Aufwand gegenüberstehen. Auch werden die Gerichte dadurch entlastet, dass der Richtervorbehalt für die Anordnung der molekulargenetischen Untersuchung gestrichen wird. Weder Belastungs- noch Entlastungswirkung der vorgeschlagenen Regelungen lassen sich näher quantifizieren.
E. Sonstige Kosten
Keine.
Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung von genetischem und daktyloskopischem Fingerabdruck im Strafverfahren
Der Bayerische Ministerpräsident München, 21. März 2017
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung von genetischem und daktyloskopischem Fingerabdruck im Strafverfahren mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 956. Sitzung am 31. März 2017 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer
Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung von genetischem und daktyloskopischem Fingerabdruck im Strafverfahren
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung
Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl I S. 1074, 1319), die zuletzt geändert worden ist durch ..., wird wie folgt geändert:
1. § 81f wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 1 wird aufgehoben.
- b) Im bisherigen Absatz 2 wird die Absatzbezeichnung "(2)" gestrichen.
2. § 81g wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
"Haben die Behörden oder Beamten des Polizeidienstes wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme, dass gegen den Beschuldigten künftig Strafverfahren zu führen sind, dürfen ihm zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen sowie bei ihm entnommene oder erlangte Körperzellen zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters und des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden. § 81a Abs. 1 Satz 2 StPO gilt entsprechend."
- b) In Absatz 2 Satz 1 wird das Wort "entnommenen" gestrichen.
- c) Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
"Die Entnahme von Körperzellen durch körperlichen Eingriff darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Antragstellung obliegt auch den Behörden und Beamten des Polizeidienstes. § 81f gilt entsprechend."
3. § 81h wird wie folgt geändert:
In Absatz 3 Satz 1 werden nach den Worten " § 81f" die Worte "Abs. 2" gestrichen.
4. § 88 wird wie folgt geändert:
In Absatz 1 Satz 3 werden die Worte "Abs. 2" gestrichen.
Artikel 2
Zitiergebot
Das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit ( Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) wird durch dieses Gesetz eingeschränkt.
Artikel 3
Übergangsvorschrift
Artikel 1 Nummer 2 (Änderung der Strafprozessordnung) ist auf Fälle des § 81g Absatz 4 Strafprozessordnung nicht anzuwenden, wenn die Verurteilung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig geworden oder die das Strafverfahren auf andere Weise abschließende Entscheidung vor diesem Zeitpunkt ergangen ist.
Artikel 4
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
Seit der Einstellung von Vorschriften über die DNA-Analyse in die Strafprozessordnung durch das Strafverfahrensänderungsgesetz - DNA-Analyse ("Genetischer Fingerabdruck") vom 17. März 1997 (BGBl I S. 534) hat sich die Bedeutung dieses Mittels der Tataufklärung in der Praxis der Strafverfolgung erheblich gewandelt. Mehr und mehr entwickelte sich die Erhebung des genetischen Fingerabdrucks mit dem Ziel des Nachweises der Identität eines Spurenlegers in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer Standardmaßnahme staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Ermittlungstätigkeit. Als besonders erfolgreich erwies sich dabei die in § 81g StPO zugelassene Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters zu Zwecken künftiger Strafverfahren und die Nutzung der DNA-Datei des Bundeskriminalamtes. Bei nach wie vor steigenden Trefferzahlen wird hierdurch in zahlreichen Fällen eine sehr schnelle und zuverlässige Identifikation von Spurenlegern ermöglicht. Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden besteht daher ein dringendes Bedürfnis, den Aufbau und die Pflege der DNA-Analyse-Datei auf eine breitere Grundlage zu stellen und damit die Effizienz der Tataufklärung weiter zu verbessern. Es ist davon auszugehen, dass weitgehend proportional zur Anzahl der Datensätze auch die Anzahl der Treffer und damit die Zuordnung von Spurenverursachern ansteigen wird. Dem Anliegen nach einer breiteren Datenbasis trägt der Entwurf Rechnung, indem er den Anwendungsbereich der DNA-Analyse für die Zwecke künftiger Strafverfahren erweitert und den im geltenden Recht für die Durchführung sonstiger erkennungsdienstlicher Maßnahmen vorgesehenen materiellen Voraussetzungen angleicht. Auch das Verfahren zur Erhebung des genetischen Fingerabdrucks soll erleichtert werden.
Anders als die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nach § 81b zweite Alternative StPO unterwirft das geltende Recht die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen zu Zwecken künftiger Strafverfahren in § 81g StPO in mehrfacher Hinsicht materiellen und verfahrensrechtlichen Schranken:
- - Der Beschuldigte muss einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig sein (qualifizierte Anlasstat).
- - Wegen der Art oder der Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse muss Grund zu der Annahme bestehen, dass gegen den Beschuldigten künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind, wobei die Wiederholung sonstiger Straftaten im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen kann (qualifizierte Negativprognose).
- - Die Maßnahme unterliegt dem Vorbehalt richterlicher Anordnung.
Mit diesen Einschränkungen will das bisherige Recht der besonderen informationellen Sensibilität von Untersuchungen der menschlichen DNA und dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Die Vorschriften sind dabei vor allem durch die Befürchtung einer Offenlegung der eigentlich persönlichkeitsrelevanten Erbinformationen motiviert.
In der Praxis erweist sich jedoch, dass diese Befürchtung nicht begründet ist. Die in § 81g StPO geregelte molekulargenetische Untersuchung zielt allein auf die Feststellung der Identität und ggf. des Geschlechts des Spurenlegers. Andere Untersuchungen sind nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 81g Abs. 2 Satz 2 StPO nicht zulässig. Die Erhebung des Identifizierungsmusters und dessen Abgleich mit den Vergleichsdaten etwa aus der DNA-Datei hat über die Geschlechtsbestimmung hinaus keinerlei qualitative Auswertung der in der DNA enthaltenen Erbinformation, sondern ausschließlich eine Überprüfung auf Übereinstimmung oder Abweichung zum Gegenstand ("hit/nohit"-Mechanismus).
Das Verfahren des genetischen Fingerabdrucks stützt sich auf den Vergleich so genannter Längenpolymorphismen. Es handelt sich dabei um Teile der DNA, die in den unterschiedlichen Zellen einer Person zwar konstante Längen, in der Bevölkerung aber Variationen aufweisen. Zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit wird das DNAIdentifizierungsmuster durch Markierung festgelegter Abschnitte (short tandem repeats [STRs]) unterschiedlicher Chromosomen erhoben. Diese Teile der DNA finden sich ausschließlich und mit besonders deutlicher Varianz in den sogenannten nicht kodierenden Bereichen, die überwiegend aus sich wiederholenden Sequenzen spezifischer Basenabfolgen (DNA-Blöcke) bestehen. Unter dem Begriff der "nicht kodierenden Bereiche" werden die Teile der DNA verstanden, die gerade keine genetisch kodierten Erbinformationen enthalten.
Die Identitätsfeststellung unter Einsatz molekulargenetischer Untersuchungen nach § 81g StPO beinhaltet keine qualitative Exploration der Erbinformation. Vielmehr ergibt sich, dass die Maßnahme hinsichtlich der informationellen Eingriffsintensität weitgehend mit dem in § 81b StPO geregelten daktyloskopischen Fingerabdruck zu vergleichen ist. Beide Methoden führen ausschließlich zur Feststellung von Kongruenz oder Divergenz der Muster - seien diese in den Papillarlinien der Fingerspitzen oder einer Sequenzwiederholung in der DNA enthalten.
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht unter dem Blickwinkel etwaiger Missbrauchsgefahren. Soweit dabei die generellen Möglichkeiten des Missbrauchs der für die Untersuchung gesicherten Körperzellen betroffen sind, handelt es sich nicht um eine speziell der DNA-Analyse anhaftende Gefahr - diese Möglichkeit besteht etwa bei jeder Blutprobe, aus der sich auch ohne DNA-Analyse eine Reihe von im Phänotyp nicht erkennbarer Krankheiten feststellen lässt. Gerade im Bereich des genetischen Fingerabdrucks wird aber dem Missbrauch durch die Anonymisierung der DNA-Proben und die im Gesetz geregelten Anforderungen an den Sachverständigen entgegengewirkt. Schon das geltende Verfahrensrecht enthält im Übrigen in § 81g Abs. 2 StPO eindeutige Verbote hinsichtlich der Gewinnung und Nutzung von Überschussinformationen, die die missbräuchliche Erhebung solcher Daten schon mit Blick auf die fehlende Verwertbarkeit als Beweismittel sinnlos macht. Der Entwurf schlägt zu diesen Schranken keine sachlichen Änderungen vor.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 (Änderung der StPO):
Zu Nummer 1 (§ 81f StPO):
Bei der Aufhebung des bisher in § 81f Abs. 1 normierten einfachgesetzlichen Richtervorbehalts handelt es sich um eine konsequente Folgeänderung zur Streichung des richterlichen Anordnungsverfahrens bezüglich molekulargenetischer Untersuchungen in § 81g Abs. 3, die aufgrund des entsprechenden Sachzusammenhangs unter Nummer 2 (insbesondere Buchstabe c) näher erläutert wird.
Zu Nummer 2 (§ 81g StPO):
- a) Die in § 81g Abs. 1 StPO enthaltene Ermächtigung zu einer vorsorgenden Erhebung des DNA-Identitätsmusters mittels Entnahme und Untersuchung von Körperzellen wird neu geregelt.
§ 81g Abs. 1 Satz 1 verzichtet auf die im geltenden Recht vorgesehenen Beschränkungen eines qualifizierten Anlassverdachts und einer ebenfalls qualifizierten Negativprognose. Es wird damit die Konsequenz aus der Neubewertung der Eingriffsintensität des genetischen Fingerabdrucks und dessen auch vom Bundesverfassungsgericht angenommenen Nähe zum Daktylogramm (BVerfGE 103, 21, 32; BVerfG in NJW 1996, 771, 773) gezogen. Anders als eine - nach geltendem Recht wie auch nach dem Entwurf nicht zugelassene - Erforschung der in der menschlichen DNA verschlüsselten Erbinformation beschränken sich die hier betroffenen Maßnahmen auf die Erstellung von Mustern und deren Abgleich nach den ausschließlichen Kriterien von Übereinstimmung oder Abweichung. Allein mit der Feststellung des Geschlechts wird eine persönlichkeitsrelevante Information gewonnen, die jedoch aufgrund ihrer Augenscheinlichkeit keines besonderen Schutzes vor der Offenlegung im Strafverfahren bedarf.
Wie im Falle der erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b zweite Alternative StPO setzt die Erhebung des DNA-Identifizierungsmusters daher nach dem Entwurf einen Tatverdacht voraus. Dies folgt aus der Beschuldigteneigenschaft der von der Maßnahme betroffenen Person. Weiterer Einschränkungen des Anlassverdachts bedarf es jedoch auch mit Blick auf das Übermaßverbot nicht.
Die Neuregelung verzichtet auch auf die bisher in § 81g Abs. 1 StPO enthaltene Qualifikation des zu erwartenden, künftig gegen den Beschuldigten zu führenden Strafverfahrens, die die Prognose des Verdachts einer Straftat von erheblicher Bedeutung voraussetzt. Die Zulässigkeit der Erhebung des DNA-Musters für Zwecke künftiger Verfahren setzt nach dem Entwurf allein voraus, dass wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren zu führen sind, ohne dass insoweit weitere Einschränkungen vorgesehen sind. Auch bei Verdachtstaten in einem niedrigschwelligen Bereich kann der Einsatz des genetischen Fingerabdrucks unabdingbare Voraussetzung der Tataufklärung sein oder zumindest deren Erleichterung und damit dem Allgemeininteresse an einer effektiven Strafverfolgung dienen. Ein Interesse der Allgemeinheit an der Tataufklärung auch minderschwerer Kriminalität ist unabweisbar.
Die Regelung über die Erhebung des genetischen Fingerabdrucks zu Zwecken des Erkennungsdienstes übernimmt die in § 8 Abs. 6 Nr. 1 BKAG enthaltenen Formulierungen einer allgemeinen Negativprognose, die ihrerseits auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 81b zweite Alternative StPO zurückgeht (st. Rspr. seit BverwGE 26, 169). Sie trägt damit dem im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltenen Grundsatz der Erforderlichkeit Rechnung, weil die Erhebung des DNA-Identifizierungsmusters in den hier betroffenen Fällen ausschließlich in Ansehung der beabsichtigten Speicherung in der DNA-Datei des Bundeskriminalamtes und deren Funktion als Ermittlungsinstrument in künftigen Strafverfahren erfolgt.
Die Angleichung der DNA-Analyse für Zwecke künftiger Strafverfahren an die entsprechende Regelung über die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen führt konsequenterweise dazu, die Entscheidung in den Fällen des § 81g Abs. 1 der Polizei eigenverantwortlich zu übertragen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 59. Auflage, § 81b Rdnr. 13). Der Gesetzentwurf bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass er auf die Prognoseentscheidung der Behörden oder Beamten des Polizeidienstes abstellt.
Mittels Verweises auf § 81a Abs. 1 Satz 2 in § 81g Abs. 1 Satz 2 wird bestimmt, dass die Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zur Entnahme von Körperzellen vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig sind, wenn kein Nachteil für dessen Gesundheit zu befürchten ist. Eine freiwillige Gewinnung von Körperzellen, die wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft der Regelfall sein wird, bleibt unverändert möglich. Auf die bisher in § 81g Abs. 3 Satz 1 bis 3 normierten qualifizierten Voraussetzungen hinsichtlich der Einwilligung wird in konsequenter Angleichung der Maßnahme an sonstige erkennungsdienstliche Behandlungen verzichtet. Dass die Einwilligung nur wirksam ist, wenn der Beschuldigte Sinn und Tragweite seiner Erklärung zu erfassen vermag, ergibt sich im Übrigen bereits aus allgemeinen Einwilligungsgrundsätzen.
- b) Für die Erhebung des genetischen Fingerabdrucks liegt ein weitgehender Verzicht auf das bislang in § 81g Abs 3 geregelte richterliche Anordnungsverfahren nahe, wie er beim daktyloskopischen Fingerabdruck seit jeher gilt. Folge ist eine nicht unwesentliche Entlastung der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden durch Vereinfachung des Anordnungsverfahrens. Unter der Bedingung einer Duldung der Zellentnahme kann die Erhebung des Identifizierungsmusters im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlung des Betroffenen eingeleitet werden. Für die zwangsweise Entnahme von Körperzellen mittels körperlichen Eingriffs hält der Entwurf unverändert an dem Vorbehalt einer richterlichen Anordnung fest. Neu ist die klarstellende Regelung der Antragstellung auch durch die Polizei gemäß § 81g Abs. 3 Satz 2, die im Hinblick auf die in diesen Fällen künftig von der Polizei eigenverantwortlich zu treffende Entscheidung über die DNA-Identitätsfeststellung folgerichtig ist.
Die Entnahme einer Speichelprobe im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung ist weniger schwierig und stellt einen noch geringeren Eingriff dar als die Abnahme von Fingerabdrücken. Wird ein Beschuldigter beispielsweise auf frischer Tat ergriffen, beinhaltet das Verbringen in ein Polizeifahrzeug, der Abtransport im Angesicht von Zuschauern, die Fahrt auf die Dienststelle u.ä. einen weitaus höheren Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht. Zudem unterliegt die Maßnahme der uneingeschränkten nachträglichen aufsichtsbehördlichen und gerichtlichen Kontrolle.
Nichts anderes gilt für die eigentliche molekulargenetische Untersuchung. Sie stellt gleichermaßen keinen derart schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, als dass eine vorgelagerte richterliche Entscheidung zur Vermeidung irreparabler Schäden in Folge ihrer sofortigen Vollziehung erforderlich wäre - im Gegenteil: Erhoben wird - neben dem Geschlecht - allein das Identifizierungsmuster, mithin eine Abfolge von Zahlencodes, die lediglich einen Abgleich von Übereinstimmung oder Divergenz ermöglicht. Die Bildung sogenannter Persönlichkeitsprofile ist im Bereich des § 81g StPO nach wie vor ausgeschlossen. Die Analyse unterscheidet sich insoweit durch nichts von der Auswertung daktyloskopischer Fingerabdrücke in der AFIS-Datenbank des Bundeskriminalamts, in der die anatomischen Merkmale eines Fingerabdrucks mittels Codierung mathematisch beschrieben werden. An der rein tatsächlichen Möglichkeit einer missbräuchlichen Auswertung des DNA-Materials oder der Nutzung des DNA-Identifizierungsmusters würde im Übrigen auch ein Richtervorbehalt nichts ändern.
- c) Der Entwurf schlägt vor, den Verzicht auf das richterliche Anordnungsverfahren mittels Streichung von § 81f Abs. 1 auch auf molekulargenetische Untersuchungen nach § 81e Abs. 1 zu erstrecken (vgl. Nummer 1). Die begrenzte Eingriffsqualität der Maßnahme unterscheidet sich nicht danach, ob sie an Körperzellen des Beschuldigten zur Tataufklärung im Anlassverfahren, zu Zwecken künftiger Strafverfahren oder ausnahmsweise auch an den bei Dritten entnommenen Körperzellen erfolgt.
Zu Nummer 3 (§ 81h StPO):
Es handelt sich um eine rein redaktionelle Änderung infolge der Streichung von § 81f Abs. 1 (vgl. Nummer 1).
Zu Nummer 4 (§ 88 StPO):
Es handelt sich um eine rein redaktionelle Änderung infolge der Streichung von § 81f Abs. 1 (vgl. Nummer 1).
Zu Artikel 2 (Zitiergebot)
Mit der Vorschrift wird dem in Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Zitiergebot Rechnung getragen.
Zu Artikel 3 (Übergangsvorschrift)
Die Vorschrift enthält eine Übergangsregelung für die durch die Änderungen in Artikel 1 Nr. 2 betroffene Erhebung von DNA-Identifizierungsmustern nach rechtskräftiger Verurteilung bzw. nach einer in Schuld- oder Verhandlungsunfähigkeit respektive in fehlender Verantwortlichkeit begründeten Verfahrensbeendigung nach § 81g Abs. 4. Es wird klargestellt, dass die auch insoweit vorgesehenen Erweiterungen nicht auf solche Fälle anzuwenden sind, in denen eine rechtskräftige Verurteilung oder eine sonstige in § 81g Abs. 4 vorgesehene Verfahrenserledigung vor Inkrafttreten der Änderungen erzielt wurde. Für die anderenfalls insoweit erneut entstehenden "Altfälle" in beträchtlicher Anzahl wäre eine retrograde Rückerfassung weder praktisch durchführbar noch erforderlich. Nachdem die Gerichte und Strafverfolgungsbehörden die Aufarbeitung der abgeschlossenen, aus dem Bundeszentralregister aber noch nicht getilgten Verfahren im bisher zugelassenen Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung weitestgehend bewältigt haben, reicht es aus, wenn die erweiterte Befugnis zur vorbeugenden Erhebung des DNA-Identifizierungsmusters nur für die Zeit nach Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen eröffnet wird.
Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.