844. Sitzung des Bundesrates am 23. Mai 2008
Der federführende Ausschuss für Familie und Senioren (FS), der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS), der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und der Finanzausschuss (Fz) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Mit der Absenkung bzw. Festlegung eines Bruttomindesteinkommens auf 900 Euro bzw. 600 Euro für Alleinstehende wird für einen weiteren Personenkreis ein Anspruch auf Kinderzuschlag eröffnet. Die sich damit ergebende und gegenüber der bisherigen Regelung teilweise erhebliche Absenkung der Mindesteinkommensgrenze kann jedoch in vielen Fällen der unteren Einkommensbereiche dazu führen, dass sich der alternative Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für die Betroffenen günstiger darstellt. All dies hängt im Einzelfall u. a. von Familienstand, Steuerklasse und den gemäß § 11 Abs. 2 SGB II vom Einkommen abzusetzenden Beträgen ab.
Ein grundsätzlicher Anspruch auf Kinderzuschlag auf Basis der im Gesetzentwurf festgelegten Bruttomindesteinkommen kann damit aber in eine "Kinderzuschlagsfalle" führen, da der einzelne Hilfebedürftige in der Regel nicht in der Lage sein dürfte, von sich aus die relativ komplizierten Vergleichsrechnungen zwischen Kinderzuschlag und SGB-II-Leistungen durchzuführen. Von daher ist im Gesetzentwurf eine entsprechende Beratungspflicht bei der Familienkasse und dem zuständigen Träger der Grundsicherung vorzusehen. Ansonsten müssten die jeweils Betroffenen sowohl einen Antrag auf Kinderzuschlag als auch einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II stellen, um dann die für sie günstigste Lösung auszuwählen.
Dies könnte somit - im Gegensatz zu den Zielen des Gesetzentwurfs - nicht zu weniger sondern zu mehr Bürokratie führen.
2. Zum Gesetzentwurf allgemein
Das Kindergeldänderungsgesetz bewirkt eine wünschenswerte starke finanzielle Entlastung der Kommunen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn unerwünschte belastende Folgeeffekte dieses Gesetzes und des Gesetzes zur Änderung des Wohngeldrechts und zur Änderung anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften neutralisiert werden.
Begründung
In der Begründung zum Kindergeldänderungsgesetz (BR-Drs 237/08 (PDF) ) heißt es unter Nummer 3 des allgemeinen Teils, die Kommunen würden durch dieses Gesetz in Verbindung mit dem Gesetz zur Änderung des Wohngeldrechts und zur Änderung anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften um insgesamt 196 Mio. Euro entlastet. Auf das Kindergeldänderungsgesetz entfallen davon 141 Mio. Euro, die sich als Differenz aus den Tabellenwerten Seite 6 und Seite 5 ergeben. Diese durch das Kindergeldänderungsgesetz ausgelöste Entlastung entspricht 50 000 der 70 000 Bedarfsgemeinschaften (Familien), die durch beide Gesetzesvorhaben laut Begründung, Allgemeiner Teil, Nr. 1 erreicht werden.
Eine solche finanzielle Verbesserung der Kommunen wird seitens der Länder ausdrücklich begrüßt. Allerdings ist dieser Effekt erst dann gewährleistet und genießt rechtliche Sicherheit, wenn die 70 000
Bedarfsgemeinschaften, die aus dem Bezug von Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ausscheiden und zukünftig Wohngeld empfangen werden bei der Berechnung der Beteiligungsquote des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 46 Abs. 5 bis 8 SGB II für die Jahre ab 2010 kompensiert werden.
Der Entwurf zum Kindergeldänderungsgesetz soll so geändert werden, dass die ca. 70 000 wechselnden Bedarfsgemeinschaften bei der Berechnung der Bundesbeteiligungsquote nach § 46 Abs. 7 SGB II neutralisiert werden.
3. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG)
In Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe a ist Doppelbuchstabe bb zu streichen.
Folgeänderungen:
In Artikel 1 Nr. 2 ist Buchstabe a wie folgt zu ändern:
- a) In Doppelbuchstabe aa § 6a Abs. 1 Nr. 2 ist nach dem Wort "verfügen" das Komma durch das Wort "und" zu ersetzen.
- b) Doppelbuchstabe cc ist zu streichen.
Begründung
Die Festlegung einer Höchsteinkommensgrenze ist entbehrlich, da der Anspruch auf den Kinderzuschlag im Zuge der Einkommensanrechnungsregelungen des § 6a Abs. 4 BKGG ohnehin begrenzt ist.
Da z. Zt. 70 Prozent (gemäß Gesetzentwurf 50 Prozent) des die Mindesteinkommensgrenze überschreitenden Erwerbseinkommens auf den Kinderzuschlag angerechnet wird, ergibt sich nach der derzeit geltenden wie auch der vorgesehenen Regelung im Zusammenspiel mit der Höchsteinkommensgrenze möglicherweise ein gänzlicher Wegfall des Kinderzuschlags bevor dieser auf Null reduziert wird. Im Übergang zum Wegfall des Kinderzuschlags kann ein erhöhtes Einkommen damit zu Nettoeinkommensverlusten führen. Die Höchsteinkommensgrenze sollte daher entfallen. Der Anspruch auf Kindergeld kann dann im Zuge der Anrechnung auslaufen.
4. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG)
In Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe a ist Doppelbuchstabe cc wie folgt zu fassen:
- cc) Die bisherige Nummer 3 wird gestrichen.
Folgeänderung:
In Artikel 1 Nr. 2 ist Buchstabe a wie folgt zu ändern:
- a) In Doppelbuchstabe aa § 6a Abs. 1 Nr. 2 ist nach dem Wort "verfügen," das Wort "und" einzufügen.
- b) In Doppelbuchstabe bb § 6a Abs. 1 Nr. 3 sind die Wörter "entspricht, und" durch das Wort "entspricht." zu ersetzen.
Begründung
Durch die Streichung der bestehenden Vorschrift des § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG wird ein Wahlrecht zwischen Kinderzuschlag und Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch geschaffen. Hierdurch wird ein deutliches Zeichen gegen Kinderarmut gesetzt, da der Kreis der Berechtigten deutlich erweitert wird und auf diesem Wege das Ziel der Weiterentwicklung des Kinderzuschlags in besonderem Maße verwirklicht wird.
5. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe a1 - neu - (§ 6a Abs. 2 Satz 1 BKGG)
In Artikel 1 Nr. 2 ist nach Buchstabe a folgender Buchstabe einzufügen:
- "a1) Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
"Der Kinderzuschlag beträgt für jedes zu berücksichtigende Kind jeweils bis zu 140 Euro monatlich oder, wenn der Antrag stellende Elternteil alleinerziehend ist, bis zu 200 Euro monatlich."
Begründung
Von Armut sind Kinder Alleinerziehender besonders häufig und oft auch besonders deutlich spürbar betroffen. Vor allem die Notwendigkeit, die Betreuung des Kindes/der Kinder ohne Hilfe des anderen Elternteils organisieren zu müssen, erschwert es alleinerziehenden Elternteilen, durch eine Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Nimmt ein alleinerziehender Elternteil dies trotz aller Erschwernisse auf sich, entsteht durch Aufwendungen insbesondere für die Kinderbetreuung ein erheblicher Mehrbedarf.
Dieser Mehrbedarf sollte im Fall Alleinerziehender durch einen erhöhten Kinderzuschlag berücksichtigt werden.
Im Rahmen des SGB II führen entsprechende Mehrbedarfe Alleinerziehender bereits zu einer Erhöhung der Leistung (vgl. § 21 Abs. 3 SGB II). Es ist nicht einzusehen warum ein solcher Mehrbedarf im Rahmen des SGB II und des SGB XII - die keine Erwerbstätigkeit voraussetzen - berücksichtigt wird, beim Kinderzuschlag jedoch nicht, obwohl dieser Leistungen nach SGB II und SGB XII ersetzt und obwohl die hier stets gegebene Erwerbstätigkeit diesen Mehrbedarf in besonderer Weise verursacht.
Würde der Kinderzuschlag Alleinerziehende durch den Mehrbedarfszuschlag spürbar entlasten, würden die Erwerbsanreize, die mit dem Kinderzuschlag verbunden sind, auch bei Alleinerziehenden wirksam. Gerade für diese Personengruppe ist es wichtig, wieder ins Arbeitsleben integriert zu werden, um das Armutsrisiko für die Zukunft zu minimieren.