Stellungnahme des Bundesrates
Verfahren eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation

Der Bundesrat hat in seiner 834. Sitzung am 8. Juni 2007 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 (§ 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e VIG)

In Artikel 1 sind in § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe e die Wörter "in der Regel" zu streichen.

Begründung

Ausweislich der Gesetzesbegründung dient die Formulierung "in der Regel" dazu, um in Ausnahmefällen auch Informationen zugänglich zu machen, die vor mehr als fünf Jahren entstanden sind. Vor dem Hintergrund der Zielstellung des Gesetzentwurfs - Lebensmittelskandalen vorzubeugen und diese rasch einzudämmen - ist eine Regelung, welche Anspruch auf Verbraucherinformationen gewährt, die mehr als fünf Jahre zurückreichen, nicht gerechtfertigt. Insbesondere die in der Entwurfsbegründung erwähnten Zeitreihenanalysen gehen über das Ziel des Gesetzentwurfes weit hinaus.

Anfragen, welche bis zu zehn Jahre zurückliegen, führen außerdem zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand, der von der Behörde nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu leisten ist.

2. Zu Artikel 1 (§ 3 Abs. 2a - neu - VIG)

In Artikel 1 ist in § 3 nach Absatz 2 folgender Absatz 2a einzufügen:

Begründung

Der Rechtsgedanke aus § 40 Abs. 2 LFGB (Selbsteintrittsrecht des betroffenen Lebensmittelunternehmers) sollte auch im VIG verankert werden. In der Regel verfügt der Unternehmer in diesem Bereich der Risiken, Eigenschaften und Zusammensetzung seines Produkts über weiter gehende Informationen als die Behörde. Zudem ist es verfassungsrechtlich geboten, dass sich der Staat im Bereich der Privatautonomie Zurückhaltung auferlegt, insbesondere dann, wenn die Privaten das gewünschte Resultat ohne staatliches Zutun bewerkstelligen.

3. Zu Artikel 1 (§ 4 Abs. 1 Satz 3 - neu - VIG)

In Artikel 1 ist in § 4 Abs. 1 nach Satz 2 folgender Satz einzufügen:

Begründung

Die datenschutzrechtliche Norm dient der Transparenz im Auskunftsverfahren auch gegenüber dem betroffenen Unternehmen. Der Unternehmer soll erfahren, wer Informationen über seine Produkte oder ihn erhalten möchte. Auch im Hinblick auf ein Selbsteintrittsrecht des betroffenen Lebensmittelunternehmers, die gewünschte Information zu erteilen, ist diese Reglung notwendig.

4. Zu Artikel 1 (§ 4 Abs. 1 Satz 5 und 6 - neu - VIG)

Dem Artikel 1 § 4 Abs. 1 sind folgende Sätze anzufügen:

Begründung

Die Änderung dient der Verwaltungsvereinfachung und der schnelleren Information der Verbraucher.

Im Hinblick auf das Informationsbedürfnis der Verbraucher, insbesondere bei Öffentlichkeitsresonanz, steht zu befürchten, das gleichartige Anfragen zu verschiedenen Zeitpunkten gestellt werden. Um nicht in jedem Fall das komplexe Verwaltungsverfahren erneut durchführen zu müssen, sollte auf das bereits abgeschlossene Anhörungsverfahren zurückgegriffen werden können.

5. Zu Artikel 1 (§ 4 Abs. 3 Satz 3 VIG)

In Artikel 1 § 4 Abs. 3 Satz 3 sind nach dem Wort "oder" die Wörter "ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat, frühestens aber" einzufügen.

Begründung

Die Änderung erfasst nun auch die Situation, in denen ein Dritter, der von der Entscheidung über den Antrag auf Informationszugang betroffen ist, erfolgreich vorläufigen Rechtsschutz beantragt hat. Der Entwurf regelt nicht ausdrücklich, was passieren soll, wenn zwar eine Anordnung der sofortigen Vollziehung ergangen ist, das Gericht auf Antrag des Dritten aber die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederhergestellt oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben hat. Gewollt ist ersichtlich, dass in einer solchen Situation vorerst kein Informationszugang erfolgt. Der Wortlaut des Entwurfs bringt dies aber nicht hinreichend zum Ausdruck. Die "Schutzfrist" von zwei Wochen, die dem Dritten offenbar eine Überlegungsfrist zu der Frage einräumen soll, ob er einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen will, lässt die Änderung unberührt.

6. Zu Artikel 1 (§ 6 Abs. 1 Satz 2 VIG)

In Artikel 1 § 6 Abs. 1 ist Satz 2 zu streichen.

Folgeänderung:

In Artikel 1 § 6 Abs. 1 Satz 1 sind die Wörter "vorbehaltlich des Satzes 2" zu streichen.

Begründung

§ 6 Abs. 1 Satz 2 VIG-E legt fest, dass der Zugang zu Informationen, welche sich auf Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG-E beziehen, kostenfrei bleiben soll.

Die generelle Kostenfreiheit für den Zugang zu Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG-E verwehrt gerade in dem Bereich, in dem mit dem größten Mehraufwand zu rechnen sein wird, eine Erhebung kostendeckender Gebühren. Dies ginge zu Lasten der Länderhaushalte.

Der Mehraufwand kann derzeit noch nicht beziffert werden. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, den Zugang zu ausgewählten Informationen gänzlich kostenfrei zu stellen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Gemeinden und Gemeindeverbände. Nach der Regelung des Entwurfes wären auch die Länder bei der Erstellung eigener Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 VIG-E an die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG-E gebunden. Im Falle von § 1 Abs. 2 Satz 2 VIG-E (Übertragung der Aufgabe auf die Gemeinden/Gemeindeverbände) wäre die Kostenlast bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden und zöge eine Ausgleichspflicht der Länder nach sich.

Entgegen den im Gesetzentwurf erwähnten Einsparungen ist von einem personellen und materiellen Mehraufwand auszugehen.

7. Zu Artikel 2 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc (§ 40 Abs. 1 Satz 3 LFBG)

Artikel 2 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc ist wie folgt zu fassen:

Begründung

Die Regelung stellt eine Verbesserung des § 40 LFGB, dem Informationsrecht der Behörde zur Gefahrenabwehr, zu Gunsten der Verbraucher dar. Sie trägt dazu bei, schneller Namen von Unternehmen bekannt gegeben zu können, die gegen gesundheitliche Normen des Lebensmittelrechts verstoßen.

Die Abwägungsklausel des § 40 Abs. 1 Satz 3 soll zukünftig nur noch auf die Nummern 3 bis 5 erstreckt werden. Die bestehende Abwägungsklausel wird dem Wertesystem des Grundgesetzes nicht gerecht, wenn gesundheitliche Risiken und Gefahren für den Menschen, deren Schutz die Norm (gegen die verstoßen wurde) eigentlich bezweckt, im Rahmen der behördlichen Abwägung mit wirtschaftlichen Interessen des Rechtsuntreuen verglichen werden müssen. Durch die Änderung hätte der Gesetzgeber per Gesetz bereits eine Interessenabwägung zu Gunsten der Öffentlichkeit auch in den Fällen des bloßen Verstoßes gegen Normen, die dem Schutz vor gesundheitlichen Gefährdungen oder Täuschungen dienen, vorgenommen.

8. Zu Artikel 2 Nr. 3 (§ 42 Abs. 5 Satz 3 LFGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob in § 42 Abs. 5 Satz 3 LFGB-E die Wörter "personenbezogener Daten" zu streichen sind.

Begründung

Nach § 42 Abs. 5 LFGB-E werden die Staatsanwaltschaften verpflichtet, die nach § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB zuständige Behörde über die Einleitung "des Strafverfahrens" - gemeint ist das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren - zu unterrichten. § 42 Abs. 5 Satz 3 LFGB-E schränkt dies nur insoweit ein, als die Weitergabe personenbezogener Daten unterbleiben kann. Allerdings sind Fälle denkbar, in denen schon die bloße Sachmitteilung den Ermittlungszweck gefährdet. Um deutlich zu machen, dass in solchen Fällen die Unterrichtung ganz und nicht nur die Weitergabe personenbezogener Daten unterbleiben kann, wäre die Bezugnahme auf "personenbezogene[...] Daten" in § 42 Abs. 5 Satz 3 LFGB-E zu streichen. Andererseits ist nicht erkennbar, inwiefern die im Gesetzentwurf vorgesehene Mitteilung ohne personenbezogene Daten für die zuständigen Behörden überhaupt von Nutzen sein kann.

Eine entsprechende Änderung würde sich über § 31 Abs. 7 WeinG (Artikel 3 Nr. 2 des Gesetzentwurfs) auch auf das Weingesetz erstrecken.

9. Zu Artikel 2 Nr. 4 und 5 - neu - (§ 44 Abs. 5 - neu -, § 60 Abs. 2 Nr. 22a - neu - LFBG)

In Artikel 2 sind nach Nummer 3 folgende Nummern 4 und 5 anzufügen:

Begründung

Zu Nummer 4 - neu -:

Der Gammelfleischskandal hat gezeigt, dass "schwarzen Schafen" im Bereich der Lebensmittelwirtschaft frühzeitig das Handwerk gelegt werden muss. Hierzu ist es erforderlich, dass die redlichen Lebensmittelunternehmer, sobald sie Kenntnis von unlautereren Machenschaften erhalten, hierüber die zuständigen Behörden unterrichten, damit die notwendigen behördlichen Maßnahmen ergriffen werden können, um zu verhindern, dass der Lieferant das Lebensmittel an einen anderen weniger sorgsamen Lebensmittelunternehmer veräußert.

Auf die Entschließung des Bundesrates zur Optimierung der Lebensmittelsicherheit vom 9. März 2007 (BR-Drucksache 059/07 (PDF) - Beschluss -) wird verwiesen.

Zu Nummer 5 - neu -:

Entsprechender Ordnungswidrigkeitstatbestand bzgl. § 44 Abs. 5, wenn der Lebensmittelunternehmer seiner Mitteilungspflicht nicht wie gesetzlich gefordert nachkommt.

10. Zu Artikel 2 Nr. 6 - neu - (§ 60 Abs. 3 Nr. 4 LFBG)

In Artikel 2 ist nach Nummer 5 - neu - folgende Nummer 6 anzufügen:

Begründung

Die Praxis zeigt, dass es Lebensmittelunternehmer häufig bei einem sog. stillen Rückruf belassen, wenn sie erkennen, dass das Lebensmittel nicht den Anforderungen entspricht. Formal gesehen ist damit das Verfahren nach Artikel 19 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (rechtzeitig) eingeleitet, allerdings nicht vollständig. Das Verfahren nach Artikel 19 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sieht nämlich auch vor, dass die Lebensmittelunternehmer von sich aus zum einen die Behörden darüber zu unterrichten haben und grundsätzlich, wenn das Produkt bereits den Verbraucher erreicht haben könnte, der Verbraucher (ggf. öffentlich) ebenfalls zu unterrichten ist. Gerade aber den aktiven Schritt der Unterrichtung der Öffentlichkeit scheuen die Lebensmittelunternehmer.

11. Zu Artikel 2 Nr. 7 - neu - (§ 60 Abs. 5 LFBG)

In Artikel 2 ist nach Nummer 6 - neu - folgende Nummer 7 anzufügen:

Begründung

Die Erhöhung des Bußgeldrahmens ist angezeigt, um die Abschreckungswirkung, insbesondere bezüglich wirtschaftlicher Vorteile, zu erhöhen. Die bisherigen Bußgeldhöhen sind im Hinblick auch auf die Bußgeldbewehrung anderer Rechtsbereiche nicht mehr zeitgerecht.

12. Zu Artikel 4 Abs. 2 Satz 2 - neu - (Inkrafttretensregelung)

Dem Artikel 4 Abs. 2 ist folgender Satz 2 anzufügen:

Begründung

Die Sperrwirkung des Artikels 72 Abs. 1 GG bewirkt mit Verkündung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation, dass landesrechtliche Regelungen zur Verbraucherinformation unwirksam werden. Da Artikel 1 (Verbraucherinformationsgesetz) aber erst sechs Monate nach Verkündung in Kraft tritt, tritt in Ländern, die bereits eigene Verbraucherinformationsgesetze verabschiedet haben, in der Zwischenzeit eine Schlechterstellung für die Verbraucherschaft ein. Das Hinausschieben der Sperrwirkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens würde diese Schlechterstellung verhindern.

13. Zum Gesetzentwurf insgesamt

Vor diesem Hintergrund ist der Bundesrat der Auffassung, dass das Gesetz spätestens zwei Jahre nach seinem Inkrafttreten evaluiert werden muss. Die Bundesregierung wird gebeten, die Länder in die Evaluierung einzubeziehen und regelmäßig im Rahmen ihrer verbraucherpolitischen Berichterstattung über die Erfahrungen mit dem Verbraucherinformationsgesetz zu berichten, Vorschläge zur Weiterentwicklung zu erarbeiten und das weitere Vorgehen eng mit den Ländern abzustimmen. Im Übrigen bekräftigt der Bundesrat die in seiner 825. Sitzung am 22. September 2006 gefasste Entschließung (BR-Drucksache 584/06 (PDF) - Beschluss -).