Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Berlin, 31. März 2017
Parlamentarischer Staatssekretär
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
der Bundesrat hat am 10. Juli 2015 beschlossen, die Bundesregierung möge sich dafür einzusetzen, dass
- - Patente für klassische Verfahren der Pflanzen- und Tierzucht durch biologische Verfahren und die daraus hervorgegangenen Tiere und Pflanzen Patente auch dann nicht erteilt werden können, wenn zu diesem klassischen Verfahren ein technischer Schritt hinzukommt;
- - die herkömmliche gartenbauliche und land- und forstwirtschaftliche Zuchttätigkeit nicht durch Patentansprüche beeinträchtigt wird; siehe Drucksache 297/15(B)
- - die notwendigen Züchtungsfortschritte zur Anpassung von Nutzpflanzen und Nutztieren an den Klimawandel nicht beeinträchtigt und die Ernährungsgrundlagen gesichert werden;
- - die genetische Vielfalt von Tieren und Pflanzen durch Patente nicht gefährdet wird. Hierfür solle die Richtlinie 98/44/EG (Biopatent-Richtlinie) geändert und diese Änderungen in das Europäische Patentübereinkommen implementiert werden (BR-Drs. 297/15(B) ).
Gerne informiere ich Sie über die Schritte der Bundesregierung, mit denen in der Zwischenzeit der Auffassung des Bundesrates durch eine Klarstellung der Rechtslage auf europäischer Ebene in der Sache weitgehend Rechnung getragen wurde, ohne dass es hierfür einer Änderung der Biopatent-Richtlinie bedurfte.
Ziel der Bundesregierung war und ist es, Sorge dafür zu tragen, dass für aus klassischen Verfahren der Pflanzen- und Tierzucht hervorgegangene Tiere und Pflanzen Patente in Europa nicht mehr erteilt werden können. Intensive Gespräche mit Experten, anderen Mitgliedstaaten, der EU-Kommission und auch mit dem Europäischen Patentamt haben dazu geführt, dass die Kommission in ihrer Mitteilung vom 3. November 2016 die Absicht des europäischen Gesetzgebers bei der Verabschiedung der Biopatent-Richtlinie klargestellt hat. Danach sind Pflanzen und Tiere von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnen wurden. Damit schließt sich die Kommission der Auslegung durch den deutschen Gesetzgeber in § 2a Absatz 1 Nummer 1 des Patentgesetzes an und kommt zugleich zu einem anderen Ergebnis als die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentenamts in den Verfahren G 2/12 (Tomate II) und G 2/13 (Brokkoli II). Die Große Beschwerdekammer hatte in diesen Entscheidungen die Patentierbarkeit von Pflanzen als Erzeugnisse im Wesentlichen biologischer Verfahren bejaht.
Die Bundesregierung begrüßt diese Mitteilung nachdrücklich. Sie hat sich deshalb dafür eingesetzt, dass die Mitteilung auch vom Europäischen Rat bestätigt wird. Es ist deshalb sehr erfreulich, dass die EU-Mitgliedstaaten dies am 20. Februar 2017 auf dem Wettbewerbsfähigkeitsrat durch einstimmigen Beschluss getan haben.
Die Mitteilung hat bereits ihre Wirkung gezeigt: Das Europäische Patentamt hat im Hinblick auf die Mitteilung der Kommission alle Erteilungs- und Einspruchsverfahren betreffend die Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren aus im Wesentlichen biologischen Verfahren ausgesetzt. Die Bundesregierung wird sich in den zuständigen Gremien der Europäischen Patentorganisation weiter aktiv in die weiteren Überlegungen einbringen, um dafür zu sorgen, dass das Europäische Patentamt seine Patenterteilungspraxis ändert und auf der Grundlage des Europäischen Patentüberreinkommens zu demselben Auslegungsergebnis kommt wie die Kommission bei der Auslegung der Biopatent-Richtlinie.
Die Diskussionen auf EU-Ratsebene in Brüssel haben dabei deutlich gemacht, dass die weit überwiegende Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten einer Änderung der Biopatent-Richtlinie und einer Wiedereröffnung der Diskussion auf breiter Ebene ablehnend gegenübersteht. Im Ergebnis wurde mit der Mitteilung der Kommission zur Auslegung der Biopatent-Richtlinie ein in der Sache nahezu gleichwertiges Ergebnis erzielt.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Kelber