947. Sitzung des Bundesrates am 8. Juli 2016
A
Der federführende Verkehrsausschuss (Vk), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat begrüßt den Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes. Er sieht darin einen wichtigen weiteren Schritt zur Umsetzung von Vorschlägen der Länder hin zu einer nachhaltigen Verkehrsinfrastrukturfinanzierung.
- b) Die im Gesetzentwurf vorgesehene Ausweitung ist allerdings angesichts der strukturellen Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur unzureichend. Der Bundesrat hält es vielmehr für sachgerecht und notwendig, bei der Bundesfernstraßenmaut von den nach der Richtlinie 2011/76/EU zulässigen Möglichkeiten zur Ausweitung auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und auf Fernbusse schneller Gebrauch zu machen.
- c) Zudem hält es der Bundesrat für notwendig, auch die Lärmkosten bei der Festlegung der Mauthöhen zu berücksichtigen, um einen Anreiz für die Entwicklung, Beschaffung und Verwendung lärmarmer Fahrzeuge zu schaffen. Er fordert daher die Bundesregierung auf, schnellstmöglich Kostensätze für die Berücksichtigung von Lärm zu erarbeiten und bis Mitte 2017 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.
- d) Schließlich sollte aus Sicht des Bundesrates die Nachrüstung von Euro-IV-Lkw mit Stickoxidminderungssystemen gefördert werden, indem diese nachgerüsteten Fahrzeuge in die Kategorie B aufgenommen werden. Damit ließe sich ein finanzieller Anreiz zur Anschaffung generieren.
Begründung:
Die bestehende Ausnahmeregelung in § 1 Absatz 2 BFStrMG für Lkw von 3,5 bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht und für Kraftomnibusse ist nicht sachgerecht, da auch diese Kraftfahrzeuge in erheblichem Maße Kosten für den Bau, die Unterhaltung und den Betrieb von Bundesstraßen verursachen. Auch um die intermodalen Wettbewerbsbedingungen für Straßen- und Schienenverkehre sukzessive zu harmonisieren, sind alle Lkw sowie die Fernbusse in die Bundesfernstraßenmaut einzubeziehen und an den Kosten für das nachgeordnete Straßennetz verursachergerecht zu beteiligen. Die Liberalisierung des Fernbusverkehrs hat dagegen bereits zu erheblichen Verlagerungen von der Schiene auf den Bus geführt. Angesichts der enormen öffentlichen Mittel für den Ausbau und die Instandhaltung des deutschen Schienennetzes und der vielerorts massiven Überlastungen des Bundesautobahnnetzes sind derartige Verkehrsverlagerungen weder verkehrspolitisch noch wirtschaftlich vertretbar. Es ist Aufgabe des Bundes, die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen so zu stellen, dass das mit öffentlichen Mitteln gebaute und zu unterhaltende Schienennetz des Bundes auch genutzt wird. Vor diesem Hintergrund ist die bestehende Ausnahmeregelung für Kraftomnibusse bei der Maut nicht gerechtfertigt und lediglich auf Linienverkehre im öffentlichen Personennahverkehr zu beschränken. Verkehre mit Kraftomnibussen, die ausschließlich im öffentlichen Personennahverkehr eingesetzt werden, sind von der Maut zu befreien, da diese Verkehre zur Kostendeckung in der Regel von der öffentlichen Hand bezuschusst werden müssen und daher eine weitere Belastung im Sinne des Gemeinwohls kontraproduktiv wäre.
Neben den Luftschadstoffen ist der Verkehr, insbesondere auch der Lkw- und Bus-Verkehr, eine wichtige Quelle für gesundheitsgefährdenden Lärm. Angesichts der andauernden Überschreitung von Lärmwerten der europäischen Umgebungslärmrichtlinie sind weitere Maßnahmen auch zur Reduzierung der Lärmemission von Fahrzeugen notwendig. Hier könnte die Einbeziehung der Lärmkosten in die Mauthöhenberechnung einen Anreiz zur Entwicklung, Beschaffung und Verwendung lärmarmer Lkw bieten.
Die Maut hat sich zudem als ein wirksames Instrument zur beschleunigten Modernisierung der von Mautgebühren betroffenen Fahrzeugflotte erwiesen. Der Modernisierungseffekt auf die Fahrzeugflotte wirkt sich auch direkt in Städten aus, also dort, wo besonders hohe Luftbelastungen auftreten. Auf Grund der in vielen Städten auftretenden Überschreitungen der Luftqualitätsgrenzwerte für Stickstoffdioxid hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Auch die Grenzwerte für die nationalen Emissionshöchstwerte für Stickoxide werden von Deutschland überschritten. Daher ist es erforderlich, alle Maßnahmenpotenziale zu nutzen, um Stickoxidemissionen zu reduzieren. Hierzu gehört auch die Nachrüstung von Lkw und Bussen mit Stickoxidminderungssystemen, die bei Linienbussen bereits erfolgreich durchgeführt wurde. Mit Berücksichtigung einer Nachrüstung bei den Mautsätzen könnte ein wirksamer finanzieller Anreiz geschaffen werden.
2. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a (§ 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 BFStrMG) Buchstabe a1 - neu - (§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BFStrMG)
Artikel 1 Nummer 1 wird wie folgt geändert:
- a) In Buchstabe a sind in § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 nach dem Wort "Güterkraftverkehr" die Wörter "sowie für den Kraftomnibusverkehr" einzufügen.
- b) Nach Buchstabe a ist folgender Buchstabe a1 einzufügen:
'a1) Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 wird wie folgt geändert:
Nach dem Wort "Kraftomnibusse" sind die Wörter "im Öffentlichen Personennahverkehr gemäß § 8 Absatz 1 des Personenbeförderungsgesetzes" einzufügen.
Begründung:*
Die bestehende Ausnahmeregelung für Kraftomnibusse in § 1 Absatz 2 BFStrMG ist nicht sachgerecht, da schwere Kraftfahrzeuge in besonderem Maße Kosten für den Bau, die Unterhaltung und den Betrieb von Bundesstraßen verursachen und dies auf Nutzfahrzeuge im Güterkraftverkehr und im Personenverkehr durch Kraftomnibusse in gleicher Weise zutrifft. Auch um die intermodalen Wettbewerbsbedingungen für Straßen- und Schienenverkehre sukzessive zu harmonisieren, sind Fernbusse in die Bundesfernstraßenmaut einzubeziehen und an den Kosten für das nachgeordnete Straßennetz verursachergerecht zu beteiligen. Denn die Liberalisierung des Fernbusverkehrs hat bereits zu erheblichen Verlagerungen von der Schiene auf den Bus geführt. Angesichts der enormen öffentlichen Mittel für den Ausbau und die Instandhaltung des deutschen Schienennetzes und der vielerorts massiven Überlastungen des Bundesautobahnnetzes sind derartige Verkehrsverlagerungen weder verkehrspolitisch noch wirtschaftlich vertretbar. Es ist Aufgabe des Bundes, die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen so zu stellen, dass das mit öffentlichen Mitteln gebaute und zu unterhaltende Schienennetz des Bundes auch genutzt wird. Vor diesem Hintergrund ist die bestehende Ausnahmeregelung für Kraftomnibusse bei der Maut nicht gerechtfertigt und lediglich auf Linienverkehre im öffentlichen Personennahverkehr zu beschränken. Verkehre mit Kraftomnibussen, die ausschließlich im öffentlichen Personennahverkehr eingesetzt werden, sind von der Maut zu befreien, da diese Verkehre zur Kostendeckung in der Regel von der öffentlichen Hand bezuschusst werden müssen und daher eine weitere Belastung im Sinne des Gemeinwohls kontraproduktiv wäre.
Eine Ausnahmeregelung für die Linienbusse im öffentlichen Personennahverkehr ist überdies gerechtfertigt, weil sie zur Daseinsvorsorge gehören und eine Mautpflicht zu Lasten der kommunalen Aufgabenträger und der Länder gehen würde.
3. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a1 - neu - (§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5, Nummer 6 - neu - BFStrMG)**
In Artikel 1 Nummer 1 ist nach Buchstabe a folgender Buchstabe a1 einzufügen:
'a1) Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt geändert:
- aa) In Nummer 5 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt.
- bb) Folgende Nummer 6 wird angefügt:
"6. landwirtschaftliche Fahrzeuge im geschäftsmäßigen Güterverkehr mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von maximal 40 km/h." '
- *. ist bei Annahme von Ziffer 1 redaktionell zusammenzuführen
- **. ist bei Annahme von Ziffer 2 redaktionell zusammenzuführen
Begründung:
Landwirtschaftliche Fahrzeuge im geschäftsmäßigen Güterverkehr sollten nicht generell der Mautpflicht unterliegen, um mit der Ausweitung der Mautpflicht auf alle Bundesstraßen unverhältnismäßige Bürokratie zu vermeiden. Durch die Begrenzung der Ausnahme auf die beabsichtigte bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h ist nur mit unerheblichen Einnahmeausfällen zu rechnen. Zudem wäre es unverhältnismäßig, wenn derartige, oft nur gelegentliche Fahrten mautpflichtig werden.
4. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe c (§ 1 Absatz 4 und 5 BFStrMG)
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob die Mautpflicht nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung auf genau bezeichnete Abschnitte von anderen als den in Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a des Gesetzentwurfs bezeichneten Straßen auszudehnen ist, wenn dies zur Vermeidung von Mautausweichverkehren, aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs oder wegen ihrer Funktion zur Verknüpfung von Schwerpunkten des weiträumigen Güterkraftverkehrsaufkommens mit dem Bundesfernstraßennetz gerechtfertigt ist.
Begründung:
Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Ausweitung der Mautpflicht auf alle Bundesstraßen besteht die Gefahr von Mautausweichverkehren im nachgeordneten Straßennetz. Insofern verlagert sich zukünftig die bislang in § 1 Absatz 4 und 5 BFStrMG geregelte Möglichkeit zur Ausdehnung der Mautpflicht auf andere als die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Bundesstraßen auf Straßen im nachgeordneten Netz. Die an die Bundesregierung gerichtete Prüfbitte dient dem Ziel, auch weiterhin eine bundeseinheitlich geregelte Bemautung von nicht grundsätzlich mautpflichtigen Straßen zur Vermeidung von Mautausweichverkehren oder aus Gründen der Verkehrssicherheit zu ermöglichen.
Die Einbeziehung von Straßen im nachgeordneten Netz sollte unter dem Vorbehalt einer konsensualen Regelung stehen, das heißt die Einbeziehung sollte nur auf Antrag des jeweils zuständigen Baulastträgers der einzubeziehenden Strecke im nachgeordneten Netz erfolgen. Damit könnte auch dem Anliegen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) Rechnung getragen werden, keine Regelung in den Entwurf aufzunehmen, die zu einem zustimmungspflichtigen Gesetz führt. Die Gründe für die Mautpflicht auf Bundesstraßen gelten gleichermaßen für die durch Lkw-Verkehre hochbelasteten Strecken von logistischen Knotenpunkten des intermodalen oder kombinierten Verkehrs, wie Dienstleistungs- und Logistikparks und Güterverkehrs- und -verteilzentren mit direkter Zuordnung zum Bundesfernstraßennetz.
5. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe c (§ 1 Absatz 4 und 5 BFStrMG)*
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob die Mautpflicht nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung auf genau bezeichnete Abschnitte von anderen als den in Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a des Gesetzentwurfs bezeichneten Straßen auszudehnen ist, wenn dies zur Vermeidung von Luftschadstoffemissionen und infolge dessen zur Verringerung der Luftschadstoffimmissionsbelastung gerechtfertigt ist.
Begründung:
Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Ausweitung der Mautpflicht auf alle Bundesstraßen besteht die Gefahr von Mautausweichverkehren im nachgeordneten Straßennetz. Insofern verlagert sich zukünftig die bislang in § 1 Absatz 4 und 5 BFStrMG geregelte Möglichkeit zur Ausdehnung der Mautpflicht auf andere als die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Bundesstraßen auf Straßen im nachgeordneten Netz. Die an die Bundesregierung gerichtete Prüfbitte dient dem Ziel, auch weiterhin eine bundeseinheitlich geregelte Bemautung von nicht grundsätzlich mautpflichtigen Straßen zur Vermeidung von Luftschadstoffemissionen zu ermöglichen.
6. Zu Artikel 1 Nummer 9 (§ 11 Absatz 3 Satz 3 - neu - BFStrMG)
In Artikel 1 Nummer 9 ist in § 11 Absatz 3 nach Satz 2 folgender Satz einzufügen:
"Abweichend von Satz 2 kann das auf Ortsdurchfahrten angefallene Mautaufkommen auch für die Verbesserung des Schutzes der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen verwendet werden."
- *. ist bei Annahme von Ziffer 4 redaktionell zusammenzuführen
Begründung:
Durch die Ausweitung auf Bundesstraßen werden auch Mauteinnahmen für die Nutzung von Ortsdurchfahrten entstehen. Durch die Ergänzung soll den Kommunen die Möglichkeit eröffnet werden, diese Mittel auch für den Schutz der Anwohner zu verwenden.
B
- 7. Der Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.