Niedersächsischer Ministerpräsident Hannover, 18. Juni 2019
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Niedersächsische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates: Einführung eines verpflichtenden Labels sowie einer Herkunftskennzeichnung im Rahmen des Tierwohlkennzeichengesetzes zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 979. Sitzung des Bundesrates am 28. Juni 2019 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Weil
Entschließung des Bundesrates: Einführung eines verpflichtenden Labels sowie einer Herkunftskennzeichnung im Rahmen des Tierwohlkennzeichengesetzes
- 1 Der Bundesrat sieht die Einführung eines staatlichen Tierwohllabels als einen ersten Schritt, da viele Verbraucherinnen und Verbraucher sich eine Kennzeichnung für Lebensmittel, die Auskunft über das Tierwohl bei der Haltung, dem Transport und der Schlachtung von Nutztieren gibt, wünschen.
- 2 Der Bundesrat stellt allerdings fest, dass ein freiwilliges Label weder geeignet ist, eine hohe Marktdurchdringung zu erzielen noch Märkte außerhalb des Lebensmitteleinzelhandels umfassend zu erreichen. Zudem konstatiert der Bundesrat, dass ein freiwilliges Label die Chancen, die Aufwendungen für mehr Tierwohl am Markt zu realisieren, mindert und darüber hinaus einen erheblichen logistischen Aufwand für die Abnehmerseite verursacht.
- 3 Der Bundesrat ist sich des Verbrauchwunsches nach einer verpflichtenden Vollkennzeichnung unter Einbeziehung mehrerer Tierwohlkritierien sowie nach Kenntnis der Herkunft von Lebensmitteln tierischen Ursprungs bewusst. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die möglichst zeitnahe Einführung eines verpflichtenden Labels unter Einbeziehung einer Herkunftskennzeichnung im Rahmen des Tierwohlkennzeichengesetzes.
- 4 Der Bundesrat ist sich der Notifizierungspflicht eines verpflichtenden Labels sowie der Herkunftsbezeichnung durch die EU-Kommission und die World Trade Organization (WTO) bewusst und fordert die Bundesregierung daher auf, unverzüglich entsprechende Arbeitsschritte einzuleiten.
- 5 Der Bundesrat bittet nachdrücklich darum, die Tierhaltungskennzeichnung des Lebensmitteleinzelhandels und die zukünftige staatliche Tierwohlkennzeichnung möglichst weitgehend aufeinander abzustimmen, um den größtmöglichen Effekt für die Tiere, die Tierhalter und die Verbraucherinnen und Verbraucher zu erzielen und die derzeitigen Zeichennehmer der Initiative Tierwohl auch zukünftig einzubinden.
- 6 Der Bundesrat hält die flankierende Einführung eines Finanzierungsmodells, das eine angemessene Unterstützung der Zeichennehmer aufgrund ihres erforderlichen Mehraufwands zugunsten eines höheren Tierwohlniveaus sicherstellt, für unabdingbar.
- 7 Insbesondere vor dem Hintergrund bestehender Zielkonflikte zwischen Tierwohlmaßnahmen und verschiedenen umwelt- und bauplanungsrechtlichen Regelungen ist der Bundesrat der Auffassung, dass das staatliche Tierwohllabel nur als Teil einer Gesamtstrategie für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung gut funktioniert. In diesem Zusammenhang bekräftigt der Bundesrat seinen Beschluss vom 10. Februar 2017, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, verschiedene Schritte zur Entwicklung einer ressortübergreifenden und mit den Tierschutzstrategien der Länder abgestimmten nationalen Nutztierstrategie einzuleiten.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich eine Kennzeichnung für Lebensmittel, die Auskunft über das Tierwohl bei der Haltung, dem Transport und der Schlachtung von Nutztieren gibt. Der Bund hat dazu im Juni 2018 den Entwurf eines Tierwohlkennzeichengesetzes in Form eines Einspruchsgesetzes vorgelegt, das verbindliche Kriterien für Produkte tierischen Ursprungs vorsieht, die über die bereits bestehenden gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung des Tierwohls hinausgehen. Die Verwendung des Tierwohlkennzeichens ist freiwillig; sie wird jedoch an die Erfüllung bestimmter Anforderungen an die Haltung, den Transport und die Schlachtung von Tieren, von denen Lebensmittel gewonnen werden, geknüpft. Diese Anforderungen sollen durch auf Grundlage des Tierwohlkennzeichengesetzes zu erlassende Rechtsverordnungen detailliert festgelegt und ihre Einhaltung regelmäßig überprüft werden.
Da auf dem deutschen Markt bereits diverse privatwirtschaftliche Kennzeichen für Lebensmittel existieren, ist die derzeitige Kennzeichnung von Lebensmitteln tierischer Herkunft sehr heterogen. Dies führt zu Intransparenz und Unübersichtlichkeit und in der Folge zur Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher, so dass mit einer staatlich geregelten Kennzeichnung von Lebensmitteln tierischer Herkunft die Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher aufgegriffen, die Landwirte unterstützt und das Tierwohl in der Nutztierhaltung verbessert werden können.
Der Bund geht davon aus, dass die Mehraufwendungen der Erzeuger durch die am Markt erzielbaren Preise kompensiert bzw. honoriert werden. Ob und inwieweit diese Annahme zutreffend ist, ist ungewiss; in jedem Fall wird ein verpflichtendes Label eher als eine freiwillige Kennzeichnung in der Lage sein, die erforderliche Mehrzahlungsbereitschaft im Markt zu mobilisieren. Die Einführung des Labels soll mit 70 Mio. Euro für Werbemaßnahmen unterstützt werden.
Das Tierwohlkennzeichengesetz des Bundes ist in seiner jetzigen Form ein wichtiger erster Schritt, dem jedoch möglichst zeitnah weitere Schritte folgen müssen. Dies betrifft insbesondere die Freiwilligkeit des Labels sowie das Fehlen einer Herkunftsbezeichnung, die dazu beitragen, dass
- - die Abnehmerseite und die Verarbeitung mit einem deutlichen erhöhten logistischen Aufwand belastet werden,
- - die Aufwendungen der Erzeuger für mehr Tierwohl am Markt nur unzureichend realisiert werden können,
- - Absatzkanäle außerhalb des Lebensmitteleinzelhandels wie z.B. Gastronomie, Großküchen, Außer-Haus-Verkäufe und der Conveniencebereich nur unzureichend eingebunden werden,
- - dem Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich lt. Umfragen überwiegend (81%) für eine verpflichtende Vollkennzeichnung unter Rückgriff auf mehrere Tierwohlindikatoren aussprechen (Gutachten Spiller/Zühlsdorf im Auftrag von Greenpeace), nicht nachgekommen wird .
- - dem Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Angaben zur Herkunft von Lebensmitteln tierischen Ursprungs nicht Rechnung getragen wird und
- - eine umfassende Marktdurchdringung nicht in dem Maße erreicht wird, wie dies bei einem verpflichtenden Label möglich wäre.
Zudem ist festzustellen, dass das staatliche Tierwohllabel und der bereits etablierte Haltungskompass des Lebensmitteleinzelhandels wenig kompatibel sind und somit nicht nur auf größtmögliche Effekte für die Tiere, die Tierhalter und die Verbraucherinnen und Verbraucher verzichtet wird, sondern auch ein Großteil der aktuell bereits sehr zahlreichen Zeichennehmer der Initiative Tierwohl nicht mitgenommen werden kann. Darüber hinaus erscheint es fraglich, dass die Mehraufwendungen für mehr Tierwohl in vollem Umfang am Markt realisiert werden können. Soweit dies nicht der Fall ist, ist eine finanzielle Förderung potentieller Zeichennehmer dringend erforderlich.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen sollten daher in einem Entschließungsantrag folgende Punkte gefordert werden:
- - die zeitnahe Einführung eines verpflichtenden Labels inkl. Herkunftsbezeichnung,
- - die unverzügliche Aufnahme der Verhandlungen mit WTO und EU-Kommission,
- - die Abstimmung des staatlichen Tierwohllabels mit dem Haltungskompass des Lebensmitteleinzelhandels,
- - die finanzielle Förderung potentieller Zeichennehmer, speziell mit Blick auf erforderlich werdende Investitionen und
- - die Entwicklung einer ressortübergreifenden und mit den Tierschutzstrategien der Länder abgestimmten nationalen Nutztierstrategie einzuleiten.