Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen
(Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG)

Der Bundesrat hat in seiner 958. Sitzung am 2. Juni 2017 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa (§ 1 Absatz 4 Nummer 1 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa ist in § 1 Absatz 4 Nummer 1 das Wort "oder" durch das Wort "und" zu ersetzen.

Begründung:

Jungen Menschen soll eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eröffnet werden. Mit der Formulierung in § 1 Absatz 4 Nummer 1 SGB VIII "oder" wird der Zugang zur gleichberechtigten Teilhabe relativiert und bliebe hinter den Regelungen der UNBehindertenrechtskonvention zurück, vergleiche unter anderem § 26 der UNBehindertenrechtskonvention.

2. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 8 Absatz 3 Satz 1 SGB VIII)

Artikel 1 Nummer 4 ist wie folgt zu fassen:

Begründung:

Der uneingeschränkte Rechtsanspruch auf niedrigschwellige Beratung für Kinder und Jugendliche als einem von den Eltern unabhängigen Anspruch ist eigenständig auszugestalten. Zur weiteren Stärkung dieser eigenständigen Position ist die bisher regelmäßig vorgesehene Information der Eltern über die erfolgte Beratung mit Ausnahme einer dadurch hervorgerufenen Kindeswohlgefährdung ebenfalls zu streichen. Die Interessensabwägung zwischen der Wahrung der Vertraulichkeit für das Kind in Hinblick auf intime Informationen und der Kenntnis der Sorgenberechtigten bezüglich der vorgenommenen Beratung stellt einen wichtigen Baustein für den Prozess der Be- und Erarbeitung eines Hilfe- und Schutzkonzeptes zur Konfliktbewältigung innerhalb der Familie dar. Damit wird eine weitere mögliche Hürde für die Inanspruchnahme abgebaut.

3. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 8a Absatz 1 und Absatz 1

Artikel 1 Nummer 5 ist wie folgt zu fassen:

'5. § 8a wird wie folgt geändert:

Begründung:

Eine fachlich angemessene und geeignete Einbindung der Personen, die gemäß § 4 KKG Meldungen an das Jugendamt bei Verdacht auf eine vorliegende oder drohende Kindeswohlgefährdung abgeben, ist im Sinne des Kinderschutzes grundsätzlich wünschenswert, aber in erster Linie durch dialogische Prozesse in den Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen in den Kommunen sicherzustellen. Die Wahrnehmung des Beratungsanspruches gemäß § 4 Absatz 3 KKG bietet hierfür zudem einen geeigneten und regelhaft vorgesehenen Rahmen.

Eine einseitige Verpflichtung des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) zu einer Einbeziehung von meldenden Berufsgeheimnisträgern ist im Sinne des Kinderschutzes nicht zielführend, da meldende Berufsgeheimnisträger in einer Vielzahl der Fälle eine Meldung mit der Absicht vornehmen, die Verantwortung in das Jugendhilfesystem abzugeben. Auch wenn die beabsichtigte Formulierung "in geeigneter Weise" einen Handlungsspielraum belässt und auch wenn in der Praxis in vielen Fällen die ASD-Fachkräfte aus fachlichen Gesichtspunkten Meldepersonen ohnehin beteiligen, so wird doch der ASD stärker und einseitig in eine gesetzlich definierte Pflicht genommen. Es besteht die Gefahr einer überflüssigen und fachlich wenig hilfreichen Verfahrensformalisierung.

Dem Wunsch der Berufsgeheimnisträger nach regelhafter Information durch das Jugendamt wird mit der im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelung in § 4 Absatz 4 KKG ausreichend entsprochen.

4. Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 9a Satz 2 - neu - SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 7 ist dem § 9a folgender Satz anzufügen:

"Ombudsstellen oder vergleichbare Strukturen arbeiten unabhängig und sind fachlich nicht weisungsgebunden."

Begründung:

Um eine vertrauensvolle und ordnungsgemäße Aufarbeitung der mitunter komplexen Fallkonstellationen zu gewährleisten, einen niederschwelligen Zugang für die betroffenen Kinder und Jugendlichen und deren Familien sowie die Akzeptanz der Arbeit der Ombudsstellen oder vergleichbaren Strukturen sicherzustellen, ist es wichtig, dass Ombudsstellen unabhängig und fachlich nicht weisungsgebunden sind. Dies ist in § 9a SGB VIII zu normieren.

5. Zu Artikel 1 Nummer 7a - neu - (§ 10 Absatz 3 Satz 2 SGB VIII)

In Artikel 1 ist nach Nummer 7 folgende Nummer 7a einzufügen:

Begründung:

Die Änderung nimmt Maßnahmen gemäß § 16h SGB II (Förderung schwer zu erreichender junger Menschen) in den Katalog derjenigen Maßnahmen auf, die Leistungen nach dem SGB VIII vorgehen sollen. Die erst mit Wirkung zum 1. August 2016 in Kraft getretene Vorschrift des § 16h SGB II reiht sich systematisch in die bereits in der Verweisung aufgeführten §§ 14 bis 16g SGB II ein. Dass der den Vorrang bestimmter SGB II-Leistungen regelnde § 10 Absatz 3 SGB VIII nicht auf § 16h SGB II verweist, ist ein Versehen.

§ 10 Absatz 3 SGB VIII ist deshalb entsprechend zu ergänzen.

6. Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 13 Absatz 3 Satz 1 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 8 sind in § 13 Absatz 3 Satz 1 nach den Wörtern "Angebot nach Absatz 2" die Wörter "oder an einer schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahme oder bei der beruflichen Eingliederung" einzufügen.

Begründung:

Der geltende § 13 Absatz 3 Satz 1 SGB VIII sieht das Angebot der Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen für alle jungen Menschen vor, die an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen teilnehmen sowie bei der beruflichen Eingliederung.

§ 13 Absatz 3 KSJG beschränkt diese Hilfe auf jene junge Menschen, die Leistungen gemäß § 13 Absatz 2 SGB VIII erhalten. Damit gehören nur noch diejenigen jungen Menschen zur Zielgruppe des Jugendwohnens, die Unterstützung in sozialpädagogisch begleiteten Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Rahmen der Jugendhilfe erhalten. Schülerinnen und Schülern sowie Teilnehmenden an Angeboten aus den Rechtskreisen des SGB II und SGB III wäre das Jugendwohnen ebenso verwehrt wie Auszubildenden mit Bedarf an sozialpädagogisch betreutem Wohnen.

Damit wird der in der Gesetzesbegründung zu Artikel 1 Nummer 8 formulierte Anspruch, das Jugendwohnen als Leistung der Jugendsozialarbeit zu stärken, konterkariert. Vielmehr würde diese Leistung der Jugendsozialarbeit eingeschränkt. Dabei wird verkannt, dass ein individueller Bedarf nach sozialpädagogisch betreutem Wohnen auch dann vorhanden sein kann, wenn der junge Mensch andere Unterstützung als solche nach § 13 Absatz 2 SGB VIII erhält.

7. Zu Artikel 1 Nummer 15 Buchstabe b - neu - (§ 27 Absatz 2 Satz 3 SGB VIII)

Artikel 1 Nummer 15 ist wie folgt zu fassen:

'15. § 27 Absatz 2 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Folgeänderung im Kontext zur Änderung von § 38 SGB VIII.

8. Zu Artikel 1 Nummer 18 (§ 36a Absatz 1 und Absatz 5 Satz 1 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 18 ist § 36a wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

In § 36a Absatz 1 SGB VIII wird geregelt, dass in Ergänzung der in § 36 SGB VIII geregelten Planungsgegenstände eine Perspektivklärung hinsichtlich der Dauer der Unterbringung erfolgen soll. Maßgebliches Kriterium ist nach der Gesetzesbegründung das kindliche Zeitempfinden; hiernach soll bereits zu Beginn des Leistungsprozesses, also bei Aufstellung des ersten Hilfeplans prognostiziert werden, ob die Leistung zeitlich befristet oder auf Dauer angelegt sein soll.

Da die im Gesetz geforderte Prognose nicht in allen Fällen möglich ist, ist der Wortlaut dahin gehend zu ändern, dass Gegenstand der Hilfeplanung vor und während stationärer Leistungen in Ergänzung der Planungsgegenstände nach § 36 SGB VIII die Perspektivklärung ist, ob die Leistung voraussichtlich zeitlich befristet sein oder eine auf längere Zeit oder auf Dauer angelegte Lebensform bieten soll. Damit wird auch die Prozesshaftigkeit der Hilfeplanung berücksichtigt.

Zu Buchstabe b:

§ 36a Absatz 5 SGB VIII fordert, dass die regelmäßige Überprüfung des Hilfeplans an einem im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen vertretbaren Zeitraum auszurichten ist. Diese Norm sollte gestrichen werden, da die Wendung "vertretbarer Zeitraum" einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt, der zu Unklarheiten führt. Die Gesetzesbegründung empfiehlt eine häufigere Überprüfung in den Zeiträumen zwischen vier bis sechs Wochen zu Beginn einer Maßnahme und im Zeitraum von drei bis maximal sechs Monaten bei einer bestehenden Maßnahme. Zum einen ist nicht in allen Fällen eine Überprüfung in der Häufigkeit notwendig, zum anderen zieht eine häufigere Überprüfung gegebenenfalls personellen Mehrbedarf nach sich. Die bestehende Regelung in § 36 Absatz 2 SGB VIII, die besagt, dass eine regelmäßige Überprüfung notwendig ist, ist ausreichend. Über den Bedarf im Einzelfall kann das Jugendamt entscheiden.

9. Zu Artikel 1 Nummer 18 (§ 36a Absatz 4 Satz 2 und Absatz 4a - neu - SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 18 ist § 36a wie folgt zu ändern:

Begründung:

Durch die Änderung wird eine übereinstimmende Absatznummerierung zwischen Gesetzentwurf und Begründung (vgl. BR-Drucksache 314/17 (PDF) , Seiten 50 bis 52, Begründung zu Nummer 18 zu § 36a - neu -) erzielt.

10. Zu Artikel 1 Nummer 18 (§ 37 Absatz 2 Satz 1 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 18 sind in § 37 Absatz 2 Satz 1 die Wörter "Inhaber der Personensorge" durch die Wörter "Inhaber der elterlichen Sorge" sowie das Wort "Vertretungsmacht" durch das Wort "Entscheidungsbefugnis" zu ersetzen.

Begründung:

§ 37 Absatz 2 SGB VIII regelt, dass die Beteiligten das Jugendamt einschalten sollen, wenn der Inhaber der Personensorge durch eine Erklärung nach § 1688 Absatz 3 Satz 1 BGB die Vertretungsmacht der Pflegeperson soweit einschränkt, dass dies eine dem Kindeswohl förderliche Entwicklung nicht mehr ermöglicht oder es sonstige Meinungsverschiedenheiten gibt.

Aufgrund der Bezugnahme auf § 1688 Absatz 3 Satz 1 BGB sollte auch der dort verwandte Begriff "Inhaber der elterlichen Sorge" in § 37 Absatz 2 SGB VIII verwendet werden. Darüber hinaus sollte der Begriff der "Vertretungsmacht" in "Entscheidungsbefugnis" geändert werden, da § 1688 BGB die Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson regelt und insofern auch dieser Begriff beibehalten werden sollte.

11. Zu Artikel 1 Nummer 18 (§ 38 Absatz 2 Nummer 4 zweiter Halbsatz - neu - SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 18 ist in § 38 Absatz 2 Nummer 4 der Punkt am Ende durch ein Semikolon zu ersetzen und folgender Halbsatz ist anzufügen:

"nach Beendigung der Auslandsmaßnahme erhält die erlaubniserteilende Behörde eine Mitteilung über die Qualität der Maßnahme sowie eventuelle Missstände."

Begründung:

Die Mitteilung über die Qualität der Maßnahme sowie eventuelle Missstände in der Auslandsmaßnahme soll es der erlaubniserteilenden Behörde ermöglichen, Jugendämter, die eine Auslandsmaßnahme planen, beraten zu können.

Ohne diese Ergänzung würde die Regelung des § 38 Absatz 2 Nummer 4 SGB VIII ins Leere laufen, da die erlaubniserteilende Stelle keine Betriebserlaubnis für Auslandsmaßnahmen erteilt und kein Prüfrecht im Ausland besitzt.

12. Zu Artikel 1 Nummer 18a - neu - (§ 42 Absatz 4 Satz 2 - neu - SGB VIII)

In Artikel 1 ist nach Nummer 18 folgende Nummer 18a einzufügen:

Begründung:

Das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher sieht keine Möglichkeit vor, die Zuweisung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers oder einer unbegleiteten minderjährigen Ausländerin in ein anderes Land bzw. eine andere Kommune, beispielsweise im Zuge einer Familienzusammenführung, zu ändern. Mit der Ergänzung in § 42b Absatz 4 SGB VIII wird festgelegt, dass der Vormund die Änderung der Zuweisung beim Bundesverwaltungsamt bzw. der zuständigen Landesstelle beantragen kann, wenn es zur Gewährleistung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen dient. Das Bundesverwaltungsamt bzw. die zuständige Landesstelle haben dann eine Änderung der Verteilung vorzunehmen.

13. Zu Artikel 1 Nummer 19 Buchstabe b Doppelbuchstaben bb1 - neu - (§ 45 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 19 Buchstabe b ist nach Doppelbuchstabe bb folgender Doppelbuchstabe bb1 einzufügen:

"bb1) Die bisherige Nummer 2 wird Nummer 3"

Begründung:

Hierdurch wird ein Redaktionsversehen korrigiert. Durch die Änderung bleibt die bisherige Regelung in § 45 Absatz 2 Nummer 2 SGB VIII Regelungsbestand.

14. Zu Artikel 1 Nummer 20 (§ 45a SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 20 sind in § 45a nach den Wörtern "Zweck der" die Wörter "nicht nur einmaligen" einzufügen.

Begründung:

Der Begriff der Einrichtung sollte über den neuen § 45a SGB VIII nicht für Angebote gelten, die nur einmalig für das jeweilige Kind oder den jeweiligen Jugendlichen nachgefragt werden (wie zum Beispiel die Kaufhausbetreuung).

Sollte die Kaufhausbetreuung künftig als Einrichtung zu genehmigen sein, würde der bürokratische Aufwand für den überörtlichen und den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erheblich steigen, ohne dass deutlich wird, inwiefern hierdurch der Kinderschutz gefördert wird.

15. Zu Artikel 1 Nummer 20 (§ 45a SGB VIII)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen, dass von § 45a SGB VIII auch Einrichtungen erfasst werden, in denen Kinder und Jugendliche gemeinsam mit einem Elternteil untergebracht sind.

Begründung:

Die Legaldefinition der Einrichtung berücksichtigt nur Fälle, in denen Kinder und Jugendliche ohne ihre Eltern in Einrichtungen untergebracht sind. Bei Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche gemeinsam mit einem Elternteil untergebracht sind, ist das Merkmal "außerhalb ihrer Familie" nicht erfüllt. Auch solche Einrichtungen sollten aber der Aufsicht unterliegen und Zugänge zur den Leistungsangeboten haben (zum Beispiel Einrichtungen nach § 19 SGB VIII für minderjährige Mütter oder Väter und deren Kinder).

16. Zu Artikel 1 Nummer 21 (§ 46 Absatz 3 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 21 ist § 46 Absatz 3 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die Befragung von Kindern und Jugendlichen muss zur Sicherstellung des Kinderschutzes auch weiterhin ohne Zustimmung der Personensorgeberechtigten möglich sein. Die Verknüpfung der Befugnis der Heimaufsicht für Gespräche mit den Kindern und Jugendlichen an das Einverständnis der Personensorgeberechtigten steht der Intention der Weiterentwicklung der §§ 45 ff. SGB VIII entgegen, da diese auf eine Stärkung der Rechte der aufsichtführenden Stellen abstellt. Durch die geplante Änderung in § 46 Absatz 3 SGB VIII wird jedoch das Gegenteil erreicht.

Mit der Einschränkung in § 46 Absatz 3 SGB VIII werden die präventiven Handlungsmöglichkeiten der Heimaufsicht erheblich beeinträchtigt und es bedeutet für die Praxis eine Verschlechterung der derzeitigen Situation.

Bei den Ortseinsichten geht es nicht darum, mit den Kindern über ihre familiäre Situation und den Grund für die Heimunterbringung zu sprechen, sondern stichprobenartig darum, wie es ihnen in der Einrichtung ergeht und wie ihr Alltagsleben dort verläuft. Die Gespräche mit den Kindern ergeben sich meist während der Besichtigung der Zimmer und anderer Wohnräume, oder es sind Gespräche mit einzelnen Mitgliedern des Heimrates.

Häufig wollen Kinder auch von sich aus mit der Heimaufsicht sprechen. Aus diesen Gesprächen ergeben sich vielfach Anhaltspunkte und Themen, die mit den Verantwortlichen der Gruppe und der Einrichtung besprochen werden müssen. Um effektiv zu sein, muss die Heimaufsicht die Möglichkeit, mit den anwesenden Kindern unbefangen sprechen zu können, weiter nutzen können. Erst das Einverständnis der Eltern einzuholen, ist in diesen Situationen ohnehin nicht möglich.

Es ist widersinnig, einerseits in § 9a SGB VIII externe Beschwerdemöglichkeiten zu schaffen, die für Kinder immer eine relativ hohe Schwelle darstellen, andererseits aber die niedrigschwellige Möglichkeit, mit der Heimaufsicht direkt in Gespräch zu kommen, praktisch zu unterbinden.

17. Zu Artikel 1 Nummer 23 (§ 48b SGB VIII)

Artikel 1 Nummer 23 ist zu streichen.

Folgeänderung:

Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe g ist zu streichen.

Begründung:

Mit Artikel 1 Nummer 23 des Gesetzentwurfs wird ein neuer § 48b SGB VIII eingeführt. Dieser sieht umfangreiche Verpflichtungen für Träger von nicht betriebserlaubnispflichtigen (und selbstverwalteten) Einrichtungen der offenen Jugendarbeit in Bezug auf Meldepflichten, Schutzkonzepte und erweiterte Führungszeugnisse vor. Insbesondere mit Blick auf die Träger, bei denen ausschließlich neben- oder ehrenamtliches Personal tätig ist und die keine öffentliche Förderung erhalten, sind erhebliche Umsetzungsprobleme in der Praxis (unter anderem ein sehr hoher bürokratischer Aufwand) zu befürchten. Selbstorganisationsprozesse in den genannten Bereichen würden behindert werden oder sogar zum Erliegen kommen. Dies steht in keinem Verhältnis zu der durch den Gesetzentwurf angestrebten, aber ungewissen Verbesserung des Kinderschutzes. Der beabsichtigte Lückenschluss kann so nicht erreicht und die ohnehin schwierige Gewinnung von ehrenamtlich Tätigen zur Sicherstellung der wichtigen Angebote der Jugendarbeit würde weiter erschwert werden.

Darüber hinaus wird auch der bürokratische Aufwand für die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erheblich steigen, ohne dass deutlich wird, inwiefern hierdurch unmittelbar der Kinderschutz gefördert wird. Außerdem ist unklar, welche Einrichtungen der offenen Jugendarbeit wann und wie oft zu überprüfen bzw. zu kontrollieren sind.

Mit der Streichung von Artikel 1 Nummer 23 wird die in Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe g vorgesehene Änderung der Inhaltsübersicht überflüssig und ist daher als Folgeänderung zu streichen.

18. Zu Artikel 1 Nummer 24 (§ 50 Absatz 2 Satz 2 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 24 ist in § 50 Absatz 2 der Satz 2 zu streichen.

Begründung:

Durch die Neuregelung des § 50 Absatz 2 SGB VIII werden die Jugendämter verpflichtet, in Kinderschutzverfahren sowie Verfahren zum Erlass oder Aufhebung einer (Dauer-) Verbleibensanordnung sowie Unterbringungssachen den Hilfeplan vorzulegen.

Diese Vorschrift verstößt gegen den Sozialdatenschutz und ist daher in dieser Form abzulehnen. Die in den Hilfeplänen enthaltenen Informationen sind zweifelsohne Sozialdaten im Sinne der § 35 SGB I, §§ 67 bis 85a SGB X und §§ 61 bis 68 SGB VIII. Insbesondere Angaben zur Vorgeschichte, der Hilfe vorangegangenen Therapien und gegebenenfalls gescheiterte Unterstützungsangebote der Eltern finden sich hierin, die sensible Daten darstellen.

Die Verpflichtung zur Einreichung des Hilfeplans verstößt gegen den sozialdatenrechtlichen Grundsatz der Zweckbindung. Hiernach dürfen Daten nur zu dem Zweck weitergegeben werden, zu dem sie erhoben wurden. Die Datensammlung zum Zwecke der Hilfeplanung dient einem anderen Erhebungszweck als die Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren. Daher bedarf die Weitergabe dieser Daten gemäß § 65 Absatz 1 Satz 1 SGB VIII grundsätzlich der Einwilligung des Betroffenen. Eine Ausnahme statuiert § 65 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB VIII in Fällen von Mitteilungen nach § 8a SGB VIII beim Verdacht auf Kindeswohlgefährdung zwecks Erhalt einer Entscheidung zur weiteren Gewährung von Leistungen. Jugendämter haben bereits heute die Möglichkeit, bei Einverständnis aller Betroffenen oder beim

Verdacht auf Kindeswohlgefährdung einen Hilfeplan oder Teile des selbigen einzureichen. Eine Verpflichtung zur Vorlage des Hilfeplans ist daher nicht notwendig.

Nach der Gesetzesbegründung soll die Vorlage des Hilfeplans weitergehende Erkenntnisse im Rahmen der durch das Familiengericht vorzunehmenden Verhältnismäßigkeit bieten. Allerdings kann man davon ausgehen, dass bei der Erarbeitung einvernehmlicher Lösungen zwischen den Eltern und dem Jugendamt in der Regel keine kindeswohlgefährdende Situation vorliegt, bei der die Vorlage des Hilfeplans Einfluss auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Gerichts hat. Und auch in den strittigen Fällen fertigen die Jugendämter Stellungnahmen, in denen sie den Inhalt der jeweiligen Hilfeplanung darstellen.

Die Frage, ob eine Verpflichtung zur Vorlage des Hilfeplans im familiengerichtlichen Verfahren besteht wurde in der juristischen Literatur bislang kontrovers diskutiert (dafür: Schmid-Obkirchner in Wiesner, § 36 Rn. 87; dagegen: Trenck in Frankfurter Kommentar § 50/Rn. 29). Der vorliegende Gesetzentwurf blendet die gegenteilige Auffassung in der juristischen Literatur somit gänzlich aus.

19. Zu Artikel 1 Nummer 26 Buchstabe a (Überschrift zu § 58a SGB VIII), Buchstabe b (§ 58a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und Satz 3 SGB VIII) und Buchstabe c (§ 58a Absatz 2 Satz 1a - neu - SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 26 ist § 58a wie folgt zu ändern:

Folgeänderung:

In Artikel 1 Nummer 1 ist Buchstabe h zu streichen.

Begründung:

Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Erweiterung des Sorgeregisters bzw. die Erweiterung der Auskunft nach § 58a SGB VIII führt durch die "Hintertür" ein Sorgerechtsregister für Kinder von zum Zeitpunkt ihrer Geburt nicht verheirateten Müttern ein, indem dort neben der Abgabe von Sorgeerklärungen und der gerichtlichen Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch gerichtliche Entscheidungen zum teilweisen oder vollständigen Entzug der elterlichen Sorge der Mutter erfasst werden sollen. Eine Begründung für eine derartige Ausweitung ist nicht erkennbar, insbesondere nicht im Hinblick auf die Ungleichbehandlung gegenüber Vätern und miteinander verheirateten Eltern, für die ein solches zentrales Sorgerechtsregister nicht existiert. Das Argument, die - ohnehin beschränkte - Aussagekraft der Bescheinigung über die Alleinsorge der nicht mit dem Vater ihres Kindes verheirateten Mutter werde durch die vorgesehene Erweiterung gestärkt, vermag in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen. Nach derzeitiger Rechtslage erfolgt eine Eintragung in das Sorgeregister, wenn Sorgeerklärungen abgegeben wurden oder den Eltern die Sorge zum Teil oder vollständig gemeinsam gerichtlich übertragen wurde. Nach dem geltenden Gesetzeswortlaut beschränkt sich die auf Antrag der Mutter auszustellende Bescheinigung auf die Aussage, dass keine Eintragungen im Sorgeregister vorliegen. So kann das Register in der Tat zu irreführenden und potenziell missbräuchlich zu verwendenden Auskünften führen: Hat beispielsweise eine Mutter, die zum Zeitpunkt der Geburt unverheiratet war, später den Vater ihres Kindes geheiratet, kann sie durchaus eine Bescheinigung über das Nichtvorliegen von Eintragungen im Sorgeregister erhalten. Erkenntnisse darüber, dass solche Bescheinigungen in Fällen wie dem geschilderten oder bei (Teil)-Entzug der elterlichen Sorge der Mutter missbräuchlich verwendet werden oder, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs argumentiert wird, in größerem Umfang zu Unsicherheiten im Rechtsverkehr führen, sind hier nicht vorhanden. Die vorgeschlagene Ergänzung in Absatz 2 kann dem jedenfalls vorbeugen.

Die Ergänzung in § 58a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB VIII soll sicherstellen, dass im Sorgeregister ausschließlich bestandskräftige Entscheidungen dokumentiert werden.

Die Aufhebung von § 58a Absatz 1 Satz 3 SGB VIII ist erforderlich, da Artikel 224 § 2 Absatz 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) mit Ablauf des 19. Mai 2013 nicht mehr gültig ist und somit keine Sorgeerklärungen nach dieser Vorschrift mehr ersetzt werden. Die Übergangsvorschrift des Artikel 224 § 2 Absatz 3 EGBGB hat auch in der bis zum 19. Mai 2013 geltenden Fassung keinen Anwendungsbereich mehr, da alle betroffenen Kinder inzwischen volljährig sind.

20. Zu Artikel 1 Nummer 27 (§ 71 Absatz 5 Satz 2 SGB VIII)

Artikel 1 Nummer 27 ist zu streichen.

Begründung:

Die Aufnahme und Auswahl der beratenden Mitglieder sollte weiterhin keinen bundesgesetzlichen Vorgaben unterliegen. Landesrechtliche Regelungen bzw. die danach ermöglichten eigenen Entscheidungskompetenzen der Ausschüsse erscheinen zweckmäßig und sollten nicht verändert werden. Zudem würde für die Umsetzung der intendierten Änderung keine weitere Norm benötigt.

21. Zu Artikel 1 Nummer 31 (§ 76a Absatz 2 Satz 1 und 2 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 31 ist § 76a Absatz 2 wie folgt zu fassen:

(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung, zulassen. Dazu soll er mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden."

Begründung:

Mit der beabsichtigten Formulierung in § 76a Absatz 2 SGB VIII wird eine Leistungsverpflichtung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe geregelt, die in der bisherigen Regelung des § 36a Absatz 2 SGB VIII als Soll-Vorschrift formuliert war.

Die beabsichtigte Änderung führt nicht zu einer Unterstützung oder Verbesserung der Steuerungsverantwortung des Jugendamtes. Mit der generellen Leistungsverpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für Kosten niedrigschwelliger Angebote wird die Kontrollmöglichkeit, die im Rahmen einer gebundenen Ermessensentscheidung verbleibt, gerade genommen, da keine abweichenden Entscheidungen möglich sind. Dies steht dem Zweck der Vorschrift entgegen. Die bisherige Regelung des § 36a SGB VIII in Form einer Soll-Vorschrift sollte daher beibehalten bleiben.

22. Zu Artikel 1 Nummer 39 Buchstabe b (§ 78f Absatz 2 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 39 Buchstabe b sind in § 78f Absatz 2 nach den Wörtern "obersten Landesjugendbehörden" die Wörter "oder die nach Landesrecht zuständige Behörde" einzufügen.

Begründung:

Gemäß § 69 Absatz 1 SGB VIII bestimmt Landesrecht, wer Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist. Infolge der Organisationshoheit der Länder sind die Organisationsstrukturen auch mit Blick auf regionale Bedarfe verschieden.

Mit der Änderung soll den Ländern die Möglichkeit eröffnet werden, abweichende Zuständigkeitsregelungen zu treffen, durch welche eigene Organisationsstrukturen und fachliche Ressourcen effektiv eingesetzt werden können.

Eine starre Zuständigkeitsbestimmung der Obersten Landesjugendbehörden für den Abschluss der Rahmenvereinbarung greift in die Organisationshoheit der Länder ein. Die alleinige Bestimmung der Zuständigkeit nach Landesrecht verwehrt den Ländern die Handlungsmöglichkeit, die keine abweichende Zuständigkeitsregelung treffen wollen.

23. Zu Artikel 1 Nummer 39 Buchstabe b (§ 78f Absatz 2 Satz 2 - neu - SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 39 Buchstabe b ist dem § 78f Absatz 2 folgender Satz anzufügen:

"Neben einer bedarfsgerechten Unterbringung, Versorgung und Betreuung unbegleiteter ausländischer junger Menschen muss dabei insbesondere die Gleichbehandlung deutscher und ausländischer Kinder, Jugendlicher und junger Volljähriger sichergestellt werden."

Begründung:

In der Begründung zur Änderung von § 78f SGB VIII wird ausgeführt, dass die Länder die Möglichkeit erhalten sollen, Landesrahmenverträge zur Finanzierung von Maßnahmen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu schließen. Aus der Begründung (vgl. BR-Drucksache 314/17 (PDF), Seite 69, Begründung zu Nummer 39 (§ 78f)) ist bereits das Ziel erkennbar, dass die Gleichbehandlung deutscher und ausländischer Kinder, Jugendlicher und junger Volljähriger dabei sichergestellt sein muss.

Dieser Satz wird nun wortgleich auch in den Gesetzestext selbst überführt, um zu verhindern, dass der Zwang zum Abschluss einer Vereinbarung als Voraussetzung für die Kostenerstattung des Landes gravierende negative Folgen für die Sicherstellung der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen hat. Dies unterstreicht noch einmal das Regelungsziel des Gesetzgebers und dient der Rechtsklarheit und der Rechtsicherheit.

Bis zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung auf Landesebene zwischen den Vertragspartnern könnte sich das Land aus der Kostenerstattung gänzlich zurückziehen. Damit würde ein Finanzierungsvakuum zu Lasten der Kommunen und der Betreuung und Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge entstehen. Die Betreuung und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen wäre nicht mehr gewährleistet.

24. Zu Artikel 1 Nummer 45a - neu - (§ 88a Absatz 3 Satz 3 - neu - SGB VIII)

In Artikel 1 ist nach Nummer 45 folgende Nummer 45a einzufügen:

Begründung:

Nach bisheriger Konzeption bleibt das vorläufig in Obhut nehmende Jugendamt dauerhaft zuständig, auch wenn das Kind oder der Jugendliche in einem weit entfernt gelegenen Jugendamtsbezirk mit Verwandten zusammengeführt wird. Nach einer Familienzusammenführung ergeben sich für das zuständige Jugendamt, anders als bei einer stationären Unterbringung, regelmäßig Aufgaben, die eine Ortsnähe erfordern. Die Geeignetheit der Verwandten als Pflegefamilie - mit oder ohne Leistungsbezug nach SGB VIII - ist fortwährend zu überprüfen (§ 37 Absatz 3 SGB VIII), ambulante Leistungen sind mit dem Kind oder Jugendlichen sowie den Anbietern vor Ort zu entwickeln. Es ist daher notwendig, dass mit einer Familienzusammenführung auch die Zuständigkeit an den neuen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen wechselt.

25. Zu Artikel 1 Nummer 51 Buchstabe c (§ 101 Absatz 2 Nummer 13 SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 51 Buchstabe c ist in § 101 Absatz 2 Nummer 13 die Angabe "15. Dezember" durch die Angabe "31. Dezember" zu ersetzen.

Begründung:

Als Erhebungsstichtag der Statistik zu Einrichtungen und Personal der Kinder- und Jugendhilfe sollte der 31. Dezember beibehalten werden und keine Vorverlegung auf den 15. Dezember erfolgen. Dies erleichtert Analysen der Ergebnisse im Zusammenspiel mit den Daten anderer Statistiken - beispielsweise zu den Hilfen zur Erziehung oder auch der Bevölkerungsstandstatistik -, da diese ebenfalls zum Stichtag 31. Dezember erfolgen. Die praktischen Vorteile einer Vorverlegung des Stichtages (vor die Feiertage zum Jahreswechsel) sind als gering einzuschätzen, weil die erfassten Erhebungsmerkmale in erster Linie Strukturmerkmale darstellen und typischerweise nicht wöchentlich wechseln.

26. Zu Artikel 1 Nummer 52 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb (§ 102 Absatz 3 Satz 2 - neu - SGB VIII)

In Artikel 1 Nummer 52 ist Buchstabe b wie folgt zu fassen:

'b) Absatz 3 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Durch diese Erweiterung soll die Feststellung des Berichtskreises vereinfacht und im Ergebnis die Statistik präzisiert werden. Zudem sollen Verwaltungsaufwand und Kosten bei der Erhebung verringert werden. Die auskunftspflichtigen Stellen müssen damit zusätzlich zu den ohnehin übermittelten Daten zur Förderung jeweils die Adresse der geförderten Träger übermitteln, um den Statistischen Ämtern eine präzise Abfrage bei diesen

Trägern zu ermöglichen. Eine Abfrage bei nicht geförderten Trägern kann dann unterbleiben.

27. Zu Artikel 2 Nummer 01- neu - (§ 2 Absatz 2 Satz 4 - neu - KKG)

Dem Artikel 2 Nummer 1 ist folgende Nummer 01 voranzustellen:

Begründung:

Um sicherzustellen, dass die Information über die Leistungsangebote im Rahmen von Schwangerschaft, Geburt und Entwicklung des Kindes tatsächlich alle Eltern und werdenden Mütter und Väter erreicht, müssen die für die Information zuständigen Stellen an die Anschriften der in Frage kommenden Personen gelangen.

Die Kenntnis von der Geburt und Elternschaft haben die Meldebehörden. Damit die zuständigen Stellen nach § 2 KKG aus dem Melderegister die Anschriften der Eltern erheben dürfen, bedarf es einer Erlaubnis. Diese wird hiermit geschaffen.

Eine ähnliche Regelung enthält § 52a Absatz 4 SGB VIII, wonach das Standesamt verpflichtet wird, von Amts wegen dem Jugendamt die Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind, mitzuteilen.

28. Zu Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe a (§ 3 Absatz 2 KKG) und Buchstabe b - neu - (§ 3 Absatz 4 Satz 3a - neu - KKG)

Artikel 2 Nummer 1 ist wie folgt zu fassen:

'1. § 3 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Verbindliche Netzwerkstrukturen, insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit der Kinder- und Jugendhilfe mit dem Gesundheitswesen, sind ein maßgeblicher Faktor für einen effektiven präventiven und intervenierenden Kinderschutz. Die Zielsetzung des § 3 KKG ist daher zu unterstützen.

§ 3 KKG wird allerdings seiner eigenen Zielsetzung nicht gerecht. Es ist nicht ausreichend, die verbindliche Zusammenarbeit im Kinderschutz gesetzlich festzulegen (§ 3 Absatz 1 KKG) und von den Beteiligten sogar zu fordern, die Grundsätze dieser verbindlichen Zusammenarbeit in Vereinbarungen festzulegen (§ 3 Absatz 3 KKG), wenn gleichzeitig für die in § 3 Absatz 2 KKG genannten Institutionen, mit Ausnahme der Beratungsstellen nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (§ 4 Absatz 2 SchKG), keinerlei Verpflichtung zur Kooperation und Beteiligung am Netzwerk besteht (vgl. BT-Drucksache 17/6256, Begründung zu § 3 Absatz 2 KKG). Für die bessere Umsetzungsfähigkeit ist§ 3 Absatz 2 KKG insoweit zu ändern, als die dort genannten Institutionen in dem Netzwerk mitwirken sollen.

Zu Buchstabe b:

Nach § 3 Absatz 4 Satz 3 KKG richtet der Bund nach dem Ende der Bundesinitiative Frühe Hilfen am 31. Dezember 2015 einen Fonds zur Sicherstellung der Netzwerke Frühe Hilfen und der psychosozialen Unterstützung von Familien ein, für den er jährlich 51 Millionen Euro zur Verfügung stellen wird.

Die bestehenden Strukturen können auf allen Ebenen im Sinne der gemeinsamen Steuerungsverantwortung dauerhaft und nachhaltig nur gesichert werden, wenn ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Hierzu ist eine angemessene Dynamisierung des dem Fonds jährlich zur Verfügung stehenden Betrages erforderlich. Damit wird den bereits eingetretenen und auch künftig zu erwartenden allgemeinen Kostensteigerungen Rechnung getragen. Mit der Fortschreibung des Mittelbetrages wird verhindert, dass Qualitätsverluste im Bereich der Netzwerke Frühe Hilfen und der psychosozialen Unterstützung von Familien eintreten.

Die Festschreibung eines festen Erhöhungsfaktors schafft Planungssicherheit für alle Beteiligten und dient der Verwaltungsvereinfachung.

29. Zu Artikel 2 Nummer 2 (§ 4 Absatz 4 KKG)

In Artikel 2 Nummer 2 ist in § 4 Absatz 4 KKG nach der Angabe "Absatz 1 Satz 1 Nummer 1" die Angabe "und Nummer 7" einzufügen.

Begründung:

Lehrerinnen und Lehrer haben unmittelbar aus Artikel 7 Absatz 1 des Grundgesetzes ableitbar einen staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag inne. Der Erziehungsauftrag ist dem elterlichen Erziehungsauftrag nicht nach-, sondern gleichgeordnet (vergleiche BVerfGE 34, 165 (183)). Für das besondere Verhältnis zwischen den Lernenden und dem Lehrpersonal setzt dies voraus, dass auch Lehrerinnen und Lehrer für den täglichen Umgang mit den jungen Menschen und zur Erfüllung ihres Auftrags über die notwendigen Informationen verfügen, wie die gemeldete Gefährdung bewertet wurde und ob die Gefahr weiter besteht. Die Verfahrensweise dient vor allem auch der Vermeidung von Kooperationshemmnissen und soll damit dem Kinderschutz zu mehr Wirksamkeit verhelfen. In der Praxis hat bisher die fehlende regelhafte Rückmeldungsmöglichkeit die Zusammenarbeit behindert. Die Einbeziehung der Lehrerinnen und Lehrer in die Regelung des § 4 Absatz 4 KKG neben den in § 4 Absatz 1 Nummer 1 KKG genannten Personen (Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Entbindungspfleger et cetera) ist somit sachlich geboten.

30. Zu Artikel 2 Nummer 2 (§ 5 Überschrift und Absatz 1 Satz 1 und Satz 1a - neu - KKG)

In Artikel 2 Nummer 2 ist § 5 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Aufgrund der Änderung in Buchstabe b ist auch die Überschrift anzupassen. Bei den Gerichten handelt es sich nicht um Strafverfolgungsbehörden.

Zu Buchstabe b:

Zwar wurde der Wortlaut des beabsichtigten Gesetzes im Gesetzentwurf dahingehend präzisiert, dass zur Mitteilung die Strafverfolgungsbehörde und das Gericht verpflichtet sind. Welche Stellen dies genau sind, wurde jedoch nicht angegeben. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird dies auch nicht näher ausgeführt. In der Einzelbegründung zu § 5 Absatz 1 Satz 2 KKG wird jedoch dargelegt, dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte im Bedarfsfall Anspruch auf Beratung haben. Dies lässt den Schluss zu, dass im Vergleich zur Formulierung im Referentenentwurf ("Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden")

inhaltlich keine Einschränkung erfolgen soll.

Da die Mitteilungspflicht Entscheidungsspielräume, beispielsweise zu der Frage, wann eine erhebliche Gefährdung vorliegt, enthält, kommt nur der Berufsgruppe der Richter und Staatsanwälte die nötige Kompetenz sowie die vorausgesetzte inhaltliche Kenntnis des Verfahrens und der Beteiligten zu, um diese komplexe Frage beantworten zu können.

Deshalb ist der Wortlaut des beabsichtigten Gesetzes - in Anlehnung an die bereits praktizierte Regelung in Nummer 35 Absatz 5 MiStra - dahin gehend zu präzisieren, dass nur Richterinnen oder Richter, Staatsanwältinnen oder Staatsanwälte verpflichtet sind, die Mitteilungen vorzunehmen.

31. Zu Artikel 3 Nummer 2a - neu - (§ 10 Absatz 1 Satz 3 SGB V)

In Artikel 3 ist nach Nummer 2 folgende Nummer 2a einzufügen:

Begründung:

In Artikel 3 fehlt derzeit eine Regelung zur Änderung des § 10 Absatz 1 Satz 3 SGB V. Dieser regelt, dass Tagespflegepersonen nicht als hauptberuflich selbständig erwerbstätig im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 4 SGB V gelten,

wenn bis zu fünf gleichzeitig anwesende, fremde Kinder in Tagespflege betreut werden. Diese Möglichkeit der Familienversicherung für Tagespflegepersonen unterhalb des Gesamteinkommens nach § 10 Absatz 1 Nummer 5 SGB V ist derzeit jedoch im Gesetz nur bis zum 31. Dezember 2018 befristet.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist um eine Verlängerungsregelung zugunsten der Tagespflegepersonen zu ergänzen. Es ist nicht absehbar, dass rechtzeitig - vor Auslaufen der gesetzlichen Frist - eine erneute Änderung von SGB VIII und SGB V ansteht.

Die Regelung des § 10 Absatz 1 Satz 3 SGB V ist im Jahr 2008 eingefügt worden. Sie entsprach damit der seit dem Jahr 1990 bestehenden Erlasslage des Bundesministeriums der Finanzen zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung des aus öffentlichen Kassen gezahlten Pflegegeldes und Erziehungsbeitrags für Kinder in Familienpflege und wird seit der Einführung regelmäßig vom Bundesgesetzgeber mit dem Argument des Ausbaus der Tagespflege verlängert.

Diese Möglichkeit der Familienversicherung wird von vielen Tagespflegepersonen genutzt und stellt ein dringendes Korrektiv dar, um im Hinblick auf die teils geringen Einkünfte die ansonsten erdrosselnden Krankenversicherungsbeiträge abwenden zu können. Die gesetzliche Regelung in § 23 SGB VIII legt für die Förderung in der Kindertagespflege fest, dass die nachgewiesenen Aufwendungen zu einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung hälftig von den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erstattet werden.

Durch die Änderung ist zumindest eine weitere Verlängerung des Tagespflege-Privilegs möglich.

Zur Begründung ist weiter darauf zu verweisen, dass die Länder und örtlichen Träger der Jugendhilfe aufgrund des zunehmenden Bedarfs an Betreuungsplätzen für Kinder vor großen Herausforderungen bei der Finanzierung von Angeboten in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege stehen. Insbesondere bei dem Ausbau der Betreuungs- und Förderangebote für unter Dreijährige, aber auch mit Rücksicht auf die Bedarfe zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie kommt der Kindertagespflege eine besondere Rolle zu, die weiterhin auch durch Bundesmittel zu unterstützen ist.

32. Zu Artikel 3 Nummer 4 (§ 73c Satz 1 SGB V)

In Artikel 3 Nummer 4 sind in § 73c Satz 1 nach dem Wort "Landesebene" die Wörter "im Einvernehmen mit den für Gesundheit sowie Kinder- und Jugendhilfe zuständigen obersten Landesbehörden" einzufügen.

Begründung:

Die Länder - in der Regel die Ressorts für Gesundheit und für Jugend/Familie - nehmen im Rahmen des Kinder- und Jugendschutzes sowohl im Bereich der Jugendhilfe, als auch im Bereich des Gesundheitswesens eine steuernde

Funktion wahr. Selbst wenn die intendierten Maßnahmen eher in der Verantwortung der Selbstverwaltung liegen sollten, ist eine Beteiligung der Länder zielführend, um die jeweiligen Aktivitäten auch im Sinne einer besseren Kooperation auf der vertikalen Handlungsebene zu verzahnen.

33. Zu Artikel 3 Nummer 4 (§ 73c Satz 2 SGB V)

In Artikel 3 Nummer 4 ist in § 73c Satz 2 das Wort "nicht" durch die Wörter "entsprechend auch" zu ersetzen.

Begründung:

Die ausdrückliche Herausnahme des zahnärztlichen Bereiches ist nicht nachvollziehbar. Auch Zahnärztinnen und Zahnärzte nehmen im Rahmen der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen eine wichtige Rolle in der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen wahr. Dies gilt auch für das Erkennen von Verdachtsmomenten bei möglichen Gefährdungen des Wohls von Kindern und Jugendlichen. Aus diesem Grund sind sie in die vorgesehenen Kooperationsvereinbarungen zum Kinder- und Jugendschutz einzubeziehen.

34. Zu Artikel 5a - neu - ( § 54 Absatz 3 SGB XII)

Nach Artikel 5 ist folgender Artikel 5a einzufügen:

'Artikel 5a
Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

§ 54 Absatz 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

(3) Eine Leistung der Eingliederungshilfe ist auch die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nach § 80 des Neunten Buches. Die Hilfe umfasst den Anspruch der Pflegeperson auf Beratung, Unterstützung und fachspezifische Begleitung. Wird ein Träger der freien Jugendhilfe in Anspruch genommen, so gilt § 78 Absatz 2 des Achten Buches entsprechend. Erfolgt die Sicherstellung durch einen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Wege der Amtshilfe, so gilt § 37 Absatz 1 Satz 4 des Achten Buches entsprechend." '

Begründung:

§ 54 Absatz 3 SGB XII tritt am 31. Dezember 2018 außer Kraft. Da die Reform der Eingliederungshilfe in den diese Vorschrift betreffenden Leistungen (§ 113 Absatz 2 Nummer 4 SGB IX) erst am 1. Januar 2020 in Kraft tritt und § 80 SGB IX, der bereits am 1. Januar 2018 in Kraft tritt, für die Träger der Eingliederungshilfe nicht als Anspruchsgrundlage dient, bedarf es einer Übergangsregelung.

Mit dem Entwurf eines neuen § 54 Absatz 3 SGB XII, der bereits am 1. Januar 2018 in Kraft treten soll, wird die Notwendigkeit der Entfristung der Regelung umgesetzt und zugleich eine notwendige Klarstellung vorgenommen. Der Verweis auf die Familienpflege nach § 80 SGB IX übernimmt die in der Rechtsprechung einheitlich vertretene Auffassung, dass die Leistung auch für volljährige Menschen mit Behinderung eine Eingliederungshilfe darstellt.

Inhalt der Leistungen in Familienpflege nach SGB XII ist nicht allein die Unterbringung bei einer geeigneten Pflegeperson, sondern notwendig auch die Beratung, Unterstützung und fachspezifische Begleitung der Pflegeperson, wie sie in der Kinder- und Jugendhilfe in § 37 Absatz 1 SGB VIII (Fassung KJSG) vorgesehen ist. Da in der Eingliederungshilfe nach SGB XII ganz überwiegend keine Pflegekinderdienste vorgehalten werden und eine vergleichbare Regelung im SGB XII fehlt, führt dies in der Praxis häufig zu Missverständnissen. Der Anspruch in § 20 Eingliederungshilfe-Verordnung wird nicht nur häufig übersehen, sondern stellt den spezifischen Bedarf von Pflegekindern und Pflegepersonen nicht in angemessener Weise sicher. Die Träger der Eingliederungshilfe verweisen die Pflegepersonen daher nicht selten auf den Anspruch gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

Mit dem neu eingefügten Satz 2 in § 54 Absatz 3 SGB XII wird klargestellt, dass die Träger der Eingliederungshilfe für die Erfüllung des Anspruchs Beratung, Unterstützung und fachspezifische Begleitung zuständig sind. Die Ergänzung um den Begriff der fachspezifischen Begleitung trägt den besonderen behinderungsbedingten Bedarfen Rechnung und macht insbesondere deutlich, dass die Begleitung nicht nur punktuell in Krisen, sondern als fortlaufende Begleitung des Familienpflegeverhältnis zu verstehen ist. Gerade der Bedarf von Pflegepersonen, die ein Kind mit einer wesentlichen Behinderung pflegen und erziehen und dessen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sicherstellen, besteht regelmäßig durchgängig. Die Pflegeperson bedarf einer verlässlichen Ansprechperson, die insbesondere fachspezifische Kenntnisse von Behinderungen und möglichen Leistungen der Eingliederungshilfe hat. Dabei soll die Person nicht nur bei Fragen der Pflegeperson zur Verfügung stehen, sondern das Pflegeverhältnis so gut kennen, dass sie auf Bedarfe des Pflegekindes reagieren und die Pflegeperson bei der Deckung unterstützen kann. Hier soll der Anspruch auf "fachspezifische Begleitung" die notwendige Kontinuität, Intensität und Kompetenz sicherstellen.

Die neuen Sätze 3 und 4 ermöglichen, dass sich die zuständigen Träger der Eingliederungshilfe zur Erfüllung der Ansprüche nach § 54 Absatz 3 SGB XII der Dienste von Trägern der freien oder öffentlichen Jugendhilfe bedienen können. Hierbei sollen die Träger der Eingliederungshilfe keine zusätzlichen Vereinbarungen nach § 75 SGB XII abschließen müssen, sondern auf die Vereinbarungen nach § 78 Absatz 2 SGB VIII (Fassung KJSG) zurückgreifen. Bedienen sich die Träger der Eingliederungshilfe im Wege der Amtshilfe des Pflegekinderdienstes bei einem Träger der öffentlichen Jugendhilfe, soll dieser auch die Verwaltungskosten erstattet verlangen können, wie der Verweis auf § 37 Absatz 1 Satz 4 SGB VIII sicherstellt.

35. Zu Artikel 6 Nummer 1 (§ 1632 Absatz 4 BGB) und Nummer 3 (§ 1696 Absatz 3 BGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob im Hinblick auf § 1632 Absatz 4 BGB und § 1696 Absatz 3 BGB auch die Verfahrensvorschrift des § 166 FamFG anzupassen ist.

Begründung:

In § 166 FamFG ist eine familiengerichtliche Überprüfungspflicht von Amts wegen für alle länger andauernden Maßnahmen und für Sorgerechtseinschränkende Maßnahmen festgeschrieben. Die festgelegte Häufigkeit könnte der Intention der in Artikel 6 Nummer 1 geplanten Anordnung eines Dauerpflegeverhältnisses nach § 1632 Absatz 4 BGB zuwider laufen, da das Dauerpflegeverhältnis nur unter den engen Voraussetzungen des § 1696 Absatz 3 BGB aufgehoben werden kann. Eine spezielle Regelung für Pflegeverhältnisse, insbesondere nach Anordnung des Verbleibs gemäß § 1632 Absatz 4 BGB, fehlt.

Mit der Einführung des FamFG übernahm § 166 FamFG die in der alten Fassung des § 1696 Absatz 3 BGB enthaltene Regelung zur Überprüfung sorgerechtseinschränkender Maßnahmen und erweiterte die Überprüfungspflicht auf alle länger andauernden kinderschutzrechtlichen Maßnahmen, § 166 Absatz 2 FamFG. In § 166 Absatz 3 FamFG wird konkretisiert, wie oft die Überprüfung stattfinden soll, wenn von sorgerechtseinschränkenden Maßnahmen gemäß den §§ 1666 bis 1667 BGB abgesehen wurde. Eine Verbleibens-Anordnung nach § 1632 Absatz 4 BGB stellt eine solche auf Dauer angelegte kinderschutzrechtliche Maßnahme ohne Sorgerechtseinschränkung nach den §§ 1666 ff. BGB dar.

Mit einer regelmäßigen, in kurzen Zeitabständen vorgenommenen Überprüfung besteht die Gefahr, dass die Pflegekinder, die Pflegeeltern und die Eltern immer wieder massiv verunsichert werden, was gerade vermieden werden sollte.

36. Zu Artikel 8 Nummer 1 Buchstabe a (§ 44 Absatz 2a Satz 2 AsylG)

In Artikel 8 Nummer 1 Buchstabe a sind in § 44 Absatz 2a die Wörter "sowie von Frauen" durch die Wörter ", Frauen sowie homo-, trans- und intersexuelle Menschen" zu ersetzen.

Begründung:

Auch Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle, die wegen ihrer sexuellen Identität in ihrer Heimat verfolgt, diskriminiert oder häufig Opfer von Gewalt wurden, müssen besonders geschützt werden. Das ist notwendig, damit ihnen keine weitere Gewalt widerfährt, sie nicht abermals traumatisiert und erneute psychische und physische Belastungen vermieden werden. Neben der Prävention ist insbesondere die Hilfe und Unterstützung der von Gewalt und Diskriminierung betroffenen homo-, trans- und intersexuellen Menschen wichtig.

37. Zu Artikel 8 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa (§ 44 Absatz 3 Satz 1 und Satz 1a - neu - AsylG)

In Artikel 8 Nummer 1 Buchstabe b ist Doppelbuchstabe aa wie folgt zu fassen:

Begründung:

Die Änderung greift eine Vereinbarung des Koalitionsausschusses vom 6. Oktober 2016 auf, die Folgendes vorsieht:

Die derzeitige Fassung des Gesetzentwurfs berücksichtigt diese Vereinbarung nicht hinreichend, da die durch die Länder bisher getroffenen Maßnahmen keine Berücksichtigung finden.

Die Unterbringung der Asylbewerber ist Aufgabe der Länder. Diese wird zum Beispiel von Bayern bereits umfassend wahrgenommen, indem zum Schutz der Untergebrachten eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen werden, die von Betreuungsangeboten bis hin zu besonderen Unterbringungsformen reichen und auch präventive Aspekte umfassen.

Die bereits ergriffenen Schutzmaßnahmen der Länder sind im Gesetz zu berücksichtigen, um zu vermeiden, dass sie durch Tätigwerden des Bundes konterkariert werden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Alleinzuständigkeit der Länder für die Asylunterbringung es nicht dem Bund obliegt, Mindeststandards oder -anforderungen zur Asylunterbringung festzulegen. Damit ist die in der Gesetzesbegründung zu Artikel 8 Nummer 1 Buchstabe a getroffene Aussage, in § 44 Absatz 3 AsylG seien bundesgesetzlich geregelte Mindeststandards enthalten, unzutreffend. Dies gilt in gleicher Weise für die in der Begründung des Gesetzentwurfs zu Artikel 8 Nummer 1 Buchstabe b enthaltene Aussage, durch die Neuregelung des § 44 Absatz 3 AsylG würden Mindestanforderungen an die Träger von Aufnahmeeinrichtungen unmittelbar durch Bundesgesetz gestellt werden.

38. Zu Artikel 9 Absatz 2 (Inkrafttreten)

Artikel 9 Absatz 2 ist wie folgt zu fassen:

(2) Artikel 1 Nummer 11, Nummer 16 Buchstabe b und Nummer 46 treten am 1. Januar 2020 in Kraft."

Begründung:

Zur inklusiven Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe sieht der vorliegende Gesetzentwurf in Artikel 1 Nummer 11 die regelhafte gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung in Kindertageseinrichtungen vor. Dies setzt eine Berücksichtigung der spezifischen Bedarfe von Kindern mit und ohne Behinderung sowohl im Rahmen der pädagogischen Arbeit als auch bei den strukturellen Rahmenbedingungen der Förderung in Tageseinrichtungen voraus. Eine Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe zur Umsetzung des Leitbildes der Inklusion ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Träger der Jugendhilfe bedürfen zur Umsetzung der oben genannten Rechtsverpflichtungen allerdings eines gewissen zeitlichen Vorlaufs, da die hierfür erforderlichen personellen, sächlichen und räumlichen Voraussetzungen derzeit überwiegend noch nicht gegeben sind. Vor diesem Hintergrund sollen die die objektivrechtlichen Verpflichtungen betreffenden Neuregelungen zur inklusiven Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Gleichklang zum Inkrafttreten der Vorschriften zum Bundesteilhabegesetz erst zum 1. Januar 2020 in Kraft treten.

39. Zum Gesetzentwurf allgemein (Einführung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung)

Der Bundesrat spricht sich dafür aus, neben dem erweiterten Führungszeugnis eine Unbedenklichkeitsbescheinigung (vereinfachte bereichsspezifische Auskunft aus dem Bundeszentralregister) im Bundeszentralregistergesetz (BZRG) einzuführen und die entsprechenden Folgeänderungen in § 72a SGB VIII vorzunehmen.

Nach § 72a Absatz 1 SGB VIII dürfen Personen, die wegen Sexual- bzw. Jugendschutzdelikten vorbestraft sind, nicht mit Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe betraut werden. Die Vorschrift verfolgt das Ziel, einschlägig vorbestrafte Personen (und nur diese - vergleiche BT-Drucksache 17/6256, Seite 24) von der Wahrnehmung von Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe fernzuhalten bzw. auszuschließen und damit Kindeswohlgefährdungen vorzubeugen.

Auch neben- oder ehrenamtlich tätige Personen, die in Wahrnehmung von Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe Kinder oder Jugendliche beaufsichtigen, betreuen, erziehen oder ausbilden oder einen vergleichbaren Kontakt haben, haben vor Aufnahme ihrer Tätigkeit und danach in regelmäßigen Abständen ein sogenanntes "erweitertes Führungszeugnis" vorzulegen. In dieses werden alle Eintragungen wegen Sexual- oder Jugendschutzdelikten aufgenommen, selbst wenn diese in einem normalen Führungszeugnis nicht enthalten sind. Dieses erweiterte Führungszeugnis enthält aber auch alle übrigen Verurteilungen, die im üblichen Führungszeugnis aufgeführt sind und keinen Bezug zur Kinder- und Jugendhilfe haben. Damit werden umfassende Auskünfte erteilt, die weit über die Zielsetzung und den Wortlaut des § 72a SGB VIII hinausgehen.

Die bisherige Ausgestaltung des erweiterten Führungszeugnisses wird sowohl von vielen Vereinen und Verbänden als auch von Jugendämtern als wenig praxisnah und zu bürokratisch kritisiert. Vielerorts werden das komplizierte Verfahren der Einsichtnahme in ein erweitertes Führungszeugnis, seine inhaltliche Bewertung und der Umgang mit den Daten als große Belastung für die ehrenamtliche Arbeit empfunden. Im Rahmen einer Sachverständigen-Anhörung im Familienausschuss des Deutschen Bundestags am 2. Februar 2015 war das einhellige Votum aller entsprechend angehörten Experten und Sachverständigen, dass das erweiterte Führungszeugnis für ehrenamtliche Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit durch eine vereinfachte bereichsspezifische Auskunft aus dem Bundeszentralregister (BZR) ersetzt werden soll.

Mit einer solchen bereichsspezifischen Abfragemöglichkeit - Unbedenklichkeitsbescheinigung -, die bei dem Bundesamt für Justiz angesiedelt werde sollte, kann dem Antragsteller ausschließlich mitgeteilt werden, ob ein Tätigkeitsausschluss nach § 72a SGB VIII aufgrund einer einschlägigen Vorverurteilung (Katalogstraftaten nach § 72a Absatz 1 Satz 1 SGB VIII) im BZR vorliegt.

Dies würde die ehrenamtlich tätigen Personen von unnötiger Bürokratie entlasten, ohne dass das von § 72a SGB VIII verfolgte Ziel eines wirksamen Kinderschutzes gefährdet würde.

40. Zum Gesetzentwurf allgemein (Sozialdatenschutzrecht)

Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen des Sozialdatenschutzrechts um eine Regelung ergänzt werden können, welche die Übermittlung von Sozialdaten zum Zweck der Fallanalyse in Kinderschutzfällen ermöglicht sowie den im Rahmen dieser Aufarbeitung tätigen Personen Zeugnisverweigerungsrechte, ergänzt um entsprechende Beschlagnahmeverbote, einräumt.

Begründung:

Für die Weiterentwicklung des gesamten Sozialwesens ist es unerlässlich, dass Sozialdaten für wissenschaftliche Forschung genutzt werden können.

§ 75 SGB X bestimmt daher, dass unter bestimmten Voraussetzungen Sozialdaten für sozialwissenschaftliche Forschungsvorhaben weitergegeben werden können. Im Interesse des Kinderschutzes ist es allerdings nicht nur erforderlich, auf diesem Gebiet wissenschaftliche Forschung zu ermöglichen. Um auch die Praxis des Kinderschutzes weiterzuentwickeln, ist es ebenso wichtig, konkrete Kinderschutzverfahren auf Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten hin zu analysieren. Im Vorfeld solcher Fallanalysen ergeben sich jedoch regelmäßig Unsicherheiten, inwieweit § 75 SGB X (in Verbindung mit § 61 Absatz 1 SGB VIII) als Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Sozialdaten zum Zweck der Analyse konkreter Kinderschutzverfahren - insbesondere wenn es sich um öffentlich gewordene Kinderschutzfälle handelt - herangezogen werden kann. Denn auf der Grundlage von § 75 SGB X ist die Übermittlung von Sozialdaten - außer für bestimmte Vorhaben der Planung im Sozialleistungsbereich - ausdrücklich nur für allgemeine wissenschaftliche Forschungsvorhaben zulässig, was die Möglichkeiten für praxisbezogene Fallanalysen zur Verbesserung des Kinderschutzes einschränkt.

Damit eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rahmen der Fallaufarbeitung möglich ist, ist zudem zu prüfen, inwieweit im Hinblick auf etwaige Gerichts- und Strafverfahren ein Geheimnisschutz für im Rahmen der Fallanalyse weitergegebene Informationen und Zeugnisverweigerungsrechte für die tätigen Personen, ergänzt um entsprechende Beschlagnahmeverbote, geboten und möglich sind.

41. Zum Gesetzentwurf allgemein (Erfüllungsaufwand für die Verwaltung, weitere Kosten)

Der Bundesrat begrüßt das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ziel, Kindern, Jugendlichen und Frauen in Aufnahmeeinrichtungen größtmöglichen Schutz vor Gewalt zu gewähren. Die Entwicklung entsprechender Schutzkonzepte stellt dabei eine geeignete Möglichkeit dar, dies zu gewährleisten. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass die Unterbringung von Asylsuchenden im weit überwiegenden Maße durch die Kommunen in einer Vielzahl von Einrichtungen geleistet wird. Städte und Gemeinden nehmen diese Aufgabe verantwortungsvoll und mit großem Engagement wahr. Vor dem Hintergrund der jetzt schon bestehenden besonderen Belastungen für den kommunalen

Bereich erachtet der Bundesrat es als notwendig und ausreichend, die im Gesetzentwurf vorgesehenen Vorgaben zur Entwicklung und Anwendung besonderer Schutzkonzepte für Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 AsylG verbindlich auszugestalten, ihnen für Gemeinschaftsunterkünfte in kommunaler Trägerschaft hingegen empfehlenden Charakter beizumessen. Andernfalls bittet der Bundesrat den Bund, den für den kommunalen Bereich zu erwartenden Erfüllungsaufwand im Einzelnen darzustellen und für eine entsprechende Kostendeckung durch Bundesmittel Sorge zu tragen.

Darüber hinaus fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die zusätzlichen Aufwendungen bzw. den Ausgleich der Mindereinnahmen, die aus den Maßnahmen des Gesetzentwurfs den Ländern und Kommunen entstehen, vollständig zu übernehmen.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich an den zunehmenden Betriebskosten in den Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege stärker zu beteiligen. Die im Gesetzentwurf geplante Weiterentwicklung der inklusiven Betreuung erfordert einen höheren Personalaufwand in den betreuenden Einrichtungen, der von den Kommunen bzw. den Ländern finanziert werden muss.

Zudem müssen die Länder bzw. Kommunen erhebliche Anstrengungen unternehmen, um den durch den Rechtsanspruch auf einen U3 Platz seit dem 1. August 2013 notwendigen Platzausbau zu finanzieren. Nur Investitionsprogramme des Bundes reichen nicht aus, um die Länder bzw. Kommunen ausreichend zu unterstützen bzw. zu entlasten. Die vom Bund angestrebte Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Kindertagesbetreuung kann nur durch eine entsprechende dauerhafte weitere Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten erreicht werden.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, darzulegen auf welcher Basis die im Gesetzentwurf enthaltenen Mehraufwendungen bzw. Mindereinnahmen ermittelt worden sind. Er hat erhebliche Zweifel, dass die in der Gesetzesbegründung enthaltenen Berechnungen zu den durch die Reform entstehenden Kosten bzw. Kostenverschiebungen realitätsgerecht sind. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung, den Ländern die Möglichkeit zu geben, die Berechnungen zu überprüfen.

Zudem fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die tatsächliche Entwicklung der Kosten in einer angemessenen Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zu untersuchen.

Begründung:

Die durch den Gesetzentwurf entstehenden Mehraufwendungen bzw. Mindereinnahmen können von den Ländern und Kommunen nicht nachvollzogen werden. Eine Überprüfung der Berechnungen des Bundes könnte nur unter Einbezug der entsprechend betroffenen Stellen erfolgen.

Die im Gesetzentwurf behandelten Mehraufwendungen bzw. Mindereinnahmen beziehen sich lediglich auf die Verwaltungsaufgaben. Folgeausgaben, wie zum Beispiel die Erhöhung der Betriebskosten in den Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege bei einem weiteren Ausbau der inklusiven Betreuung, werden nicht berücksichtigt.

Zudem erfolgt keine Konkretisierung der Änderungen wie zum Beispiel bei den Rahmenverträgen für die Leistungen der UMA. Die konkrete Umsetzung des Gesetzentwurfs obliegt den Ländern, die neben den von ihnen originär zu finanzierenden Mehraufwendungen, auch das Risiko einer Ausgleichszahlung im Rahmen eines Konnexitätsverfahrens tragen. Da der Bund seine Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich sieht, um gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet herzustellen, ist er auch in der Pflicht, für die zusätzlichen Kosten aufzukommen.

42. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Länder und Kommunen bei der Betreuung und Versorgung von unbegleiteten Minderjährigen finanziell stärker zu unterstützen, da die humanitäre Hilfe für unbegleitete Minderjährige vor dem Hintergrund des Anstiegs der Zugangszahlen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt. Die Länder sind mit den Kosten extrem belastet, der Anteil des Bundes an den Gesamtkosten sollte mindestens 50 Prozent betragen.

Begründung:

Die Belastung der Länderhaushalte durch die Kostenübernahme für die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen hat in den letzten Jahren weiterhin zugenommen. Die Entwicklung der Zahl der Einreisen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und die derzeit bestehenden internationalen Konflikte lassen für die Zukunft nicht auf einen erheblichen Rückgang der Einreisen schließen. Der Bund ist gefordert, seiner Verantwortung gemeinsam mit den Ländern und Kommunen nachzukommen und die Länder und Kommunen stärker als bisher finanziell zu unterstützen.

43. Zum Gesetzentwurf insgesamt

Der Bundesrat begrüßt die im Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG) formulierten Zielstellungen grundsätzlich. Hervorzuheben sind die Regelungen im Hinblick auf die programmatische Verankerung der Inklusion, die Sicherung von Beteiligung junger Menschen, die Ermöglichung von Stabilität und Kontinuität in der Hilfegewährung, die Verbesserung der Schutzinstrumente und Netzwerke.

Der Bundesrat hält es jedoch für erforderlich, über die beabsichtigten Änderungen hinaus in der neuen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages weiterhin eine SGB VIII-Reform zu verfolgen.

Bei einer Weiterverfolgung einer SGB VIII-Reform sollten folgende Punkte aufgegriffen und bearbeitet werden:

aa) Stärkung und Weiterentwicklung einer inklusiven Ausrichtung und Praxis in allen Handlungsfeldern und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe

Dabei sind Abgrenzungs- und Schnittstellenprobleme zwischen der Eingliederungshilfe und den Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe zu beseitigen.

Eine einheitliche Zuständigkeit, die bisher getrennten Rechtskreise übergreifende Zuständigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe kann ein wichtiger und notwendiger Schritt zur Verwirklichung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe sein und Abgrenzungs- und Zuständigkeitsprobleme zwischen den Sozialleistungssystemen, insbesondere dem SGB VIII und SGB IX vermeiden. Inklusion, die den Prinzipien der UN-Kinder- und Behindertenrechtskonvention folgt, setzt daher grundsätzlich eine einheitliche an der Gesamtsituation des jungen Menschen ausgerichtete Betrachtung entwicklungs- und teilhaberelevanter Aspekte von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung.

Als Voraussetzung einer Zusammenführung der Rechtskreise bei Wahrung der unterschiedlichen Zielsetzungen für alle Kinder und Jugendliche bedarf es

bb) Ausbau der Sozialraumorientierung bei den Leistungen des SGB VIII und Verknüpfung von Individualleistungen und Leistungen des Regelsystems

Bei der Gestaltung eines Individualleistungssystems, das den Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien gerecht wird, muss der Korrelation von gesellschaftlichen und familiären Problemlagen auf der einen Seite und einer wachsenden öffentlichen Verantwortung für Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen bei gleichzeitiger Zunahme von Individualleistungsbedarfen auf der anderen Seite Rechnung getragen werden. Deshalb sind die Regelsysteme bzw. die sozialräumliche Infrastruktur so zu stärken, dass sie grundsätzlich allen Kindern und Jugendlichen Zugang und Nutzung der Angebote ermöglichen unter Vermeidung von Segregation, Selektion und Ausgrenzung. Diese Stärkung der sozialräumlichen Infrastruktur muss insbesondere durch eine enge Verknüpfung von Regelangeboten mit Individualleistungen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien erreicht werden.

Der 14. Kinder- und Jugendbericht spricht sich dafür aus, dass die Jugendämter noch stärker zu strategischen Zentren einer Gestaltung des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen werden. Gerade für die Sicherstellung der Bedarfsgerechtigkeit des Leistungssystems in seiner Verknüpfung mit Regelsystemen sind Steuerungskompetenzen und -prozesse beim örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört auch eine Rechtssicherheit über die Finanzierung von im Sozialraum erbrachten Angeboten in den Regelsystemen und deren Verknüpfung mit individuellen Leistungsansprüchen.

cc) Aufwertung von Kindertagesstätten im Hinblick auf ihren präventiven Charakter

Kindertagesstätten erreichen nahezu alle Kinder und ihre Familien immer früher. Sie werden damit nicht nur ihrem gesetzlichen Auftrag der Erziehung, Bildung und Betreuung gerecht. Sie stellen ein niedrigschwelliges und frühzeitiges Angebot dar, das insbesondere auch unter präventiven Aspekten sowie der durch sie bestehenden Möglichkeiten einer frühzeitigen Intervention große Chancen bietet. Durch Stärkung der Steuerungskompetenzen des Jugendamtes, Stärkung der sozialräumlichen Infrastruktur, die enge Verknüpfung von Regelangeboten mit Individualleistungen sowie die Stärkung der Anbindung von Hilfen an die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien können die Chancen des Kindertagesstättensystems im Sinne eines niedrigschwelligen und präventiven Angebotes stärker genutzt werden. Die genannten Aspekte stehen in direktem Zusammenhang mit der Bund-Länder-Initiative zur Umsetzung des Communiqués "Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern".