A. Problem und Ziel
- Die für breite Bevölkerungskreise in hohem Maße belästigende und gesetzlich verbotene Telefonwerbung nimmt stetig zu. Dies belegen aktuelle Studien in aller Deutlichkeit. Immer häufiger werden Verbraucher als Folge eines unerwünschten Telefonanrufes - eines so genannten "cold calls" - mit Dienstleistungen oder Warenlieferungen konfrontiert, für die sie sich ohne die Rahmenbedingungen, die sich aus der besonderen Situation eines unangekündigten häufig faktisch aufgedrängten Verkaufsgespräches am Telefon ergeben, nicht entschieden hätten. Mit Blick auf die große Zahl der Betroffenen und die dynamische Entwicklung der Fallzahlen ergibt sich erheblicher Handlungsbedarf. Die Verbraucher und hier vor allem die besonders betroffenen Zielgruppen der Senioren, Jugendlichen und Bürger mit Migrationshintergrund müssen besser geschützt werden. Gleichzeitig sorgen gesetzliche Maßnahmen auch für einen faireren Umgang der Wettbewerber untereinander.
B. Lösung
- Zur Lösung des Problems beabsichtigt die Bundesregierung verschiedene gesetzliche Regelungen: Bußgeldbewehrung des Wettbewerbsrechts, ein Verbot der Rufnummernunterdrückung und die Erweiterung des Widerrufsrechts beim Fernabsatz. All dies ist bei der Bekämpfung der unerlaubten Telefonwerbung als flankierende Maßnahmen sicher sinnvoll, schafft aber im Ergebnis keine substanzielle Verbesserung der derzeitigen Situation für die Verbraucher.
- So bleiben die Pläne der Bundesregierung deutlich hinter den Forderungen der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) zurück, die sich 2007 dafür ausgesprochen hatte, die Wirksamkeit von Verträgen aus unlauterer Telefonwerbung von einer schriftlichen Bestätigung abhängig zu machen. Nur eine Maßnahme, die gezielt auf die Wirksamkeit der Folgeverträge ausgerichtet ist, erscheint geeignet, die wirtschaftliche Attraktivität des unlauteren Handelns effektiv zu bekämpfen.
- In diesem Sinne soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) um eine entsprechende Regelung ergänzt werden. Sinn und Zweck der vorgeschlagenen Regelung ist es, Verträge, die nach geltendem Recht in unmittelbarem Zusammenhang mit unerlaubter Telefonwerbung wirksam zustande kommen, künftig nur aufgrund einer schriftlichen Bestätigung des Verbrauchers mittels Brief, E-Mail oder Telefax wirksam werden zu lassen. Dies eröffnet die Möglichkeit, wirksam gegen die "schwarzen Schafe" der Callcenter-Branche vorzugehen. Die beabsichtigte Regelung soll die Verbraucherrechte stärken und gleichzeitig die redlichen Mitbewerber unterstützen.
C. Alternativen
- Wirksame Alternativen zur effektiven Eindämmung der unlauteren Telefonwerbung stehen nicht zur Verfügung. Die Überlegungen des Bundes gehen in die richtige Richtung, reichen aber nicht aus.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- Die Regelung hat keine finanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
E. Sonstige Kosten
- Für den wettbewerbswidrig handelnden Anbieter von telefonisch vertriebenen Waren und Dienstleistungen entsteht durch die Notwendigkeit der nachträglichen Einholung einer Bestätigung erhöhter Aufwand. Dies ist als notwendiger Bestandteil der gewollten rechtlichen Besserstellung der Kunden hinzunehmen. Da gleichzeitig die Marktchancen der redlichen Anbieter eine Verbesserung erfahren, ist eine Steigerung der Verbraucherpreise nicht zu erwarten.
F. Bürokratiekosten
- Für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger oder die Verwaltung werden keine Informationspflichten eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Kundenschutzes bei unlauterer Telefonwerbung
Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 13. Mai 2008
Der Staatssekretär
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Regierung des Landes Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten
- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Kundenschutzes bei unlauterer Telefonwerbung
zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 23. Mai 2008 aufzunehmen.
Nach Vorstellung im Plenum soll der Gesetzentwurf den Ausschüssen zur weiteren Beratung überwiesen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Hubert Wicker
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Kundenschutzes bei unlauterer Telefonwerbung
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb
- Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 03. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 21. Dezember.2006 (BGBl. I S. 3367), wird wie folgt geändert:
- Nach § 7 Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt:
(4) Verträge, die unmittelbar durch eine unlautere Telefonwerbung nach Absatz 2 Nr. 2 abgeschlossen werden, werden erst wirksam, wenn der Kunde das fernmündliche Vertragsangebot des Unternehmers schriftlich, mittels Fax oder E-Mail angenommen hat. Der Unternehmer trägt die Beweislast dafür, dass eine unzumutbare Belästigung des Verbrauchers gemäß Absatz 2 Nr. 2 nicht vorgelegen hat."
Artikel 2
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
Begründung:
Zu Artikel 1
In § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sind die Fälle der unzumutbaren Belästigungen geregelt. Nach § 7 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt. Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren vorherige Einwilligung nach Absatz 2 Nr. 2 dieser Vorschrift, ist einer der aktuell praktisch bedeutsamsten Fälle unzumutbarer Belästigung. Denn es muss sich dabei um eine vorherige - mithin dem Anruf zeitlich vorausgehende ausdrücklich erklärte Einwilligung handeln.
Bei einem telefonisch abgeschlossenen Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmen besteht nach geltendem Recht ein 14-tägiges Widerrufsrecht des Verbrauchers, §§ 312d, 355 BGB. Dabei wirkt sich der Umstand, dass der Vertragsschluss durch ein unlauteres Marktverhalten zustande kommt, das sich unmittelbar und zielgerichtet an den einzelnen Verbraucher richtet, de lege lata nicht auf die Rechtswirksamkeit des Vertrages aus. Die Unlauterkeit bleibt vertragsrechtlich sanktionslos.
Durch Einfügung eines neuen Absatz 4 in § 7 UWG wird dem Interesse des Verbrauchers an einem Schutz vor übereilten Vertragsabschlüssen in angemessener und wirksamer Weise Rechnung getragen. Einerseits wird der Verbraucher vor einer Übervorteilung durch den Überraschungseffekt eines unaufgeforderten Werbeanrufs geschützt; er wird durch die Notwendigkeit einer nachträglichen Zustimmung nochmals gewarnt, bevor die vertragliche Bindung eintritt.
Andererseits wird durch den sehr niedrigen Dokumentationsaufwand der Annahme sichergestellt, dass ein gewünschtes Vertragsangebot durch eine einfache, aber aktiv durch den Verbraucher abgegebene Willenserklärung auch problemlos angenommen werden kann.
Ein Unternehmer kann die Unsicherheit eines überraschend angerufenen Verbrauchers nicht mehr ausnutzen, indem er im Nachgang zu dem unerlaubt geführten Telefonat, z.B. in Form eines per Post übersandten Bestätigungsschreibens, eine telefonische Vertragszusage des Verbrauchers behauptet. Die nach derzeit geltendem Recht bestehende Unsicherheit, ob sich die Teilnehmer eines unerlaubt geführten Telefongesprächs tatsächlich über einen Vertragsabschluss geeinigt haben, wird häufig durch unlauter handelnde Unternehmer ausgenutzt. Das ist nicht mehr möglich, wenn sich ein Unternehmer nur bei Vorlage einer schriftlichen oder durch Telefax oder E-Mail dokumentierten Bestätigung des Verbrauchers auf einen wirksamen Vertragsabschluss berufen kann.
Dies führt zu der erwünschten Folge, dass aus Sicht der Unternehmer unerlaubte Telefonwerbung wirtschaftlich unattraktiv wird, weil die Bestätigung durch den Verbraucher mit einem erhöhten Aufwand verbunden ist. Dieser wird das Vertragsangebot in aller Regel nur dann auf einem der dann möglichen Wege annehmen, wenn er sich auch nach Abschluss des Telefonates und nochmaliger Überlegung tatsächlich gebunden sehen will.
Die Regelung der Beweislast in Satz 2 führt zu einer Beweispflicht des Unternehmers dafür, dass der Werbeanruf nicht unlauter war, sondern eine vorherige Einwilligung des Verbrauchers vorlag.
Die Regelung, Verbraucherverträge als Folge einer unlauteren Telefonwerbung von einer nachträglichen Bestätigung in Schriftform, mittels Telefax oder durch E-Mail abhängig zu machen, ist auch mit den allgemeinen Grundsätzen des Lauterkeitsrechts vereinbar. Danach gilt zwar, dass Folgeverträge unlauteren Wettbewerbs im Grundsatz wirksam sind, weil häufig die Ursächlichkeit der unlauteren Werbung für den Vertragsschluss mit dem Verbraucher nur schwer nachweisbar ist. Dies gilt etwa bei der unlauteren Anzeigen- oder Fernsehwerbung.
Eine derartige Fallkonstellation besteht bei Werbung durch Telefonanrufe ohne Einwilligung des Verbrauchers aber gerade nicht. Denn sie ist jeweils zielgerichtet und unmittelbar auf einen konkreten Verbraucher bezogen und nicht für eine Vielzahl von Verbrauchern bestimmt. Für das werbende Unternehmen besteht so keine Rechtsunsicherheit, da ihm bekannt ist, ob eine vorherige und ausdrückliche Einwilligung vorliegt.
Zu Artikel 2
Artikel 2 regelt das Inkrafttreten.