Der Chef des Bundeskanzleramtes
Berlin, den 22. Mai 2013
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
im Nachgang zu meinem Schreiben vom 24. April 2013 übersende ich zur Verordnung über die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft (Bundeskompensationsverordnung - BKompV) die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG.
Mit freundlichen Grüßen
Ronald Pofalla
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKRG: NKR-Nr. 2337:
Verordnung über die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft (Bundeskompensationsverordnung - BkompV)
1. Zusammenfassung
Bürgerinnen und Bürger
Keine nennenswerten Auswirkungen
Wirtschaft und Verwaltung
Jährlicher Erfüllungsaufwand
Die jährlichen Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand der Wirtschaft und Verwaltung sind derzeit nicht konkret bezifferbar.
Einmaliger Umstellungsaufwand
Auch der Umstellungsaufwand der Unte nehmen und Verwaltung für r notwendig werdende Anpassungen der Verfahren an die geänderte Rechtslage ist derzeit nicht konkret bezifferbar.
Das Ressort hat plausibel dargelegt, dass derzeit eine methodengerechte Quantifizierung der konkreten Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand nicht möglich ist. Es hat jedoch im Rahmen der Folgenabschätzung umfassende qualitative Ausführungen gemacht und beschrieben, mit welchen Auswirkungen für Wirtschaft und Verwaltung zu rechnen ist. Insgesamt ist festzustellen, dass das Regelungsvorhaben sowohl be-, als auch entlastende Effekte haben wird. So rechnet das Ressort beispielsweise bei Wirtschaft und Verwaltung mit einem einmaligen Anstieg des Erfüllungsaufwands für Verfahrensumstellung. Gleichzeitig geht es aber auch von langfristigen Einsparungen durch die bundeseinheitlichen Regelungen und Standardisierung des (Kompensations-) Verfahrens aus. Um insbesondere den mit der Umstellung verbundenen Aufwand so gering wie möglich zu halten, hat das Ressort zugesagt, einen Leitfaden zu erstellen und die Verordnung zu evaluieren. Es führt im Begleitschreiben zur Kabinettvorlage folgendes aus:
"Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) wird bis zum Inkrafttreten der BKompV einen Leitfaden als Orientierungshilfe für die Umsetzung der Verordnung unter Einbindung der betroffenen Ressorts und der Länder erstellen. Zudem wird das BMU die praktischen Erfahrungen mit dem Vollzug der Verordnung evaluieren und die Ergebnisse in Abstimmung mit den fachlich betroffenen Bundesministerien und den Ländern bis zum 31. Dezember 2019 in einem Erfahrungsbericht vorlegen."
Der Nationale Normenkontrollrat hat vor diesem Hintergrund im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben. Er teilt die Auffassung des Ressorts, dass die vorgelegte Verordnung im Ergebnis einen Beitrag zur Verbesserung der Planungs- und Rechtssicherheit und dadurch der Investitionsbedingungen liefern kann, indem Verwaltungsverfahren beschleunigt und eine stärkere Transparenz der behördlichen Entscheidungen hergestellt wird. Er begrüßt, dass das Ressort mithilfe eines Leitfadens die Implementierung der vorliegenden Verordnung eng begleiten und den Vollzug expost evaluieren wird.
Der Normenkontrollrat fordert das Ressort jedoch auf, im Rahmen der Evaluierung zudem die konkreten Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand zu untersuchen. Dabei sollte spätestens nach drei Jahren anhand von 2-3 aussagefähigen Beispielen (wie etwa dem Rohstoffabbau oder Infrastrukturmaßnahmen) ein Kostenvergleich durchgeführt werden. Dazu sollte jeweils der Aufwand für Maßnahmen nach der bisherigen und der neuen Rechtslage einander gegenübergestellt werden. Auch wenn das Ressort beispielhaft dargelegt hat, dass die Vereinheitlichung der länderrechtlichen Regelungen im Bereich der Ersatzzahlungen wohl eher zu einer Verringerung des Erfüllungsaufwands führen kann, so bestehen große Unsicherheiten im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen für konkrete Vermeidungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die im Einzelfall für ein Unternehmen zu erheblichen Kosten bzw. zu Vollzugsaufwand für die Behörden führen kann.
2. Im Einzelnen
2.1 Regelungsinhalt
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege am 1. März 20101 wurde das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in § 15 Absatz 7 Satz 1 BNatSchG ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Kompensation von Eingriffen zu regeln. Hierzu zählen insbesondere Regelungen zu Inhalt, Art und Umfang von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich von Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Wiedervernetzung von Lebensräumen und zur Bewirtschaftung und Pflege sowie zur Festlegung diesbezüglicher Standards, insbesondere für vergleichbare Eingriffsarten, sowie die Höhe der Ersatzzahlung und das Verfahren zu ihrer Erhebung.
Der vorliegende Verordnungsentwurf macht von dieser Ermächtigung Gebrauch, um die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung insgesamt transparenter und effektiver zu gestalten. Hierzu sollen die Anforderungen im Rahmen der gesetzlich bestehenden Verpflichtungen zur Vermeidung und Kompensation von Beeinträchtigungen bei Eingriffen in Natur und Landschaft weiter konkretisiert und bundesweit standardisiert werden. Wesentliche Schlüsselbegriffe sowohl des Tatbestands wie auch der Rechtsfolgenkaskade der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind zwar bereits auf gesetzlicher Ebene bestimmt, bedürfen aber für den Vollzug der weiteren Ausfüllung. Dies belegt der nahezu unübersehbare Bestand an gesetzlichen und untergesetzlichen Normen, Verwaltungsvorschriften, Erlassen und Leitfäden, die sich vor allem auf Landes- und kommunaler Ebene, teilweise aber auch auf Bundesebene dieser Aufgabe stellen.
Eine Auswertung dieses Bestandes zeigt aber auch die Heterogenität der bisherigen methodischen und inhaltlichen Ansätze bei der Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen. Diese Heterogenität erschwert nicht nur für Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die öffentliche Hand die Planung und Durchführung vor allem von administrative Grenzen überschreitenden Vorhaben, sondern bereits die Investitionsentscheidung selbst. Sie belastet darüber hinaus die Verwaltung und die Gerichte bei der Entscheidungsfindung und kann nachteilige Folgen für die Rechtssicherheit der getroffenen Entscheidungen haben.
Mit der weiteren Konkretisierung und bundesweiten Standardisierung kann die Verordnung also einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Investitionsbedingungen, zur Beschleunigung der Verwaltungsverfahren, zur stärkeren Transparenz der behördlichen Entscheidungen und zur Erhöhung der Planungs- und Rechtssicherheit privater wie öffentlicher Vorhaben leisten. Dies liegt nicht zuletzt im Interesse des Naturschutzes und der Landschaftspflege selbst, weil verbesserte Entscheidungsgrundlagen die Gewähr für eine höhere Akzeptanz und eine nachhaltigere Umsetzung entsprechender Maßnahmen bieten.
Im Weiteren soll die Verordnung zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme beitragen. Je stärker es im Rahmen des Vermeidungsgebots gelingt, die Flächenneuinanspruchnahme durch den Eingriff selbst zu verringern, desto geringer fällt in der Regel auch der Kompensationsbedarf aus, der eine weitere Flächeninanspruchnahme mit sich bringt. In der Verordnung sollen darüber hinaus insbesondere die bereits gesetzlich vorgesehenen Rücksichtnahmegebote und Prüfungspflichten im Hinblick auf die Inanspruchnahme von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen operationalisiert werden. Sowohl Vorhabenträger als auch die zuständigen Zulassungsbehörden sollen klare und eindeutige Maßgaben für die Anwendung dieser Bestimmungen erhalten. Dies stellt eine wesentliche Voraussetzung dar, um die Bestimmungen in der Praxis mit Leben zu füllen und die gesetzgeberische Intention zu erreichen.
Mit seiner Zielsetzung trägt der Verordnungsentwurf in besonderer Weise den neuen Herausforderungen der Energiewende, besonders des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und des notwendigen Netzausbaus, Rechnung.
2.2 Erfüllungsaufwand
(1) Bürgerinnen und Bürger
Mit nennenswerten Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger ist nicht zu rechnen. Sie sind nur im Ausnahmefall von dem Regelungsvorhaben betroffen, da private, nicht wirtschaftlichen Zwecken dienende Vorhaben im Außenbereich bereits baurechtlich die Minderheit bilden.
(2) Wirtschaft
Für die Wirtschaft entsteht durch die Einführung bundeseinheitlicher, standardisierter Verfahren ein einmaliger Umstellungsaufwand, dem langfristig jedoch auch Einsparungen gegenüber stehen.
- (a) Im Bereich der Ersatzzahlungen rechnet das BMU mit Einsparungen für die Wirtschaft. Als Grundlage für die Abschätzung diente folgender Referenzfall: Errichtung einer Windkraftanlage mit einer Höhe von 200 Metern und Herstellungskosten von 2.000.000 Euro (Fundament, Turm und Rotorblätter ohne maschinenbauliche und elektrotechnische Teile der Anlage).
Es hat die Auswirkungen für diesen Fall für alle 16 Bundesländer durchgerechnet. Insgesamt zeigt dieser Vergleich, dass sich die nach der Verordnung ergebende Ersatzzahlung für eine Einzelanlage mit einer Höhe von 200 Metern zwischen 20.000 und 160.000 Euro im unteren Bereich der sich nach den Vorgaben in den Ländern ergebenden Spanne von 20.000 bis 240.000 Euro bewegt. Nur in einem Land kann die Ersatzzahlung unter 20.000 Euro liegen. Das BMU zieht daraus den Schluss, dass auch unter Berücksichtigung der teilweise bestehenden Sonderregelungen für Windparks mit der Verordnung insgesamt eine Verringerung des Erfüllungsaufwands für Ersatzzahlungen verbunden ist.
- (b) In den übrigen Bereichen entsteht durch die Verordnung nach Einschätzung des BMU kein flächendeckender zusätzlicher Erfüllungsaufwand. Der aus dem - in den Grundzügen bereits heute schon angewandten - Biotopwertverfahren resultierende Kompensationsbedarf liegt nach Einschätzung des BMU bei überschlägiger Betrachtung im Vergleich zur gegenwärtigen Praxis in den Ländern im unteren Mittelfeld. Im Hinblick auf die Schutzgüter Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Klima oder Luft werden die bestehenden Anforderungen an die Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz von Beeinträchtigungen nicht wesentlich verändert. Sie sind dort überdies weitgehend durch das Gebiets- und Artenschutzrecht sowie das sonstige Fachrecht vorgegeben. Informationspflichten werden durch die Verordnung nicht begründet. Das BMU geht im Gegenteil davon aus, dass u.a. durch die Regelungen, die auf eine Verringerung der Flächeninanspruchnahme zielen, sowie durch die Vorschrift, nach der Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes, die von Mast- oder Turmbauten verursacht werden, die höher als 20 Meter sind, in der Regel durch eine Ersatzzahlung zu kompensieren sind, auch eine Verringerung des Erfüllungsaufwands erzielt wird. Aufgrund der Vielgestaltigkeit dieses Rechtsbereichs räumt es jedoch ein, dass in Einzelfällen ein Mehraufwand nicht auszuschließen ist
Im Hinblick auf die für die Wirtschaft als Träger von Vorhaben und Auftraggeber für mit der Planung befasste Büros zu erwartenden Adaptionskosten und Effizienzgewinne gelten die Ausführungen zum Erfüllungsaufwand der Verwaltung entsprechend.
(3) Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Soweit die Verwaltung selbst Träger eines Vorhabens ist, wie etwa im Bereich des Baues von Straßen und des Ausbaus von Wasserstraßen, gelten die Ausführungen zum Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft entsprechend.
Soweit die Verwaltung als Zulassungs- oder Anzeigebehörde tätig wird, ist nach Einschätzung des BMU - wie in allen Fällen, in denen erstmals eine umfassende Standardisierung erfolgt - mit anfänglichen Adaptionskosten für die Einarbeitung und die Routinebildung zu rechnen. Das BMU sieht den Aufwand im vorliegenden Fall jedoch zum einen dadurch begrenzt, dass die entsprechenden gesetzlichen Verpflichtungen zum Teil bereits seit Jahrzehnten bestehen. Zum anderen kommen wesentliche Elemente der nunmehr erfolgenden Konkretisierung, wie insbesondere das Biotopwertverfahren, in vergleichbarer Form in allen oder doch den weitaus meisten Ländern schon gegenwärtig zur Anwendung.
Das BMU geht davon aus, dass - allgemeinen Erfahrungswerten in anderen Rechtsbereichen folgend - mit der Konkretisierung und Standardisierung Effizienzgewinne verbunden sein werden. Durch nähere und einheitliche Regelungen wird der Vollzug der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung vereinfacht. Zugleich wird der außerrechtliche, sich in der Fachwelt vollziehende Prozess der Bildung von weitergehenden Standards auf einer einheitlichen Grundlage beschleunigt und mit höherem Nutzen für die gesamte Verwaltungspraxis erfolgen können.
3. Bewertung
Der Nationale Normenkontrollrat hat vor diesem Hintergrund im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben. Er teilt die Auffassung des Ressorts, dass die vorgelegte Verordnung im Ergebnis einen Beitrag zur Verbesserung der Planungs- und Rechtssicherheit und dadurch der Investitionsbedingungen liefern kann, indem Verwaltungsverfahren beschleunigt und eine stärkere Transparenz der behördlichen Entscheidungen hergestellt wird. Er begrüßt, dass das Ressort mithilfe eines Leitfadens die Implementierung der vorliegenden Verordnung eng begleiten und den Vollzug expost evaluieren wird. Er fordert das Ressort jedoch auf, im Rahmen der Evaluierung zudem die konkreten Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand zu untersuchen. Auch wenn das Ressort beispielhaft dargelegt hat, dass die Vereinheitlichung der länderrechtlichen Regelungen im Bereich der Ersatzzahlungen wohl eher zu einer Verringerung des Erfüllungsaufwands führen kann, so bestehen große Unsicherheiten im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen für konkrete Vermeidungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die im Einzelfall für ein Unternehmen zu erheblichen Kosten bzw. zu Vollzugsaufwand für die Behörden führen kann.
Dr. Ludewig Prof. Dr. Versteyl
Vorsitzender Berichterstatterin
- 1. vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542)