Der Bundesrat hat in seiner 912. Sitzung am 5. Juli 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt das Ziel des Richtlinienvorschlages, die einheitliche Anwendung und Durchsetzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU zu erleichtern. Er weist allerdings darauf hin, dass der Richtlinienvorschlag zur Erleichterung der Ausübung der Rechte, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rahmen der Freizügigkeit zustehen, an einigen Stellen Unschärfen aufweist und insbesondere teilweise nicht hinreichend deutlich wird, ob in Deutschland Umsetzungsbedarf besteht.
- 2. So sieht der Richtlinienvorschlag vor, dass der Gerichts- und/oder Verwaltungsweg für Wanderarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer auch dann eröffnet sein muss, wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist. Hier ist aus Sicht des Bundesrates unklar, ob ein Wanderarbeitnehmer oder eine Wanderarbeitnehmerin auch dann gegen eine Diskriminierung vorgehen können soll, wenn diese keine Auswirkungen auf die Gegenwart hat und dementsprechend nach deutschem Recht kein Feststellungsinteresse bestünde.
- 3. In Artikel 4 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags ist vorgesehen, dass Verbände, Organisationen oder sonstige Rechtssubjekte, die "im Einklang mit den im innerstaatlichen Recht festgelegten Kriterien" ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie haben, mit Zustimmung von Arbeitnehmern oder ihren Familienangehörigen in deren Namen oder als deren Rechtsbeistand sich an etwaigen Gerichts- bzw. Verwaltungsverfahren beteiligen oder solche einleiten können.
Aus Sicht des Bundesrates ist klärungsbedürftig, ob mit der zweiten Alternative ein Verbandsklagerecht eingeführt werden soll bzw. - falls dem nicht so ist - wo der Unterschied zwischen den beiden Alternativen liegt.
Aus der genannten Formulierung wird auch nicht hinreichend deutlich, ob die in den nationalen Prozessordnungen und Verwaltungsverfahrensgesetzen enthaltenen Regelungen über Bevollmächtigte und Beistände (vgl. etwa § 78 ZPO, § 10 FamFG, § 11 ArbGG, § 67 VwGO, § 73 SGG, § 62 FGO, § 14 VwVfG, § 13 SGB X) auf die genannten Verbände, Organisationen und sonstigen Rechtssubjekte noch uneingeschränkt angewendet werden dürfen. Der Umstand, dass mit Artikel 4 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags ein ausdrücklicher Vorbehalt zugunsten nationaler Regelungen verankert werden soll, deutet eher dagegen; denn dieser Vorbehalt bezieht sich ausschließlich auf nationale Regelungen über Fristen. Mit den nationalen Regelungen über Bevollmächtigte und Beistände soll unter anderem sichergestellt werden, dass Personen, die in Gerichts- und Verwaltungsverfahren für Beteiligte auftreten, hierzu über die notwendige Fachkunde verfügen. Dies betrifft sowohl die Kenntnis der Anforderungen des einschlägigen Prozess- und Verfahrensrechts als auch die Befähigung zum sachgerechten Vortrag und ist vor allem in den Rechtsmittelinstanzen von besonderer Bedeutung. Es liegt im Interesse der vertretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, dass auch Verbände, Organisationen oder sonstige Rechtssubjekte im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags den durch das nationale Recht gesetzten Anforderungen an Bevollmächtigte und Beistände genügen. Daher sollte in der Richtlinie ausdrücklich klargestellt werden, dass nicht nur die nationalen Regelungen über Fristen im Gerichts- und Verwaltungsverfahren, sondern auch diejenigen über Bevollmächtigte und Beistände unberührt bleiben, soweit diese dem Zweck dienen, Qualitätsstandards zu sichern.
- 4. Schließlich sollen die Mitgliedstaaten gemäß dem Richtlinienvorschlag Stellen zur Förderung, Analyse, Überwachung und Unterstützung der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen benennen, wobei diese Stellen Teil von bereits existierenden Einrichtungen sein können. Nach Auffassung des Bundesrates muss im Zuge der Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag sichergestellt werden, dass die Benennung einer bereits existierenden Stelle tatsächlich ausreichend ist, so dass auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes als Stelle in diesem Sinne fungieren könnte.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich in den Verhandlungen auf europäischer Ebene für eine Klärung der oben genannten Punkte einzusetzen.