Der Bundesrat hat in seiner 885. Sitzung am 8. Juli 2011 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die vom Europäischen Rat am 23. und 24. Juni 2011 gebilligte Fassung des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Kenntnis. Der Bundesrat begrüßt, dass die Beteiligung privater Gläubiger, die Einfügung von Umschuldungsklauseln in neue Staatsanleihen wie auch die bevorrechtigte Gläubigerstellung des ESM nunmehr vertraglich verankert wurden. Aus Sicht des Bundesrates ist es für das weitere Verfahren von herausgehobener Bedeutung, die rechtlichen Einzelheiten für die Aufnahme von Umschuldungsklauseln in Staatsanleihen des Euro-Währungsgebiets möglichst rasch zu klären.
- 2. Der Bundesrat unterstreicht, dass es sich beim ESM um ein Vorhaben der EU handelt. Deshalb greifen die bereits bestehenden Mitwirkungsrechte gemäß Artikel 23 GG sowohl bei der Einrichtung des ESM als auch bei der Gewährung von Finanzhilfen. Der Bundesrat fordert aus Gründen der Rechtssicherheit eine gesetzliche Regelung, die diese Mitwirkungsrechte klarstellt. Für die Einrichtung des ESM-Vertrages wie auch dessen nachträgliche Änderung ist dabei aus Sicht des Bundesrates ein Zustimmungsgesetz nach Artikel 23 Absatz 1 GG erforderlich.
- 3. Die Möglichkeit, dass im Gouverneursrat des ESM über Änderungen am Stammkapital und Anpassungen des maximalen Darlehenvolumens entschieden werden soll, sieht der Bundesrat kritisch. Sollten hier nachträglich Entscheidungen getroffen werden, die zu einer höheren Belastung des Bundeshaushalts führen, ist aus Sicht des Bundesrates hierfür ebenfalls ein Zustimmungsgesetz erforderlich. Der Bundesrat fordert aus Gründen der Rechtssicherheit auch insoweit eine gesetzliche Regelung, die diese Mitwirkungsrechte klarstellt.
- 4. Der Bundesrat fordert eine umfassende und fortlaufende Unterrichtung zum jeweils frühestmöglichen Zeitpunkt über die beabsichtigten Entscheidungen des ESM (z.B. Gewährung von Finanzhilfen) oder der Europäischen Finanzstabilitätsfazilität und die Entwicklung in den unterstützten Staaten, damit der Bundesrat hierzu im Einzelfall Stellung nehmen kann. Die Bundesregierung ist verpflichtet, eine Abweichung von einer Stellungnahme des Bundesrates zu begründen. Das soll nach Möglichkeit vor einer Beschlussfassung im Gouverneursrat des ESM geschehen.
- 5. Der Bundesrat wird seine Zustimmung zur Ratifikation der Vertragsänderung des Artikels 136 AEUV und des ESM-Vertrags davon abhängig machen, dass Bundestag und Bundesrat in den genannten Fällen nach den Vorgaben des Artikels 23 GG beteiligt werden. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Vorschläge für die genannten Rechtsänderungen mit dem Gesetzentwurf für das ESM-Paket vorzulegen.