Der Bundesrat hat in seiner 861. Sitzung am 18. September 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Die jungen Europäerinnen und Europäer sind die Zukunft der Gesellschaft. Die jugendpolitischen Maßnahmen der EU zielen deshalb darauf ab, auf die sich verändernden Erwartungen junger Menschen zu reagieren und sie gleichzeitig zu einem Beitrag zur Gesellschaft zu ermutigen. Mit der Veröffentlichung der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen "Eine EU-Strategie für die Jugend - Investitionen und Empowerment - Eine neue offene Methode der Koordinierung, um auf die Herausforderungen und Chancen einzugehen, mit denen die Jugend konfrontiert ist" (KOM (2009) 200 endg. vom 27. April 2009) wird eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Jugendpolitik und anderen Politikbereichen wie Bildung, Beschäftigung, Integration und Gesundheit vorgeschlagen. Die Kommission unterstreicht den Stellenwert, den Jugendaktivitäten und insbesondere die Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit1 im Sinne eines sozialen Kompetenzerwerbs für die gesellschaftliche Entwicklung in der EU haben. Ausgehend von den Kenntnissen über die derzeitige Lage der Jugend2 formuliert sie drei übergeordnete Ziele:
- - der Jugend mehr Chancen in Bildung und Beschäftigung eröffnen,
- - Zugangsmöglichkeiten verbessern und alle jungen Menschen umfassend an der Gesellschaft teilhaben lassen,
- - gegenseitige Solidarität zwischen Gesellschaft und jungen Menschen fördern.
- 2. Der Bundesrat nimmt die Mitteilung der Kommission für eine neue EU-Strategie für die Jugend zur Kenntnis. Er begrüßt das Vorhaben einer systematischeren Berücksichtigung der Jugendperspektive in allen Angelegenheiten der beteiligten Generaldirektionen der Kommission, des Europäischen Parlaments, des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen. Er stimmt der Kommission inhaltlich darin zu, dass angesichts der demographischen Herausforderungen und der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise die Förderung der Jugend eine politische Priorität darstellen muss. Zentrale Bedeutung hierfür haben die Ausbildung individueller und sozialer Kompetenzen junger Menschen und die Beschäftigungsfähigkeit.
- 3. Der Bundesrat hält die Identifizierung der drei prioritären Ziele für eine gute Arbeitsgrundlage, um den Herausforderungen der nächsten Jahre zu begegnen. Die zu jedem Ziel genannten drei Aktionsbereiche mit nochmals fünf bis zehn möglichen Einzelmaßnahmen erschweren die erforderliche Konzentration auf die wichtigsten Ziele. Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass die vorgeschlagenen übergeordneten Ziele jeweils auf allen dafür zuständigen Ebenen wirksam und nachhaltig verfolgt werden sollten. Eine mittelfristige europäische Jugendstrategie sollte unter qualitativem Aspekt aus Sicht der Länder auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet sein und sich auf wenige Schwerpunktthemen beschränken. Die eingesetzten Kräfte und Ressourcen sind zu bündeln, um ihre Wirkungsoptionen zu stärken.
- 4. Der Bundesrat sieht eine Unterstützung durch die in Deutschland zuständigen überörtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe insbesondere für folgende Bereiche als möglich an:
- - Förderung der gesellschaftlichen und beruflichen Eingliederung junger Menschen, insbesondere von jungen Menschen mit sozialen Benachteiligungen und Migrationshintergrund;
- - Stärkung von körperlicher Gesundheit und psychischem Wohlergehen von Mädchen und Jungen;
- - Förderung von Gelegenheiten und Angeboten im Bereich der nicht formalen und informellen Bildung in der Jugendarbeit und Ermittlung und Anerkennung der von jungen Menschen erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen;
- - Förderung des bürgerschaftlichen Engagements junger Menschen auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Das schließt Formen der (politischen) Partizipation ebenso ein wie das ehrenamtliche Engagement in der Jugendarbeit und in Freiwilligendiensten;
- - Förderung der verbesserten Mobilität von jungen Menschen, insbesondere durch verstärkte Einbeziehung schwer erreichbarer junger Menschen;
- - Verstärkung praxisbezogener Formen des transregionalen Erfahrungsaustauschs zwischen Akteuren einschlägiger Projekte, Fachkräften der Jugendpolitik und Entscheidungsträgern lokaler, regionaler und nationaler Organisationen und Behörden auf der Basis verlässlicher Daten;
- - Weiterentwicklung von Formen des strukturierten Dialogs mit und zwischen den jungen Menschen unter Berücksichtigung ihrer Themenvorschläge, insbesondere auf lokaler und regionaler Ebene.
- 5. Der Bundesrat begrüßt den bereichsübergreifenden Ansatz (Mainstreaming) für die Jugendbelange und sieht in Übereinstimmung mit Artikel 149 EGV einen Mehrwert in der Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten durch die EU.
- 6. Der Bundesrat geht davon aus, dass bei der Weiterentwicklung der Umsetzungsinstrumente vor diesem Hintergrund insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt werden sollten:
- - Die "Offene Methode der Koordinierung" ist auf Grundlage der jeweiligen bestehenden nationalen Zuständigkeiten zu einem schlanken, vereinfachten und transparenten Verfahren weiterzuentwickeln, das gegenseitige Anregung durch echte Vergleichbarkeit zwischen der Praxis in den Mitgliedstaaten ermöglicht, ohne dabei Harmonisierung anzustreben oder durch die Entwicklung von Indikatoren sowie die Einführung regelmäßiger Berichtspflichten der Mitgliedstaaten in deren Kompetenzen einzugreifen. Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang an seine Stellungnahmen in den BR-Drucksachen 1 066/01(Beschluss) , 471/05(B) und 641/07(B) .
- - Im Hinblick auf die bestehenden Integrierten Leitlinien und den Prozess der "Offenen Methode der Koordinierung" im Bereich Sozialschutz und soziale Eingliederung sind Doppelungen zu vermeiden.
- - Peerlearning-Aktivitäten zwischen den Mitgliedstaaten sollen zu konkreten praxisrelevanten Kernthemen stattfinden, die sich vorrangig an Akteure der lokalen und regionalen Ebene der Mitgliedstaaten richten. Inhalte und Verfahren sollten an den verschiedenen Praxisfeldern und den Anforderungen an die Akteure der verschiedenen Ebenen orientiert sein.
- - Um eine vertiefte substantielle Bearbeitung der strategischen Fragen der europäischen jugendpolitischen Zusammenarbeit zu ermöglichen, ist die Intensität des transregionalen Austausches von Erfahrungen und Praxiskonzepten zu fokussieren und ein Austausch der Fachkräfte zu intensivieren. Der Wissenstransfer ist zusätzlich durch eine verbesserte Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Jugendforschung zu stärken.
- - Der regelmäßig erstellte Europäische Jugendbericht soll die Lebenslagen junger Menschen kontinuierlich abbilden und vergleichbar machen.
- - Die Verfahren zur Ausschreibung und Vergabe von Fördermitteln der einschlägigen EU-Programme sind transparenter zu gestalten und der Aufwand für Antragstellung, Berichterstattung und Dokumentation ist zu reduzieren.
- 1 Die Begrifflichkeit der Jugendarbeit im Sinne des europäischen Rechts umfasst sowohl die Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII als auch die Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII.
- 2 EU YOUTH REPORT, am 27. April 2008 als COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT zur Mitteilung der Kommission herausgegeben.