C(2014) 1232 final
Brüssel, den 26.02.2014
Herrn Stephan WEIL
Bundesratspräsident
Leipziger Straße 3 - 4
D -10117 BERLIN
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für den Zugang zum Markt für Hafendienste und für die finanzielle Transparenz der Häfen (COM (2013) 296 final) und bedauert die verspätete Antwort.
Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass der Bundesrat keine Einwände aus Gründen der Subsidiarität erhebt. Hinsichtlich der verschiedenen Bedenken, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme äußert, möchte die Kommission zunächst darauf hinweisen, dass der Vorschlag zwei wesentliche Ziele verfolgt:
- (a) Transparenz bei der Verwendung öffentlicher Mittel und
- (b) Beachtung der AEUV-Grundsätze in öffentlich finanzierten Häfen, insbesondere denjenigen, die für EU-Mittel im Rahmen der Strukturfonds und der transeuropäischen Verkehrsnetze (7'EN-V) in Betracht kommen.
Die wirksame Durchsetzung dieser Grundprinzipien dürfte entgegen der Auffassung in Punkt 7 der Stellungnahme des Bundesrates keine negativen Auswirkungen auf die Verteilung der Verkehrsströme zwischen den europäischen Häfen haben. Entsprechend dem Binnenmarktmodell vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Wahl eines bestimmten Hafens Teil eines Wettbewerbsmechanismus ist, der sich auf die Entscheidungsfreiheit der Wirtschaftsakteure stützt. Ziel des Kommissionsvorschlags ist die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure unter Wahrung der oben genannten Kernprinzipien. Die Beachtung der Grundregeln bedeutet nicht, dass Häfen in unterschiedlichen Regionen der EU Vor- oder Nachteile erhalten.
In Punkt 2 seiner Stellungnahme kritisiert der Bundesrat insbesondere die von der Kommission gewählte Rechtsform einer Verordnung. Bei der Prüfung möglicher Rechtsformen gelangt die Kommission in ihrer Folgenabschätzung zu dem Schluss, dass eine Verordnung aus verschiedenen Gründen besser geeignet ist als eine Richtlinie.
Der erste Grund ist, dass eines der Hauptziele des Vorschlags darin besteht, faire Rahmenbedingungen zu garantieren, was eine einheitliche Anwendung der wenigen, gleichwohl wesentlichen Regeln, wie das Erfordernis einer einheitlichen Buchführung in Häfen, die öffentliche Mittel erhalten (Gebot der finanziellen Transparenz), bzw. die Beachtung der Grundsätze der Transparenz, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit durch Behörden, die TEN-V-Häfen verwalten, verlangt. Eine in allen ihren Teilen unmittelbar verbindliche Verordnung dürfte eher geeignet sein, für einheitliche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen.
Der zweite Grund ist, dass eine Verordnung nicht notwendigerweise ein starres einheitliches Modell vorschreibt, sondern so gestaltet werden kann, dass die Mitgliedstaaten nach wie vor über die notwendige Flexibilität verfügen, besonderen Umständen Rechnung zu tragen. Der Vorschlag bietet kein Patentrezept, sondern überlässt es vielmehr den Mitgliedstaaten und den verschiedenen Hafenbehörden auf staatlicher, regionaler oder lokaler Ebene, aus einem gemeinsamen, allerdings umfassenden regulatorischen Instrumentarium die für ihren Bedarf am besten geeigneten Vorschriften auszuwählen.
Drittens spricht für eine Verordnung, dass sie einen klareren Rechtsrahmen für die Beteiligten bietet, da sie unmittelbar anwendbar ist. Angesichts der Vielfalt der angesprochenen Beteiligten ist dies ein Vorteil gegenüber einer Richtlinie, die sich an die Mitgliedstaaten richtet. Schließlich hätte die Rechtsform einer Richtlinie die Erarbeitung und anschließende Notifizierung nationaler Umsetzungsmaßnahmen von Regeln notwendig gemacht, die nach Auffassung der Kommission unkompliziert sind.
Ferner ist festzustellen, dass der Vorschlag entgegen der Behauptung in Punkt 3 der Stellungnahme des Bundesrates nicht in allen Bereichen eine Marktöffnung für Hafendienste anstrebt. Der Vorschlag bekräftigt den allgemeinen Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit in Häfen und bietet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die nach ihrer Auffassung am besten geeigneten Bedingungen für jeden einzelnen Hafen zu schaffen.
Die Bestimmungen in Kapitel II des Vorschlags verlangen von den Mitgliedstaaten ausschließlich, dass sie die Anforderungen, die ein Hafendienstleister erfüllen muss, um Hafendienste anbieten zu können, die Gründe und Verfahren zur Begrenzung der Zahl der Hafendiensteanbieter sowie die Dienstleistungen, die als von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrachtet werden und als solche gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegen, präzisieren. Kapitel II sieht auch vor, dass die Behörden mit Hilfe eines internen Betreibers selbst bestimmte Hafendienste erbringen können, wenn sie dies für notwendig erachten.
Unter vollständiger Beachtung des Subsidiaritätsprinzips und der besonderen Traditionen und Formen der Hafenverwaltung in den Mitgliedstaaten sieht Kapitel II des Vorschlags Maßnahmen zur Präzisierung und Transparenz vor. Aufgrund der Bestimmungen des Vorschlags sind die Mitgliedstaaten nicht gehalten, Dienste dem Wettbewerb zu öffnen, die nach ihrer eigenen Auffassung aus Gründen des öffentlichen Interesses weiterhin reguliert werden sollten. Dies dürfte nicht zu einem Mehr an Kosten und Verwaltungsaufwand führen, da es sich lediglich um eine Präzisierung der Zuständigkeiten handelt. Insgesamt ist das Konzept des Vorschlags äußerst flexibel.
Unter Punkt 4 seiner Stellungnahme verweist der Bundesrat auf Dienste wie Ausbaggerung, Lotsendienste sowie die Entsorgung der Schiffsabfälle (Hafenauffangeinrichtungen) und fordert, diese Hafendienste aus dem Anwendungsbereich der Verordnung auszunehmen.
Natürlich sehen die Richtlinien 2000/59/EG und 2004/17/EG Verpflichtungen im Hinblick auf Hafenauffangeinrichtungen und die Entsorgung der Schiffsabfälle vor. Die Bestimmungen der vorgeschlagenen Verordnung für Hafendienste berücksichtigen die bestehenden Rechtsvorschriften und es gibt keinesfalls Überschneidungen und/oder Widersprüche zu den Verpflichtungen der genannten Richtlinien. Wie oben erwähnt, erfordert die Anwendung der Bestimmungen des Vorschlags für Hafendienste auf die technischnautischen Hafendienste, einschließlich der Abfallentsorgungsdienste, lediglich eine Präzisierung ihres Status im Hafen entweder als öffentliche Dienstleistungen, für die die allgemeinen Vorschriften für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse in der EU gelten, oder als kommerzielle Dienstleistungen, für die die Regeln des Marktes gelten. Nach Auffassung der Kommission ist diese Präzisierung notwendig, um allen interessierten Parteien Rechtssicherheit zu bieten.
Obgleich Baggerdienste den Hafennutzern nicht unmittelbar in Rechnung gestellt werden, handelt es sich gleichwohl um eine für das Funktionieren des Hafens notwendige Dienstleistung. Die Kommission hat diesen Dienst in die Verordnung einbezogen, da er häufig von einem "internen Betreiber" durchgeführt wird, was zu einem Interessenkonflikt zwischen Fremdfirmen, die die Ausbaggerung vornehmen wollen, und dem internen Betreiber der Hafenbehörde führen könnte. Dies betrifft insbesondere den Bereich der "Unterhaltungsbaggerung". Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass eine transparentere Auftragsvergabe die Kostenwirksamkeit der Ausbaggerungsdienste verbessern und gleiche Chancen für alle interessierten Unternehmen gewährleisten würde.
Bezüglich der Einbeziehung der Lotsendienste möchte die Kommission betonen, dass der Vorschlag die Art und Weise, wie Lotsendienste in den EU-Häfen gegenwärtig geregelt werden, nicht verändert. Es wird nicht angestrebt, Lotsendienste zu privatisieren, sondern den Status dieser Dienste zu präzisieren, um zu gewährleisten, dass sie möglichst effektiv und effizient durchgeführt werden. Der Vorschlag überlässt es den Behörden der Mitgliedstaaten, über die Art und Weise der Durchführung der Lotsendienste zu entscheiden, und bietet einen stabilen Rahmen für die öffentliche und private Durchführung dieser Dienste. Darüber hinaus ist die Kommission der Auffassung, dass, sofern ein Organ mit Exklusivrechten einseitig Zwangsgebühren für Lotsendienste festsetzt, dies transparent und unter behördlicher Aufsicht erfolgen sollte.
Was die unter Punkt 5 der Stellungnahme des Bundesrates angesprochene Erhebung von Hafeninfrastrukturentgelten betrifft, so möchte die Kommission darauf hinweisen, dass der Verordnungsvorschlag den politischen Leitlinien des EU-Weißbuchs Verkehr' entspricht. Verkehrsbezogene Entgelte und Steuern müssen umgestaltet werden und mehr dem Prinzip der Kostentragung durch die Verursacher und Nutzer angenähert werden. Sie sollten die Rolle des Verkehrs bei der Förderung der europäischen Ziele für Wettbewerbsfähigkeit und Zusammenhalt stützen, während die Gesamtbelastung des Sektors die Gesamtkosten des Verkehrs einschließlich der Infrastrukturkosten und externen Kosten widerspiegeln sollte.
In dieser Hinsicht soll der Vorschlag den Kriterien der wirtschaftlichen Logik von Hafeninfrastrukturentgelten größeres Gewicht verleihen. Die mangelnde Verknüpfung zwischen öffentlichen Investitionen und den zur Deckung der Investitionskosten und/oder zur Erzielung angemessener wirtschaftlicher, umweltpolitischer oder gesellschaftspolitischer Renditen erforderlichen Entgelten könnte zu einer Fehlallokation von Ressourcen führen. So hat der Europäische Rechnungshof kritisiert, dass Strukturfonds-Mittel zur Schaffung unnötiger Hafenkapazitäten eingesetzt wurden2.
In einigen Fällen haben mit öffentlichen Mitteln geförderte große Hafenkapazitäten Hafeninfrastrukturverwalter dazu veranlasst, äußerst niedrige Hafengebühren festzusetzen, um Seeverkehr von Nachbarhäfen abzuwerben. Diese Entgelte werden ungeachtet der Investitionskosten festgelegt und bergen die ernsthafte Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung zwischen den Häfen.
Nach sorgfältiger Analyse ist die Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verordnung zur Förderung einer effizienten Kostenallokation und somit einer besseren Nutzung der Investitionen keine Entgelterhebung in direkter Relation zu den Kosten nach einer einheitlichen Entgeltberechnung vorschreiben, sondern vielmehr gewährleisten soll, dass die Entgelte entsprechend den kommerziellen Strategien und Investitionsplänen der einzelnen Häfen festgelegt werden, sofern die sich daraus ergebende Entgeltstruktur transparent und nicht diskriminierend ist.
Das Hauptziel der in Artikel 14 Absatz 5 vorgeschlagenen delegierten Rechtsakte ist die Festlegung einer gemeinsamen Klassifizierung von Schiffen und Brennstoffen, die von denjenigen Häfen verwendet werden kann, die einen umweltfreundlicheren Seeverkehr fördern wollen, indem sie gestaffelte Infrastrukturentgelte erheben. Reeder benötigen verlässliche grenzüberschreitende Preissignale. Die gegenwärtige Vielfalt dieser Klassifizierungen untergräbt ihre Bereitschaft, in umweltfreundlichere Schiffe zu investieren. Statt neue Standards zu entwickeln, wird vielmehr angestrebt, die Harmonisierung der bestehenden Klassifizierungen zu erleichtern, indem diese so weit wie möglich an die internationalen Klassifikationen angepasst werden. Das Hauptziel der delegierten Rechtsakte bezieht sich daher auf die technischen Standards der Schiffe.
Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates, dass die Schaffung neuer und überflüssiger Verwaltungsstrukturen (siehe Punkt 6 der Stellungnahme des Bundesrates) vermieden werden muss. Hinter Artikel 15 und 16 steckt die Absicht, die in vielen Häfen übliche bewährte Praxis auszuweiten. Die Konsultationen der Hafennutzer und anderer Interessenvertreter zu Angelegenheiten, die sie unmittelbar betreffen, dürfen nicht als unnötige Belastung ohne großen Mehrwert im Falle von Häfen angesehen werden, die Teil des TEN-V sind. In vielen Häfen führen gerade die mangelnde Koordination der Hafenakteure und die Missachtung der Kundenwünsche zu Bürokratie und Verwaltungslasten. Die Bestimmungen des Vorschlags bieten den Leitungsorganen der Häfen umfassende Flexibilität, um die Konsultationen auf möglichst angemessene Weise durchzuführen.
Was das in Artikel 17 der vorgeschlagenen Verordnung vorgesehene unabhängige Aufsichtsorgan betrifft, so strebt die Kommission mit ihrem Vorschlag nicht die Schaffung neuer Organe im Hafensektor an. Wie dies bereits in mehreren Mitgliedstaaten der Fall ist, sollte eine nationale Behörde bzw. mehrere Behörden in der Lage sein, für die angemessene Umsetzung des Verordnungsentwurfs und die wirksame Durchsetzung der beiden oben genannten Grundprinzipien - fairer Marktzugang und finanzielle Transparenz bei der Verwendung öffentlicher Mittel - zu sorgen. Diese Aufgaben können je nach der internen Organisation der Mitgliedstaaten auf nationaler oder regionaler Ebene wahrgenommen werden. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Aufgaben in Einklang gebracht werden können mit anderen Funktionen, sofern angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten eingerichtet werden, um für die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde bei der Anwendung des Verordnungsentwurfs zu sorgen. In Mitgliedstaaten, in denen die Wettbewerbsbehörden bereits für einen fairen Wettbewerb im Hafensektor sorgen, hat der Vorschlag in der Praxis geringere Auswirkungen.
Die Kommission hofft, mit dieser Antwort den Bedenken des Bundesrates ausreichend Rechnung getragen zu haben, und sieht der Fortsetzung unseres politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
- 1. Weißbuch "Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum - Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem", KOM (2011) 144 endgültig.
- 2. Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 4/2012 "Einsatz von Struktur- und Kohäsionsfonds zur Kofinanzierung der Verkehrsinfrastruktur in Seehäfen: eine wirksame Investition?"