Der Deutsche Bundestag hat in seiner 183. Sitzung am 7. Juli 2016 zu dem von ihm verabschiedeten Vierten Gesetz zur Änderung des GAK-Gesetzes - Drucksachen 18/8578, 18/8958, 18/9074 - die beigefügte Entschließung unter Buchstabe b auf Drucksache 18/9074 angenommen.
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Deutschland steht für seine Vielfalt. Sie macht den Reiz unseres Landes aus, sie ist seine Stärke: Lebendige ländliche Räume, bunte Kleinstädte und pulsierende Metropolen. Jede Region hat ihre eigene Geschichte, jede setzt einzigartige kulturelle Akzente, und jede verfügt über ein eigenes wirtschaftliches Profil.
Doch nicht nur unsere Städte, sondern auch die ländlichen Räume haben sich in den vergangenen Jahren unterschiedlich entwickelt. Ländliche Räume in Deutschland bieten eine hohe Lebensqualität. Einige prosperieren wie nie zuvor, andere drohen dennoch, den Anschluss zu verlieren: Alterung, Abwanderung, geringe wirtschaftliche Perspektiven. In manchen Regionen Deutschlands prägen zunehmend Leerstände die Straßenbilder von Dörfern und Kleinstädten. Eine ortsnahe Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung ist keine Selbstverständlichkeit mehr, und mancherorts steht auch die Zukunft sozialer und kultureller Einrichtungen infrage.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) rechnet in seiner "Raumordnungsprognose 2025" für die meisten ländlich geprägten Regionen Deutschlands bis 2025 mit einem Bevölkerungsrückgang von mindestens drei bis zehn Prozent gegenüber dem Jahr 2005. In einigen östlichen Regionen sind noch deutlich höhere Bevölkerungsrückgänge zu erwarten. Ebenso geht das BBSR von einer deutlichen Zunahme des Anteils der über 60-Jährigen bis 2025, mancherorts von bis zu 40 Prozent aus.
Für diese Herausforderungen muss die Politik Antworten entwickeln - aufgrund der Heterogenität der ländlichen Räume passgenau für jede Region und gemeinsam mit den Menschen vor Ort. Nur so wird die Heimat der Menschen im ländlichen Raum auch in Zukunft lebenswert und existenzsichernd sein. Wir bestätigen: Gleichwertige Lebensverhältnisse sind und bleiben unser übergeordnetes Ziel.
Wir appellieren an die Länder, ihrer originären Verantwortung für die ländliche Entwicklung nachzukommen, aber auch im Bund müssen wir die Förder- und Strukturpolitik für die ländlichen Räume an die veränderten Voraussetzungen anpassen.
Ein zentrales Förderinstrument zur Entwicklung ländlicher Räume ist die Bund-LänderGemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK). Aus den Mitteln der GAK werden Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft, des Küstenschutzes und der ländlichen Räume finanziert.
Angesichts der beschriebenen Herausforderungen wollen wir einen Schritt weiter gehen: In Zukunft sollen im Rahmen des Artikels 91a des Grundgesetzes mit der GAK auch Investitionen in nicht landwirtschaftliche Kleinst- und Kleinbetriebe und in kleine Infrastrukturen und Basisdienstleistungen gefördert werden, bei denen es darum geht, die Regionen zu stärken.
II. Der Deutsche Bundestag begrüßt
- 1. den vorgelegten Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der GAK;
- 2. die Einrichtung des Bundesprogramms "Ländliche Entwicklung" (BULE) zur Förderung und Erprobung innovativer Ansätze der ländlichen Entwicklung;
- 3. den Einstieg in einen konsequenten und langfristig angelegten Hochwasserschutz in Deutschland;
- 4. die nationale Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) und die damit verbundene Umschichtung von 4,5 Prozent der finanziellen Mittel von der ersten in die zweite Säule;
- 5. die Einrichtung eines Staatssekretärsausschusses unter Leitung des BMEL zur Koordinierung der unterschiedlichen Ressortzuständigkeiten für eine Politik zur integrierten Entwicklung ländlicher Räume;
- 6. die Einberufung eines Sachverständigenrats für Ländliche Entwicklung (SRLE) im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft;
- 7. die vorgelegten Eckpunkte des Bundes für ein gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen ab 2020.
III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
- 1. ihrer Politik für die ländlichen Räume noch mehr Gewicht und Sichtbarkeit zu verleihen sowie die Koordinierung der - klar voneinander abgegrenzten - Instrumente zu stärken;
- 2. gute Lebensqualität der Bevölkerung in ländlichen Räumen durch ein ressortübergreifendes, abgestimmtes Handeln zu sichern;
- 3. für eine integrierte Entwicklung ländlicher Räume die Ressortzuständigkeiten besser zu koordinieren;
- 4. in der Politik für den ländlichen Raum stärker die unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten in den Regionen in den Blick zu nehmen;
- 5. Fördertatbestände zugunsten von Existenzgründungen, Investitionen in nicht landwirtschaftliche Tätigkeiten von Kleinstbetrieben, Investitionen in die Schaffung kleiner Infrastrukturen und Basisdienstleistungen für die ländliche Bevölkerung, Investitionen zugunsten des Tourismus und zur Verbesserung des kulturellen und natürlichen Erbes in den Dörfern sowie Investitionen zur Umnutzung von Gebäuden für den GAK-Rahmenplan vorzuschlagen;
- 6. die Finanzierung der GAK in Anbetracht ihres ergänzten Förderspektrums und ihrer Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der ländlichen Räume im Rahmen der finanziellen Spielräume des Bundes entsprechend sicherzustellen;
- 7. bei der Erweiterung des Maßnahmenspektrums die bewährten Kernmaßnahmen wie das Agrarinvestitionsprogramm, die Marktstrukturverbesserung, die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, die Agrarumweltmaßnahmen, die Förderung der Forst- und Holzwirtschaft, den Küstenschutz und die wasserwirtschaftlichen Maßnahmen, die Flurneuordnung, die integrierte ländliche Entwicklung und die Dorferneuerung fortzuführen;
- 8. gemeinsam mit den Ländern im Rahmen der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten Maßnahmen zur Erleichterung des Mittelabflusses in der GAK zu vereinbaren;
- 9. mit der Neuaufstellung des Rahmenplans
- a) die Potentiale der Landwirtschaft für die Entwicklung der ländlichen Räume zu nutzen;
- b) regionale Entwicklungsentscheidungen so weit wie möglich zu berücksichtigen und die Entwicklung ländlicher Räume auf Grundlage integrierend wirkender Entwicklungskonzepte zu fördern;
- c) sicherzustellen, dass die einzelnen GAK-Maßnahmen für die Gesamtheit bedeutsam sind, wie es Artikel 91a des Grundgesetzes verlangt;
- d) eine umfassende Nutzung des Förderspektrums der Verordnung über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) vorzusehen;
- e) kleine und mittlere Unternehmen, die dezentrale Strukturen bei der Lebensmittelherstellung und -vermarktung zur Sicherung der Daseinsvorsorge wieder aufleben lassen, verstärkt zu unterstützen;
- f) regionale Besonderheiten bei der Gestaltung der Förderprogramme zu berücksichtigen;
- g) eine intensivere interkommunale Kooperation zu fördern;
- h) Maßnahmen zur Stärkung klimaschonender Landwirtschaft einzubeziehen;
- i) Maßnahmen zu sichern, die das bürgerschaftliche Engagement vor Ort stärken;
- j) der besonderen Situation von Frauen im ländlichen Raum Rechnung zu tragen und deren Potentiale zu fördern;
- k) die soziale Dorferneuerung in die Fördermöglichkeiten aufzunehmen;
- l) die Sicherung und Neuentwicklung von Wertschöpfungspotentialen durch eine effektive Förderung zu unterstützen;
- m) in der Dorfentwicklung den Grundsatz "Umbau statt Neubau" festzuschreiben;
- n) die Abstimmung mit bestehenden Maßnahmen, bspw. der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", der Mittelstandsförderung und dem Städtebau, zu intensivieren, um Überschneidungen in der Förderung zu vermeiden;
- 10. im Bundesprogramm "Ländliche Entwicklung" (BULE) die Forschungsprogramme für den ländlichen Raum auszubauen und im Rahmen der finanziellen Spielräume des Bundes entsprechend zu unterlegen;
- 11. eine effizientere Erfolgskontrolle auf allen Ebenen und in allen Systemen der ländlichen Entwicklung zu entwickeln und zu implementieren;
- 12. die Kooperation von Wirtschaft und Forschung zu fördern, um die Innovationsfähigkeit mittelständischer Unternehmen im ländlichen Raum zu stärken;
- 13. gemeinsam mit den Sozialpartnern die Qualität in der Ausbildung der "Grünen Berufe" zu heben;
- 14. die Rahmenbedingungen für den Landtourismus zu stärken;
- 15. ein gut entwickeltes und leistungsfähiges System der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum zu unterstützen.
IV. Der Deutsche Bundestag fordert die Länder auf,
- 1. ihrer Verantwortung für die Entwicklung ländlicher Räume auch in Zukunft nachzukommen;
- 2. eine Weiterentwicklung der GAK konstruktiv zu begleiten und ihre Erkenntnisse über die unterschiedlichen Bedingungen im ländlichen Raum in den Prozess der Weiterentwicklung einfließen zu lassen;
- 3. gemeinsam mit dem Bund die bisherigen Maßnahmen der GAK zu überprüfen und den Rahmenplan der GAK an die zukünftigen Herausforderungen der ländlichen Räume anzupassen;
- 4. ihren Finanzierungsanteil an einer weiterentwickelten GAK nicht unter 40 Prozent fallen zu lassen;
- 5. gemeinsam mit dem Bund die Strukturen und Netzwerke des bürgerschaftlichen Engagements zu sichern und zu stärken;
- 6. gemeinsam mit den Kommunen administrative Strukturen und Instrumente zu schaffen, die gerade in den ländlichen Räumen die unternehmerischen Initiativen stärken, Gründungen erleichtern und bestehende Unternehmen positiv begleiten.