A. Zielsetzung
Der nach geltendem Recht bestehende Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht wird aufgehoben. Danach müssen Einbürgerungswillige im Fall des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit ihre bisherige(n) Staatsangehörigkeit(en) nicht aufgeben. Folgerichtig verlieren auch Deutsche beim Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit ihre deutsche Staatsangehörigkeit nach deutschem Recht grundsätzlich nicht mehr.
Damit entfällt zudem die Legitimation für die sogenannte Optionsregelung, die zugunsten des dauerhaften und uneingeschränkten Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit hier geborener Kinder ausländischer Eltern mit langjährigem, verfestigten Aufenthaltsrecht abgeschafft wird. Dies gilt unbeschadet eines möglichen abstammungsbedingten Erwerbs weiterer Staatsangehörigkeiten des Kindes.
An die Stelle einer restriktiven Grundsatzregelung zur Vermeidung der Mehrstaatigkeit mit zum Teil weitreichenden Durchbrechungen tritt eine homogene klare und transparente Regelung der Zulassung von Mehrstaatigkeit, die den Anforderungen einer modernen Einwanderungsgesellschaft gerecht wird.
B. Lösung
Es wird vorgeschlagen, die Bestimmungen im Staatsangehörigkeitsgesetz und in anderen Vorschriften, die die Vermeidung von Mehrstaatigkeit zum Gegenstand haben, zu ändern bzw. aufzuheben. In diesem Zusammenhang wird auch die Aufhebung der in § 29 StAG geregelten Optionspflicht und die Schaffung einer Übergangsregelung für die optionspflichtigen Personen, die bereits aufgrund der Optionsregelung bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, vorgeschlagen.
C. Alternativen
Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen und Bürokratiekosten
Durch die Abschaffung des Grundsatzes der Vermeidung von Mehrstaatigkeit sowie durch den Wegfall des Optionsverfahrens werden Aufwendungen der Verwaltung in nicht bezifferbaren Höhe eingespart. Der Wegfall der Optionsregelung sowie der zeitaufwändigen Prüfung der Ausnahmetatbestände für die Entscheidung, ob Mehrstaatigkeit hingenommen werden kann, führen zudem zu einer erheblichen Reduzierung von Verwaltungsaufwand und zur Vereinfachung des Einbürgerungsverfahrens.
Mehrkosten können durch erhöhte Inanspruchnahme der Einbürgerungsmöglichkeiten entstehen. Dem steht dann allerdings auch ein erhöhtes Gebührenaufkommen gegenüber.
Gesetzesantrag der Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes über die Zulassung der Mehrstaatigkeit und die Aufhebung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht
Staatsministerium Baden-Württemberg
Stuttgart, den 31. Mai 2013
Der Staatssekretär
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes über die Zulassung der Mehrstaatigkeit und die Aufhebung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht mit dem Ziel zuzuleiten, die Einbringung gemäß Artikel 76 Absatz 1 Grundgesetz beim Deutschen Bundestag zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2013 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Murawski
Entwurf eines Gesetzes über die Zulassung der Mehrstaatigkeit und die Aufhebung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrats das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes
Das Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 102-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 1. Juni 2012 (BGBl. I S. 1224) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 9 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
" § 9 Einbürgerung von Ehegatten oder Lebenspartnern
- (1) Ehegatten oder Lebenspartner Deutscher sollen unter den Voraussetzungen des § 8 eingebürgert werden, wenn gewährleistet ist, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen, es sei denn, dass sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 4) und keinen Ausnahmegrund nach § 10 Abs. 6 erfüllen."
2. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 wird aufgehoben
3. § 12 wird aufgehoben
4. § 17 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
Die Nummern 2, 4 und 6 werden aufgehoben.
5. § 25 wird aufgehoben
6. § 27 wird aufgehoben
7. § 29 wird aufgehoben
8. In § 33 Absatz 2 Nummer 1 werden nach dem Wort "Geschlecht" das Komma und die Wörter "die Tatsache, dass nach § 29 ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eintreten kann" gestrichen.
9. § 34 wird aufgehoben
10. § 35 wird wie folgt geändert:
- a) In Absatz 1 werden die Wörter "oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit" gestrichen.
- b) In Absatz 3 werden die Wörter "oder Beibehaltungsgenehmigung" gestrichen.
11. § 38 wird wie folgt geändert:
- a) In Absatz 2 Satz 4 werden die Wörter "nach § 29 Abs. 6 und" und die Wörter "sowie die Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung nach § 29 Absatz 4" gestrichen und das Wort "sind" durch das Wort "ist" ersetzt.
- b) In Absatz 3 Satz 2 werden die Wörter "51 Euro, für die Beibehaltungsgenehmigung 255 Euro" gestrichen.
12. § 40c wird wie folgt geändert:
Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1 und es wird folgender Absatz 2 angefügt:
(2) Wer gemäß § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat, ist auf Antrag einzubürgern. Der Antrag kann bis zum Ablauf von zwölf Monaten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gestellt werden. Die Einbürgerung nach dieser Vorschrift ist gebührenfrei."
Artikel 2
Änderung des Personalausweisgesetzes
Das Personalausweisgesetz vom 18. Juni 2009 (BGBl. I S. 1346), das durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2959) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 6 Absatz 6 wird aufgehoben
2. § 23 Absatz 3 Nummer 16 wird aufgehoben.
Artikel 3
Änderung des Melderechtsrahmengesetzes
Melderechtsrahmengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 2002 (BGBl. I S. 1342), das durch Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 730) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 2 Absatz 2 Nummer 4 wird aufgehoben
2. § 10 wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
"Nicht mehr zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind insbesondere die Daten eines weggezogenen oder verstorbenen Einwohners, soweit sie nicht der Feststellung seiner Identität und dem Nachweis seiner Wohnung dienen oder für Wahlzwecke erforderlich sind."
- b) Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
"Die für die Identitätsfeststellung und den Wohnungsnachweis oder für Wahlzwecke weiterhin erforderlichen Daten sind nach Ablauf einer durch Landesrecht zu bestimmenden Frist gesondert aufzubewahren und durch technische und organisatorische Maßnahmen besonders zu sichern. Danach dürfen sie mit Ausnahme der Vor- und Familiennamen sowie etwaiger früherer Namen, des Tages und des Ortes der Geburt, der gegenwärtigen und früheren Anschriften, des Auszugstages und des Sterbetages und -ortes nicht mehr verarbeitet oder genutzt werden, es sei denn, dass dies zu wissenschaftlichen Zwecken, zur Behebung einer bestehenden Beweisnot, zur Aufgabenerfüllung der in § 18 Abs. 3 genannten Behörden oder für Wahlzwecke unerlässlich ist oder der Betroffene schriftlich eingewilligt hat."
- c) Absatz 5 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
"Die für die Identitätsfeststellung und den Wohnungsnachweis oder für Wahlzwecke weiterhin erforderlichen Daten, die Dauer und Art ihrer gesonderten Aufbewahrung sowie das Nähere über ihre Sicherung sind durch Landesrecht zu regeln."
3. In § 17 Absatz 1 Satz 5 wird in der Angabe " § 2 Abs. 2 Nr. 1, 3, 4, 6, 7, und 8" die Angabe "4," gestrichen.
4. In § 18 Absatz 1 Nummer 9 werden die Wörter "einschließlich der nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 gespeicherten Daten" gestrichen.
5. In § 23 Absatz 2 Satz 1 werden in der Angabe " § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b, Nr. 4, 6 bis 8" die Angabe "4," und in der Angabe " § 2 Abs. 2 Nr. 4 und 7" die Angabe "4 und" gestrichen.
Artikel 4
Änderung des Passgesetzes
Das Passgesetz vom 19. April 1986 (BGBl. I S. 537), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 2 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2437) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 5 Absatz 5 wird aufgehoben
2. In § 21 Absatz 2 werden in Nummer 15 das Komma durch einen Punkt ersetzt und die Nummer 16 aufgehoben.
Artikel 5
Änderung der Staatsangehörigkeits-Gebührenverordnung
Die Staatsangehörigkeits-Gebührenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1991 (BGBl. I S. 1915), die zuletzt durch Artikel 20 des Gesetzes vom 3. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3306) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 1 wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 1 Nummer 3 wird aufgehoben.
- b) Absatz 2 Nummer 3b) wird aufgehoben.
2. § 3 Absatz 1 Nummer 2 wird aufgehoben.
Artikel 6
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeiner Teil
Im Staatsangehörigkeitsgesetz ist bislang der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit verankert. Dieser Grundsatz wird bereits nach geltender Rechtslage durch eine Reihe von Ausnahmetatbeständen durchbrochen. Sie führen zu einer beständigen Zunahme von Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Nach dem Migrationsbericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für das Jahr 2011 erfolgten seinerzeit 50,4 % aller Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit (2005: 47,2%; 2006: 51,0%; 2007: 52,4%; 2008: 52,9%; 2009: 53,7%; 2010: 53,1 %). Von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit wird zum Beispiel bei Staatsangehörigen aus dem Iran, aus Marokko, Afghanistan, dem Libanon, Tunesien, Algerien und Syrien abgesehen, da diese Länder in der Regel eine Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit verweigern. Auch bei Personen, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzen, erfolgen die Einbürgerungen unter Beibehaltung der früheren Staatsangehörigkeit. Ein insoweit überdurchschnittlich hoher Anteil ist außerdem bei Personen aus Brasilien (98,9%), Israel (95,6%), Nigeria (93,7%), den Vereinigten Staaten von Amerika (90,4%) und Togo (80,2%%) festzustellen.
In der Praxis ist der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit somit bereits vielfach durchbrochen, was insgesamt seine Bedeutung schon gegenwärtig erheblich schmälert. Probleme in nennenswertem Umfang mit der Mehrstaatigkeit sind nicht bekannt geworden. Auch völkerrechtlich ist die Hinnahme von Mehrstaatigkeit unproblematisch. Seit 2005 ist Deutschland Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II, 578), das ausdrücklich die Mehrstaatigkeit anerkennt. Eine Vielzahl anderer Nationen, wie etwa die USA, nimmt Mehrstaatigkeit ebenfalls hin.
Ein Festhalten an dem Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit führt auch zu einer nicht mehr nachvollziehbaren Ungleichbehandlung einbürgerungswilliger Personen. Denn das Erfordernis der Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörigkeit unterliegt je nach Herkunftsstaat unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben. Mit der Anknüpfung der Einbürgerung an die Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörigkeit macht der deutsche Staat eine vollständige gesellschaftliche und politische Teilhabe einbürgerungswilliger Migranten in nicht geringem Maße von den Vorgaben ausländischen Rechts abhängig, die er selbst nicht beeinflussen kann.
Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit ist letztlich auch nicht integrationsfördernd. Er ist vielmehr mitverantwortlich dafür, dass viele Migranten von Teilhaberechten in dem Land, in dem sie ihren dauerhaften Aufenthalt haben, ausgeschlossen bleiben. Nach einer Studie des Bundesamts für Migration (BAMF-Einbürgerungsstudie 2011) ist der wichtigste Grund für die Einbürgerung der Wunsch nach rechtlicher Gleichstellung sowie das Gefühl, in Deutschland verwurzelt zu sein. Der am häufigsten genannte Hinderungsgrund für einen Einbürgerungsantrag ist die Verpflichtung zur Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit. Dieser Konflikt, der durch die bestehende Rechtslage nicht auflösbar ist, führt trotz bestehender Integration in vielen Fällen dazu, dass Einbürgerungswillige nicht nur von der Einbürgerung abgehalten werden, sondern auf Dauer von den Möglichkeiten und Chancen der vollen gesellschaftlichen und politischen Teilhabe keinen Gebrauch machen.
Für die Integration sind andere Aspekte von ungleich größerer Bedeutung als die Frage, ob die Betroffenen neben der deutschen noch weitere Staatsangehörigkeiten besitzen. Dabei hat auch die Einbürgerung selbst eine erhebliche integrationsfördernde Wirkung. Eine Studie im Auftrag der OECD aus dem Jahr 2010 hat ergeben, dass die Einbürgerung besonders bei Nicht-EU-Staatsangehörigen eine signifikante Verbesserung der Einkommenssituation bereits unmittelbar nach der Einbürgerung, aber auch in der Folgezeit aufzeigt (Liebig, T.; Steinhardt, M.; von Haaren, F.: Naturalisation and the Labour Market Integration of Immigrants, SOPEMI 2010, International Migration Outlook, pp. 157-186, OECD Publishing). Auch nach der o.g. BAMF-Studie sind Eingebürgerte unbeschadet eines Besitzes weiterer Staatsangehörigkeiten insgesamt sehr viel besser integriert als Nicht-Eingebürgerte. So haben Eingebürgerte häufiger (58 %) höhere Bildungsabschlüsse als Nicht-Eingebürgerte (35 %) erreicht.
Ist der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit aus den dargestellten Erwägungen aufzugeben, so muss dies erst recht im Fall der Kinder ausländischer Eltern gelten, die über § 4 Abs. 3 StAG bei ihrer Geburt oder über die besondere Form der Einbürgerung nach § 40b StAG neben der ausländischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben. Es ist gerade bei dieser Personengruppe integrationspolitisch besonders problematisch, den Fortbestand ihrer deutschen Staatsangehörigkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres in Frage zu stellen. Die Optionspflichtigen sind seit ihrer Kindheit in Deutschland verwurzelt und bleiben in der Regel dauerhaft Teil der deutschen Gesellschaft. Der Entscheidungszwang wird der Lebenssituation der mit mehreren Staatsangehörigkeiten aufgewachsenen jungen Erwachsenen nicht gerecht. Zudem ist die mit der Optionspflicht einhergehende Ungleichbehandlung mit Kindern aus binationalen Ehen und Partnerschaften nicht gerechtfertigt; Kinder aus binationalen Ehen und Partnerschaften dürfen ihre durch Abstammung erworbenen beiden Staatsangehörigkeiten behalten. Die Optionsregelung diskriminiert daher eine Generation von jungen Deutschen, auf die die deutsche Gesellschaft in der Zukunft angewiesen sein wird.
Die Durchführung des Optionsverfahrens ist zudem mit praktischen Schwierigkeiten verbunden und verursacht sowohl in der Verwaltung als auch bei den Betroffenen einen erheblichen Aufwand, der zu dem vermeintlichen Nutzen des Grundsatzes der Vermeidung von Mehrstaatigkeit in keinem Verhältnis steht. Die komplizierten Regelungen zur Optionspflicht waren deshalb schon bei ihrer Einführung rechtlich und rechtspolitisch umstritten. Am 10. Dezember 2007 waren sie Gegenstand einer Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages (Protokoll Nr. 016/54 ). Mehrheitlich waren die dort angehörten Sachverständigen der Auffassung, dass die gefundene Regelung unzweckmäßig und aus integrationspolitischer Sicht eher schädlich ist. Bei einer weiteren Anhörung am 13. März 2013 wurde zudem auf den mit der Optionspflicht verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand hingewiesen. Mehrere Sachverständige äußerten zudem verfassungs- und europarechtliche Zweifel.
Insgesamt sind bundesweit etwa 50.000 Personen allein aufgrund von § 40b StAG eingebürgert worden. Bei all diesen Personen muss nach Erreichen des 18. Lebensjahres festgestellt werden, welche Staatsangehörigkeiten zu diesem Zeitpunkt bestehen. Darüber hinaus müssen diese Personen über die rechtlichen Konsequenzen mehrfach informiert und beraten werden.
Mit dem 1. Januar 2013 hat die der Optionspflicht immanente Verlustregelung erstmals praktische Relevanz erhalten: Nach einer Antwort der Bundesregierung (BT-Drs. 17/12321) auf eine entsprechende Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag (BT-Drs. 17/12167) hatten bereits zum Stichtag 29. Januar 2013 mindestens 16 junge Erwachsene ihre deutsche Staatsangehörigkeit infolge der Optionsregelung verloren. Bei diesen Personen wurde damit auch der mit der Einführung des ius soli verfolgte Integrationsgedanke ad absurdum geführt, weil damit die angestrebte (rechtliche) Integration rückgängig gemacht wurde.
Die bereits heute erkannten erheblichen Erschwernisse müssen dabei auch unter dem Gesichtspunkt bewertet werden, dass die volle Wirksamkeit der Optionsregelung heute noch gar nicht eingetreten ist, sondern künftig noch die "iussoli-Kinder" nach § 4 Abs. 3 StAG hinzukommen. Während bis 2017 jährlich zwischen 3.000 und 7.000 neue Optionsverfahren zu bewältigen sind, werden es im Jahr 2018 allein über 41.000 Fälle sein.
Gleichwohl ist es keine Zielstellung des vorliegenden Gesetzentwurfs, Mehrstaatigkeit besonders zu fördern und die Zahl der Mehrstaater aktiv zu erhöhen. Genauso wenig geht es um die aktive Verhinderung des Phänomens. Es bleibt nach wie vor jedem Einzelnen überlassen, etwaige weitere Staatsangehörigkeiten aufzugeben. Das Staatsangehörigkeitsrecht enthält sich künftig einer weitergehenden Bewertung dieser Entscheidung.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes)
Zu Nummer 1 (Änderung von § 9)
Die neue Fassung des Absatz 1 folgt aus der Aufgabe des Grundsatzes der Vermeidung von Mehrstaatigkeit (vgl. Begründung zu Nummer 2).
Zu Nummer 2 (Änderung von § 10)
In dem bisherigen Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 kommt das bisher geltende Prinzip der Vermeidung von Mehrstaatigkeit zum Ausdruck. In der Praxis wird aber aufgrund der zahlreichen Ausnahmetatbestände nach § 12 letztlich doch in vielen Fällen Mehrstaatigkeit hingenommen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein konsequenter Schritt vollzogen und die Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung generell verankert.
Zu Nummer 3 (Aufhebung von § 12)
§ 12 enthält Ausnahmetatbestände zu dem bisherigen § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4. Nach Aufhebung des Grundsatzes der Vermeidung von Mehrstaatigkeit werden die Ausnahmetatbestände überflüssig. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen wird die deutsche Staatsangehörigkeit nunmehr ohne Aufgabe bzw. Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit erworben.
Zu Nummer 4 (Änderung von § 17 Absatz 1)
Die Aufhebung der Verlusttatbestände der deutschen Staatsangehörigkeit (Nummern 2, 4 und 6) folgt aus der Hinnahme der mehrfachen Staatsangehörigkeit.
Zu Nummer 5 (Aufhebung von § 25)
Die Aufhebung folgt aus der Aufgabe des Grundsatzes der Vermeidung von Mehrstaatigkeit. Mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit geht künftig die ausländische Staatsangehörigkeit nicht mehr verloren. Das Gleiche gilt, wenn eine ausländische Staatsangehörigkeit neben der deutschen erworben wird.
Zu Nummer 6 (Aufhebung von § 27)
Die Aufhebung folgt aus der Aufgabe des Grundsatzes der Vermeidung von Mehrstaatigkeit. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt künftig nicht mehr ein, wenn ein minderjähriges deutsches Kind von einem Ausländer als Kind angenommen wird.
Zu Nummer 7 (Änderung von § 29)
Die Optionsregelung wird aufgehoben. Damit haben alle in Deutschland geborenen bzw. eingebürgerten Kinder, die unter § 4 Absatz 3 bzw.
§ 40b fallen, auf Dauer die Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit neben ihren ausländischen Staatsangehörigkeiten beizubehalten.
Die meisten Optionspflichtigen sind in Deutschland verwurzelt und werden auf Dauer hier bleiben. Gleichwohl fühlen sich viele von ihnen auch dem Herkunftsland ihrer Eltern verbunden. Die Verpflichtung, als junge Erwachsene eine Entscheidung zu treffen, die ihre Zugehörigkeit zum deutschen Staat oder zur Nationalität ihrer Eltern in Frage stellt, wird der Lebenssituation dieses Personenkreises nicht gerecht und kann zu erheblichen Konflikten innerhalb der Herkunftsfamilien führen. Es ist integrationspolitisch nicht wünschenswert, ihnen die an die deutsche Staatsangehörigkeit geknüpften politischen Teilhaberechte zu verwehren, nur weil sie gar nicht oder für ihre ausländische Staatsangehörigkeit optiert haben.
Zu Nummer 8 (Änderung des § 33 Absatz 2)
Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Aufhebung von § 29.
Zu Nummer 9 (Aufhebung von § 34)
Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Aufhebung von § 29.
Mit dem Wegfall des Optionsverfahrens können die in § 34 speziell für dieses Verfahren vorgesehenen Regelungen zur Übermittlung von personenbezogenen Daten entfallen.
Zu Nummer 10 (Änderung von § 35)
Die Streichungen folgen aus der Aufhebung der §§ 25 und 29.
Zu Nummer 11 (Änderung von § 38)
Die Streichungen folgen aus der Aufhebung der §§ 25 und 29.
Zu Nummer 12 (Änderung von § 40c StAG)
Soweit Optionspflichtige vor Aufhebung der Optionsregelung (§ 29) die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, können sie sich innerhalb eines Jahres auf Antrag einbürgern lassen. Diese Übergangsregelung dient dazu, eine Schlechterstellung von Optionspflichtigen, die bereits unter die alte Regelung fielen und deshalb die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, zu vermeiden. Vergleichbar der gebührenfreien Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung an Optionspflichtige nach der bestehenden Regelung ergeht die Wiedereinbürgerung nach dieser neuen Vorschrift ebenfalls gebührenfrei.
Zu Artikel 2 (Änderung des Personalausweisgesetzes)
Zu Nummer 1 und 2
Es handelt sich um Folgeänderungen, die sich aus der Aufhebung des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes ergeben.
Zu Artikel 3 (Änderung des Melderechtsrahmengesetzes)
Zu Nummer 1 bis 5
Es handelt sich um Folgeänderungen aufgrund der Aufhebung des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes.
Zu Artikel 4 (Änderung des Passgesetzes)
Zu Nummer 1 und 2
Es handelt sich um Folgeänderungen, die sich aufgrund der Aufhebung des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes ergeben.
Zu Artikel 5 (Änderung der Staatsangehörigkeits-Gebührenverordnung)
Zu Nummer 1a) und Nummer 2
Aufgrund der Aufhebung der Regelung über die Beibehaltungsgenehmigung entfällt die Erhebung einer diesbezüglichen Gebühr.
Zu Nummer 1 b)
Das Übereinkommen vom 6. Mai 1963 über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern (BGBl. 1969 II S. 1953) ist von der Bundesrepublik Deutschland am 20. Dezember 2001 gekündigt worden. Das Übereinkommen ist nach seinem Artikel 12 Absatz 3 für die Bundesrepublik Deutschland am 21. Dezember 2002 außer Kraft getreten (vgl. Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Übereinkommens über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern vom 7. Januar 2002 (BGBl. II S. 171).
Zu Artikel 6 (Inkrafttreten)
Artikel 6 regelt das Inkrafttreten.