Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, den 10. Juni 2005
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die anliegende Entschließung des Bundesrates zum weiteren Fortgang der
- europäischen Einigung
zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Bundesratssitzung am 17. Juni 2005 aufzunehmen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Koch
Anlage
Entschließung des Bundesrates zum weiteren Fortgang der europäischen Einigung
Der Bundesrat möge beschließen:
Dem europäischen Einigungsprozess neue Impulse geben
Mit der Ablehnung des Vertrags über die europäische Verfassung im Referendumsentscheid in Frankreich und in den Niederlanden sowie auf Grund der Entscheidung der Regierung des Vereinigten Königreichs, das für 2006 geplante Referendum auszusetzen, ist die Europäische Union in eine neue Lage versetzt und vor große Herausforderungen gestellt worden.
Der Bundesrat bekräftigt sein Bekenntnis zum europäischen Einigungsprozess und zum Vertrag über die Verfassung der Europäischen Union. Im Bewusstsein, dass die Europäische Union nicht gegen den Willen ihrer Bürger gestaltet werden kann und Europa auch in Zukunft ganz wesentlich auf die Zustimmung seiner Menschen angewiesen bleibt, fordert er die Bundesregierung auf, die Sorgen der Menschen um die Zukunft des europäischen Einigungsprozesses ernst zu nehmen, Konsequenzen für die deutsche Europapolitik zu ziehen und der Debatte über den künftigen Weg Europas, seine Grenzen und seine innere Gestalt neue Impulse zu geben.
Mit Blick auf den Europäischen Rat in Brüssel am 16. und 17. Juni fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, der europäischen Integration wegweisende Anstöße zu geben und sich insbesondere für folgende Positionen einzusetzen:
- 1. Nachdrücklich für ein bürgernahes Europa einzutreten, das bedeutet: klare Signale der Europäischen Institutionen für einen Bürokratieabbau, Rückzug aus Detailregelungen und Respekt vor den eigenen Gestaltungsrechten der Nationen und Regionen.
- 2. Eine abschließende Entscheidung über den Zeitpunkt der Aufnahme Rumäniens und Bulgariens als Vollmitglieder der Europäischen Union vom Ergebnis der im Herbst vorzulegenden Fortschrittsberichte abhängig zu machen.
- 3. In den am 3. Oktober 2005 mit der Türkei beginnenden Verhandlungen der EU von Anfang an das Modell einer "privilegierten Partnerschaft" als strategisches Ziel der Verhandlungen aufzugreifen. Die großen und weit verbreiteten Vorbehalte der Bürger der Europäischen Union gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei bestätigen die Einschätzung, dass eine Vollmitgliedschaft der Türkei die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union zum gegenwärtigen Zeitpunkt überfordert.
- 4. Bei den Verhandlungen über die Finanzielle Vorausschau 2007-2013 auf eine größere Ausgewogenheit bei der Verteilung der Beitragszahlungen an die Europäische Union zu achten und dabei die eingeschränkte finanzielle Leistungsfähigkeit Deutschlands in Rechnung zu stellen.