874. Sitzung des Bundesrates am 24. September 2010
A
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 34 Absatz 3)
In Artikel 1 Nummer 2 ist § 34 Absatz 3 wie folgt zu fassen:
- (3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 5 1) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben, dass, wer gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Treibstoffe in den Verkehr bringt, zur Vermeidung von Schäden an Fahrzeugen bis zum Jahr 2013 verpflichtet wird, auch Treibstoffe mit bestimmten Eigenschaften, insbesondere mit nicht zu überschreitenden Höchstgehalten an Sauerstoff und Biokraftstoff, in den Verkehr zu bringen. Für die Zeit nach dem Jahr 2013 kann die Verpflichtung erfolgen. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 ist darüber hinaus die Unterrichtung der Verbraucher über biogene Anteile der Treibstoffe und den geeigneten Einsatz der verschiedenen Treibstoffmischungen zu regeln; für die Regelung der Pflicht zur Unterrichtung gilt Absatz 2 Nummer 6 und 7 entsprechend."
Begründung:
Verpflichtung zur Kraftstoffversorgung:
Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Absatz 3 der Richtlinie 2009/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Änderung der Richtlinie 98/70/EG im Hinblick auf die Spezifikationen für Otto-, Diesel- und Gasölkraftstoffe und die Einführung eines Systems zur Überwachung und Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG des Rates im Hinblick auf die Spezifikationen für von Binnenschiffen gebrauchte Kraftstoffe und zur Aufhebung der Richtlinie 93/12/EWG lautet:
"Die Mitgliedstaaten verpflichten die Anbieter sicherzustellen, dass bis 2013 Ottokraftstoff mit einem maximalen Sauerstoffgehalt von 2,7 Prozent und einem maximalen Ethanolgehalt von fünf Prozent in Verkehr gebracht wird, und können die Anbieter verpflichten, dass solcher Ottokraftstoff für einen längeren Zeitraum in Verkehr gebracht wird, falls sie dies für notwendig erachten."
Der Verordnungsermächtigung in § 34 Absatz 3 BImSchG-E nach unterliegt auch der - nach der Richtlinie verpflichtende - Zeitraum bis 2013 nur einer Kann-Bestimmung. Die Richtlinie droht also an diesem Punkt nicht korrekt umgesetzt zu werden. Mit dem vorgeschlagenen Text soll die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie gewährleistet werden.
Verpflichtung zur Unterrichtung der Bevölkerung:
Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Absatz 3 der Richtlinie lautet:
"Sie stellen sicher, dass die Verbraucher über den Biokraftstoffanteil des Ottokraftstoffs, und insbesondere über den geeigneten Einsatz der verschiedenen Ottokraftstoffmischungen, angemessen unterrichtet werden." Es handelt sich also um eine Verpflichtung.
Der Wortlaut in § 34 Absatz 3 Satz 2 BImSchG-E ist widersprüchlich. Zunächst heißt es, dass in der Rechtsverordnung die Unterrichtung der Verbraucher geregelt werden kann. Im zweiten Halbsatz wird aber auf eine bestehende Verpflichtung in der Richtlinie Bezug genommen. Die Richtlinie droht also an diesem Punkt nicht korrekt umgesetzt zu werden. Mit dem vorgeschlagenen Text soll die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie gewährleistet werden.
2. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 34 Absatz 4)
In Artikel 1 Nummer 2 ist in § 34 Absatz 4 das Wort "Behörde" durch das Wort "Bundesbehörde" zu ersetzen.
Begründung:
Klarstellung der in der Begründung dargelegten Zuständigkeitsregelung ("Tür den Vollzug der auf Grund von Absatz 4 zu erlassenden Rechtsverordnung sollen Bundesbehörden zuständig werden.")
Nach den Erfahrungen mit der 28. BImSchV erscheint eine solche Klarstellung notwendig. Es sollte vermieden werden, dass den Ländern noch einmal trotz gegenteiliger Erklärungen der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren nachträglich umfangreiche administrative Aufgaben auferlegt werden können.
Zum Gesetzentwurf allgemein
- 3. Der Bundesrat begrüßt, dass nun die Möglichkeit geschaffen wird, Ottokraftstoff mit bis zu zehn Volumenprozent Ethanol (E 10) in Verkehr zu bringen.
- 4. Der Bundesrat stellt jedoch in diesem Zusammenhang fest, dass die nationale Umsetzung der Überprüfung der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien nach Artikel 18 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG vom 23. April 2009 im Rahmen der beiden Nachhaltigkeitsverordnungen Biomassestrom und Biokraftstoff zu erheblichen bürokratischen Belastungen der Industrie führt. Daher befürchtet er, dass die politisch gewollte Bereitstellung heimischer Rohstoffe für die Biokraftstoffherstellung gefährdet wird.
Begründung:
Die nationale Umsetzung der europarechtlichen Anforderungen an die Überprüfung der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien nach Artikel 18 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG vom 23. April 2009 sieht insbesondere auf der Erfassungsstufe erheblichen bürokratischen Aufwand vor. So müssen u.a. für jede Zweigstelle eines Unternehmens separate Massenbilanzen nachgewiesen werden. Zudem drohen erhebliche Strafzahlungen bei fehlendem Nachweis der Nachhaltigkeit, die ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko für die Industrie darstellen. Daher ist zu befürchten, dass der nachweispflichtige Inverkehrbringer von Biokraftstoffen verstärkt auf die bereits vorhandene zertifizierte ausländische Ware zurückgreift.
- 5. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, im weiteren Gesetzgebungsverfahren alle Möglichkeiten zu weiteren Vereinfachungen bei der verwaltungsmäßigen Umsetzung der EU-Vorgaben zu nutzen und zeitnah umzusetzen, um drohende Engpässe bei der Bereitstellung heimischer Rohstoffe zu vermeiden. Dies betrifft insbesondere folgende Änderungen in den Nachhaltigkeitsverordnungen:
- a) Bereitstellung von Standardwerten zur Berechnung des Treibhausgas-Minderungspotenzials bei den für die Ethanolherstellung wichtigen Rohstoffen Gerste und Tritikale;
- b) Schaffung von Saldierungsmöglichkeiten bei der Massenbilanz zwischen den Betriebsstätten innerhalb eines Unternehmens;
- c) Erweiterung des Bilanzierungszeitraums der Massenbilanz von drei Monaten auf ein Wirtschaftsjahr.
Begründung:
Das Fehlen von Standardwerten zur Berechnung des Treibhausgas-Minderungspotenzials zwingt bei Gerste und Tritikale zu unverhältnismäßig komplizierten Erhebungen und Berechnungen für jeden einzelnen Anbaufall.
Die Begrenzung der Massenbilanz auf einzelne Betriebsstätten von Unternehmen zwingt zu ökologisch nicht zu rechtfertigenden Umlagerungen und Transporten, da die nationale Verordnung den unternehmensinternen bilanziellen Tausch von nachhaltiger und nicht nachhaltiger Biomasse verwehrt. Diese bürokratische Hemmnis führt dazu, dass kurze Transportwege zu Verarbeitern (Schnittstellen) teilweise nicht genutzt werden können und somit die ökologischen Vorteile von Biokraftstoffen geschmälert werden.
Der Bilanzierungszeitraum von drei Monaten für die Massenbilanz ist zu kurz gewählt und spiegelt nicht die Realitäten des Erfassungshandels wieder. Aus diesem Grund soll der Bilanzierungszeitraum auf ein Wirtschaftsjahr ausgeweitet werden.
B
- 6. Der Verkehrsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.