Der Bundesrat hat in seiner 825. Sitzung am 22. September 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat teilt grundsätzlich die Einschätzung der Kommission zur Markt- und Wettbewerbsentwicklung sowie ihre Bewertung der Regulierungssituation in der Gemeinschaft und unterstützt daher grundsätzlich die vorgelegten Überlegungen zur Weiterentwicklung des Rechtsrahmens. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den weiteren Verhandlungen insbesondere auf folgende Punkte zu achten:
- 2. Auch wenn die Anzahl der Breitbandanschlüsse ständig zunimmt und in den Ballungszentren die Vorteile des Wettbewerbs um Breitbandanschlüsse deutlich spürbar sind, laufen die ländlichen und strukturärmeren Regionen dennoch Gefahr, bei der Breitbandpenetration weiter zurückzufallen. Nach Auffassung des Bundesrates ist daher zu prüfen, wie in den EU-Rechtsrahmen Anreize zur verstärkten Erschließung des ländlichen Raumes mit höherwertigen und breitbandigen Telekommunikationsinfrastrukturen aufgenommen werden können.
- 3. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das Konsultations- und Konsolidierungsverfahren im Rahmen der Marktüberprüfung unter Berücksichtigung eines einheitlichen europäischen Wettbewerbsrahmens vor dem Hintergrund der Langwierigkeit der Verfahren und des Verwaltungsaufwands zu optimieren ist und bekräftigt dazu seine Stellungnahme vom 7. Juli 2006 (BR-Drucksache 331/06(B) ). Der Bundesrat unterstützt daher die Absicht der Kommission, Verfahrensvereinfachungen zu prüfen.
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, bei der Überprüfung des Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste sicherzustellen, dass die Bedeutung des Rundfunks für die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung sowie die Meinungsvielfalt bei der Verteilung von Übertragungskapazitäten auf europäischer Ebene angemessen berücksichtigt wird und Eingang in den verfügenden Teil des Regelungswerks findet. Der Bundesrat erkennt das öffentliche Interesse daran an, dass der Rundfunk seine Aufgaben auch weiterhin erfüllen kann. Daraus folgert der Bundesrat, dass Entscheidungen darüber, inwiefern Übertragungskapazitäten für den Rundfunk benötigt werden, auch in Zukunft von den Ländern getroffen werden und die Verwaltungsverfahren insoweit unberührt bleiben (Nummer 5.1 letzter Absatz der Mitteilung).
- 5. Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass eine weitere Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen auf europäischer Ebene nicht erforderlich ist. Der gegenwärtige Rechtsrahmen enthält die erforderlichen und ausreichenden Regeln über den Beitrag der nationalen Regulierungsbehörden zur Entwicklung des Binnenmarktes, indem sie miteinander und mit der Kommission auf transparente Weise kooperieren. Diese Kooperation gewährleistet bereits eine kohärente Anwendung der Bestimmungen des Rechtsrahmens in den einzelnen Mitgliedstaaten.
- 6. Der Bundesrat äußert Vorbehalte gegen den Vorschlag der Kommission, das Vetorecht der Kommission auch auf die von den nationalen Regulierungsbehörden vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen auszudehnen (vgl. Nummer 5.3.1 der Mitteilung). Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass damit den nationalen Besonderheiten innerhalb des Europäischen Binnenmarktes nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen würde. Befürchtet wird vielmehr, dass damit die Bemühungen der Kommission, Verfahren künftig zu rationalisieren, konterkariert werden.
- 7. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Gemeinschaft keine Kompetenz zur Regelung (verwaltungs-)gerichtlicher Verfahren hat. Eine Änderung von Artikel 4 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) mit der Festlegung gemeinschaftsrechtlicher Kriterien, unter deren Anwendung die nationalen Gerichte allein befugt sind, Entscheidungen der Regulierungsbehörden auszusetzen, überschreitet die Verbandskompetenz der Gemeinschaft.
- 8. Nach den bisher getroffenen Feststellungen der Kommission kann eine solche Kompetenz auch nicht aus der "impliedpowers-Lehre" abgeleitet werden. Die Gemeinschaftskompetenz erfasst danach nur die notwendigerweise mitzuregelnden Tatbestände, soweit die Kompetenznormen nicht in vernünftiger, sinnvoller und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen können.
- 9. Vor diesem Hintergrund und aus Gründen der Deregulierung lehnt der Bundesrat Überlegungen der Kommission ab, zunächst Daten hinsichtlich der Anzahl der einstweiligen Verfahren und deren Verfahrensdauer in den Mitgliedstaaten zu erheben, um einen Regelungsbedarf bewerten zu können.
- 10. Der Bundesrat begrüßt die Stärkung der Verbraucher- und Nutzerinteressen als zentrales Ziel für weitere Änderungen des EU-Rechtsrahmens. Bevor aber neue und zusätzliche vermeintlich verbraucherschützende Regelungen eingeführt werden sollte zunächst eine sorgfältige Analyse erfolgen, um den tatsächlichen Handlungsbedarf festzustellen. Der Bundesrat spricht sich daher dafür aus, den immer größeren Qualitätswettbewerb weiter zu stärken und nicht durch undifferenzierte, aufwändige Pauschalregulierungen außer Kraft zu setzen.