Antrag des Landes Berlin
Entschließung des Bundesrates zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes

Der Regierende Bürgermeister von Berlin Berlin, den 10. Juli 2007

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

der Senat von Berlin hat beschlossen, die in der Anlage beigefügte


dem Bundesrat zuzuleiten.
Ich bitte Sie, den Antrag gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 21. September 2007 aufzunehmen.


Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit

Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf einzubringen, der die bundesweite Einführung eines Mindestlohnes regelt.

Der Gesetzentwurf soll zum einen sicherstellen, dass zur Förderung tarifvertraglicher Lösungen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf alle Wirtschaftsbereiche ausgeweitet wird.

Zum anderen soll der Gesetzentwurf als Mindestniveau einen für alle Bereiche verbindlichen Mindestlohn vorschreiben, der einen Bruttostundenlohn von 7,50 € nicht unterschreiten darf. Dieser Mindestlohn soll sowohl für die Fälle gelten, in denen tarifliche Lösungen nicht greifen, als auch in den Fällen, in denen Tariflöhne dieses Mindestniveau unterschreiten.

Begründung

Aus den Grundwerten unseres Grundgesetzes folgt, dass jeder Mann und jede Frau in Würde arbeiten können muss. Dazu gehört auch, dass es möglich sein muss, von einer Vollzeittätigkeit ein menschenwürdiges Leben finanzieren zu können. Die Realität in der Bundesrepublik Deutschland sieht jedoch anders aus: Mehr als 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte arbeiten für Armutslöhne, die weniger als 50 % des Durchschnittslohnes betragen. Rund 500.000 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich sind auf ergänzende Grundsicherungsleistungen aus Steuermitteln angewiesen. Dabei verfügen 60 % der Beschäftigten im Niedriglohnsektor über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Dies betrifft nicht nur Beschäftigte tarifungebundener Arbeitgeber, sondern auch viele Arbeitnehmer, die zu Tariflöhnen beschäftigt sind.

Hinzu kommt, dass die Tarifbindung weiter abnimmt: 68 % der Beschäftigten in Westdeutschland und 53 % in Ostdeutschland erhalten tariflich vereinbarte Löhne.

In Anerkennung der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie soll den Tarifparteien mit der Ausdehnung des Geltungsbereiches des Entsendegesetzes auf alle Wirtschaftsbereiche die Möglichkeit gegeben werden, branchenspezifische Mindestlöhne festzulegen.

Da aber weder die Tarifparteien, noch die tarifungebundenen Arbeitgeber das Prinzip existenzsichernder Bezahlung verbindlich und flächendeckend verwirklichen, muss der Gesetzgeber ergänzend durch die Festlegung eines absoluten Mindestlohns steuernd eingreifen.

Mindestlöhne dienen auch der Etablierung eines dauerhaften Wirtschaftswachstums: Die Stärkung der Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eine steigende Binnennachfrage sind wichtige Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung.

Die gesetzliche Regelung eines verbindlichen Mindestlohnes ist in Europa mittlerweile das Regelmodell zur Verhinderung von Armut trotz Arbeit. 20 von 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben eine Mindestlohnregelung gesetzlich eingeführt, ohne dass dies zu einem signifikanten Abbau von Arbeitsplätzen geführt hat. Die gesetzliche Regelung von Mindestlöhnen ist auch im Hinblick auf Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit im Rahmen eines fairen Wettbewerbs in der Europäischen Union notwendig.

Das Mindestniveau des zu regelnden gesetzlichen Mindestlohnes ergibt sich aus diesen Prämissen.

Er muss bei Vollzeitbeschäftigung eine eigenständige Existenzsicherung ohne staatliche Transferleistungen und jenseits der Armutsgrenze gewährleisten.