914. Sitzung des Bundesrates am 20. September 2013
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das mit dem Verordnungsvorschlag verfolgte Ziel der Kommission, die Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr zu verringern und die Schwere der Verletzungen zu reduzieren.
- 2. Der Bundesrat begrüßt daher die Einführung eines europaweiten fahrzeugbezogenen einheitlichen Notrufsystems (eCall-Systems). Dieses System bietet ein großes Potenzial zur Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr und damit zur Rettung von Menschenleben.
- 3. Der Bundesrat sieht jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als nicht gewahrt an. Der Verordnungsvorschlag enthält obligatorische Regelungen zur Einführung des eCall-Systems. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten erscheint demgegenüber die freiwillige Basis des eCall-Dienstes, durch die ein Kfz-Fahrer bzw. -Halter nicht rechtlich gezwungen wird, das eCall-System in Betrieb zu nehmen, bzw. diesem eine Wahlmöglichkeit verbleibt, vorzugswürdiger.
- 4. Der Verordnungsvorschlag der Kommission berücksichtigt nicht, dass bereits derzeit viele Fahrzeuge mit einem vom Hersteller angebotenen privaten Notrufsystem ausgerüstet sind. Diese Systeme der Hersteller haben ihre Wirksamkeit in der Praxis bewiesen. Sie bringen dem Kunden zusätzlichen Nutzen wie zum Beispiel die Kommunikation mit der Rettungsleitstelle in der Muttersprache im Ausland. Sie können aber auch die staatlichen Notrufdienste entlasten, indem sie die eingehenden Notrufe filtern, bevor sie gegebenenfalls an die Rettungsleitstellen weitergegeben werden. Aus Sicht des Bundesrates müssen daher gesetzgeberische Maßnahmen die Technologieneutralität wahren, sofern mit alternativen, privat finanzierten eCall-Systemen das gleiche oder ein höheres Schutzniveau gegeben ist. Solche Systeme der Hersteller müssen auch künftig als Alternative zum europaweiten eCall-System, das die Notrufnummer 112 anwählt, verfügbar bleiben.
- 5. Nach Auffassung des Bundesrates muss im Verordnungsvorschlag aufgrund der Sensibilität der mit eCall zu übermittelnden Daten klargestellt werden, welche Mindestinformationen in einem Datensatz enthalten sein dürfen. Ebenso sollten die Grenzen des zulässigerweise übermittelten Datensatzes festgelegt werden. Ferner ist es erforderlich und konsequent zu definieren, welche erweiterten Daten an welche privaten Dienstanbieter übersandt werden dürfen.
- 6. Ferner sieht es der Bundesrat als notwendig an, im Verordnungsvorschlag zu bestimmen, welche Stelle für die Datenverarbeitung des eCall-Systems zuständig ist.
- 7. Der Bundesrat lehnt die Einrichtung einer Datenbank zur Aufdeckung von Fällen des eCall-Systemmissbrauchs ab.
- 8. Aus Sicht des Bundesrates ist es zudem erforderlich, dass der Industrie bei der Einführung des eCall- Systems ausreichend Vorlaufzeit für die Entwicklung und den Test der neuen Systeme in den Fahrzeugen gegeben wird. Dafür sind ab Vorlage der detaillierten Umsetzungsvorschriften seitens der Kommission mindestens drei Jahre erforderlich.
Begründung zu Ziffern 1, 3 und 5 bis 7 (nur gegenüber dem Plenum):
Gegenüber der verbindlichen Einführung des automatischen eCall-Notrufsystems in Neufahrzeugen ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine freiwillige Nutzungsoption vorzuziehen.
Eine verbindliche Einführung von eCall würde europarechtlich die Einwilligungsregelung des Artikels 7 Buchstabe a der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG konterkarieren, da ein Fahrzeugkäufer im Rahmen eines Kaufvertrags eine Klausel zur obligatorischen Aktivierung des eCall-Systems zu akzeptieren hätte und er somit nicht ohne Zwang seine Einwilligung zur Datenverarbeitung geben und diese später ggf. auch nicht widerrufen könnte.
Damit eine entsprechende Einwilligung auch informiert im Sinne des allgemeinen Datenschutzrechts erfolgen kann, ist es außerdem notwendig, dass die zu übermittelnden Daten klar benannt und spezifiziert sind, sowie klarzustellen, wie und von welchen Stellen die Daten verarbeitet werden können.