Der Deutsche Bundestag hat in seiner 251. Sitzung am 28. Juni 2013 zu dem von ihm verabschiedeten Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens "Aufbauhilfe" und zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz) - Drucksachen 17/14078, 17/14264 - den beigefügten Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/14265 angenommen.
Deutscher Bundestag
Drucksache 17/14265
17. Wahlperiode
27.06.2013
Entschließungsantrag der Abgeordneten Arnold Vaatz, Veronika Bellmann, Norbert Brackmann, Dirk Fischer (Hamburg), Steffen Bilger, Peter Götz, Michael Grosse-Brömer, Karl Holmeier, Thomas Jarzombek, Hans-Werner Kammer, Ulrich Lange, Matthias Lietz, Daniela Ludwig, Stefan Müller (Erlangen), Patrick Schnieder, Reinhold Sendker, Gero Storjohann, Volkmar Vogel (Kleinsaara), Heinz-Peter Wichtel, Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Horst Meierhofer, Oliver Luksic, Dr. Christel HappachKasan, Petra Müller, Patrick Döring, Werner Simmling, Sebastian Körber, Torsten Staffeldt, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksachen 17/14078, 17/14264 - Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Aufbauhilfefonds" und zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz)
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Das enorme Hochwasser in Süd-, Ost- und Norddeutschland im Mai/Juni 2013 zeigt, wie wichtig ein effektiver und funktionierender Hochwasserschutz ist. Dort, wo nach dem Augusthochwasser 2002 (Elbe- und Donauhochwasser) Maßnahmen für einen besseren Hochwasserschutz umgesetzt werden konnten, haben diese auch funktioniert und Menschen und Sachgüter erfolgreich geschützt. Es wurde aber auch offenbar, dass an Stellen, wo noch keine Hochwasserschutzmaßnahmen getroffen werden konnten, die Konsequenzen teilweise schwerwiegender waren, als bei dem Hochwasser 2002. Die Gründe, weshalb die erforderlichen Hochwasserschutzmaßnahmen dort noch nicht ergriffen wurden, müssen für die Erarbeitung von Vorschlägen zur Beschleunigung von Hochwasserschutzmaßnahmen rasch und umfassend geklärt werden.
Eine Verbesserung des Hochwasserschutzes für den dicht besiedelten Raum ist nur durch eine Kombination aus technischem Hochwasserschutz und vorsorgendem Hochwasserschutz durch naturnahe Maßnahmen zu erreichen. In hochwassergefährdeten Gebieten dürfen keine neuen Siedlungsgebiete mehr ausgewiesen werden. Für die Schaffung von entlastenden natürlichen Überflutungsflächen an den Flüssen, z.B. durch die Zurückverlagerung von Deichen auch unter Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen, müssen gemeinsam mit den Betroffenen verträgliche Regelungen gefunden werden. Ziel muss sein, unseren Flüssen wieder mehr Raum zu geben und Flusslandschaften naturnah zu gestalten, wodurch Anwohner und Natur gleichermaßen profitieren. Es müssen zusätzliche Polder ausgewiesen werden, die im Fall eines Hochwassers zur Verfügung stehen. Bund und Länder werden durch ein Aufbauhilfegesetz und die Bereitstellung von 8 Mrd. Euro dafür Sorge tragen, dass den Opfern der Flutkatastrophe bei der Beseitigung der Schäden schnellstmöglich geholfen werden kann und der Wiederaufbau schnell und reibungslos funktioniert. Die Soforthilfen des Bundes und der betroffenen Länder haben die geschädigten Menschen, Unternehmen und landwirtschaftliche Betriebe bereits unterstützt.
Für den künftigen Schutz der hochwassergefährdeten Regionen sind die Möglichkeiten für beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren für Hochwasserschutzanlagen auszuschöpfen, um die Menschen und ihre Güter soweit wie möglich wirksam vor extremen Hochwasserereignissen schützen zu können. Hierzu sind sowohl bundes- wie landesrechtliche Regelungen auf den Prüfstand zu stellen und anzupassen. Bei der Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Länder am 13. Juni 2013 wurde zudem die Verpflichtung von Bund und Ländern betont, "in einer abgestimmten Strategie präventive Investitionen in einem nationalen Hochwasserschutzprogramm zu ergreifen".
Besonders würdigt der Deutsche Bundestag schließlich das Engagement der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die den betroffenen Menschen in der durch das Hochwasser bedingten Not geholfen und Leben gerettet haben. Das Technische Hilfswerk wie auch die Freiwilligen Feuerwehren und viele andere ehrenamtliche Helfer haben ebenso wie die Soldaten der Bundeswehr, die Polizisten von Bund und Ländern, dem Zoll und die Berufsfeuerwehr unermüdlich und ohne Rücksicht auf eigene Gefahr Hab und Gut sowie Leib und Leben geschützt. Durch die hervorragende Fachkenntnis des THW und der Feuerwehren bei der Hochwasserbekämpfung, durch deren Fahrzeuge zu Land und zu Wasser, aber auch durch deren technische Ausstattung konnte vielerorts Schlimmeres verhindert werden. Das Hochwasser hat aber auch gezeigt, dass auch in Zukunft eine angemessene personelle und technische Ausstattung der ehrenamtlichen Helfer und ihrer Organisationen dringend erforderlich ist.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel
- 1. gemeinsam mit den Ländern bis Mitte November 2013 die Ergebnisse der Prüfung für erforderliche gesetzliche Änderungen zur Beschleunigung und Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Hochwasserschutzanlagen vorzulegen und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten;
- 2. dabei zum Schutz von Menschen und ihres Eigentums in hochwassergefährdeten Gebieten den Grundsatz einzubeziehen, dass unter Wahrung der Einspruchsmöglichkeiten der Betroffenen in den Verwaltungsverfahren dem öffentlichen Interesse Vorrang vor den Interessen Einzelner eingeräumt werden kann;
- 3. für den Hochwasserschutz länderübergreifend einheitliche Maßstäbe u.a. für die Deichhöhen eines Flusslaufes koordiniert festzulegen sowie zu prüfen, ob der Schutz von Überschwemmungsgebieten gestärkt werden kann;
- 4. dabei zu prüfen, ob vergleichbar mit dem Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben auch für Hochwasserschutzanlagen die Verkürzung der Verwaltungsverfahren zu erreichen ist. Einzubeziehen in die Überlegungen ist unter anderen die Verkürzung von Fristen für einzelne Verfahrensschritte bei den Planfeststellungsverfahren, wie die Verkürzung des Instanzenzuges im Verwaltungsgerichtsverfahren;
- 5. dabei zu prüfen, ob unter Beachtung EU-rechtlichen Vorgaben für den unveränderten Wiederaufbau von Deichen ein Verzicht auf eine Planfeststellung oder eine Plangenehmigung für den Hochwasserschutz möglich ist. Auch ist zu prüfen, ob eine Vereinfachung der Vergabeverfahren für den dringlichen Wiederaufbau von Hochwasserschutzanlagen möglich ist;
- 6. zu prüfen, wie zur Verfahrensvereinfachung die Kompensation von Hochwasserschutzmaßnahmen flexibel und praxisorientiert zur Verbesserung der Ökologie der Flusslandschaften gehandhabt werden kann;
- 7. dabei mit den Ländern die Zuständigkeit für wasserwirtschaftliche Ausbaumaßnahmen an Bundeswasserstraßen abschließend zu klären.
Zu den wasserwirtschaftlichen Ausbaumaßnahmen zählen auch ökologisch notwendige und oftmals unverzichtbare Maßnahmen - gerade im Hinblick auf die Erreichung der durch die Wasserrahmenrichtlinie vorgegebenen Ziele;
- 8. gemeinsam mit den Ländern flächendeckend für alle Flussgebietsgemeinschaften Zielwerte für die Renaturierung von Auen und Flussläufen entsprechend der regionalen Gegebenheiten zu erstellen. Die Zielwerte sollen vorgeben, wie viel zusätzliche Überschwemmungs- und Rückhalteflächen und Deichrückverlegungen für die jeweilige Flussgebietsgemeinschaft in einem klar definierten Zeithorizont durchzuführen sind;
- 9. gemeinsam mit den Bundesländern darauf hinzuwirken, dass im Rahmen der Agrarumweltprogramme Hochwasserschutz auf landwirtschaftlichen Flächen beispielsweise durch eine Auenprämie effektiv und gezielt gefördert wird.
- 10. zu berücksichtigen, Landwirten, die Polder bewirtschaften, vertraglich eine Entschädigung zu gewähren, um beispielsweise Ernteverluste auszugleichen, sofern die Polder bei Hochwasser überflutet werden;
- 11. gemeinsam mit den Ländern als Teil einer abgestimmten Strategie die in den Flussgebieten länderübergreifend vorrangigen präventiven Maßnahmen und Investitionen für einen vorsorgenden Hochwasserschutz zu identifizieren und in einem nationalen Hochwasserschutzprogramm zusammenzufassen sowie auf dessen zügige Umsetzung hinzuwirken, dabei auch die Möglichkeit der Bereitstellung zusätzlicher Bundesmittel in Betracht zu ziehen;
- 12. in Zusammenarbeit mit den Ländern bzw. Flussgebietsgemeinschaften für die bisher abgestimmten Werte für das Bemessungshochwasser der Elbe, Donau und andere Flüsse zu prüfen, ob höhere Werte als bisher verbindlich, länderübergreifend und flusseinzugsgebietsbezogen festzulegen sind;
- 13. gemeinsam mit den Ländern dafür Sorge zu tragen, dass Technisches Hilfswerk und Freiwillige Feuerwehren angemessen mit Personal und technischen Mitteln ausgestattet sind, um effektiv bei Hochwasserkatastrophen eingreifen zu können;
- 14. gemeinsam mit den Ländern weiter daran zu arbeiten, dass ehrenamtliches Engagement beim Technischen Hilfswerk und Freiwilligen Feuerwehren gefördert, unterstützt und gesellschaftlich gewürdigt wird.
Berlin, den 25. Juni 2013
Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion, Rainer Brüderle und Fraktion