Der Bundesrat hat in seiner 952. Sitzung am 16. Dezember 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Ausrichtung der strategischen Ziele der Kommission an einer umfassenden Konnektivität mit dem Ziel der Gigabit-Gesellschaft. Schnelle und flächendeckende Breitbandnetze sind eine wichtige Grundlage für wirtschaftliches Wachstum und soziale Entwicklung. Ein flächendeckender Ausbau von Netzen mit sehr hoher Kapazität und bedarfsgerechter Qualität ist auch - gestützt auf einen wirksamen Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt - eine notwendige Voraussetzung für die Realisierung des Nutzens, den die Menschen, die Gesellschaft und die Wirtschaft durch den digitalen Wandel in einem digitalen Binnenmarkt generieren können. Hochleistungsfähige Netze und funktionierende Telekommunikations-Märkte bilden die Grundlage für die Entwicklung und den Einsatz innovativer Produkte und Dienstleistungen und die umfassende digitale Transformation. Die beispielsweise im Rahmen des Internets der Dinge erfolgende Vernetzung von verschiedensten Objekten, die Entwicklung des autonomen Fahrens, die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum und die Vernetzung entlang der Wertschöpfungsketten in einer "Wirtschaft 4.0" erfordern neben einer umfassenden Konnektivität auch erhebliche Kapazitäten und bedarfsgerecht bereitgestellte Qualitäten des Internetzugangs.
- 2. Der Bundesrat unterstreicht die Bedeutung des Ziels der Kommission, allen sozioökonomischen Schwerpunkten wie zum Beispiel Schulen, Anbietern öffentlicher Dienste und stark digitalisierten Unternehmen bis 2025 die Anbindung mit einer hochleistungsfähigen Telekommunikationsinfrastruktur (Gigabit-Anbindung) zu ermöglichen. Diese Zielsetzung der Kommission nimmt hierbei den Ansatz der Bedarfsorientierung auf, da die genannten Sonderstandorte gegenüber Privathaushalten besondere, erhöhte Bedarfe aufweisen.
- 3. Er unterstreicht auch die Bedeutung der Bemühungen um eine verbesserte Netznutzung in ländlichen Gebieten. Das strategische Ziel einer flächendeckenden Bereitstellung von mindestens 100 Mbit/s mit gigabitfähiger Infrastruktur bis zum Jahr 2025 für alle europäischen Privathaushalte stärkt insbesondere die ländlichen Gebiete.
- 4. Der Bundesrat ist aber darüber hinaus der Auffassung, dass eine weitgehend flächendeckende Verfügbarkeit hochleistungsfähiger Internetzugangsdienste auf Gigabit-Basis unerlässlich ist, um soziale Gerechtigkeit und Teilhabe zu ermöglichen, eine digitale Spaltung zwischen Stadt und Land zu verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern. Allerdings stellt er in Frage, ob das Ziel der Kommission, bis 2025 für alle europäischen Privathaushalte Zugang zu einem Internetanschluss mit mindestens 100 Mbit/s zu schaffen, der auf Gigabit-Geschwindigkeit aufgerüstet werden kann, dafür ausreicht. Der Bundesrat bittet deshalb um Überprüfung der Zieldefinition, insbesondere unter Berücksichtigung weiterer geeigneter Indikatoren: Qualitätsparameter eines Internetzugangs (wie Latenzzeiten, Symmetrie oder Upgradefähigkeit), weitere Zielgruppen wie Unternehmen und die dynamische technologische Entwicklung. Er bittet in diesem Zusammenhang auch um Prüfung, ob die Definition eines Infrastrukturziels besser als die Definition eines auf die Geschwindigkeit von Internetzugängen für Privathaushalte fokussierten Ziels geeignet ist, um den größtmöglichen Nutzen durch Konnektivität zu generieren.
- 5. Der Bundesrat erkennt die Bemühungen um die Entwicklung der 5GKonnektivität an.
Als strategische Ziele für die 5G-Funkverbindung sind in der Kommissionsmitteilung Stadtgebiete und Landverkehrsverbindungen vorgesehen. Nach Auffassung des Bundesrates müssen zur Erreichung einer flächendeckenden Breitbandversorgung jedoch auch weniger dicht besiedelte Regionen stärker in den Fokus genommen werden, da auch dort durch eine 5G-Konnektivität ein deutlicher Mehrwert für die wirtschaftliche Entwicklung zu erwarten ist. Die Digitalisierung bietet zusammen mit Robotik, Satellitentechnologie und "big data" insbesondere erhebliche Vorteile für die Entwicklung der Landwirtschaft und den Schutz der Umwelt. Auch außerhalb von Stadtgebieten und Landverkehrsverbindungen ist daher von einem Bedarf an einer durchgängigen 5GKonnektivität im Jahr 2025 auszugehen. Die ländlichen Gebiete sollten als strategisches Ziel für die 5G-Konnektivität bis zum Jahr 2025 (Seite 7 des Berichts) zusätzlich berücksichtigt werden, da diese Netztechnik für die Realisierung von "smart rural areas" zwingend notwendig ist.
Als strategisches Ziel für 5G ist in der Kommissionsmitteilung die Versorgung aller Stadtgebiete und wichtiger Landverkehrsverbindungen bis 2025 vorgesehen. Der Bundesrat hält dieses Ziel allerdings insbesondere vor dem Hintergrund der frühestens für 2020 erwarteten Marktreife von 5G-Produkten für ambitioniert. Er bittet angesichts der erheblichen Investitionen, die seitens der Telekommunikationsunternehmen diesbezüglich zu leisten sind, um Überprüfung der Realisierbarkeit dieser Zielsetzung im Dialog mit den Telekommunikationsunternehmen.
- 6. Der Bundesrat betont, dass der Breitbandausbau und vor allem der Ausbau von Netzen mit sehr hoher Kapazität ("very high capacity"/VHC-Netze) primär von der Privatwirtschaft geleistet werden müssen. Es ist aber absehbar, dass die begrüßenswerten Anstrengungen der Unternehmen nicht ausreichen werden, um die von der EU angestrebten Ziele zu erreichen, so dass ein Einsatz öffentlicher Fördermittel gerechtfertigt und notwendig ist. Er hat allerdings erhebliche Zweifel, ob die von der Kommission zur Förderung von Breitbandinvestitionen vorgesehenen Instrumente und Volumen geeignet und ausreichend sind, um der erheblichen volkswirtschaftlichen Bedeutung des Breitbandausbaus gerecht zu werden.
- 7. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die beihilferechtlichen Grundlagen und die "Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau" den neu zu definierenden bzw. in der Mitteilung formulierten Zielen angepasst und zusätzlich vereinfacht werden müssen. Das betrifft insbesondere die Anhebung der Aufgreifschwelle für staatliche Fördermaßnahmen, die derzeit bei 30 Mbit/s liegt. Diese Aufgreifschwelle ist insbesondere zu überprüfen und zu ändern. Die Aufgreifschwellenfestsetzung beschränkt eine dynamische Nachbesserung bestehender Infrastrukturen, die bereits 30 Mbit/s gewährleisten, sowie eine bedarfsgerechte Versorgung von Sonderstandorten und sozioökonomischen Schwerpunkten wie beispielsweise Schulen mit Gigabitgeschwindigkeiten. Um das strategische Ziel bis 2025 zu erreichen, hält es der Bundesrat für notwendig, dass Beihilfen auch dort gewährt werden können, wo bereits eine Versorgung mit 30 Mbit/s oder 50 Mbit/s vorliegt. Der Maßnahmenkatalog sollte daher um eine Überarbeitung der Leitlinien ergänzt werden, die eine Erhöhung der Aufgreifschwelle auf 100 Mbit/s vorsieht und die dynamische, schrittweise Optimierungen ebenso ermöglicht wie die bedarfsgerechte, qualitätsorientierte Anbindung von Sonderstandorten.
- 8. Der Bundesrat bittet um Prüfung, wie die verbindliche Wirkung eines Markterkundungsverfahrens (MEV) beihilferechtlich mit dem Ziel abgesichert werden kann, bei fehlender, falscher oder unvollständiger Meldung eines TK-Unternehmens in einem MEV den öffentlich geförderten Ausbau in seiner wirtschaftlichen Tragfähigkeit abzusichern.
- 9. Der Bundesrat bittet die Kommission, den zunehmenden Energiebedarf der elektronischen Kommunikation zu berücksichtigen und aufgrund der Klimarelevanz, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Beschlüsse zum Klimaschutz, geeignete Strategien, Maßnahmen und Instrumente zur Reduzierung des spezifischen Energieverbrauchs in der elektronischen Kommunikation zu entwickeln und umzusetzen.
- 10. Der Bundesrat weist darauf hin, dass neue digitale Anwendungen - wie virtuelle Realität, neue Lehr- und Lernformen, automatisiertes und vernetztes Fahren oder künstliche Intelligenz - nur durch Breitbandnetze mit sehr hoher Kapazität bereitgestellt werden können. Neue digitale Anwendungen bergen jedoch auch stets neue Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher. Er ist daher der Auffassung, dass flankierend zu den vorgeschlagenen Maßnahmen auch Maßnahmen zur Stärkung des Datenschutzrechts und seiner Durchsetzung sowie zur Förderung der Medienkompetenz vorgenommen werden müssen, damit Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, diese neuen Anwendungen geschützt, kompetent und sicher über das Breitbandnetz zu nutzen.
- 11. Der Bundesrat betont, dass neben dem Ausbau neuer und leistungsstarker Netze auch der einfache und grundlegende Netzzugang weiterhin möglich sein muss. Er begrüßt, dass die Kommission den Bedarf von Mitgliedern schutzbedürftiger sozialer Gruppen erkennt und ihnen den Zugang zu erschwinglichen Basisdiensten weiterhin gewährleisten möchte.
- 12. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.