Der Bundesrat hat in seiner 940. Sitzung am 18. Dezember 2015 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 13. November 2015 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
Der Bundesrat hat ferner die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung zum Zweiten Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz - PSG II)
- 1. Der Bundesrat stellt fest:
Das vorliegende Gesetz enthält eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die einen Beitrag zur Gewährleistung der pflegerischen Versorgung leisten können.
So begrüßt der Bundesrat ausdrücklich die seit langem von den Ländern geforderte Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des damit verbundenen neuen Begutachtungsverfahrens. Einem dringenden sozial- und pflegepolitischen Anliegen wird dadurch Rechnung getragen. Pflegebedürftigkeit wird künftig auf der Grundlage des Grades der Selbständigkeit der Betroffenen weit mehr Lebensbereiche als bisher erfassen. Damit geht notwendigerweise auch die Erweiterung des Leistungskatalogs der Pflegeversicherung um pflegerische Betreuungsmaßnahmen, die nun gleichberechtigt neben den bisherigen herkömmlichen Pflegeleistungen stehen, einher.
Die Länder haben in der Vergangenheit wiederholt deutlich gemacht, dass mit der Neuausrichtung des Leistungsrechts in der weiterhin als Teilzuschuss ausgestalteten Pflegeversicherung gleichzeitig und untrennbar die Notwendigkeit zur Anpassung der sozialhilferechtlichen Regelungen im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) mit der Klärung der Schnittstellen, insbesondere zur Hilfe zur Pflege und zur Eingliederungshilfe, verbunden ist. Dies ist sowohl rechtssystematisch als auch sozialpolitisch unabdingbar, denn zum einen verweisen die Vorschriften im SGB XII umfänglich auf Regelungen im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), und zum anderen ist eine faktische Rückverengung des künftig breiter gefassten Verständnisses von Pflegebedürftigkeit in der Sozialhilfe nicht begründbar.
Die Länder haben deshalb immer darauf hingewiesen, dass vor allem in Bezug auf die rechtlichen und finanziellen Folgen die Wechselwirkungen der beiden Systeme SGB XI und SGB XII genau analysiert und bewertet werden müssen.
Das vorliegende Gesetz entkoppelt die Umsetzung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes, der in zwei Sozialgesetzbüchern - dem SGB XI als "Teilleistungssystem" und dem SGB XII als ergänzendes, bedarfsdeckendes System - geregelt ist. Das Gesetz enthält zudem einseitig Berechnungen zur Entlastung der Sozialhilfe.
- 2. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf:
Zur Sicherstellung des nahtlosen Übergangs in das neue Leistungsrecht und zur Definition des Leistungsspektrums der Sozialhilfe und deren Abgrenzung zum SGB XI sind die zum 1. Januar 2017 zugesagten gesetzlichen Änderungen zeitnah in einem Gesetzentwurf vorzulegen, um die rechtzeitige Einbindung der Länder zu gewährleisten. Dabei sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:
- a) Die Umsetzung der grundlegenden Änderungen durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz im Bereich des SGB XII ist umgehend und verbindlich bundesgesetzlich zu normieren. Eine Schlechterstellung pflegebedürftiger Menschen, die Sozialhilfe beziehen, ist dabei sozialrechtlich und sozialpolitisch nicht zu vertreten.
- b) Vor allem die Schnittstellen zwischen Leistungen der Pflegeversicherung, Leistungen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe bzw. des angekündigten Bundesteilhabegesetzes sind eindeutig zu bestimmen. Das bedingt klare Regelungen, welche Leistungen vorrangig oder nachrangig zu gewähren sind. Eine Vorfestlegung zulasten der Träger der Sozialhilfe darf nicht erfolgen.
- c) Die Grenze der finanziellen Belastbarkeit der Kommunen und Länder als Träger der Sozialhilfe ist unter anderem bereits durch die bisherigen Auswirkungen des demografischen Wandels erreicht. Kommunen und Ländern dürfen keine Mehrkosten entstehen. Soweit eine notwendig durchzuführende Ermittlung der Gesamtkosten eine Mehrbelastung der Träger der Sozialhilfe ergibt, ist zur Sicherstellung dieser Kostenneutralität eine Bundesbeteiligung an den entsprechenden Kosten vorzusehen oder auf anderem Wege ein Ausgleich herzustellen.
- d) Im Rahmen der gesetzlichen Umsetzung der Evaluationsklausel sind die Auswirkungen für die Betroffenen sowie die örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe zu überprüfen und bei Bedarf zu korrigieren.
Die Länder bieten dem Bund beim Folgegesetz Unterstützung an.