Gesetzesantrag der Freistaaten Bayern, Sachsen
Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Baugesetzbuchs
(BauGB)

A. Problem

Anlagen zur Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie sind seit 01.01.1997 im Außenbereich unbeschränkt privilegiert; mit der Gesetzesänderung reagierte der Gesetzgeber auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.06.1994, wonach Windkraftanlagen im Außenbereich nicht von anderen Privilegierungstatbeständen erfasst sind.

Die technischen Vorgaben für Windkraftanlagen haben sich seitdem grundlegend geändert. Waren bis Ende der 90er Jahre noch Anlagen mit einer Gesamthöhe bis zu 100 m gängig, so beträgt die Gesamthöhe der aktuellen Generation bis zu ca. 200 m.

Die Gesamthöhe einer Anlage ist aber - insbesondere auch im Hinblick auf die als bedrängend empfundene Wirkung - von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz, die für den weiteren umweltgerechten Ausbau der Windenergie und einen entsprechenden breiten Konsens in der Bevölkerung unverzichtbar ist.

Erfahrungsgemäß hängt die Zustimmung für Windkraft bei den betroffenen Anliegern in allererster Linie sowohl von der Höhe als auch von der Entfernung der jeweiligen Windenergieanlage ab. Es bietet sich daher - auch zur Vermeidung städtebaulicher Spannungen (Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse) - an, diese beiden Parameter bei der Ausweisung von Sondergebieten "Windenergie" durch höhenbezogene Abstandsregelungen miteinander zu verknüpfen:

Je höher die Anlage ist, umso größer sollte auch der Abstand zur Wohnbebauung sein.

B. Lösung

Den Ländern wird die Befugnis eingeräumt, den Privilegierungstatbestand für Windenergie von der Einhaltung höhenbezogener Abstandsregelungen abhängig zu machen.

Da die Ausgangslagen sowie die topografischen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich sind, sollen die Länder im Rahmen der vorgeschlagenen Länderöffnungsklausel selbst entscheiden, ob sie von dieser Befugnis Gebrauch machen. Dabei bezieht sich diese Öffnung sowohl auf die grundsätzliche Entscheidung ("Ob") als auch auf die Ausgestaltung der höhenbezogenen Abstandsregelungen ("Wie"), die allerdings "angemessen" sein müssen, d.h. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen und einen gerechten Ausgleich der berührten öffentlichen Belange (Förderung erneuerbarer Energie einerseits, Schutz von Natur und Landschaft sowie vor optisch erdrückender Wirkung andererseits) ermöglichen müssen.

Ergänzend soll mit dem Gesetzentwurf den Ländern die Möglichkeit gegeben werden, künftig bei einer Ausweisung eines Sondergebiets "Windenergie" ebenfalls einen angemessenen höhenbezogenen Mindestabstand vorzugeben.

C. Alternative

Beibehaltung des bisherigen Rechtszustandes

D. Finanzielle Auswirkungen

Keine

E. Bürokratiekosten

Es entstehen keine zusätzlichen Bürokratiekosten.

Gesetzesantrag der Freistaaten Bayern, Sachsen
Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Baugesetzbuchs (BauGB)

Freistaat Bayern
München, den 2. Juli 2013
Der Ministerpräsident

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann

Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem Beschluss der Staatsregierungen der Freistaaten Bayern und Sachsen übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Baugesetzbuchs (BauGB) mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG im Bundestag einbringen möge.

Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 2 GOBR auf die Tagesordnung der 912. Sitzung am 5. Juli 2013 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs (BauGB)

Vom ..

Der Bundestag hat folgendes Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Baugesetzbuchs

Dem § 246 des Baugesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11.06.2013 (BGBl. I S. 1548) geändert worden ist, werden folgende Absätze 8 und 9 angefügt:

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Durch das Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs vom 30.07.1996 (BGBl. I S. 1189) wurde § 35 aus klimaschutz-, energie- und umweltpolitischen Gründen zur Erleichterung, aber auch zur planungsrechtlichen Steuerung der Zulässigkeit von Wind- und Wasserenergieanlagen geändert. Es sollten - auch in Reaktion auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.06.1994 (4 C 20/93), wonach Windkraftanlagen als "sonstige" Vorhaben im Außenbereich gem. § 35 Abs. 2 BauGB einzuordnen sind - baurechtliche Hemmnisse beseitigt werden, die einen Ausbau der Windenergie verzögern bzw. erschweren könnten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau des Deutschen Bundestags BT-Drs. 013/4978).

In den Gesetzesmaterialien wird allerdings bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass neben dem Ziel der Förderung der erneuerbaren Energien auch andere schützenswerte Belange, wie z.B. Fremdenverkehr, Natur- und Landschaftsschutz sowie Anwohnerschutz zu berücksichtigen sind.

Hinsichtlich dieser Belange ist aber die zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung noch nicht absehbare rasante technische Entwicklung der Windkraftanlagen - insbesondere was Rotorengröße und Gesamthöhe (Abstand zwischen Geländeoberfläche und Rotorblattspitze am höchsten Punkt) betrifft - von wesentlicher Bedeutung:

Bis zur Jahrtausendwende waren Windenergieanlagen mit Nabenhöhen von 70 m und Rotoren mit einem Durchmesser unter 60 m - und somit einer Anlagenhöhe unter 100 m - marktüblich. Der technische Fortschritt im Anlagen- und insbesondere aber im Werkstoffbereich ermöglichte in den Folgejahren zunehmend größere Rotordurchmesser, die ihrerseits größere Nabenhöhen erforderten. Im vergangenen Jahr lag die durchschnittliche Nabenhöhe von Neuanlagen in Bayern bei 133,5m. Die Rotoren weisen durchschnittliche Durchmesser von 93,9 m auf, die Gesamthöhe beträgt somit ca. 180 m.

Diese Entwicklung bei Rotordurchmesser und Gesamthöhe der Windkraftanlage bleibt nicht ohne Auswirkung auf deren Akzeptanz in der Bevölkerung. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob die Gesamthöhe - wie zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung 1996 - ca. 100 m oder aber - wie aktuell - knapp 200 m beträgt. Hinzu kommt, dass die immissionsschutzrechtlichen Abstandswerte im Wesentlichen gleich bleiben, da die Lärmbelastung der neuen Generation der Anlagen grundsätzlich nicht wesentlich höher ist als die der alten.

Es ist daher nur folgerichtig, die dem Schutz der Menschen vor erdrückend wirkenden Anlagen dienenden Abstandswerte auch von der Höhe der jeweiligen Anlage abhängig zu machen und die Möglichkeit angemessener höhenbezogener Mindestabstände vorzusehen.

Da die Entwicklungen und topografischen Voraussetzungen von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich sind, sollte dies in Form von Länderöffnungsklauseln erfolgen.

Als mögliche Ausgestaltung einer höhenbezogenen Abstandsregelung im Landesrecht bietet sich an, den einzuhaltenden Abstand in ein hier zu bestimmendes Verhältnis zur Gesamthöhe (alternativ: zur Nabenhöhe) der Windkraftanlage zu setzen: Würde im Landesgesetz beispielsweises dieses Verhältnis mit dem Faktor 10 bestimmt, würde bei einer Gesamthöhe von 150 m der Abstand 1.500 m betragen.

Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die höhenbezogenen Abstandsregelungen in den Ländergesetzen "angemessen" sein müssen, d.h. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen und einen gerechten Ausgleich zwischen den berührten öffentlichen Belangen - Förderung erneuerbarer Energie einerseits, Schutz von Natur und Landschaftsbild sowie vor optisch erdrückender Wirkung andererseits - ermöglichen müssen.

In der Gesamtschau dieser Belange wird - bei allen Unterschieden in den einzelnen Bundesländern - der o.a. Faktor 10 die Obergrenze der Angemessenheit markieren, d.h. die "Deckelung" für entsprechende Länderregelungen darstellen.

In Konsequenz dieser Notwendigkeit von angemessenen höhenbezogenen Mindestabständen erhalten die Länder des Weiteren die Befugnis, diese auch bei der Ausweisung von Sondergebieten "Windenergie" vorzugeben.

Durch den Zusatz " § 1 Abs. 4 bleibt unberührt" wird klargestellt, dass die Steuerungsmöglichkeiten der Länder über die Landes- und Regionalplanung nicht angetastet werden. Nach § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung - und damit ggf. auch den "undifferenzierten" Vorranggebieten - anzupassen; höhenbezogene Abstandsregelungen in den Bauleitplänen würden gegen solche Vorranggebiete verstoßen. Wenn ein Land den höhenbezogenen Mindestabstand auch für raumbedeutsame Windenergieanlagen im Rahmen der Regionalplanung vorschreiben will, muss es deshalb eine entsprechende Regelung auch in das Landesplanungsgesetz aufnehmen.

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Ergänzung des Baugesetzbuchs ergibt sich aus Art. 72 und 74 Abs. 1 Nr. 18 des Grundgesetzes. Dem Bundesgesetzgeber bleibt es unbenommen, Länderöffnungsklauseln vorzusehen (so etwa zuletzt die mit Art. 2 des Gesetzes vom 22.12.2008 [BGBl. I S. 2986] - nunmehr zeitlich unbefristete - aufgenommene Länderöffnungsklausel in § 245b Abs. 2 BauGB, wonach die Länder die Nichtanwendung der Frist des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c bestimmen können).

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Baugesetzbuchs)

§ 246 wird um die Absätze 8 und 9 ergänzt:

Dies hat unter Beachtung der Ziele der Raumordnung (§ 1 Abs. 4) zu erfolgen.

Etwaige Übergangsregelungen - insbesondere im Hinblick auf bestehende bzw. in Planung befindliche Windenergieanlagen und deren Bestands- bzw. Vertrauensschutz - sind in den Ländergesetzen vorzusehen.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Diese Vorschrift regelt das Inkrafttreten.