Der Bundesrat hat in seiner 904. Sitzung am 14. Dezember 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft für Wachstum und Beschäftigung anerkennt und weiterentwickeln möchte.
- 2. Der Bundesrat anerkennt insbesondere, dass sich die Kommission mit ihrer Mitteilung der Situation der Künstlerinnen und Künstler zuwendet, die eine zentrale Rolle für Kultur und Kreativität spielen. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Künstlerinnen und Künstler müssen mit im Zentrum jedes strategischen Politikansatzes für die Kultur- und Kreativwirtschaft stehen.
- 3. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission ihren Willen klarstellt, den gesamten Sektor entsprechend der Kulturklausel des Artikels 167 Absatz 4 AEUV in den geplanten neuen Instrumenten, einschließlich der Strukturfonds, voll zu berücksichtigen und somit verbesserte Möglichkeiten für die Kulturförderung zu schaffen.
- 4. Der Bundesrat begrüßt darüber hinaus das Bekenntnis der Kommission zur Bedeutung von Dienstleistungen und der Innovation in diesem Bereich (einschließlich des Tourismus), die nicht zuletzt für die Akteure des Kultur- und Kreativbereichs große Chancen bieten.
- 5. Der Bundesrat fordert allerdings, auch künftig zwischen Wirtschafts- und Kulturpolitik zu unterscheiden und den spezifischen Charakter der Kultur als Ausdruck künstlerischen Schaffens und geistigkulturellen Diskurses ausreichend zu würdigen. Die erheblichen direkten und indirekten Einflüsse von Kultur und Kreativität auf die wirtschaftliche Entwicklung dürfen nicht zu einer Überdehnung der nach Artikel 167 AEUV beschränkten Handlungskompetenz der EU im Kulturbereich führen. Gleiches gilt für die Tendenz zur engeren Verschränkung des Beschäftigungsbereichs mit dem Bereich von Bildung und insbesondere beruflicher Bildung, für die gemäß den Artikeln 165 und 166 AEUV die Mitgliedstaaten zuständig sind. Die Berührung zwischen der Kultur- und Kreativwirtschaft und dem Bildungsbereich darf im Übrigen auch nicht dazu führen, dass Bildungsaufgaben kommerziellen Zwängen unterworfen werden.
- 6. Der strategische Gesamtansatz der Kommission darf nach Ansicht des Bundesrates keinesfalls dazu führen, dass sich auch von ihrer Grundausrichtung her nichtkommerzielle Bereiche des Kultur- und Kreativbereichs den Zielen und Mechanismen wachstumsorientierter Wirtschaftspolitik unterordnen müssen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass bei aller Förderwürdigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft der Eigenwert etwa des kulturellen Schaffens oder der Bewahrung des kulturellen Erbes für künftige Generationen nicht in den Hintergrund gedrängt werden darf. Für diese Bereiche ist eine Ökonomisierung auszuschließen.
- 7. Der Bundesrat spricht sich daher dafür aus, bei einem sowohl auf die erwerbswirtschaftlich orientierte Kultur- und Kreativwirtschaft als auch auf die öffentlich sowie zivilgesellschaftlich getragene Kultur zielenden Gesamtansatz sehr differenziert und behutsam vorzugehen. Jedwede Überwachungsmechanismen sind auszuschließen.
- 8. Der Bundesrat wendet sich gegen eine pauschalisierende Umschreibung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Form einer bloßen, nicht abschließenden Aufzählung von Beispielen wie in der Fußnote 1 der Mitteilung. Kultur- und Kreativwirtschaft ist vielmehr unter Bezugnahme auf die in Deutschland anerkannte Definition als der überwiegend gewinnorientierte Teil des Kulturwesens mit elf anerkannten Teilmärkten zu definieren und von den anderen beiden Kultursektoren, dem öffentlichen und dem zivilgesellschaftlichen, abzugrenzen. Zwischen dem erwerbswirtschaftlichen Bereich sowie dem öffentlich und dem zivilgesellschaftlich getragenen Kultursektor bestehen vielfältige Verflechtungen und Wechselwirkungen - nicht zuletzt die Künstlerinnen und Künstler selbst bewegen sich in allen Bereichen -, dennoch verfolgen sie unterschiedliche Ziele, folgen jeweils eigenen Gesetzen und haben unterschiedliche Bedürfnisse gegenüber Staat und Gesellschaft. Die Kultur- und die Wirtschaftspolitik müssen dies anerkennen und bei der Formulierung einer Strategie für die Kultur- und Kreativwirtschaft berücksichtigen.
- 9. Für sinnvoll und wichtig hält der Bundesrat den Schutz geistigen Eigentums von Künstlerinnen und Künstlern, deren Verdienstmöglichkeiten bei der Schaffung eines geeigneten Rechtsrahmens im Urheberrecht verbessert werden könnten. Dies dient sowohl den europäischen Wachstumszielen als auch der Lebendigkeit einer unabhängigen Kulturszene.
- 10. Der Bundesrat spricht sich im Rahmen einer Reform des EU-Beihilferechts für eine Befreiung von der Anmeldepflicht von Beihilfen im Kultursektor aus. Nachweis-, Begründungs- und Veröffentlichungspflichten engen die Handlungsspielräume der Kulturpolitik weiter ein und erschweren insbesondere die Förderung der nationalen kulturellen Vielfalt, zu der sich auch die Kommission mit der Unterzeichnung des UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005 verpflichtet hat.