Der Bundesrat hat in seiner 904. Sitzung am 14. Dezember 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat hat erhebliche Bedenken gegen den vorgelegten Änderungsvorschlag den Richtlinien 98/70/EG und 2009/28/EG.
- 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass über den Änderungsvorschlag zur Richtlinie 2009/28/EG erst dann beraten wird, wenn die Kommission ihren gemäß Artikel 18 Absatz 9 der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen bis zum 31. Dezember 2012 vorzulegenden Bericht, welcher die bisherige Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie im Bereich der Biokraftstoffförderung evaluiert, vorgelegt hat.
- 3. Der Bundesrat anerkennt die Bemühungen der Kommission, die durch die Biokraftstoffförderung in der EU möglicherweise induzierten globalen indirekten Landnutzungsänderungen (indirect land use change - iLUC) quantitativ zu erfassen.
- 4. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, die iLUC-Faktoren solange nicht anzuwenden, bis es Rechenmodelle ermöglichen, die zum Schutz der Natur, der Umwelt und des Klimas in Form der Nachhaltigkeitskriterien festgelegten Vorgaben zu berücksichtigen und zwischen direkter und indirekter Landnutzungsänderung zu unterscheiden. Gemäß den Ausführungen der Kommission in ihrer Folgenabschätzung ist dazu derzeit kein makroökonomisches Modell in der Lage.
Eine Berechnung von indirekten Landnutzungsänderungen auf der Grundlage der von der Kommission in dem Änderungsvorschlag festgelegten iLUC-Faktoren wird auch im Rahmen einer Berichtspflicht abgelehnt, da hier Treibhausgasemissionen durch Biokraftstoffe suggeriert werden, die sich in dieser Höhe wissenschaftlich nicht belegen lassen.
- 5. Für den Fall, dass am System der iLUC-Faktoren festgehalten wird, wird die Bundesregierung gebeten, sich gegenüber der Kommission für eine Revision der Methodik zur Berechnung der iLUC-Werte einzusetzen. Diese sind um den Wert des Masseanteils der bei der Biokraftstoffproduktion anfallenden Futtermittel zu reduzieren.
- 6. Die Bundesregierung wird weiterhin gebeten, sich in den weiteren Beratungen im Rat für Nachhaltigkeitsstandards für die gesamte Verwendungsbreite von Soja und Palmöl einzusetzen, um indirekten Landnutzungsänderungen wirksamer entgegentreten zu können.
Nicht die energetische Nutzung von Palmöl und Soja trägt maßgeblich zur Ausweitung dieser Kulturen bei, sondern ihre Nutzung im Nahrungs- und Futtermittelbereich.
- 7. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass eine vierfache Wertung von Rohstoffen auf die Anrechnung der Biokraftstoffziele nicht vorgenommen wird.
Die Verwendung von Energie aus erneuerbaren Quellen im Verkehrssektor zählt zu den wirksamsten Mitteln, mit denen die EU ihre Abhängigkeit von Erdöleinfuhren für den Verkehrssektor, in dem das Problem der Energieversorgungssicherheit am akutesten ist, verringern und den Kraftstoffmarkt beeinflussen kann. Eine vierfache Anrechnung auf die Biokraftstoffziele läuft einer mengenmäßigen Kompensation der Erdöleinfuhren zuwider. Darüber hinaus besteht die Gefahr des Abfalltourismus und, dass etablierten Verwertungslinien die Stoffströme entzogen und dadurch neue Konkurrenzsituationen geschaffen werden.
- 8. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, gegenüber der Kommission zu verdeutlichen, dass für den Einsatz der neuen Rohstoffe bereits im Vorfeld des Inkrafttretens der Änderungsrichtlinie seitens der Kommission Nachhaltigkeitskriterien sowie Regeln für die zwischenstaatliche Anerkennung der zertifizierten Rohstoffe, Zwischenprodukte und Produkte festzulegen sind, um eine möglichst reibungslose Umsetzung der Richtlinie in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
- 9. Der Bundesrat sieht die Gefahr bei aus Drittstaaten importierten Abfallölen und -fetten, dass diese aus genuss- oder verfütterungstauglichen pflanzlichen Ölen stammen, welche für die Biokraftstoffherstellung lediglich unbrauchbar gemacht wurden. Diese Gefahr des Missbrauchs sollte durch geeignete Regelungen ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass mit diesen importierten Abfallölen und -fetten keine Schadstoffe (z.B. Dioxin) eingeführt und unerkannt in Form von Nebenprodukten in andere Produktionsprozesse verschleppt werden können.
- 10. Hinsichtlich der vorgeschlagenen Maßnahmen bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bei der Kommission darauf hinzuwirken, dass den zum 17. Oktober 2012 bestehenden Biokraftstoff-Herstellungsanlagen in der EU - selbst wenn sie Rohstoffe einsetzen, die auch als Nahrungs- und Futtermittelpflanzen genutzt werden können - Bestandsschutz über 2020 hinaus mit den zum Stichtag vorhandenen Erzeugungskapazitäten zuerkannt wird.
- 11. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass eine Herstellung von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelrohstoffen, deren Nebenprodukte als wertvolle Eiweißfuttermittel zur Versorgung der Tierbestände mit heimischen Futtermitteln dienen, auch nach 2020 möglich ist. Der Wegfall eiweißreicher Ölsaatenschrote aus der Biokraftstoffproduktion würde (vor dem Hintergrund der defizitären Versorgung der EU mit pflanzlichen Eiweißfuttermitteln) dazu führen, dass diese Mengen importiert werden müssten, was auf den internationalen Märkten den Preisdruck sowie den Druck zur (indirekten) Landnutzungsänderung verstärken würde.
- 12. Der Bundesrat bedauert, dass die Kommission das Konzept zur Aktivierung von degradierten Flächen für die Biokraftstoffproduktion aufgegeben hat. Auf Grund der Anreizwirkung wäre es möglich gewesen, diese Flächen wieder in Kultur zu nehmen, ohne dass eine Flächenkonkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion bestanden hätte.
- 13. Der Bundesrat lehnt die Befugnisübertragung mittels delegierter Rechtsakte in Artikel 25b ab. Vielmehr sollte es aus Subsidiaritätsgründen den Mitgliedstaaten überlassen werden, die Gebiete mit Grünland mit besonderer biologischer Vielfalt aufgrund ihrer vor Ort vorhandenen Kenntnisse festzulegen. Ebenfalls sollten die Mitgliedstaaten festlegen können, in welchem Umfang bzw. mit welcher Wertung auf die Biokraftstoffziele sie Reststoffe, die der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit dienen, zulassen. Entsprechend den natürlichen Voraussetzungen sind unterschiedliche Festlegungen in den Mitgliedstaaten sinnvoll.
- 14. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im Hinblick auf die immer schwieriger werdende Rohölgewinnung für eine kritische Überprüfung und Neujustierung der fossilen Vergleichsgröße für Otto- und Dieselkraftstoff (83,8 g CO₂ eq/MJ) ab dem Jahr 2013 einzusetzen.
- 15. Der Bundesrat befürchtet ferner, dass durch die geplante Änderung der Richtlinie das Investitionsklima im Bereich der Biokraftstoffe - auch für die der sogenannten 2. Generation - nachhaltig geschädigt wird. Der Bundesrat fordert deshalb eine stärkere Kontinuität der europäischen Biokraftstoffpolitik und bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen.