Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004
(akustische Wohnraumüberwachung)

Der Bundesrat hat in seiner 805. Sitzung am 5. November 2004 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 1, § 100f Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StPO)

In Artikel 1 ist Nummer 1 wie folgt zu ändern:

Begründung

Die hohe Hürde des Artikels 13 Abs. 4 GG schützt den Träger des Grundrechts aus Artikel 13 GG. Dies ist der Beschuldigte, wenn es sich um seine Wohnung handelt. Besucher können sich demgegenüber nur auf ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen (vgl. BVerfGE 109, 279 ff., Absatz Nr. 162). Demzufolge wurde bisher kein Anwendungsfall der Wohnraumüberwachung angenommen, wenn der Wohnungsinhaber mit dem Einsatz der technischen Mittel einverstanden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl. 2004, § 100c Rnr. 12). Dieser Rechtszustand muss beibehalten werden. Um das sicherzustellen wird der Begriff des Betroffenen entsprechend der Formulierung in § 100d Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 StPO-E präzisiert.

Die Befugnisse des § 100f StPO-E standen in der bisherigen Fassung des § 100c StPO nicht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass sie nur außerhalb von Wohnungen ausgeübt werden dürfen. Der vorliegende Gesetzentwurf trägt der Möglichkeit der Einwilligung der Bewohner hingegen keine Rechnung. Die Befugnis zur akustischen Überwachung ist so zu fassen, dass diejenigen Fälle, die wegen Zustimmung der Berechtigten aus § 100c StPO herausgefallen sind, von § 100f Abs. 2 StPO-E abgedeckt werden. Hinsichtlich der optischen Aufklärungsmaßnahmen, für die es bei der Wohnraumüberwachung keine Entsprechung gibt, soll § 100f Abs. 1 StPO-E in der Weise geändert werden, dass statt auf das Faktum "Wohnung" auf den Eingriff in Artikel 13 GG abgestellt wird.

2. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO)

In Artikel 1 Nr. 1 § 100c Abs. 1 Nr. 1 sind nach dem Wort "versucht" die Wörter "oder durch eine Straftat vorbereitet" einzufügen.

Begründung

Im Gegensatz zu der Regelung des § 100a StPO für die Überwachung der Telekommunikation soll nach dem Gesetzentwurf zu § 100c StPO die bloße Vorbereitung einer Anlasstat durch eine sonstige Straftat nicht für eine Anordnung der Maßnahme ausreichen.

Der Verzicht auf die Erfassung bloßer Vorbereitungen einer Anlasstat hat zur Folge, dass Beteiligungsversuche im Sinne des § 30 StGB nicht für die Begründung einer Wohnraumüberwachung herangezogen werden könnten (vgl. BGHSt 32, 10 <16>). Diese Einschränkung ist mit Rücksicht auf die völlig verschiedenen Reichweiten der Tatbestände der in § 100c Abs. 2 StPO-E bezeichneten Anlasstaten sachlich nicht gerechtfertigt. So wird etwa durch die Vorschrift des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schon ein ernsthaftes Verhandeln über den Erwerb von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln erfasst (vgl. BGH, NStZ-RR 2004, 183 m.w.Nw.) und damit in den Rang einer Anlasstat für eine Wohnraumüberwachung erhoben, während die verbindliche Verabredung eines Mordes gemäß § 30 Abs. 2 StGB i.V.m. § 211 StGB nicht geeignet wäre, einen Anlass für eine Wohnraumüberwachung zu bilden.

Diese Konsequenz wäre offensichtlich sinnwidrig. Gerade bei der Verabredung schwerster Verbrechen werden verdeckte Ermittlungsmaßnahmen in besonderer Weise benötigt.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass - entgegen der Darstellung in der Entwurfsbegründung - der Karlsruher Kommentar (vgl. Nack im Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 5. Aufl., § 100c Rnr. 38) sehr wohl die bloße Vorbereitung einer Anlasstat für die Anordnung einer Wohnraumüberwachung nach aktueller Gesetzeslage ausreichen lässt. Die umzusetzende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279 ff.) gibt keinen Anlass, von der bisherigen Rechtslage abzugehen.

3. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b, Nr. 4 Buchstabe b StPO),

Artikel 4a - neu - ( § 129 Abs. 4 StGB)

Begründung

§ 129 Abs. 4 StGB regelt besonders schwere Fälle der Bildung krimineller Vereinigungen, insbesondere die Strafbarkeit als Rädelsführer oder Hintermann solcher Vereinigungen. Aus rechtsystematischer Sicht ist es geboten, dass das Höchstmaß der Freiheitsstrafe für einen besonders schweren Fall im Sinne von Absatz 4 der Vorschrift über dem Höchstmaß der Freiheitsstrafe liegt mit dem die Erfüllung des Grundtatbestands sanktioniert wird. Die Obergrenze des Strafrahmens von über fünf Jahren Freiheitsstrafe ist auch im Hinblick auf andere im Strafgesetzbuch vorgesehene Qualifikationstatbestände angemessen. Zudem dient diese Änderung dem erheblichen kriminalpolitischen und kriminalistischen Bedürfnis, zur Bekämpfung von Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, insbesondere bei Ermittlungen gegen Hauptverantwortliche, Organisatoren, Finanziers und Drahtzieher, weiterhin die akustische Wohnraumüberwachung als Ermittlungsinstrument einzusetzen vgl. BT-Drs. 013/8651, S. 9). Diese Einschätzung wird auch vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in seinem Abschlussbericht vom 15. September 2004 zur "Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung" (vgl. S. 351 ff. <363>) geteilt.

Die vorgeschlagene Erweiterung des Strafrahmens in § 129 Abs. 4 StGB eröffnet zugleich die dringend erforderliche Aufnahme des Straftatbestands in den Deliktskatalog des § 100c Abs. 2 StPO-E. Hintergrund der Regelung der akustischen Wohnraumüberwachung in der StPO war eine Verbesserung bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere bei der Ermittlung und Überführung der Hauptverantwortlichen, Organisatoren, Finanziers und Drahtzieher (vgl. BT-Drs. 013/8651, S. 9). Ausweislich des o.g. Abschlussberichts des Max-Planck-Instituts (S. 361 <363>), hat eine Auswertung der bisherigen Erfahrungen im Bereich der akustischen Wohnraumüberwachung ergeben, dass sich insbesondere auch im Bereich des § 129 Abs. 4 StGB Bezüge zu den als organisierte Kriminalität bezeichneten Strukturen erkennen lassen.

Die Wohnraumüberwachung ist hier ein ermittlungstechnisch zwingend notwendiges Instrumentarium, um in die dort existierenden hoch konspirativen und professionalisierten Strukturen einzudringen.

Über den Straftatbestand des § 129 Abs. 4 StGB hinaus sind auch die Straftaten gemäß § 30b BtMG i.V.m. § 129 StGB in den Straftatenkatalog aufzunehmen, soweit besonders schwere Fälle der Bildung krimineller Vereinigungen gemäß § 129 Abs. 4 StGB betroffen sind. Auf Grund regelmäßig konspirativ und professionell agierender Tätergruppen ist die Wohnraumüberwachung insbesondere im BtM-Bereich geeignet, kriminelle Strukturen zu sprengen.

4. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c StPO)

In Artikel 1 Nr. 1 § 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c sind nach der Angabe

Begründung

Es handelt sich hierbei um ein Delikt, das dem Bereich der organisierten Kriminalität zuzurechnen ist und vom Unrechtsgehalt der Geld- und Wertpapierfälschung vergleichbar ist. Mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren erfüllt die Vorschrift die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die Aufnahme in den Anlasstatenkatalog entspricht der Gesetzessystematik, wonach gewerbs- und bandenmäßige Begehungsformen von Delikten in dem Katalog berücksichtigt werden sollen, da die Wohnraumüberwachung auf Grund des dortigen arbeitsteiligen, auf Dauer angelegten vernetzten und regelmäßig konspirativen Zusammenwirkens der Täter und Tätergruppen ein unverzichtbares Ermittlungsinstrument darstellt.

5. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c1 - neu - StPO)

In Artikel 1 Nr. 1 § 100c Abs. 2 Nr. 1 ist nach Buchstabe c folgender Buchstabe c1 einzufügen:

Begründung

Ergänzend zum Straftatenkatalog des § 100c Abs. 2 Nr. 1 StPO-E besteht auch bei schwerwiegenden Sexualdelikten ein Bedürfnis, Straftaten bzw. kriminelle Strukturen durch Maßnahmen der akustischen Wohnraumüberwachung aufzudecken und so zum wirksamen Opferschutz beizutragen. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum sie trotz ihres hohen Unrechtsgehalts keine Berücksichtigung im Straftatenkatalog gefunden haben. Sämtliche Delikte aus dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches, die die vom Bundesverfassungsgericht geforderten erhöhten Strafrahmen erfüllen, sind in den Anlasstatenkatalog aufzunehmen.

6. Zu Artikel 1 Nr. 1 ( § 100c Abs. 2 StPO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren den abschließenden Straftatenkatalog in § 100c Abs. 2 StPO-E zu überprüfen und wenn notwendig, im erforderlichen Umfang z.B. hinsichtlich der Straftaten nach dem 28. Abschnitt des StGB zu ergänzen.

Begründung

Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der akustischen Wohnraumüberwachung in die StPO vor allem eine Möglichkeit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität schaffen. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden bestehen zwischen den Strukturen der organisierten Kriminalität und des Terrorismus zum Teil engste Verknüpfungen. Dieser Umstand findet im abschließenden Straftatenkatalog des § 100c Abs. 2 StPO-E nicht ausreichend Berücksichtigung.

7. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100c Abs. 5 und 7 StPO)

In Artikel 1 Nr. 1 ist § 100c wie folgt zu ändern:

Begründung

Durch die vorgeschlagenen Änderungen soll erreicht werden, dass die Durchführung der Wohnraumüberwachung in der Praxis auch weiterhin handhabbar bleibt.

Entsprechend der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279 ff., vgl. Absatz Nr. 151 ff.) ist bei Berührung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung die Abhörmaßnahme zu unterbrechen, mit der Folge, dass die durchführenden Ermittlungsbeamten vom weiteren Gesprächinhalt nicht mehr Kenntnis nehmen dürfen. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die technische Aufzeichnung des Gesprächs fortdauert und das anordnende Gericht - das unverzüglich von der Unterbrechung der Abhörmaßnahme zu unterrichten ist - diese Aufzeichnungen auf ihre Zulässigkeit prüft und über den Fortgang der Überwachungsmaßnahme entscheidet.

Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass auf Grund der Sichtung des Materials durch das anordnende Gericht (gegebenenfalls nach Niederschrift und Übersetzung der Gesprächsinhalte) der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nachhaltig sichergestellt wird, ohne dass die Ermittlungspersonen vor Ort unter extremem Zeitdruck derart weit reichende Entscheidungen auf unsicherer Tatsachengrundlage treffen müssen. Wäre in jedem Fall, in dem sich - gegebenenfalls kurzfristig - das Gespräch in den möglicherweise privaten Bereich hinein entwickelt, auch eine Aufzeichnung nicht mehr zulässig, würde es annähernd hellseherische Fähigkeiten der Ermittlungsbeamten vor Ort erfordern, zu entscheiden, wann die Fortsetzung der Überwachung wieder zulässig wäre. Der Vorzug der Neuformulierung liegt darin, dass einerseits die Abgrenzungsschwierigkeiten im Grenzbereich der privaten Lebensgestaltung und ein unerlaubter Wissensvorsprung der Ermittlungsbehörden vermieden werden andererseits aber die entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts abhörfähigen Gesprächsinhalte nicht verloren gingen.

Diese Lösung steht nicht im Widerspruch zu der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, nach der bei einem Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung die Überwachung abzubrechen und die Aufzeichnung zu vernichten ist. Das Bundesverfassungsgericht hat das Abhören des Gesprächs zum Zweck der Überprüfung zugelassen, ob eine Verletzung des Artikels 1 Abs. 1 GG zu befürchten ist. Diese "Sichtung" sollte nach der Vorstellung des Bundesverfassungsgerichts allein die Ermittlungsperson vor Ort übernehmen. Die vom Bundesverfassungsgericht in Betracht gezogene Lösung ist indes nicht der einzig gangbare Weg. Der Gesetzgeber hat die Gestaltungsfreiheit, ein anderes Konzept zu entwickeln und umzusetzen, wenn dadurch ein ebenso wirksamer Grundrechtsschutz gewährleistet wird. Dies ist der Fall, wenn die Ermittlungsperson von der schwierigen Prüfung der Vereinbarkeit der Maßnahme mit Artikel 1 Abs. 1 GG entlastet und diese Aufgabe dem dazu berufenen Richter übertragen wird.

Soweit § 100c Abs. 7 Satz 2 StPO-E einer die Verwertbarkeit verneinende Entscheidung des anordnenden Gerichts Bindungswirkung für das weitere Verfahren zubilligt, greift die Vorschrift zu kurz. Auch dann, wenn das überprüfende Gericht die Zulässigkeit der Verwertung feststellt, ist eine Bindungswirkung für das erkennende Gericht vorzusehen. Eine effektive rechtliche Kontrolle der Wohnraumüberwachung durch das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberlandesgericht ist auch bei einer positiven Entscheidung des Gerichts möglich.

Insoweit ist § 100c Abs. 5 Satz 4 StPO-E neu zu formulieren.

8. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100d Abs. 1 Satz 6, Abs. 9 Satz 4 StPO),

Artikel 2 Nr. 2 (§ 120 Abs. 4 Satz 2 GVG)

Begründung

Eine Begründung für die Neuregelung in § 100d Abs. 1 Satz 6 StPO-E, wonach nach sechs Monaten das Oberlandesgericht über eine weitere Verlängerung der Maßnahme entscheiden muss, bietet der Gesetzentwurf nicht. Ausweislich des Abschlussberichts des Max-Planck-Instituts zur "Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung" (vgl. dort S. 358 ff.) kommen die Landgerichte ihrer Kontrollaufgabe zuverlässig nach. Es besteht daher keine Notwendigkeit, regelmäßig nach sechs Monaten das Oberlandesgericht mit der Überprüfung der Wohnraumüberwachung zu befassen, zumal das Oberlandesgericht im Gegensatz zum Landgericht das in aller Regel umfangreiche Verfahren nicht kennt und eine völlige Neueinarbeitung erfolgen müsste. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 3. März 2004 (BVerfGE 109, 279 ff.) für eine entsprechende Regelung keine Notwendigkeit gesehen.

Über die Befassung mit einer wiederholten Verlängerung der Grundentscheidung hinaus sieht der Gesetzentwurf in § 100d Abs. 9 Satz 4 StPO-E vor, dass auch über die Frage der weiteren Zurückstellung einer Benachrichtigung der Betroffenen spätestens nach 18 Monaten - anstatt des anordnenden Gerichts - das Oberlandesgericht zu entscheiden hat. Ausweislich der Entwurfsbegründung soll hierdurch eine möglichst zügige Benachrichtigung der Betroffenen gewährleistet werden. Warum hierzu jedoch eine Beteiligung des Oberlandesgerichts erforderlich ist, erschließt sich nicht. Defizite bei der Überprüfung einer Zurückstellung der Benachrichtigung des Betroffenen durch die mit dem üblicherweise komplizierten Verfahren und der bisherigen Verfahrensentwicklung vertrauten Kammern der Landgerichte sind nicht erkennbar geworden.

Bei dem Vorschlag zu § 120 Abs. 4 Satz 2 GVG-E handelt es sich um eine Folgeänderung.

9. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100d Abs. 4 Satz 2 StPO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen ob in Artikel 1 Nr. 1 § 100d Abs. 4 Satz 2 nach dem Wort "Anordnung" die Wörter "nach § 100c Abs. 1 bis 3" einzufügen sind.

Begründung

Nach § 100d Abs. 4 Satz 2 StPO-E ist die Maßnahme abzubrechen, sofern die Voraussetzungen ihrer Anordnung nicht mehr vorliegen. Eine Fortsetzung der Maßnahme ist dann nur auf Grund einer neuen richterlichen Anordnung möglich.

Zu den Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahme gehört gemäß § 100c Abs. 4 Satz 1 StPO-E die auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte zu treffende Annahme, dass dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnende Äußerungen nicht erfasst werden. Kommt es während der Durchführung der Maßnahme zur Erfassung kernbereichsrelevanter Daten, so stellt sich die Frage, ob damit die ursprünglich getroffene Annahme hinfällig ist, was zur Folge hätte, dass eine Anordnungsvoraussetzung entfallen würde.

Dies könnte zu Abgrenzungsschwierigkeiten im Verhältnis zu § 100c Abs. 5 StPO-E führen. Danach ist die Maßnahme lediglich unverzüglich zu unterbrechen, sofern sich während der Überwachung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äußerungen erfasst werden, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen. Eine Fortsetzung der Maßnahme auf der Grundlage der ursprünglichen richterlichen Anordnung ist möglich, sobald die Gefahr der Erfassung kernbereichsrelevanter Daten nicht mehr besteht.

Es bleibt nach dem Entwurfswortlaut letztlich unklar, ob im Falle des Eingriffs in den Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung bloß eine Unterbrechung oder ein Abbruch der Maßnahme erforderlich ist. Auch die Gesetzesbegründung liefert keine ausreichenden Anhaltspunkte. In der Einzelbegründung zu § 100d Abs. 4 StPO-E findet sich der Hinweis, dass ein Abbruch z.B. auch dann in Betracht kommen kann, wenn die Maßnahme zuvor bereits wiederholt unterbrochen werden musste, weil die Gefahr des Eingriffs in den Kernbereich privater Lebensgestaltung bestand, und deshalb nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass es zu einem solchen Eingriff nicht kommen wird. Diese Formulierung lässt zwar den Umkehrschluss zu, dass der einmalige Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung grundsätzlich nur zu einer Unterbrechung, nicht aber zu einem Abbruch der Maßnahme führt. Zwingend ist dies allerdings nicht, da sich aus den bereits genannten Gründen auch die Ansicht vertreten lässt, dass bereits mit der erstmaligen Erfassung von kernbereichsrelevanten Gesprächen eine Anordnungsvoraussetzung entfallen kann und deshalb ein Abbruch der Maßnahme notwendig ist.

Mit dem zu prüfenden Änderungsvorschlag könnte klargestellt werden, dass ein Abbruch der Maßnahme zu erfolgen hat, wenn die Voraussetzungen des § 100c Abs. 1 bis 3 StPO-E entfallen sind.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stünde dem nicht entgegen.

Der Grundrechtsschutz des Betroffenen ist bereits dadurch ausreichend gewahrt, dass bei Erfassung kernbereichsrelevanter Daten nicht nur ein Verwertungsverbot, sondern auch ein Löschungsgebot besteht.

10. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100d Abs. 5 Satz 1 StPO)

In Artikel 1 Nr. 1 § 100d Abs. 5 Satz 1 ist das Wort "oder" durch die Wörter

Begründung

Gemäß § 100d Abs. 6 Nr. 2 StPO-E ist die Verwendung von Daten unter bestimmten Voraussetzungen auch für präventive Zwecke zulässig. Eine Vernichtung von Daten hat deshalb zu unterbleiben, solange sie hierfür benötigt werden.

§ 100d Abs. 5 Satz 1 StPO-E sieht vor, dass die durch die Maßnahme erlangten Daten unverzüglich zu vernichten sind, wenn sie zur Strafverfolgung oder zur etwaigen gerichtlichen Überprüfung nicht mehr erforderlich sind. Bei der derzeitigen Formulierung muss die Vernichtung der Daten erfolgen, wenn sie für nur einen der beiden Zwecke nicht mehr benötigt werden. Dies widerspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein effektiver nachträglicher Rechtsschutz gewährleistet sein muss. Offensichtlich handelt es sich bei der gegenständlichen Formulierung um ein redaktionelles Versehen.

11. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100d Abs. 6 Satz 1, Nr. 1 und 3 StPO)

In Artikel 1 Nr. 1 § 100d ist Absatz 6 wie folgt zu ändern:

Begründung

Der Entwurf macht richtigerweise grundsätzlich nur verwertbare Informationen für andere Zwecke zugänglich. Er geht aber zu weit, indem er dieses Prinzip auch auf die Nutzung der Informationen für Zwecke der Gefahrenabwehr festschreibt (§ 100d Abs. 6 Nr. 2 StPO-E). Das hätte gegebenenfalls zur Folge, dass Informationen über einen bevorstehenden Anschlag von der Polizei ignoriert werden müssten, wenn sich die Wohnraumüberwachung aus irgendwelchen Gründen als rechtswidrig herausstellen sollte. Ein solches Ergebnis wäre wegen eines Verstoßes gegen die Menschenwürde selbst verfassungswidrig.

12. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 100d Abs. 6 Nr. 1 und 2 StPO)

In Artikel 1 Nr. 1 § 100d Abs. 6 Nr. 1 und Nr. 2 sind jeweils die Wörter "nach diesem Gesetz" durch die Angabe "nach § 100c" zu ersetzen.

Begründung

Durch die Änderung wird klargestellt, dass die Bestimmungen nur Maßnahmen nach § 100c StPO-E umfassen. Dies entspricht auch der Gesetzesbegründung, wonach die Vorschrift des § 100d Abs. 6 StPO-E Regeln für die Weiterverwendung (Umwidmung) der durch eine akustische Wohnraumüberwachung erhobenen personenbezogenen Informationen enthält.