Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Nachrüstung von in der Gemeinschaft zugelassenen schweren Lastkraftwagen mit Spiegeln KOM (2006) 570 endg.; Ratsdok. 13869/06

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 19. Oktober 2006 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 5. Oktober 2006 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 6. Oktober 2006 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen werden an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl.
Drucksache 783/01 = AE-Nr. 012969 und
Drucksache 123/02 = AE-Nr. 020481

Begründung

1 Kontext des Vorschlages

Gründe und Ziele des Vorschlags Die Richtlinie soll die Sicherheit der Straßenverkehrsteilnehmer im Allgemeinen und die der schwächeren Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Fahrradfahrer und Motorradfahrer im Besonderen erhöhen. Diese Personen laufen in besonderer Weise Gefahr, in Unfälle mit schweren Lastkraftwagen (Lkw) verwickelt zu werden, weil diese Fahrzeuge auf der Beifahrerseite einen seitlichen toten Winkel haben. Rechtsvorschriften, wonach neue schwere Lkw ab 2006/2007 mit einer verbesserten Spiegelgruppe ausgestattet sein müssen, gibt es bereits. Die bereits zugelassenen Lkw dürften jedoch weiterhin verkehren, ohne dass ihr indirektes Sichtfeld vergrößert würde. Die Kommission schlägt daher vor, die Bestimmungen für das seitliche indirekte Sichtfeld, die derzeit nur für Neufahrzeuge gelten, auf bereits zugelassene schwere Lkw auszudehnen.

Allgemeiner Kontext Zahlreiche Unfälle werden von Fahrern größerer Fahrzeuge verursacht, die nicht bemerken, dass sich andere Verkehrsteilnehmer ganz nah bei oder neben ihrem Fahrzeug befinden. Diese Unfälle geschehen häufig beim Richtungswechsel an Kreuzungen, an Einmündungen oder in Kreisverkehren, wenn die Fahrer andere Verkehrsteilnehmer im toten Winkel unmittelbar neben ihren Fahrzeuge übersehen. Schätzungen zufolge sterben deswegen in Europa jährlich rund 400 Menschen. Vor diesem Hintergrund haben das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 2003/97/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Typgenehmigung von Einrichtungen für indirekte Sicht und von mit solchen Einrichtungen ausgestatteten Fahrzeugen sowie zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG und zur Aufhebung der Richtlinie 71/127/EWG erlassen. Gemäß dieser Richtlinie dürfen neue Fahrzeugtypen und neue Fahrzeuge von den mitgliedstaatlichen Behörden ab Anfang 2006 bzw. ab Anfang 2007 nur noch dann zugelassen werden, wenn sie mit einer Spiegelgruppe und anderen Einrichtungen für indirekte Sicht ausgestattet sind, die bestimmten Anforderungen genügen und den toten Winkel verkleinern.

Vielen Mitgliedstaaten ging diese Beschränkung auf neue Fahrzeugtypen bzw. Neufahrzeuge (unter Ausklammerung der bereits zugelassenen Fahrzeuge) nicht weit genug. Drei Mitgliedstaaten - die Niederlande, Belgien und Dänemark - haben daher innerstaatliche Regelungen (Rechtsvorschriften oder Steuervergünstigungen bzw. andere finanzielle Anreize) für die Nachrüstung jener Fahrzeugklassen getroffen, die in diesem Zusammenhang eine besondere Gefahr darstellen, nämlich die schweren Lkw. Darüber hinaus haben diese Mitgliedstaaten die Kommission gedrängt, den Prozess zur Annahme einschlägiger Vorschriften auf EU-Ebene in Gang zu setzen. Dies wurde auch von einer Reihe anderer Mitgliedstaaten begrüßt.

Bestehende Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet Die europäische Rechtsetzung auf dem Gebiet der Typgenehmigung für Einrichtungen für indirekte Sicht reicht bis ins Jahr 1971 zurück. Die erste Richtlinie 71/127/EWG war im Verlauf der Zeit mehrfach geändert worden; dabei wurden Bestimmungen für weitere und fortschrittlichere Spiegel hinzugefügt und der Geltungsbereich auf andere Fahrzeugklassen ausgedehnt. Die Richtlinie regelte, wie Rückspiegel an den Fahrzeugen anzubringen waren und wie sie konstruiert sein mussten. Innerstaatliche Vorschriften blieben von dieser Richtlinie jedoch unberührt. Erst im Jahr 2003 schrieb die neue Richtlinie 2003/97/EG, mit der die Richtlinie 71/127/EWG aufgehoben wurde, eine Spiegelgruppe oder andere Einrichtungen für indirekte Sicht zwingend vor.

Die Richtlinie 2003/97/EG ist später durch die Richtlinie 2005/27/EG der Kommission dahingehend geändert worden, dass Spiegel der Klassen IV und V nunmehr schon für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen und nicht erst für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen vorgeschrieben sind.

Übereinstimmung mit anderen Politikfeldern und Zielen der Europäischen Union In ihrem Weißbuch "Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft" hat die Kommission das Ziel vorgegeben, die Zahl der Toten im Straßenverkehr bis 2010 zu halbieren. Darüber hinaus hat sich die Kommission in ihrem dritten Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit verpflichtet, die Frage einer Nachrüstung von bereits zugelassenen schweren Lkw mit Einrichtungen für indirekte Sicht zu prüfen, um deren tote Winkel zu verkleinern.

Im Dezember hat die Hochrangige Gruppe CARS 21 einen auf zehn Jahre angelegten Fahrplan für eine wettbewerbsfähige Autoindustrie der EU festgelegt. Darin empfiehlt sie im Zusammenhang mit der Sicherheit im Straßenverkehr einen integrierten Ansatz - Fahrzeugtechnologie, Infrastruktur, Verkehrsteilnehmer. Zu diesem integrierten Ansatz gehöre die verpflichtende Einführung neuer Sicherheitseinrichtungen, darunter solcher zur Verringerung der toten Winkel von schweren Lkw.

2 Anhörung von interessierten Kreisen und Folgenabschätzung

Anhörung interessierter Kreise

Anhörungsmethoden, angesprochene Sektoren und allgemeines Profil der Befragten

Die einschlägigen Interessengruppen sind bereits im Rahmen der Kosten-Nutzen-Studie im Jahr 2004 konsultiert worden, und deren Stellungnahmen sind in den Studienbericht eingeflossen.

Eine öffentliche Anhörung hat dann 2006 im Internet stattgefunden. Die Antworten kamen meist von Teilnehmern, die bereits während der Studie kontaktiert worden waren:

Zusammenfassung der Antworten und deren Berücksichtigung

In den Antworten wurde die Nachrüstung mit Einrichtungen, die das indirekte Sichtfeld vergrößern, im Allgemeinen begrüßt. Unterschiedlich waren die Ansichten indes hinsichtlich der Herangehensweise und der Reichweite einer solchen Initiative. Einige Teilnehmer an der Anhörung würden eine freiwillige Nachrüstung, ein kleineres Sichtfeld oder eine größere Vielfalt beim Erreichen dieses Sichtfeldes vorziehen. Andere wollten, dass die für Neufahrzeuge geltenden Richtlinienbestimmungen auf mehr Fahrzeugtypen oder auf ältere Fahrzeuge angewandt werden.

Die Kommission hat all diese Äußerungen sorgfältig geprüft. Eine rein freiwillige Initiative bietet keine Gewähr für das Erreichen der erhofften Ergebnisse. Im Übrigen schlägt die Kommission eine einfache und klare Lösung vor, bei der die Kosten minimiert und der Nutzen maximiert werden. Viele der vorgeschlagenen Lösungen wären womöglich für Einzelne von Vorteil, gingen aber zu Lasten der Wirksamkeit der Vorschlags insgesamt. Nicht zuletzt ist der Kommission aufgefallen, dass alle Stellungnahmen von Vertretern der schwächeren Verkehrsteilnehmer, also der Zielgruppe dieser Maßnahme, eindeutig befürwortend waren. Weitere Einzelheiten zu den Ergebnissen der Anhörung befinden sich in der Folgenabschätzung, die diesem Vorschlag beigefügt ist.

Zwischen dem 12.4. und dem 24.5.2006 fand im Internet eine öffentliche Anhörung statt. Daraufhin gingen bei der Kommission 36 Antworten ein. Die Ergebnisse sind abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transport/road/roadsafety/index_en.htm .

Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Relevante wissenschaftliche/fachliche Bereiche

Markterhebung, Kosten-Nutzen-Analyse

Methodik

Erstellung einer Studie

Wichtigste konsultierte Organisationen/Sachverständige

Nationale Regierungen, Spiegelhersteller, Fahrzeughersteller, Institute für Straßenverkehrssicherheit

Zusammenfassung der eingegangenen und verwerteten Stellungnahmen

Aus der Anhörung haben sich keine potenziell schwer wiegenden Risiken des Vorschlags mit unumkehrbaren Folgen ergeben.

Die Güterkraftverkehrsunternehmer haben flankierende Sensibilisierungskampagnen sowohl für die Fahrer als auch für die schwächeren Verkehrsteilnehmer vorgeschlagen; diese Empfehlung ist in den Richtlinientext übernommen worden. Es wurde außerdem angemerkt, dass der Fahrzeugbestand in einigen Mitgliedstaaten ein höheres Durchschnittsalter aufweist als in anderen. Deswegen wird es den Mitgliedstaaten freigestellt, den Geltungsbereich der Richtlinie auf über zehn Jahre alte Fahrzeuge auszudehnen.

Form der Veröffentlichung der Stellungnahmen Die Kosten-Nutzen-Analyse wurde auf EUROPA veröffentlicht und kann von dort heruntergeladen werden: http://ec.europa.eu/transport/road/publications/projectfiles/mirrors_en.htm .

Folgenabschätzung

Das "Händeinden-Schoß"-Szenario würde bedeuten, die Chance zu vergeben, Menschenleben mit einer einfachen und nicht übermäßig teuren Maßnahme zu retten. Eine Nachrüstung ist nur dann sinnvoll, wenn sie abgeschlossen ist, bevor die ganze Lkw-Flotte durch neue Lkw ersetzt worden ist, die ohnehin Spiegelgruppen gemäß der Richtlinie 2003/97/EG haben müssen. Dies dürfte nach 2020 der Fall sein. Der Nutzen einer Nachrüstrichtlinie ist somit befristet und nimmt jedes Jahr weiter ab.

Eine Alternative ist die Anwendung sämtlicher Anforderungen der Richtlinie 2003/97/EG hinsichtlich des seitlichen Sichtfeldes auf alle Lkw (> 3,5 Tonnen). Bei Zugrundelegung des gesamten Fahrzeugbestands kann man davon ausgehen, dass diese Maßnahme äußerst kostenwirksam ist. Allerdings dürfte der Aufwand für die Montage der vorgeschriebenen Einrichtungen je nach Fahrzeugtyp unterschiedlich sein. Bei einigen Fahrzeugtypen, insbesondere älteren, kann die Anwendung sämtlicher Anforderungen der Richtlinie 2003/97/EG umfangreiche Modifizierungen der Führerhauskonstruktion erforderlich machen (wegen der höheren Windlast größerer Spiegel). Dies kann erhebliche Kosten in einer Größenordnung von mehreren Tausend Euro verursachen.

Eine weitere Alternative ist die Anwendung eines Bündels differenzierter Anforderungen auf der Grundlage der Richtlinie 2003/97/EG hinsichtlich des seitlichen Sichtfeldes aller Lkw. Bei mehr als 50 % der auf Europas Straßen verkehrenden Lkw ist es möglich, die alten Spiegelgläser durch neue zu ersetzen, die der Richtlinie 2003/97/EG genügen und das vorgeschriebene indirekte Sichtfeld abdecken. Weitere 25 % könnten ebenfalls mit neuen Gläsern ausgestattet werden, wenn die Nachrüstanforderungen hinsichtlich des Sichtfeldes geringfügig gesenkt würden (> 99 %). Die Kosten für die Nachrüstung lägen in diesen Fällen normalerweise unter 150 EUR. Die meisten der übrigen 20-25 % könnten zu höheren, aber noch vertretbaren Kosten mit neuen Spiegeln nachgerüstet werden. In einigen Fällen (< 10 %) - beispielsweise wenn ein Auswechseln der Spiegel erhebliche Veränderungen der Führerhauskonstruktion erforderlich machen würde oder wenn kein Spiegel erhältlich wäre, der den Anforderungen genügt - sollte es zulässig sein, zusätzliche Einrichtungen anzubringen, um wenigstens das gemäß der Richtlinie 2003/97/EG vorgeschriebene Sichtfeld abzudecken.

3 Rechtliche Aspekte

Zusammenfassung des Vorschlags

Ziel dieser Richtlinie ist es, das indirekte Sichtfeld bereits zugelassener schwerer Lkw zu verbessern und so Menschenleben auf Europas Straßen zu retten. Da eine Verbesserung des indirekten Sichtfelds bestehender Lkw mit technischen Modifizierungen in einem bereits gebilligten und rechtlich genehmigten System einhergeht, wird der technischen Machbarkeit und der wirtschaftlichen Effizienz einer Nachrüstung besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Zurzeit gibt es keine technische Lösung, die 100 % der Bodenfläche rund um ein Fahrzeug abdecken würde. Dies gilt für Personenfahrzeuge und noch mehr für Lkw. Obwohl Spiegel ein ausgezeichnetes Instrument zur Abdeckung der indirekten Sichtfelder sind, das ja auch praktisch seit dem Bestehen von Automobilen eingesetzt wird, gibt es bestimmte physikalische Grenzen, z.B. hinter einem Lkw.

Die größte Schwierigkeit besteht darin, dass der Fahrer während des Fahrens nicht unbegrenzt Informationen wahrnehmen, erfassen und verarbeiten kann. Schon mit der heutigen Spiegelgruppe muss ein Fahrer eines links gesteuerten Lkw beim Abbiegen nach rechts nicht nur nach vorne und nach links schauen, sondern in zwei Rückspiegel auf der rechten Seite und in einen Nahbereichsspiegel über der rechten Tür. In Lkw, die nach 2007 gebaut werden, wird es einen zusätzlichen Frontspiegel geben, damit auch der Bereich unmittelbar vor dem Fahrzeug auf Bodenhöhe abdeckt ist.

Zusätzliche elektronische Systeme, die die so genannten toten Winkel abdecken und insbesondere bei den bereits zugelassenen Fahrzeugen erhebliche bauliche Veränderungen erfordern und hohe Kosten verursachen würden, kommen für eine Nachrüstung höchst wahrscheinlich nicht in Frage. Sie dürfen allerdings installiert werden, falls sie den Anforderungen der Richtlinie 2003/97/EG genügen. Das technische Konzept der Richtlinie für Neufahrzeuge, das als Stand der Technik gelten kann, bildet den Bezugsrahmen für eine eventuelle Nachrüstung.

Aus Kosten-Nutzen-Erwägungen ist es nicht sinnvoll, sämtliche für Neufahrzeuge geltenden Bestimmungen auch auf Altfahrzeuge anzuwenden. Bei der Nachrüstung von leichten Lastkraftwagen oder Bussen mit Spiegeln oder Kameras liegt die Nutzen-Kosten-Kennziffer in jedem Fall unter 1. Bei schweren Lkw liegt diese Ziffer nur im Fall des seitlichen indirekten Sichtfelds über 1. Ausgehend von den Ergebnissen der Kosten-Nutzen-Analyse wird somit ausschließlich das Szenario schwere Lkw/seitliche Sicht in Erwägung gezogen.

Um das sich schließende "Fenster der Möglichkeiten" (der Nutzen der Maßnahme nimmt mit der Zeit immer weiter ab) optimal zu nutzen, um den Herstellern Zeit zu geben, sich auf die Nachfrage einzustellen, und um den Haltern älterer Lastwagen mehr Flexibilität zu gewähren, ist eine schrittweise Umsetzung dieser Nachrüst-Richtlinie angezeigt. Schwere Lkw, die nach 2004 zugelassen worden sind, müssten demnach ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie nachgerüstet werden, solche, die nach 2001 zugelassen wurden, zwei Jahre danach, und solche, die nach 1998 zugelassen wurden, spätestens drei Jahre danach.

Leitgedanke dieses Vorschlags ist die Kosteneffizienz. Hinsichtlich der Durchsetzung der Richtlinie werden von den Mitgliedstaaten zuverlässige und wirksame, in einigen Fällen flexible Kontrollverfahren verlangt, damit gewährleistet ist, dass alle im jeweiligen Land zugelassenen Fahrzeuge diesen Anforderungen entsprechen. Bei den meisten Fahrzeugen kann die Nachrüstung zu vertretbaren Kosten und mit Einrichtungen erfolgen, die bereits auf dem Markt sind. In einigen Fällen mag eine Nachrüstung technisch aufwändiger sein. Vor allem in solchen Fällen sollten die Mitgliedstaaten flexibel vorgehen und Einzellösungen zulassen, sodass die Überwachungsstellen auch Alternativlösungen genehmigen können.

Einige Staaten sind bereits auf nationaler Ebene tätig geworden, um - über die Anforderungen des geltenden europäischen Rechts hinaus - das seitliche indirekte Sichtfeld der Fahrer von schweren Lkw zu erweitern. Diese Vorgehensweisen entsprechen dem technischen Konzept der Richtlinie 2003/97/EG nicht oder nicht ganz. Das Ziel, nämlich eine ausreichende Abdeckung des seitlichen toten Winkels, lässt sich indes möglicherweise auch so erreichen. Die Richtlinie enthält deswegen eine Ausnahmeregelung für schwere Lkw, die in den besagten Ländern (Niederlande, Dänemark und Belgien) zugelassen sind und schon vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie mit Einrichtungen für indirekte Sicht ausgestattet wurden, welche den innerstaatlichen Regelungen genügen. Alle Mitgliedstaaten müssen aber gewährleisten, dass schwere Lkw, die nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie nachgerüstet werden, mit solchen Einrichtungen für indirekte Sicht ausgestattet werden, die dieser Richtlinie genügen.

Fahrzeuge, die mehr als zehn Jahre vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie zugelassen worden sind, werden von der Anwendung dieser Richtlinie ausgenommen. Die Kosten für die Nachrüstung älterer Fahrzeuge dürften über dem erwarteten Nutzen liegen, der naturgemäß abnimmt, je näher der Verschrottungszeitpunkt rückt.

Rechtsgrundlage

Die Richtlinie wird auf der Grundlage von Artikel 71 EG-Vertrag vorgeschlagen.

Subsidiaritätsprinzip

Das Subsidiaritätsprinzip gelangt zur Anwendung, da der Vorschlag nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt.

Die Ziele des Vorschlags können von den Mitgliedstaaten aus folgenden Gründen nicht ausreichend verwirklicht werden:

Mit der Richtlinie 2003/97/EG wurden die Anforderungen an Spiegel auf europäischer Ebene harmonisiert. Nachrüstaktionen auf mitgliedstaatlicher Ebene würden nur Fahrzeuge betreffen, die in dem jeweiligen Mitgliedstaat zugelassen sind. Schwere Lkw sind indes am grenzüberschreitenden inner- und außereuropäischen Verkehr in hohem Maße beteiligt. Eine rein nationale Lösung wäre folglich nicht zufrieden stellend.

Eine nationale Auflage zur Nachrüstung könnte zudem als Handelshemmnis betrachtet werden, zumal es ja eine harmonisierte europäische Rechtsvorschrift gibt. Eine einheitliche europäische Herangehensweise schafft gleiche Ausgangsbedingungen in dem umkämpften europäischen Güterkraftverkehrsmarkt.

Die Ziele des Vorschlags lassen sich aus folgenden Gründen besser durch Maßnahmen der Gemeinschaft erreichen:

Eine einheitliche europäische Vorschrift bietet den wirtschaftlichen Vorteil der Größe. Dadurch werden unterschiedliche technische Lösungen vermieden, die beim Verkauf von gebrauchten Lastwagen in andere europäische Länder, welche abweichende Vorschriften haben, problematisch werden können.

Dank einer europäischen Rechtsvorschrift wird die Zahl der Unfälle zurückgehen, die dem toten Winkel zuzuschreiben und an denen schwere, in einem anderen EU-Land zugelassene Lkw beteiligt sind.

Schwere Lkw sind am grenzüberschreitenden Verkehr wie keine andere Fahrzeugklasse beteiligt. Sie sollten deswegen für eine europäische Harmonisierung der Vorschriften als erste anvisiert werden.

Der Vorschlag steht somit mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Der Vorschlag entspricht aus folgenden Gründen dem Gebot der Verhältnismäßigkeit:

Die Richtlinie beschreibt zwar detailliert das technische Konzept, lässt den Mitgliedstaaten ansonsten aber reichlich Spielraum, ihre Durchsetzungsregeln selbst zu gestalten.

Bei der bevorzugten Variante bleibt den Mitgliedstaaten ein großer Ermessensspielraum, die kostengünstigste Art der Umsetzung der Richtlinie in punkto Durchsetzungs- und Kontrollverfahren zu wählen.

Wahl des Instruments

Vorgeschlagene Instrumente: Richtlinie Andere Instrumente wären aus folgenden Gründen nicht angemessen:

Die Alternative zu einer gesetzlichen Verpflichtung sind Sensibilisierungskampagnen und freiwillige Vereinbarungen in bzw. mit der Branche. Da eine Nachrüstung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums (von etwa vier bis sechs Jahren ab 2007) sinnvoll ist, erscheint eine freiwillige Vereinbarung mit dem Güterkraftverkehrsgewerbe nicht angemessen. Das Gewerbe scheint im Übrigen eine solche Verpflichtung nicht eingehen zu können. Sensibilisierungsmaßnahmen dürften kurzfristig erfolgreich sein. Sie sollten die Einführung der Spiegel daher flankieren.

4 Auswirkungen auf den Haushalt

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Gemeinschaftshaushalt.

5 Weitere Angaben

Simulation, Pilotphase und Übergangszeit

Der Vorschlag enthält eine Übergangsfrist bzw. sieht eine Übergangsfrist vor.

Entsprechungstabelle

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, der Kommission den Wortlaut der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, mit denen sie diese Richtlinie umgesetzt haben, sowie eine Entsprechungstabelle zu übermitteln.

Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die Nachrüstung von in der Gemeinschaft zugelassenen schweren Lastkraftwagen mit Spiegeln

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe c, auf Vorschlag der Kommission1, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses2, nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen3, gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag4, in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Zahlreiche Unfälle werden von Fahrern größerer Fahrzeuge verursacht, die nicht bemerken, dass sich andere Verkehrsteilnehmer ganz nah bei oder neben ihrem Fahrzeug befinden. Diese Unfälle geschehen häufig beim Richtungswechsel an Kreuzungen, an Einmündungen oder in Kreisverkehren, wenn die Fahrer andere Verkehrsteilnehmer im toten Winkel unmittelbar neben ihren Fahrzeugen übersehen. Schätzungen zufolge sterben aus diesem Grund rund 400 Menschen jährlich, meistens schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fahrradfahrer, Motorradfahrer und Fußgänger.

(2) In ihrem Weißbuch vom 12. September 2001 "Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft"5 hat die Kommission das Ziel vorgegeben, die Zahl der Toten im Straßenverkehr bis 2010 zu halbieren. Darüber hinaus hat sie sich in ihrem dritten Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit6 verpflichtet, die Frage einer Nachrüstung von bereits zugelassenen schweren Lastkraftwagen mit Einrichtungen für indirekte Sicht zu prüfen, um deren tote Winkel zu verkleinern.

(3) Die Hochrangige Gruppe CARS 21, die sich Gedanken über ein Regulierungsumfeld für eine wettbewerbsfähige Kraftfahrzeugindustrie gemacht und in ihrem Abschlussbericht einen Fahrplan für die nächsten zehn Jahre aufgestellt hat, empfiehlt im Zusammenhang mit der Sicherheit im Straßenverkehr einen integrierten Ansatz, zu dem die verpflichtende Einführung neuer Sicherheitseinrichtungen gehört, darunter Spiegel zur Verringerung der toten Winkel von schweren Lastkraftwagen.

(4) Mit der Richtlinie 2003/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. November 2003 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Typgenehmigung von Einrichtungen für indirekte Sicht und von mit solchen Einrichtungen ausgestatteten Fahrzeugen sowie zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG und zur Aufhebung der Richtlinie 071/127/EWG7 sollten das indirekte Sichtfeld verbessert und die toten Winkel neuer Fahrzeuge verkleinert werden; mit dieser Vorschrift ließe sich die Zahl der Unfallopfer deutlich verringern, doch gilt sie nur für neu zuzulassende Fahrzeuge.

(5) Fahrzeuge, die bereits zugelassen sind, unterliegen der Richtlinie 2003/97/EG somit nicht. Erst im Jahr 2023 dürften diese Fahrzeuge vollständig aus dem Verkehr gezogen sein.

(6) Um die Zahl der tödlichen Unfälle zu verringern, die von diesen Fahrzeugen verursacht werden und in die schwächere Verkehrsteilnehmer verwickelt sind, sollen die betreffenden Fahrzeuge mit verbesserten Einrichtungen für indirekte Sicht nachgerüstet werden.

(7) Die bereits zugelassenen Fahrzeuge sollen mit Spiegeln ausgestattet werden, die die seitlichen toten Winkel verkleinern und den technischen Anforderungen der Richtlinie 2003/97/EG genügen. Dies ist bei den meisten betroffenen Fahrzeugen technisch machbar.

(8) Es ist jedoch zweck- und verhältnismäßig, Ausnahmen für Fahrzeuge vorzusehen, die nur noch eine kurze Betriebsdauer haben oder die bereits mit seitlichen Spiegeln ausgestattet sind, deren Sichtfeld nur geringfügig kleiner als das in der Richtlinie 2003/97/EG vorgeschriebene Sichtfeld ist, oder die sich aus technischen Gründen nicht mit Spiegeln nachrüsten lassen, welche der vorgenannten Richtlinie genügen.

(9) Damit sich der Markt auf die kurzfristig sehr hohe Nachfrage einstellen kann, sollen Übergangsfristen vorgesehen werden.

(10) Die schweren Lastkraftwagen, die im Vorgriff auf die Richtlinie 2003/97/EG bereits mit Einrichtungen für indirekte Sicht nachgerüstet wurden, welche den Bestimmungen der Richtlinie weitgehend entsprechen, sollten von den Anforderungen dieser Richtlinie ausgenommen werden dürfen.

(11) Die Nachrüstung soll von Maßnahmen begleitet werden, die auf die Gefahren der toten Winkel schwerer Lastkraftwagen aufmerksam machen.

(12) Da die Ziele der beabsichtigten Maßnahme, nämlich die Nachrüstung der in der Gemeinschaft bereits zugelassenen Fahrzeuge, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen der Größenordnung und der Auswirkungen der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 EG-Vertrag niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus -

Haben folgende Richtlinie erlassen:

Artikel 1

Artikel 2

Artikel 3

Artikel 4

Artikel 5

Artikel 6

Artikel 7

Artikel 8

Artikel 9

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.


Geschehen zu Brüssel, am
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
Im Namen des Rates
Der Präsident


1 ABl. C , S.
2 ABl. C , S.
3 ABl. C , S.
4 ABl. C , S.
5 KOM (2001) 370 endg.
6 KOM (2003) 311 endg.
7 ABl. L 25 vom 29.1.2004, S. 1. Geändert durch die Richtlinie 2005/27/EG der Kommission (ABl. L 81 vom 30.3.2005, S. 44).
8 ABl. L 42 vom 23.2.1970, S.1. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 161 vom 14.6.2006, S. 12).