Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen
(Familienleistungsgesetz -FamLeistG)

Der Bundesrat hat in seiner 850. Sitzung am 7. November 2008 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe b, 3, 4, 5, 6, 9, 11, 13, 14, 15 und 16 (§§ 9, 9a, 9c, 10, 26a, 33, 35a, 37, 39a und 50 EStG)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Die im Regierungsentwurf vorgesehene Zusammenfassung der bisher in drei Vorschriften enthaltenen Regelungen vereinfacht den Kinderbetreuungskostenabzug nur in formaler Hinsicht. Die damit verbundenen administrativen Probleme, auf die der Bundesrat zuletzt in seiner Stellungnahme vom 16. Juni 2008 (Drucksache 330/06(B) HTML PDF ) hingewiesen hat, werden dadurch jedoch nicht gelöst.

Diese treten in den Fällen auf, in denen die Kinderbetreuungskosten wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden sollen. So müssten nach dem Regierungsentwurf nach wie vor bis zu drei Finanzämter (wenn ein Elternteil seine Erwerbstätigkeit außerhalb des Bezirks des Wohnsitz-Finanzamtes ausübt und zusätzlich an einer Personengesellschaft an einem weiteren Ort beteiligt ist) zusammenwirken, um eine unzulässige Überschreitung des Höchstbetrags für die Kinderbetreuungskosten zu verhindern. Hinzu kommt, dass bei unterschiedlichen Einkünfteermittlungsmethoden (bei Betriebsvermögensvergleich Entstehungsprinzip und im übrigen Abflussprinzip) ein unzulässiger Abzug in Bezug auf die zeitliche Zuordnung nur erschwert erkennbar ist.

Der Abzug wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten lässt darüber hinaus solche Eltern leer ausgehen, deren Erwerbstätigkeit mit einer pauschalierten Gewinnermittlung (z.B. bei § 13a EStG - Landwirten oder der Tonnagebesteuerung nach § 5a EStG), einem Werbungskostenabzugsverbot (z.B. nach § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG bei Abgeordneten) oder steuerfreien Einnahmen (z.B. bei nebenberuflicher Übungsleitertätigkeit nach § 3 Nr. 26 EStG) verbunden ist.

Diese vorstehend dargestellten Probleme entfallen, wenn auch die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben abgezogen werden.

Dies wird durch die Änderung in Buchstabe e erreicht. Der Kinderbetreuungskostenabzug ist von den Eltern dann ausschließlich gegenüber dem Wohnsitz-Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuererklärung bei den Angaben zum Kind geltend zu machen. Damit entfällt die bisher notwendige Erklärung im Rahmen der unterschiedlichen Einkünfteermittlungen und der ggfs. erforderliche zusätzliche Abgleich zwischen mehreren Finanzämtern.

Bei den Änderungen in den übrigen Buchstaben handelt es sich um Folgeänderungen. Die Änderung in Buchstabe n verhindert anders als der Regierungsentwurf, dass der Kinderbetreuungskostenabzug bei behinderten Kindern entfällt, bei denen die Behinderung vor dem 1. Januar 2007 und vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. Insofern wird die derzeitige in § 52 Abs. 12c und 24a EStG enthaltene Regelung zu § 4f und § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG fortgeschrieben.

2. Zu Artikel 1 Nr. 13 ( § 35a EStG)

In Artikel 1 Nr. 13 ist in § 35a Abs. 2 nach Satz 2 folgender Satz einzufügen:

Begründung

In die Steuerermäßigung werden für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, Pflege- und Betreuungsleistungen sowie Handwerkerleistungen bisher nur die Arbeitskosten einbezogen (§ 35a Abs. 2 Satz 3 EStG). Für Handwerkerleistungen soll dies auch künftig gelten (§ 35a Abs. 3 Satz 2 EStG-E). Es ist nicht ersichtlich, dass für haushaltsnahe Dienstleistungen und für Pflege- und Betreuungsleistungen insoweit eine Ausweitung der Begünstigung auf Materialkosten bzw. gelieferte Waren (z.B. vollständige Begünstigung der Leistungen eines Partyservice incl. Waren oder Lieferung von Stützstrümpfen oder eines Pflegebettes) erfolgen soll, denn mit der Steuerermäßigung soll die Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen gefördert werden, um Beschäftigungsanreize zu setzen.

Absatz 2 wird daher um eine der bisherigen Regelung entsprechende Einschränkung ergänzt. Für die Abgrenzung der Arbeitskosten können dann weiterhin die bisher aufgestellten Verwaltungsregelungen (zuletzt BMF-Schreiben vom 26. Oktober 2007, BStBl. I S. 783) gelten.

Der Bundesrat fordert, die in § 24a Satz 1 SGB II und in § 28a Satz 1 SGB XII vorgesehene Begrenzung der Leistungsgewährung auf Schülerinnen und Schüler bis zum Abschluss der Jahrgangsstufe 10 zu streichen. Der Leistungsausschluss für Schülerinnen und Schüler, die einen höheren Bildungsabschluss anstreben, ist sachlich nicht gerechtfertigt und bildungspolitisch kontraproduktiv. Gerade Leistungsempfänger nach dem SGB II und SGB XII, die einen höheren Bildungsabschluss anstreben, sollten angesichts der Diskussionen um die soziale Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems gegenüber anderen Schülerinnen und Schülern in Sozialleistungsbezug nicht finanziell benachteiligt werden. Zudem widerspricht der Leistungsausschluss der politischen Zielsetzung, den Anteil der Personen mit einem höheren Bildungsabschluss in den kommenden Jahren signifikant zu steigern. Das System der Leistungsausschlüsse gemäß § 7 Abs. 5 und 6 SGB II sowie § 22 SGB XII bleibt unberührt.

4. Zu Artikel 3 Nr. 2 ( § 24a Satz 3 SGB II ) Artikel 4 (§ 31 Abs. 4 - neu -) SGB XII

Begründung

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung, wonach der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende bzw. der Sozialhilfeträger im begründeten Einzelfall lediglich einen Nachweis über eine zweckentsprechende Verwendung der Leistung verlangen kann, begegnet Bedenken.

Zum einen ist eine derartige Regelung nicht notwendig, da der Amtsermittlungsgrundsatz ( § 20 SGB X) bereits das Verlangen nach entsprechenden Belegen rechtfertigt. Zum anderen ist zu befürchten, dass die bloße Vorlage von Belegen nicht ausreichend ist, eventuelle Leistungsmissbräuche zu verhindern.

In begründeten Einzelfällen ist es daher sinnvoll und geboten, nach nicht zweckentsprechender Verwendung der zusätzlichen Leistung für die Schule statt einer Geldleistung in künftigen Fällen eine Sachleistung (z.B. Ausgabe eines Gutscheins) zu erbringen.

Aus systematischen Gründen sollte die neue Leistung in einem neuen Absatz in § 31 SGB XII eingeordnet werden: Die neue Leistung stellt einen einmaligen Bedarf, wenngleich wiederkehrend, dar. Es ist nicht ersichtlich, weshalb sie im Gegensatz zu den bereits existierenden einmaligen Leistungen gesondert geregelt werden sollte. Ferner entfiele der Bedarf für die im Entwurf vorgesehenen Änderungen des § 28 SGB XII.

5. Zu Artikel 5a - neu - (Finanzausgleichsgesetz)

Nach Artikel 5 ist folgender Artikel 5a einzufügen:

"Artikel 5a
Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern

§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Finanzausgleichsgesetz) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3956), das zuletzt durch Artikel 2 des Achten Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes vom 31. Juli 2008 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Begründung

Durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs ab 1996 ist die Lastentragung im bisherigen Verhältnis fortgeschrieben worden. Danach tragen der Bund 74 v.H., die Länder und Kommunen 26 v.H. der Aufwendungen (vgl.

Artikel 106 Abs. 3 Satz 5 GG, § 1 Satz 6 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern - FAG). Infolge der Einbindung der Leistungen in das Einkommensteuerrecht ergeben sich jedoch davon abweichende Belastungsanteile des Bundes von 42,5 v.H. und der Länderebene mit 57,5 v.H. Es ist daher eine Regelung erforderlich, die sicherstellt, dass die Lastenteilung bezogen auf die Leistungsverbesserungen ab 2009 mit 74 v.H. zu 26 v.H. erreicht wird. Ausgehend vom Volumen der Steuermindereinnahmen bei der Einkommensteuer aus der Anhebung des Kindergeldes von rd. 2,1 Mrd. Euro ergibt sich für die Länderseite ab dem Jahr 2009 ein Ausgleichsanspruch von rd. 0,7 Mrd. Euro. Dies entspricht 0,41 Prozentpunkten des prozentual zwischen Bund und Ländern nach Abzug von Vorweganteilen zu verteilenden Umsatzsteueraufkommens.

Durch die hier vorgenommene Regelung bleibt der Korrekturbedarf hinsichtlich des Lastenteilungsverhältnisses zwischen Bund und Ländern für den bisherigen Familienleistungsausgleich in den Jahren ab 1996 bis heute unberührt.

6. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat begrüßt den Beschluss der Bundesregierung, für hilfebedürftige Kinder einen gesonderten Schulbedarf nach dem SGB II und XII zu finanzieren.

Für die dringend erforderliche Berücksichtigung des kinderspezifischen Bedarfs bei der Neubemessung der Regelleistungen und Regelsätze ist dies allerdings lediglich ein erster Schritt.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher erneut auf, wie auch bereits in der Entschließung des Bundesrates vom 23. Mai 2008, vgl. BR-Drucksache 329/08(B) HTML PDF , die Regelleistungen sowie die Regelsätze für hilfebedürftige Kinder neu zu bemessen. Hierbei sind insbesondere die besonderen Bedarfe für die Mittagsverpflegung in Ganztagsschulen oder Schulen mit einem Bildungs- und Betreuungsangebot am Nachmittag und in Kindertageseinrichtungen zu berücksichtigen.

Begründung

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung, wonach hilfebedürftige Kinder nach dem SGB II und XII ein Schulbedarfspaket in Höhe von jährlich 100 Euro erhalten können erfüllt in einem ersten Schritt die Forderung des Bundesrates nach Berücksichtigung des kinderspezifischen Bedarfs im Rahmen der Bemessung der Regelleistungen.

Die dringend erforderliche Neubemessung der Regelleistungen und Regelsätze steht jedoch weiterhin aus. Dabei ist gerade die finanzielle Unterstützung hilfebedürftiger Kinder bei der Mittagsverpflegung in Ganztagsschulen oder in Schulen mit einem Bildungs- und Betreuungsangebot am Nachmittag und in Kindertageseinrichtungen zu verankern.

7. Zum Gesetzentwurf allgemein

Die Stärkung der Familie und die Förderung privater Haushalte insbesondere als Feld für zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten haben eine hohe Priorität.

Das Familienleistungsgesetz kommt dem nach.

Der 2006 eingeführte Steuerbonus auf Handwerksleistungen (20 % von max. 3 000 Euro Handwerksarbeitsleistungen = 600 Euro) ist ein erfolgreicher Ansatz. Dadurch konnte Beschäftigung in Ausbauhandwerken gesichert werden. Erstmals nach Jahren des Rückgangs wurden Neueinstellungen vorgenommen.

Der Bundesrat begrüßt das von der Bundesregierung angekündigte Maßnahmenpaket "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärke" in Bezug auf die darin enthaltene Ausweitung der Absatzbarkeit von Handwerkerleistungen bei Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen.

Die Erhöhung des Steuerbonus auf 20 % von 6 000 Euro (= 1 200 Euro) zum 1. Januar 2009 ist ein richtiges Signal.

Der Bundesrat erwartet, dass diese angekündigten Maßnahmen zumindest im vorgeschlagenen Umfang zügig umgesetzt werden.

Die derzeitige angespannte Konjunktur sowie die aktuell prognostizierte wirtschaftliche Entwicklung erfordern gerade für das Handwerk, eine der Stützen der Volkswirtschaft, die bestehenden steuerlichen Regelungen darüber hinaus weiter zu entwickeln.