Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken
(Risikobegrenzungsgesetz)

Der Bundesrat hat in seiner 839. Sitzung am 30. November 2007 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren erneut zu prüfen, ob die angestrebten Gesetzesänderungen im Interesse des Finanzplatzes Deutschland tatsächlich erforderlich sind.

Begründung

Die wertpapierhandelsrechtlichten Meldepflichten für die Inhaber bedeutender Beteiligungen sind durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 10) modifiziert worden. Zur Transparenzrichtlinie ist eine Durchführungsrichtlinie (Richtlinie 2007/14/EG) erlassen worden. Die Umsetzung dieser Durchführungsrichtlinie in nationales Recht steht noch aus. Daher ist nochmals mit Änderungen der §§ 21 ff. WpHG zu rechnen. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf sollen Bestimmungen geändert werden, die erst kürzlich durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz eingeführt worden sind. Es erscheint nicht unproblematisch, die Regelungsadressaten in kurzer Zeitfolge wiederholt mit Gesetzesänderungen zu konfrontieren, die jeweils erst einmal bei nicht unerheblichem Kostenaufwand praktisch umgesetzt werden müssen.

Hinzu kommt, dass das Committee of European Securities Regulators (CESR - Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden) in seiner Funktion als Stufe-III-Ausschuss im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens die Marktteilnehmer am 13. Juli 2007 (so genanntes "Call for evidence") um Vorschläge gebeten hat, wie die Harmonisierung des wertpapierrechtlichen Meldewesen weiter vorangetrieben werden kann. Die Konsultationsfrist endete am 14. September 2007.

Vor diesem Hintergrund sollte geprüft werden, ob nicht - anstelle einer ausschließlich nationalen Regelung - im Rahmen des Committee of European Securities Regulators auf europaweit einheitliche Regelungen über das Meldewesen (Meldeschwellen, Meldeformalien, Berechnungsarten etc.) hinzuwirken ist.

2. Zur Eingangsformel

In der Eingangsformel sind nach dem Wort "hat" die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" einzufügen.

Begründung

Das beabsichtigte Gesetz bedarf gemäß Artikel 80 Abs. 2 GG der Zustimmung des Bundesrates. Durch Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b wird in § 27 Abs. 2 Satz 7 WpHG-E eine Verordnungsermächtigung für das Bundesministerium der Finanzen begründet, wobei die Verordnung nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Das Wertpapierhandelsgesetz ist ein Bundesgesetz, das gemäß Artikel 83 GG mangels anderer Bestimmungen im Grundgesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit vollzogen wird. Eine Rechtsverordnung auf Grund eines solchen Bundesgesetzes ist nach Artikel 80 Abs. 2 GG zustimmungspflichtig. Zwar kann die in Artikel 80 Abs. 2 GG vorgesehene Zustimmung des Bundesrates durch Gesetz ausgeschlossen werden. Ein solches Gesetz bedarf aber seinerseits der Zustimmung des Bundesrates (vgl. BVerfGE 28, 66 <76 ff.>). Diese Zustimmung ist in der Eingangsformel nicht vorgesehen; diese ist daher entsprechend zu ergänzen.

3. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b (§ 22 Abs. 2 Satz 2 WpHG) Artikel 2 Nr. 1 Buchstabe b (§ 30 Abs. 2 Satz 2 WpÜG)

Begründung

Ziel des § 22 Abs. 2 WpHG-E bzw. des § 30 Abs. 2 WpÜG-E ist es, das bisher maßgeblich auch von der Rechtsprechung herausgebildete "acting in concert" zu normieren und zu erweitern. Bisherige Einzelfallausnahmen des Gesetzes werden durch ein Korrektiv ersetzt, das auf die Wirkungen des in Frage stehenden Verhaltens abstellt. Ein abgestimmtes Verhalten soll nach § 22 Abs. 2 Satz 2 WpHG-E bzw. § 30 Abs. 2 WpÜG-E bereits dann vorliegen, wenn mit Dritten in einer Weise zusammengewirkt wird, die geeignet ist, die unternehmerische Ausrichtung des Emittenten bzw. der Zielgesellschaft dauerhaft oder erheblich zu beeinflussen. Die Definition des abgestimmten Verhaltens schießt indes über das Ziel hinaus. Nach dem Gesetzentwurf wäre auch ein Zusammenwirken zur Erhaltung des Status quo meldepflichtig. Ein schutzwürdiges Interesse der Unternehmensführung, ein organisiertes Vorgehen gegen eine Umgestaltung der unternehmerischen Ausrichtung der Angebots- und Meldepflicht zu unterwerfen, besteht jedoch nicht. Vielmehr besteht in diesem Falle die Gefahr, dass diese Aktionärsgruppe - und sei es fahrlässig - ihr Stimmrecht verliert und somit das Ziel des Gesetzentwurfs, die Risiken für die Zielunternehmen zu schmälern, geradezu konterkariert wird. Außerdem müsste, soweit durch die Stimmrechtszurechnung die Unternehmenskontrolle gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG erreicht wird, ein Übernahmeangebot gemäß § 35 WpÜG mit sämtlichen weiteren Konsequenzen (insbesondere Verzinsungspflicht gemäß § 38 WpÜG) erfolgen. Um den Begriff des acting in concert nicht so weit ausufern zu lassen, sollte bei der Definition des abgestimmten Verhaltens sowohl in § 22 Abs. 2 Satz 2 WpHG-E als auch in § 30 Abs. 2 Satz 2 WpÜG-E darauf abgestellt werden, ob eine erhebliche Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten bzw. der Zielgesellschaft dauerhaft herbeigeführt wird.

4. Zu Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b (§ 27 Abs. 2 Satz 1 WpHG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob nicht in § 27 Abs. 2 Satz 1 WpHG-E die Beteiligungsschwelle von 10 Prozent auf 20 Prozent angehoben werden sollte. Erwogen werden könnte auch, die Folgen einer Beteiligung von 10 Prozent oder 20 Prozent abzustufen.

Begründung

§ 27 Abs. 2 Satz 1 WpHG-E legt den Meldepflichtigen erhebliche Offenlegungspflichten auf. So wird tiefgreifend in die Geheimsphäre und Dispositionsfreiheit des Meldepflichtigen eingegriffen, auf der anderen Seite ist der Mitteilungsempfänger gegebenenfalls dazu gezwungen, eine Adhoc-Mitteilung über die erhaltene Mitteilung nach § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen. Die damit verbundenen Kursschwankungen sind, genauso wie die erheblichen Eingriffe in unternehmensinterne Informationen des Anteilsinhabers, erst bei einer höheren und somit potenziell gefährlicheren Quote angemessen.

Möglicherweise sollten auch abgestufte Offenlegungspflichten bei unterschiedlich hohen Beteiligungen festgelegt werden.

5. Zu Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b ( § 27 Abs. 2 WpHG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Mitteilung gemäß § 27 Abs. 2 WpHG-E nur auf Verlangen des Emittenten erfolgen soll oder generell mit Mitteilung der Überschreitung der Hürde nach § 21 Abs. 1 WpHG erfolgen muss.

Begründung

Die Erforderlichkeit der Preisgabe der Informationen sollte nicht ins Belieben der Gesellschaft gestellt werden. Mit einer generellen, unaufgeforderten Mitteilungspflicht würde auch verhindert werden, dass die Gesellschaft zu einem für den Anteilseigner überraschenden Zeitpunkt die entsprechenden Informationen nachfordert. Soweit, wie andernorts vorgeschlagen, an die Nichtpreisgabe der Informationen entsprechende Sanktionen geknüpft werden, ist die unaufgeforderte Mitteilung zwingend, um Manipulationsgefahren seitens der Unternehmensleitung durch die freie Wahl des Zeitpunkts des Verlangens auszuschließen.

6. Zu Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b ( § 27 Abs. 2 WpHG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob nicht die Nichterfüllung der erweiterten Meldepflichten in § 27 Abs. 2 WpHG-E mit den Sanktionen des § 28 WpHG belegt und somit ein Gleichlauf der Sanktionen erreicht werden sollte.

Begründung

Es ist nicht nachzuvollziehen, warum in diesem Bereich der Mitteilungspflichten eine Sanktion ausdrücklich nicht vorgesehen ist. Es steht vielmehr zu befürchten, dass diese erweiterten Meldepflichten auf Grund ihres tiefgreifenden Eingriffs in die Interna des Anteilseigners in vielen Fällen mißachtet werden, wenn ein Verstoß nicht die Sanktionen des § 28 WpHG nach sich zieht.

7. Zu Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b (§ 27 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 WpHG)

In Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe b sind in § 27 Abs. 2 Satz 3 die Nummern 2 und 3 zu streichen.

Begründung

Nach § 27 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 WpHG hat der Meldepflichtige hinsichtlich der mit dem Erwerb der Stimmrechte verfolgten Ziele anzugeben, ob er innerhalb der nächsten zwölf Monate weitere Stimmrechte durch Erwerb oder auf sonstige Weise zu erlangen beabsichtigt. Nach § 27 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 WpHG hat er anzugeben, ob er die Erlangung der Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG über den Emittenten anstrebt.

Die Regelungen erscheinen als zu weit gehend. Die Verpflichtung zur Offenbarung der Absicht zu weiterem Aktienerwerb an der Zielgesellschaft kann diesen - im Falle des allgemeinen Bekanntwerdens - für den Erwerber wegen möglicher Auswirkungen auf den Börsenpreis der betreffenden Aktien wirtschaftlich unmöglich machen. Der Emittent hat die erhaltenen Angaben nach § 27 Abs. 2 Satz 6 WpHG zu veröffentlichen. Hinzu kommt, dass das Verschweigen einer bestehenden Erwerbsabsicht nur in Ausnahmefällen feststellbar sein wird. Selbst im Falle eines späteren weiteren Aktienerwerbs durch den Meldepflichtigen wird kaum nachweisbar sein, dass die Erwerbsabsicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt bestand.

8. Zu Artikel 3 Nr. 1 ( § 67 AktG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob nicht auf die vorgeschlagenen Änderungen des § 67 AktG verzichtet werden sollte, weil sie die Handelbarkeit von Namensaktien verschlechtern und deshalb zu Kursabschlägen führen können.

Begründung

Die Namensaktie hat im Zuge der zunehmenden Globalisierung an Attraktivität gewonnen. Die vorgesehenen Änderungen, welche die gerade in der US-Praxis übliche Verwendung von "street names" eindämmen soll, könnte zu einer gegenläufigen Entwicklung führen. Zwar könnten für REIT-AGs nach deutschem Recht, die derzeit nur zögerlich angenommen werden, die Änderungen zu Vorteilen bei der dort aus steuerlichen Gründen wichtigen Kontrolle der Aktionärsstruktur führen. Es ist allerdings fraglich, ob dies die mit der Neuregelung verbundene Verschlechterung der Handelbarkeit von Namensaktien und die sich daraus ergebenden Kursabschläge rechtfertigt.

9. Zu Artikel 3 Nr. 1 Buchstabe c (§ 67 Abs. 4 Satz 2 AktG)

Für den Fall, dass im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht auf die vorgeschlagenen Änderungen des § 67 AktG verzichtet werden sollte, bittet der Bundesrat zu prüfen, ob in § 67 Abs. 4 Satz 2 AktG-E die Frist, innerhalb der der Eingetragene die vorgeschriebene Mitteilung vorzunehmen hat, konkret zu bestimmen ist und ob eine Verlängerung der Frist kraft Gesetzes bis zum Tag nach der Hauptversammlung vorzusehen ist, wenn deren Ablauf auf einen Zeitpunkt zwischen Einberufung und Abhaltung einer Hauptversammlung fällt.

Begründung

Durch § 67 Abs. 4 Satz 2 AktG-E soll die Gesellschaft künftig die Möglichkeit erhalten, von dem im Aktienregister Eingetragenen Auskunft darüber zu bekommen, wem die Aktien tatsächlich gehören. Kommt der Eingetragene dem Auskunftsverlangen der Gesellschaft nicht nach, so entfällt das Stimmrecht bis zur Erfüllung des Verlangens. Die Bestimmungen des Gesetzentwurfs sind angelehnt an die Vinkulierungsbestimmung in Artikel 685d Abs. 2 des Schweizerischen Obligationenrechts. Hier scheint die Rechtspraxis zu zeigen, dass bei Streitigkeiten unter Aktionärsgruppen immer wieder der Versuch unternommen wird, diesen durch die Beschränkung der Eintragung von Legitimationsaktionären die Stimmrechte streitig zu machen. Besonders problematisch wäre dies bei Anlagenfonds, da diese Aktien zwar im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung halten. Es steht daher zu befürchten, dass auf Grund der im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Sanktion bei Nichterfüllung des Auskunftsverlangens Aktionärsgruppen das Stimmrecht in der Hauptversammlung streitig gemacht werden kann. Deshalb spricht sehr viel dafür, die Phase vor und während der Hauptversammlung von Streitigkeiten über die Erfüllung der Auskunftspflicht freizustellen. Dies kann dadurch erreicht werden, dass die im Aktienregister Eingetragenen entsprechenden Auskunftsverlangen nur außerhalb dieser kritischen Zeiträume nachkommen müssen.