Der Bundesrat hat in seiner 920. Sitzung am 14. März 2014 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Anliegen der Kommission, die Städte bei der Gestaltung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung des Stadtverkehrs stärker zu unterstützen. Die urbanen Verkehrssysteme sind ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Verkehrssystems und die ehrgeizigen Klimaschutzziele, die die Kommission in ihrem Weißbuch zum Verkehr von 2011 gefordert hat, lassen sich ohne eine entsprechend an den städtischen Verkehr angepasste Strategie nicht verwirklichen.
Die Gestaltung einer nachhaltigen, effizienten urbanen Mobilität ist insbesondere für hochbelastete urbane Verkehrsknoten äußerst bedeutend und von hohem verkehrspolitischen Interesse.
- 2. Er begrüßt ferner, dass die Kommission in ihrer Mitteilung die Zuständigkeit der lokalen Behörden für den städtischen Verkehr weiterhin anerkennt. Die städtische Mobilität ist in erster Linie eine Aufgabe der Behörden auf lokaler Ebene und entsprechende Maßnahmen können auf dieser Ebene ausreichend verwirklicht werden. Die lokalen Gebietskörperschaften sind am besten in der Lage, die städtischen Mobilitätsprobleme zu bewältigen.
- 3. Der Bundesrat begrüßt daher, dass in der Mitteilung der Kommission keine die Mitgliedstaaten bindenden Rechtsakte angekündigt werden.
- 4. Er begrüßt weiterhin den von der Kommission gewählten Ansatz, den Erfahrungsaustausch zwischen den Städten auf europäischer Ebene zu unterstützen und durch innovative Konzepte und Technologien die Entwicklung einer ressourceneffizienten städtischen Mobilität zu fördern.
- 5. Mit der Entwicklung von Leitlinien und der Ausgabe von Empfehlungen für die Mitgliedstaaten, nationale Rahmenbedingungen, Plattformen und Leitlinien für Aspekte der städtischen Mobilität zu entwickeln, kann die Kommission einen wertvollen Beitrag leisten und die Städte auf zweckmäßige Art unterstützen.
- 6. Gerade mit Blick auf die Erreichung der anspruchsvollen EU-Klima- und Umweltschutzziele spielt die gezielte Unterstützung von Städten und urbanen Ballungszentren durch die Kommission mittels Förderung des Austauschs bewährter Praktiken, unverbindlicher Anregungen und der Bereitstellung von Fördermitteln aus Sicht des Bundesrates eine sehr wichtige Rolle und wird ausdrücklich begrüßt.
- 7. Der Bundesrat weist darauf hin, dass in großen Metropolen in besonderem Maße ein Zielkonflikt zwischen Erreichbarkeit/Sicherung der Personen- und Gütermobilität, Wettbewerbsfähigkeit und den Zielen der Luftreinhaltung besteht. Daher bittet der Bundesrat die Kommission ausdrücklich darum sicherzustellen, dass die Ziele und Ausrichtungen ihrer Politik, insbesondere der Verkehrs- und Luftreinhaltepolitik, kohärent und kompatibel sind.
- 8. Er unterstützt die Auffassung der Kommission, dass durch die EU-Rechtsvorschriften zur Luftqualität und durch zunehmend strengere Emissionsnormen für Kraftfahrzeuge die Bürgerinnen und Bürger vor schädlichen Emissionen, Schadstoffeinträgen und Partikeln geschützt werden sollen. Vor diesem Hintergrund begrüßt es der Bundesrat, wenn die Kommission bei der Festlegung von ambitionierten, realistischen Emissionsgrenzwerten für Fahrzeuge (EURO-Normen) und bei der Förderung umweltfreundlicherer Verkehrsträger und - Technologien (wie z.B. der E-Mobilität) weiter aktiv ist.
- 9. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Städte in hohem Maße durch die Zahl der Kraftfahrzeuge belastet sind und viele Stadtviertel im öffentlichen Straßenraum durch parkende Fahrzeuge erheblich überlastet sind. Die sich in einigen Städten Europas entwickelnden Car-Sharing-Dienstleistungen können hier eine erhebliche Entlastung bringen. Jedoch ist diese Entwicklung bislang sehr ungleich über die europäischen Länder verteilt. Das europäische Projekt "momocarsharing" hat das hiermit verbundene Potenzial aufgezeigt, die Städte Europas um 600 000 parkende Fahrzeuge zu entlasten. Angesichts dieses Potenzials sollte die Kommission die "Sharing-Modelle" (wie Bike-Sharing, Car-Sharing, Car-Pooling) stärker in ihre Strategien und den geplanten Austausch aufnehmen.
- 10. Er sieht unter Berücksichtigung der Subsidiarität europäischen Harmonisierungsbedarf, insbesondere bei technischen Anforderungen für Fahrzeuge (z.B. Elektrofahrzeuge, Nachrüstung bestehender Fahrzeuge mit Stickoxidminderungssystemen), Infrastrukturausrüstungen (z.B. Ladeinfrastrukturen inklusive Stecker, Protokolle und Lademodi für Elektrofahrzeuge) sowie bei der Kennzeichnung (Schilder und Plaketten) für den Zugang von Kraftfahrzeugen zu Umweltzonen entsprechend europäischer Abgas- und Lärmstandards. Angesichts des wachsenden europäischen Wirtschafts- und Tourismusverkehrs ist Transparenz bei unterschiedlichen örtlichen Anforderungen nötig. Harmonisierte Fahrzeug- und Gebietskennzeichnungen können den Zugang erleichtern, die Kosten und Emissionen senken sowie die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur und die Akzeptanz verbessern.
- 11. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die im Kapitel 3 "Pläne für eine nachhaltige Mobilität" dargelegte "Überprüfung und - soweit erforderlich - Anpassung der technischen, politischen, rechtlichen und finanziellen und sonstigen Instrumenten der lokalen Planungsbehörden" auch für regionale Planungsbehörden gelten soll. Dies entspräche der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland.
- 12. Er unterstützt den Ansatz der Kommission, die Verbreitung von bewährten Praktiken der Stadtlogistik zu verbessern, und spricht sich für eine bessere Koordination der Verkehrsplanung auf europäischer Ebene aus, um die Implementierung von Lösungen im Bereich der Citylogistik europäisch zu vereinfachen.
- 13. Der Bundesrat stellt fest, dass die polyzentrale Siedlungsstruktur Deutschlands bei der Einführung von Zulassungssystemen und Straßenbenutzungsgebühren verschiedene Lösungsmöglichkeiten zulässt. In diesem Zusammenhang können auch Parkgebühren einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Mobilität leisten. Es sollte klargestellt werden, dass unter dem Begriff "Straßenbenutzungsgebühren" konzeptionell der fließende wie der ruhende Verkehr verstanden wird.
- 14. Im Bereich der Zugangsregelungen/Straßenbenutzungsgebühren unterstreicht der Bundesrat seine ablehnende Haltung und die Notwendigkeit der kommunalen Souveränität bei der Ausgestaltung solcher Maßnahmen. Die Einführung von Straßenbenutzungsgebühren/City-Maut würde zudem die Gefahr bergen, dass Innenstadtlagen durch Verlagerung von z.B. Einzelhandel in äußere Gebiete zu verwaisen drohen und an Attraktivität und Vielfalt verlieren.
- 15. Im Hinblick auf die in der Mitteilung enthaltenen Aussagen zu intelligenteren Zugangsregelungen für Städte und die Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren begrüßt der Bundesrat, dass sich die Kommission auf die Verbreitung von bewährten Praktiken, auch mithilfe eines Leitfadens, beschränken will.
Gleichzeitig bekräftigt der Bundesrat die bereits in seiner Stellungnahme zum Grünbuch "Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt" (BR-Drucksache 681/07(B) ) dargelegte kritische Haltung zu Stadtmautsystemen.
- 16. Zu den Ausführungen im Abschnitt zur koordinierten Einführung intelligenter urbaner Verkehrssysteme merkt der Bundesrat an, dass hierbei in Deutschland ein hoher Entwicklungsstand erreicht wurde. Er befürwortet die Vorschläge der Kommission, die insbesondere die bessere Verknüpfung kommunaler und großräumiger Verkehrsinformationen sowie den Ausbau multimodaler Informationsdienste zum Ziel haben.
- 17. Was den von Seiten der Kommission angesprochenen Verkehrssicherheitsaspekt betrifft, so stimmt der Bundesrat zu, dass dieser bei kommunalen Verkehrskonzepten in allen Phasen berücksichtigt werden sollte. Wie und in welchem Umfang dies umgesetzt wird, unterfällt der kommunalen Planungshoheit.
- 18. Der Bundesrat stellt fest, dass ebenso wie bei den "Plänen für eine nachhaltige urbane Mobilität" auch für den Aspekt der "Sicherheit im städtischen Straßenverkehr" (Kapitel 4) eine Überprüfung der nationalen Verkehrsvorschriften in Betracht gezogen werden soll. Wenn die angestrebte Verlagerung der Verkehre auf nachhaltige Verkehrsträger erfolgt, wird dies unter anderem auch mit einer Zunahme von zu Fuß Gehenden und Fahrrad Fahrenden verbunden sein werden. Diese quantitative Verschiebung muss sich auch in angemessenen, sicheren und zukunftsgerichteten Verkehrsregelungen wiederfinden.
- 19. Im Hinblick auf die in der Mitteilung angesprochene verstärkte Unterstützung durch die EU bei Erfahrungsaustausch, der Präsentation vorbildlicher Verfahren und der Förderung der Zusammenarbeit ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Kommission vor Ausweitung ihrer Aktivitäten, wie z.B. beim "European Local Transport Information System" (ELTIS) und "Urban Act" (URBACT), zunächst eine kritische Evaluierung vornehmen sollte.
- 20. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.