Der Bundesrat hat in seiner 879. Sitzung am 11. Februar 2011 gemäß § § 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die Beschlüsse des Europäischen Rates vom 16./17. Dezember 2010 über die Einrichtung eines ständigen Krisenbewältigungsmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität im gesamten Euroraum und über die Einleitung eines vereinfachten Vertragsänderungsverfahrens zur Kenntnis. Er begrüßt, dass in die Arbeiten an einem künftigen Mechanismus die allgemeinen Merkmale einbezogen werden sollen, die in der vom Europäischen Rat gebilligten Erklärung der Eurogruppe vom 28. November 2010 niedergelegt sind. Hierzu gehört, dass eine Beteiligung der Privatgläubiger im Fall der Zahlungsunfähigkeit eines Staates vorgesehen ist. Hierbei ist ein verantwortungsvoller Umgang mit den Finanzmärkten von entscheidender Bedeutung. Der Bundesrat begrüßt, dass auch bei bestehender Solvenz eines Mitgliedstaates die privaten Gläubiger fallweise zur Problemlösung herangezogen werden sollen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die Festlegung des Europäischen Rates vom Dezember 2010, dass bei der Ausgestaltung eines dauerhaften Krisenmechanismus Hilfen der Mitgliedstaaten nur als Ultima Ratio erfolgen sollen. Der Bundesrat betont, dass ein solcher Krisenmechanismus nur aktiviert werden kann, wenn dies unerlässlich ist, um die Stabilität der Eurozone als Ganzes zu wahren.
- 3. Der Bundesrat begrüßt, dass der in Artikel 125 AEUV festgelegte Grundsatz, dass für die Schulden eines anderen Mitgliedstaates nicht gehaftet wird, nach den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Oktober 2010 nicht angetastet werden soll.
- 4. Mögliche Hilfen sind nur verantwortbar, wenn sie an strikte Bedingungen geknüpft sind, die den weitestmöglichen Schutz der deutschen Steuerzahler vor Belastungen in den Mittelpunkt stellen. Die Gewährung von Finanzhilfen muss deshalb in jedem Fall im Gegenzug ein makroökonomisches Anpassungsprogramm des hilfesuchenden Staates vorsehen, zeitlich befristet und im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines Eurolandes an Umstrukturierungsmaßnahmen gebunden sein. Auf diese Weise können Anreize minimiert werden, den Mechanismus auszunutzen oder zu unterlaufen.
- 5. Aus Sicht des Bundesrates darf die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion nicht zu fortwährenden Transferzahlungen an Euro-Mitglieder führen. Insoweit begrüßt der Bundesrat die Festlegung der Vorrangstellung der EU-Hilfen gegenüber den Forderungen des Privatsektors in der vom Europäischen Rat gebilligten Erklärung der Eurogruppe vom 28. November 2010, da dadurch das Risiko einer Transferunion minimiert wird.
- 6. Der Bundesrat unterstützt, dass eine potenzielle Überforderung einzelner Euro-Mitgliedstaaten durch das Erfordernis einstimmiger Entscheidungen der Eurogruppe vermieden wird. Bei der Größe des Stabilitätsmechanismus ist deshalb auch die Leistungsfähigkeit insbesondere der finanzstarken Mitgliedstaaten ein zwingend zu berücksichtigender Maßstab. In diesem Zusammenhang sind deshalb Hilfen abzulehnen, welche einseitig dem Krisenmechanismus und damit den Garantiestaaten das Ausfallrisiko für Staatsanleihen geben. Die Maßnahmen dürfen schließlich keine Umgehung des Verbots des Ankaufs von Anleihen durch die EZB (Artikel 123 AEUV) enthalten.
- 7. Der Bundesrat begrüßt, dass auch künftig die Erfahrung und Verantwortung des IWF in einen dauerhaften Krisenmechanismus einbezogen werden sollen. Auch dies dient dem Schutz der finanzstarken EU-Länder vor einer Überforderung.
- 8. Der Bundesrat lehnt die Einführung gemeinsamer EU-Anleihen strikt ab. Sie verwischen die notwendige Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte und sind daher nicht geeignet, den Schuldenstaaten Anreiz zu bieten, ihre Haushalte zu konsolidieren. Sie würden durch den Ansatz einer gesamtschuldnerischen Haftung eine Umgehung des Nobail-out-Grundsatzes darstellen und damit vertragswidrig sein.
- 9. Der bestehende Eurorettungsschirm wurde bislang nur zu einem geringen Teil in Anspruch genommen. Der Bundesrat ist deshalb der Ansicht, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Aufstockung des Umfangs der EFSF nicht erforderlich ist. Dadurch würde nur ein Signal der Unsicherheit an die Märkte gesandt, welches in der aktuellen Situation unangebracht wäre.
- 10. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der EU im vereinfachten Verfahren der Zustimmung des Bundesrates nach Artikel 23 Absatz 1 GG bedarf (vgl. § 2 IntVG). Bei jeglicher Änderung der vertraglichen Grundlagen der EU unterrichtet die Bundesregierung nach den gesetzlichen Bestimmungen über ihre Willensbildung und ermöglicht dem Bundesrat somit die Möglichkeit der Stellungnahme. Eine Unterrichtung über die Willensbildung schließt aus Sicht des Bundesrates ein, dass die Bundesregierung nicht lediglich einen Sachstandsbericht abgibt, sondern insbesondere auch mitteilt, warum der vorgeschlagene Weg, im vorliegenden Fall eine Änderung von Artikel 136 AEUV, aus Sicht der Bundesregierung der richtige ist. Der Bundesrat bittet dementsprechend die Bundesregierung, dies bei den weiteren Berichten zu berücksichtigen.