Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 318647 - vom 30. November 2007.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 25. Oktober 2007 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Iran, insbesondere die Entschließungen zu den Menschenrechten,
- - unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, zu dessen Vertragsstaaten Iran gehört,
- - unter Hinweis auf den Menschenrechtsdialog zwischen der Europäischen Union und Iran,
- - unter Hinweis auf die Erklärung seines Präsidenten zum Tod eines Mannes in Iran durch Steinigung, die Erklärung des Vorsitzes der Europäischen Union und die Erklärung von Kommissionsmitglied Ferrero-Waldner zum Tod von Jafar Kiani durch Steinigung,
- - unter Hinweis auf die Erklärungen des Vorsitzes vom 25. Mai 2007 bzw. 3. August 2007 im Namen der Europäischen Union zum Todesurteil gegen Sian Paymard, zu den Todesurteilen gegen Adnan Hassanpour und Abdolvahed "Hiva" Botimar, zur bevorstehenden Hinrichtung von Behnam Zare und zum Todesurteil gegen Ali Mahin Torabi,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die Situation in der Islamischen Republik Iran in Bezug auf die Ausübung der bürgerlichen Rechte und der politischen Freiheiten in den letzten zwei Jahren und insbesondere seit den Präsidentschaftswahlen vom Juni 2005 weiter verschlechtert hat, obwohl sich Iran verpflichtet hat, die Menschenrechte und Grundfreiheiten im Rahmen der diversen einschlägigen internationalen Instrumente zu fördern und zu schützen,
B. in der Erwägung, dass die Zahl der Hinrichtungen in Iran, auch von Minderjährigen und Homosexuellen, die oft öffentlich sind und durch Erhängen oder Steinigung vollstreckt werden, dramatisch zugenommen hat, wodurch die Zahl der dokumentierten Hinrichtungen seit Anfang 2007 auf mindestens 2441 gestiegen ist, eine Zahl, welche die 2006 verzeichneten 177 Hinrichtungen überschreitet,
C. in der Erwägung, dass die Vollversammlung der Vereinten Nationen auf ihrer 62. Tagung über eine Resolution abstimmen wird, in der ein weltweites Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe als erster Schritt zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe gefordert wird,
D. in der Erwägung, dass vor kurzem zum ersten Mal Journalisten (Adnan Hassanpour und Abdolvahed Botimar) zum Tode verurteilt wurden,
E. in der Erwägung, das Folter und Misshandlung von Gefangenen, Einzelhaft, geheime Inhaftierung, die Anwendung grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Bestrafung und Straffreiheit für Vertreter des Staates nach wie vor weit verbreitet sind,
F. in der Erwägung, dass eine wachsende Zahl von Intellektuellen inhaftiert wird, sowie in der Erwägung, dass die Welle der Repressionen jüngst auf Bürger mit doppelter Staatsangehörigkeit ausgeweitet wurde, die der schwersten Vergehen, nämlich der Zusammenarbeit mit ausländischen Mächten oder der Spionage, beschuldigt werden,
G. in der Erwägung, dass mehrere Aktivisten der Bewegung für die Rechte der Frau wegen ihrer Teilnahme an der Kampagne "Eine Million Unterschriften", deren Ziel die Aufhebung frauenfeindlicher Rechtsvorschriften ist, und die dem nationalen Parlament (Majlis) vorgelegt werden soll, strafrechtlich verfolgt werden bzw. wurden,
H. in der Erwägung, dass Iran immer noch nicht Vertragsstaat des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ist,
I. in der Erwägung, dass die iranischen Staatsorgane im Juni 2007 in Teheran gegen zwei Studentenorganisationen scharf durchgegriffen und mehrere Festnahmen durchgeführt haben, obwohl einige Studenten anschließend gegen Kaution freigelassen wurden; in der Erwägung, dass darüber hinaus die Vereinigung ehemaliger Studierender (Alumni-Verband) Irans aufgelöst wurde, was gegen das iranische Recht und gegen die internationalen Menschenrechtsstandards über die Vereinigungsfreiheit verstößt,
J. in der Erwägung, dass nach der Einführung von Verfahrensleitlinien für die Veröffentlichung durch das Ministerium für Kultur und islamische Führung eine verstärkte Zensur eingetreten ist, Journalisten zunehmend belästigt und inhaftiert werden, während gleichzeitig Medienorgane regelmäßig von den Organen des Staates geschlossen werden;
K. in der Erwägung, dass die Repressionen gegen die Gewerkschaften mit der Festnahme ihrer bekannten Spitzenvertreter wie Manour Osanlou, Vorsitzender der Gewerkschaft der Busbetriebe Teheran und Umgebung, und seines Stellvertreters Ebrahim Madadi, sowie von Mahmoud Salehi, ehemaliger Vorsitzender der Bäckergewerkschaft, zugenommen haben,
L. in der Erwägung, dass Minderheiten wegen ihres religiösen oder ethnischen Hintergrunds zunehmend diskriminiert und belästigt werden, insbesondere in den Grenzregionen (Kurdistan, Khuzestan, Sistan-Balutschistan, Aserbaidschan), einschließlich der fortdauernden Inhaftierung und der Verurteilung einiger ihrer Mitglieder zum Tode,
M. in der Erwägung, dass Mitglieder der religiösen Gemeinschaft der Bahai ihren Glauben nicht ausüben dürfen, ernsthaft verfolgt werden und ihnen nahezu all ihre Bürgerrechte entzogen werden (d.h. Eigentumsrechte, Zugang zu höherer Bildung) und ihre religiösen Stätten mutwillig zerstört werden,
N. in der Erwägung, dass iranischen Asylbewerbern, die durch Drittländer nach Iran zurückgeschickt wurden, ernsthaft Verfolgung droht, wie der jüngste Fall Rasool Ali Mezrea, Mitglied der Befreiungsorganisation der Ahwazi, zeigt, dem die Todesstrafe droht, nachdem er trotz seines Status als anerkannter UNHCR-Flüchtling von Syrien zur Rückkehr gezwungen wurde,
- 1. bekundet seine tiefe Sorge über die Verschlechterung der Menschenrechtssituation in Iran; appelliert an die iranische Regierung, ihren Verpflichtungen gemäß den von Iran ratifizierten internationalen Menschenrechtsstandards und -instrumenten nachzukommen indem sie die universellen Werte fördert und allen Personen das Recht zugesteht ihre Bürgerrechte und politischen Freiheiten wahrzunehmen;
- 2. verurteilt entschieden die Hinrichtung von Jafar Kiani durch Steinigung am 5. Juli 2007 in dem Dorf Aghche Kand (Provinz Qazvin) und fordert die iranische Regierung auf das von ihr angekündigte Moratorium in Bezug auf Steinigungen durchzuführen; fordert dass das islamische Strafgesetzbuch Irans reformiert wird, damit die Steinigung abgeschafft wird;
- 3. erklärt sich zutiefst besorgt über den dramatischen Anstieg der Repressionen gegen die Bürgerrechtsbewegungen in Iran im letzten Jahr; fordert die iranischen Staatsorgane auf den brutalen Repressionen gegen diejenigen, die sich für die Rechte der Frau einsetzen Aktivisten der Kampagne "Eine Million Unterschriften", Studentenbewegungen, Minderheitenaktivisten, Intellektuelle, Journalisten, Web-Logger und Gewerkschaftsmitglieder ein Ende zu setzen;
- 4. erinnert die Regierung Irans an ihre Verpflichtungen als Unterzeichnerin des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die grundlegenden Menschenrechte zu schützen, insbesondere die freie Meinungsäußerung, und fordert die Freilassung aller politischen Häftlinge;
- 5. ist entsetzt über die zunehmende Zahl der verzeichneten Hinrichtungen, wobei den zu Tode Verurteilten oft kein faires Verfahren eingeräumt wurde;
- 6. fordert Iran auf, seine Strafprozessordnung uneingeschränkt zu achten und allen Personen das Recht auf ein faires Verfahren zuzugestehen, insbesondere, indem ihnen gestattet wird, bereits zu Beginn des Gerichtsverfahrens Zugang zu einem Anwalt zu erhalten fordert nachdrücklich, dass Gefangene, die sich in einem schlechten Gesundheitszustand befinden, bedingungslos eine angemessene ärztliche Betreuung erhalten
- 7. verurteilt entschieden die Todesstrafen, die in Iran verhängt und vollstreckt wurden, insbesondere diejenigen gegen jugendliche Straftäter und Minderjährige, und fordert die iranischen Staatsorgane nachdrücklich auf, die international anerkannten rechtlichen Garantien für Minderjährige wie z.B. das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes zu respektieren;
- 8. fordert die iranischen Staatsorgane auf, das Verbot der Folter, das der Oberste Richter im April 2004 angekündigt hatte, konkret umzusetzen;
- 9. fordert das iranische Parlament auf, die iranischen Pressegesetze und das iranische Strafgesetzbuch abzuändern, damit diese in Übereinstimmung mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gebracht werden, und insbesondere alle strafrechtlichen Bestimmungen aufzuheben, welche die gewaltfreie Meinungsäußerung betreffen auch in der Presse;
- 10. fordert, dass die zahlreichen Presseorgane, die geschlossen oder zensiert wurden, nach den festgelegten Regeln über die Pressefreiheit tätig sein können;
- 11. fordert die iranischen Staatsorgane auf, die Ermittlungen über verdächtige Todesfälle und Morde an Intellektuellen und politischen Aktivisten zu beschleunigen und die mutmaßlichen Straftäter vor Gericht zu bringen;
- 12. appelliert an die Mitglieder des nationalen Parlaments (Majlis), das Strafgesetzbuch umgehend abzuändern, damit das Moratorium in Bezug auf Steinigungen zu einem endgültigen Verbot wird, und Rechtvorschriften zu erlassen, mit denen die Vollstreckung des Todesurteils an jugendlichen Straftätern und die Verhängung der Todesstrafe wegen homosexueller Handlungen oder Ehebruchs für ungesetzlich erklärt werden
- 13. fordert die iranischen Staatsorgane auf, als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe in Fällen, in denen die Todesstrafe droht, alle notwendigen Schutzmaßnahmen durchzuführen und die Fälle, in denen die Todesstrafe verhängt werden kann, einzuschränken; fordert die Bevölkerung in Iran auf, die von der Initiative "Weltweite Koalition gegen die Todesstrafe" (WCADP) und anderen nichtstaatlichen Organisationen eingeleitete Kampagne "Die Todesstrafe stoppen - Die Welt entscheidet" zu unterstützen;
- 14. fordert die staatlichen Organe auf, international anerkannte rechtliche Garantien für Personen, die einer religiösen Minderheit angehören, unabhängig davon, ob diese nun offiziell anerkannt ist oder nicht, zu achten; verurteilt die derzeitige Missachtung von Minderheitenrechten und fordert, dass Minderheiten alle von der iranischen Verfassung und vom internationalen Recht anerkannten Rechte ausüben können; fordert die staatlichen Organe ferner auf, jegliche Form der Diskriminierung aus religiösen oder ethnischen Gründen gegen Personen, die einer Minderheit angehören, wie z.B. Kurden, Aserbaidschaner, Araber, Belutschen und Bahai, zu beseitigen; fordert insbesondere, dass das faktische Verbot für die Bahai, ihren Glauben zu praktizieren, aufgehoben wird
- 15. fordert die iranischen Staatsorgane auf, alle politischen Häftlinge bedingungslos freizulassen insbesondere die Journalisten Emaddedin Baghi, Ako Kurdnasab, Ejlal Ghavami, Mohammad Sadegh Kaboudvand, Said Matinpour, Adnan Hassanpour, Abdolvahed Botimar, Kaveh Javanmard und Mohammad Hassan Fallahieh, die Gewerkschaftsmitglieder Mansour Osanlou, Ebrahim Madadi und Mahmoud Salehi, die Studenten Ehsan Mansouri, Majid Tavakoli und Ahmad Ghassaban; verurteilt die Festnahme und Inhaftierung des Menschenrechtsverteidigers Dr. Sohrab Razzaghi am 24. Oktober 2007 und verlangt seine sofortige und bedingungslose Freilassung;
- 16. fordert die Vollversammlung der Vereinten Nationen eindringlich auf, eine Resolution zu verabschieden, in welcher der Verstoß gegen die grundlegenden Menschenrechte im Iran ausdrücklich und entschieden verurteilt wird, und Sofortmaßnahmen zu ergreifen damit die jüngste Hinrichtungswelle in Iran gestoppt wird;
- 17. fordert den Rat und die Kommission auf, die Entwicklungen in Iran aufmerksam zu verfolgen und auch konkrete Fälle von Menschenrechtsverletzungen zur Sprache zu bringen fordert den Rat und die Kommission auf, über die Beobachtung der Lage in Iran zu berichten;
- 18. schlägt vor, den Dialog zwischen der Europäischen Union und Iran über Menschenrechte wieder aufzunehmen, der im Juni 2004 unterbrochen wurde;
- 19. bekräftigt seine Unterstützung für all diese Organisationen und Personen in Iran, die den Dialog im Rahmen ihres Einsatzes für demokratische Rechte fortführen;
- 20. fordert die Kommission auf, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um den Austausch zwischen der Zivilgesellschaft und der akademischen Welt zwischen Europa und Iran sowie den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen ihnen im Interesse eines offenen Dialog, insbesondere im Rahmen des neuen Instruments für Demokratie und Menschenrechte, zu unterstützen;
- 21. fordert die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, von der Ausweisung iranischer Asylbewerber abzusehen, auch derer, die aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung verfolgt werden und fordert Griechenland auf, Mohammad Hassan Talebi, Mohammad Hossein Jaafari und Vahid Shokoohi Nia nicht nach Iran zurückzuschicken;
- 22. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Hohen Vertreter für die GASP, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der UN-Menschenrechtsrat, dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Irans und der Regierung und dem Parlament der Islamischen Republik Iran zu übermitteln.
- 1 Quelle: Amnesty International; Stand vom 18. Oktober 2007.