Der Bundesrat hat in seiner 854. Sitzung am 13. Februar 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich die Absicht der Kommission, durch grundlegende Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen bei der Spende von Organen zu Transplantationszwecken ein hohes Schutzniveau für Patientinnen und Patienten in der EU zu gewährleisten und dem Organmangel sowie dem Organhandel entgegenzuwirken.
- 2. Der Bundesrat betont im Anschluss an seine Stellungnahme vom 21. September 2007, vgl. BR-Drucksache 419/07(B) , erneut, dass die Gemeinschaft hinsichtlich menschlicher Organe gemäß Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe a EGV nur zum Erlass von Mindeststandards ermächtigt ist. Die Spende und die medizinische Verwendung von menschlichen Organen sind gemäß Artikel 152 Absatz 5 Satz 2 EGV der gemeinschaftlichen Zuständigkeit vollständig entzogen. Der Richtlinienvorschlag überschreitet diesen klaren Kompetenzrahmen in mehreren Punkten und greift so unzulässigerweise in die originäre Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ein.
- 3. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass insbesondere die im Richtlinienvorschlag vorgesehenen Regelungen über die Schaffung und Benennung zuständiger Behörden, über Beschaffungsorganisationen und Transplantationszentren sowie Organisationen zum Organaustausch nicht von der Kompetenznorm des Artikels 152 EGV gedeckt sind. Dies gilt ebenso für die in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b, Artikel 13, 14, 15 Absatz 1 und Artikel 17 getroffenen Regelungen. Eine Richtlinie über die Qualität und Sicherheit von menschlichen Organen darf sich ausschließlich auf die Anwendung von Testverfahren zum Nachweis von Infektions- bzw. Tumorerkrankungen (Risikobewertung), Konservierung, Beförderung und Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von Organen sowie die Meldung etwaiger schwerer unerwünschter Zwischenfälle nach der Transplantation erstrecken.
- 4. Der Bundesrat betont, dass in Deutschland, wie in anderen Mitgliedstaaten mit leistungsfähigen Transplantationssystemen, hohe Standards für Qualität und Sicherheit gelten, die ständig weiterentwickelt werden. In den bestehenden europäischen Transplantationsverbünden gibt es bereits gut funktionierende Systeme zum Austausch von Organen.
Der Bundesrat befürchtet, dass die Schaffung einzelstaatlicher Aufsichtsbehörden sowie die Zulassung von Einrichtungen und Genehmigung von Programmen zur Organbeschaffung und -transplantation - so wie im Richtlinienvorschlag vorgesehen - einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand mit sich bringen werden und sich nachteilig auf bestehende leistungsfähige Organisationsstrukturen auswirken könnten.
- 5. Der Bundesrat steht einem uneingeschränkten grenzüberschreitenden Organaustausch kritisch gegenüber. Die vorhandenen bzw. neu einzurichtenden Verbünde müssen hinsichtlich der Transportwege so geschaffen sein, dass keine unvertretbare Verlängerung der Ischämiezeiten eintritt, da diese maßgeblich zu einer Verschlechterung der Überlebensrate nach der Transplantation führen kann.
Soweit Mitgliedstaaten noch nicht über ausgebaute Transplantationssysteme einschließlich dafür entwickelter Datenerfassungssysteme verfügen, hält es der Bundesrat für vordringlich, diese Mitgliedstaaten im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der jeweils spezifischen Problemlage bei der Organisation ihrer Transplantationssysteme zu unterstützen.
- 6. Der Bundesrat hält es für verfrüht, Systeme für einen Organaustausch zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zu regeln. Zum jetzigen Zeitpunkt würden solche Regelungen durch zusätzlichen bürokratischen Aufwand zu einer Verteuerung und weiteren Verknappung bei der Organspende führen und damit letztlich die notwendige Versorgung der auf eine Organtransplantation angewiesenen Patienten beeinträchtigen.
Der Bundesrat bezweifelt, dass Systeme für einen Organaustausch den allgemeinen Organmangel ursächlich beheben können.
- 7. Der Bundesrat hält die Maßnahmen im Sinne des Aktionsplans der Kommission zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zum Wissens- und Erfahrungsaustausch und zur Unterstützung von Mitgliedstaaten mit noch nicht ausreichend entwickelten Transplantationssystemen sowie Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit, wie sie in der Mitteilung der Kommission an das Parlament und den Rat - Organspende und Organtransplantation - Maßnahmen auf EU-Ebene - niedergelegt sind, für vorrangig. Er verweist hierzu auf seine Stellungnahme vom 21. September 2007 (vgl. BR-Drucksache 419/07(B) ).
- 8. Das deutsche Transplantationsgesetz verbietet ausdrücklich jeglichen Handel mit Organen. Dem internationalen Organhandel sollte vorgebeugt werden, indem gerade die osteuropäischen Staaten im Aufbau ihrer Gesundheitssysteme gefördert und Maßnahmen aller Mitgliedstaaten unterstützt werden, die der Verringerung des Organmangels dienen. Eine qualitative und quantitative Analyse der Problematik, mit deren Hilfe die Kommission einen ordnungspolitischen Regelungsanspruch geltend machen könnte, steht weiterhin aus.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung unter Hinweis auf Artikel 152 EGV erneut, sich für eine umfassende Analyse des Organspendepotenzials in den Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Unterstützung von Mitgliedstaaten mit noch nicht ausreichend entwickelten Transplantationssystemen und Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit einzusetzen. Auf dieser Basis können Strategien zur Erkennung und Meldung potenzieller Organspender gefördert werden, die wesentlich zur Verminderung des Organmangels beitragen. Erst dann kann gegebenenfalls der Organaustausch zwischen den Mitgliedstaaten wirksam eingesetzt werden. Hierfür bietet sich im Übrigen die schrittweise Ausweitung der Aktivitäten von Eurotransplant an.
- 10. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.