Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. November 2008 zu den Empfehlungen an die Kommission zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (2008/2012(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 122114 - vom 12. Dezember 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 18. November 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass Frauen in der Europäischen Union durchschnittlich 15 % weniger verdienen als Männer und in der Privatwirtschaft bis zu 25 %; in der Erwägung, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle in den Mitgliedstaaten zwischen 4 % und über 25 % schwankt und dass sich bei diesem Gefälle keine spürbare Verkleinerung abzeichnet,

B. in der Erwägung, dass eine Frau bis zum 22. Februar (d.h. 418 Kalendertage) arbeiten muss, um genauso viel zu verdienen wie ein Mann in einem Jahr,

C. in der Erwägung, dass die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleiche und gleichwertige Arbeit für die Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung von entscheidender Bedeutung ist,

D. in der Erwägung, dass das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, wie die vorliegenden Daten belegen, fortbesteht und sich nur recht langsam verringert (von 17 % im Jahr 1995 auf 15 % im Jahr 2005), und dies trotz der seit mehr als 30 Jahren geltenden zahlreichen Rechtsvorschriften und der zu seinem Abbau getroffenen Maßnahmen und ausgegebenen Mittel; in der Erwägung, dass die Ursachen dieses Gefälles analysiert und Konzepte zur Überwindung des Lohngefälles und der Segregation des weiblichen Arbeitsmarkts, mit der es einhergeht, vorgelegt werden müssen,

E. in der Erwägung, dass in allen Mitgliedstaaten mehr Frauen als Männer einen Schulabschluss vorweisen können und auch die Hochschulabsolventen zum größten Teil Frauen sind, ohne dass sich das Lohngefälle entsprechend verringert,

F. in der Erwägung, dass das Lohngefälle aus einer direkten und indirekten Diskriminierung sowie aus sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, der Segregation des Arbeitsmarktes und der allgemeinen Lohn- und Gehaltsstruktur resultiert und zudem mit einer Reihe von rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren in Zusammenhang steht, die über die Frage des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit als solche hinausgehen,

G. in der Erwägung, dass das Lohngefälle nicht nur auf unterschiedlichen Bruttostundenlöhnen beruht, sondern dass hierbei auch Elemente wie die individuellen Lohnzulagen, die berufliche Einstufung, die Arbeitsorganisation, die Berufserfahrung und die Produktivität zu berücksichtigen sind, die nicht nur quantitativ (Zeiten der physischen Anwesenheit am Arbeitsplatz), sondern auch qualitativ sowie im Hinblick auf die Auswirkungen von Arbeitszeitverkürzungen, Urlaubszeiten und Abwesenheiten wegen Betreuungsaufgaben auf das Lohngefüge bewertet werden müssen,

H. in der Erwägung, dass die Verringerung des Lohngefälles eines der Ziele der Lissabonner Strategie für Wachstum und Beschäftigung war, dass dieses Ziel von den meisten Mitgliedstaaten jedoch nicht energisch genug verfolgt worden ist,

I. in der Erwägung, dass eine Verbesserung des EU-Rechtsrahmens die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner in die Lage versetzen sollte, zu ermitteln, wo genau die Ursachen für das Fortbestehen des geschlechtsspezifischen Lohngefälles liegen,

J. in der Erwägung, dass überwiegend von Frauen ausgeübte berufliche Tätigkeiten im Vergleich zu den in erster Linie mit Männern besetzten Arbeitsplätzen häufig unterbewertet werden, ohne dass sich dies unbedingt mit objektiven Kriterien begründen ließe,

K. in der Erwägung, dass die bestehende digitale Kluft (Digital Divide) zwischen den Geschlechtern sich eindeutig auf das Entgelt auswirkt,

L. in der Erwägung, dass das Lohnsystem, in dessen Rahmen die Berücksichtigung von Dienstjahren bei der Entlohnung festgelegt ist, nachteilig für Frauen ist, die ihre berufliche Laufbahn aufgrund externer Faktoren wie kindbedingte Erwerbsunterbrechungen, unterschiedliches Berufswahlverhalten oder geringe Arbeitszeiten (mehrmals) unterbrechen müssen, und dass diese Frauen dadurch permanent und strukturell benachteiligt werden,

M. in der Erwägung, dass aus entsprechenden Daten hervorgeht, dass sich die von Frauen erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen finanziell weniger auszahlen als im Falle von Männern; in der Erwägung, dass neben dem Konzept des "gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit", das nicht von einem auf Geschlechterklischees basierenden Ansatz verfälscht werden darf, eine Loslösung von gesellschaftlichen Rollen erfolgen muss, die bisher Bildungs- und Berufswege maßgeblich beeinflusst haben; ferner in der Erwägung, dass Mutterschafts- und Elternurlaub kein Anlass zur Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt sein darf,

N. in der Erwägung, dass das Lohngefälle während des gesamten Arbeitslebens der Frauen und darüber hinaus schwerwiegende Auswirkungen auf ihren wirtschaftlichen und sozialen Status hat; in der Erwägung, dass viele Frauen, weil sie auf andere Weise als durch eine Erwerbstätigkeit einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, beispielsweise indem sie Kinder und ältere Angehörige betreuen, einem größeren Armutsrisiko ausgesetzt und wirtschaftlich weniger unabhängig sind,

O. in der Erwägung, dass das Lohngefälle bei Immigrantinnen, bei Frauen mit Behinderungen, bei Frauen, die einer Minderheit angehören oder die unqualifiziert sind, noch ausgeprägter ist,

P. in der Erwägung, dass es wichtig ist, über nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Daten und einen aktuellen Rechtsrahmen zu verfügen, der die Geschlechterdimension berücksichtigt und der es erlaubt, auf die Ursachen der Lohndiskriminierung einzuwirken,

Q. in der Erwägung, dass es möglich und notwendig ist, im erzieherischen Bereich gegen Geschlechterstereotypen anzugehen,

R. in der Erwägung, dass das Parlament die Kommission wiederholt aufgefordert hat, Initiativen, darunter die Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften, einzuleiten, um zum Abbau des Lohngefälles beizutragen, das Armutsrisiko von Rentnern zu beseitigen und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen,

S. in der Erwägung, dass es in der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung)3 heißt, dass der Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil sowohl des gemeinschaftlichen Besitzstands als auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist und dass es erforderlich ist, weitere Bestimmungen zur Verwirklichung dieses Grundsatzes festzulegen,

T. in der Erwägung, dass es zur Überwindung des Lohngefälles durch eine effiziente Umsetzung des sozialen Dialogs beitragen würde, wenn von den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und den Gleichstellungsgremien Maßnahmen eingeleitet würden, wie sie in dem oben genannten Aktionsrahmen zur Gleichstellung vom 1. März 2005 aufgezeigt worden sind,

U. in der Erwägung, dass für die Ausarbeitung einer Strategie zur Überwindung des Lohngefälles, der horizontalen und vertikalen Segregation des Arbeitsmarktes und der Stereotype über typisch weibliche Tätigkeiten und Bereiche ein Rahmen aus - legislativen und nichtlegislativen - Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich ist, wobei zwischen Lohndiskriminierungen und Lohnunterschieden, die auf anderen Faktoren als direkter und indirekter Diskriminierung beruhen, zu unterscheiden ist, da bei Ersteren direkt die geltenden Rechtsvorschriften zum Tragen kommen, während Letzteren mit gezielten politischen Strategien und spezifischen Maßnahmen begegnet werden muss,

V. in der Erwägung, dass die Kommission, wie in ihrer oben genannten Mitteilung vom 18. Juli 2007 angekündigt, während des Jahres 2008 eine Analyse des Rechtsrahmens der EU im Bereich des gleichen Arbeitsentgelts vornimmt, an der alle Beteiligten mitwirken sollen; in der Erwägung, dass die Ergebnisse dieser Analyse angemessen bekannt gemacht werden sollten,

W. in der Erwägung, dass ein angestrebtes Ziel darin besteht, die Gleichstellung von Männern und Frauen im Bereich der Altersversorgung, auch hinsichtlich des Rentenalters, zu verwirklichen,

X. in der Erwägung, dass das Europäische Institut für Geschlechterfragen bei der Überwachung der Entwicklung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles und bei der Analyse der Ursachen dieses Gefälles sowie bei der Beurteilung der Auswirkungen von Rechtsvorschriften eine grundlegende Rolle spielen kann,

Anlage
Ausführliche Empfehlungen zum Inhalt des verlangten Vorschlags

Empfehlung 1: Definitionen

Die Richtlinie 2006/54/EG enthält eine Definition des Begriffs "gleiches Entgelt", die aus der Richtlinie 75/117/EWG übernommen wurde. Um über präzisere Kategorien als Instrumente für die Beschäftigung mit dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle zu verfügen ist es wichtig, die einzelnen Konzepte genauer zu definieren. Dazu gehören:

Empfehlung 2: Analyse der Situation und Transparenz der Ergebnisse

Empfehlung 3: Bewertung der Arbeit und berufliche Einstufung

Empfehlung 4: Gleichstellungsgremien

Die Gleichstellungs- und Aufsichtsgremien sollten bei der Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles eine größere Rolle spielen. Diese Gremien sollten ermächtigt sein, die Anwendung von Rechtsvorschriften über die Gleichstellung der Geschlechter zu überwachen, darüber zu berichten und, soweit möglich, wirksamer und unabhängiger durchzusetzen. Artikel 20 der Richtlinie 2006/54/EG sollte geändert werden, um das Mandat dieser Gremien zu erweitern durch:

Empfehlung 5: Sozialer Dialog

Die Tarifverträge und die geltenden Lohngruppen und Systeme zur beruflichen Einstufung müssen noch weiter überprüft werden, vor allem hinsichtlich der Behandlung von Teilzeitkräften und Arbeitnehmern mit anderen atypischen Arbeitsregelungen oder zusätzlichen Zahlungen/Boni einschließlich Sachleistungen (die Männer häufiger als Frauen erhalten). Nicht nur die primären, sondern auch die sekundären Arbeitsbedingungen und betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit (Urlaubsregelungen, Ruhestandsregelungen, Dienstwagen, Kinderbetreuungsregelungen, angepasste Arbeitszeiten usw.) sollten in diese Überprüfung aufgenommen werden. Die Mitgliedstaaten sollten - unter Berücksichtigung von nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Praktiken - die Sozialpartner dazu ermutigen, eine geschlechtsneutrale berufliche Einstufung einzuführen, die es sowohl den Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern ermöglicht, auf einer nicht neutralen Lohngruppenfestlegung basierende etwaige Lohndiskriminierungen zu ermitteln.

Empfehlung 6: Vorbeugung von Diskriminierung

Artikel 26 der Richtlinie 2006/54/EG (über die Vorbeugung von Diskriminierung) sollte um einen besonderen Verweis auf die Lohndiskriminierung ergänzt werden, damit von den Mitgliedstaaten unter Mitwirkung der Sozialpartner und der Gleichstellungsgremien eingeführt werden:

Empfehlung 7: Gender Mainstreaming

Gender Mainstreaming sollte verstärkt werden, indem in Artikel 29 der Richtlinie 2006/54/EG präzise Vorgaben für die Mitgliedstaaten zum Grundsatz der Gleichbehandlung beim Entgelt und zur Überwindung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen aufgenommen werden. Die Kommission sollte sich darauf einrichten, den Mitgliedstaaten und den Akteuren bei konkreten Maßnahmen zur Überwindung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern Unterstützung zu leisten, und zwar durch:

Empfehlung 8: Sanktionen

Diese Bestimmungen reichen jedoch nicht aus, um Verstöße gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts zu verhindern. Es wird deshalb vorgeschlagen, eine Studie zur Durchführbarkeit und Wirksamkeit sowie den Auswirkungen der Einführung potenzieller Sanktionen durchzuführen, wie etwa:

Empfehlung 9: Straffung der EU-Regelungen und -Politiken