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Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 428 Abs. 1 Satz 3 SGB III), Artikel 2 (§ 65 Abs. 4 Satz 2 SGB II), § 252 Abs. 8 Satz 3 SGB VI)
Artikel 3 Nr. . 1 und 2 ( § 237 Abs. 2 Satz 3,
- a) Artikel 1 Nr. 19 ist zu streichen.
- b) Artikel 2 ist zu streichen.
- c) Artikel 3 ist zu streichen.
Begründung
Die Möglichkeit für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf Grundlage von § 428 SGB III Arbeitslosengeld beziehen zu können ohne dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen zu müssen (so genannte "58er-Regelung") ist nach § 428 Abs. 1 Satz 3 SGB III bisher auf Neufälle, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld vor dem 1. Januar 2006 entsteht, beschränkt. Mit der in Artikel 1 Nr. 19 vorgesehenen Änderung soll diese Frist nun um zwei Jahre bis zum 1. Januar 2008 verlängert werden.
§ 65 Abs. 4 SGB II enthält die entsprechende Regelung für den Bezug von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II. Mit Artikel 2 des vorliegenden Gesetzentwurfes soll auch diese Regelung um zwei Jahre verlängert werden.
Die §§ 237 und 252 SGB VI regeln den vorgezogenen Bezug von Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit. Auch diese Regelungen sollen um zwei Jahre verlängert werden.
Die Verlängerung dieser Regelungen wird abgelehnt, da die Regelungen im SGB II und im SGB III die dauerhafte und endgültige Ausgrenzung älterer Arbeitssuchender vom Arbeitsmarkt massiv fördern. Die Zahl der Fälle, die diese Regelung in Anspruch nehmen, hat sich von 192.000 im Jahr 2000 auf 395.000 im Jahr 2004 mehr als verdoppelt. Diese Vorschrift steht damit im krassen Widerspruch zu allen Bemühungen, gerade auch für die Problemgruppen des Arbeitsmarktes die Beschäftigungschancen zu verbessern.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die betroffenen Personen von der offiziellen Arbeitslosenstatistik nicht erfasst werden, da sie nicht mehr als arbeitssuchend eingestuft werden. Insofern tragen § 428 SGB III und § 65 Abs. 4 SGB II zur Intransparenz der tatsächlichen Arbeitsmarktverhältnisse bei. Diese Intransparenz wird dadurch verstärkt, dass die Bundesagentur in ihren monatlichen Arbeitsmarktberichten zuletzt nur noch die Zahl der SGB-III-Fälle im Rahmen der 58-er-Regelung, nicht aber die entsprechenden SGB-II-Fälle ausgewiesen hat.
Im gegebenen Zusammenhang liegen zahlreiche Berichte vor, dass die Bundesagentur in den letzten Jahren verstärkt dahingehend beraten hat, die Regelung des § 428 SGB III in Anspruch zu nehmen. Vor diesem Hintergrund ist auch erklärbar, dass der Anteil der älteren Arbeitslosen ab 58 Jahren, die Leistungsempfänger im Sinne von § 428 SGB III sind, in den letzten Jahren drastisch angestiegen ist. Nach Auffassung des Bundesrates wäre es nicht zu verantworten, dass ältere Arbeitslose ab 58 Jahren wegen einer Verlängerung des § 428 SGB III bzw. des § 65 Abs. 4 SGB II auch künftig faktisch weitgehend von den Vermittlungsleistungen der Bundesagentur ausgeschlossen würden.
Eine Verlängerung des § 428 SGB III wäre auch ein völlig falsches Signal an die Unternehmen, die bisher vielfach Arbeitsplätze von älteren Beschäftigten abgebaut haben, um ihre Kostensituation zu verbessern. Ältere Arbeitslose haben derzeit jedoch faktisch keine Chancen mehr auf eine Neubeschäftigung im ersten Arbeitsmarkt.
Die 58er Regelung stellt gleichzeitig die Vorstufe für den vorgezogenen Bezug von Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit nach § 237 SGB VI dar und belastet damit die Arbeitslosenversicherung und die Gesetzliche Rentenversicherung in Milliardenhöhe.
Die Verlängerung der 58er Regelung ist damit keineswegs wie im Vorblatt zum Gesetzentwurf behauptet kostenneutral, sondern verschärft insbesondere die desolate Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Verlängerung der 58er Regelung widerspricht ferner dem Ziel der Bundesregierung die Erwerbsbeteiligung älterer erwerbsfähiger Menschen spürbar zu erhöhen. Deutschland liegt mit einer Beschäftigungsquote der 55 bis 64-Jährigen von unter 40 % unter dem europäischen Durchschnitt und der von der EU geforderten Zielmarke von 50 %. In einigen europäischen Ländern wie zum Beispiel im skandinavischen Raum und in Großbritannien liegen die Beschäftigungsquoten sogar über 60 %.
In ihren "Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung für die Jahre 2005 bis 2008" (BR-Drs. 287/05 (PDF) ) führt die Europäische Kommission aus, dass das Beschäftigungsquotenziel für Ältere in weit höherem Maß verfehlt wird als beispielsweise das Beschäftigungsquotenziel für die Erwerbsbevölkerung insgesamt. Sie spricht sich daher für einen Abbau von Frühverrentungsanreizen aus. Es bleibt völlig unverständlich, dass die Bundesregierung auf europäischer Ebene Forderungen nach einem Abbau von Frühverrentungsanreizen mit trägt und andererseits auf nationaler Ebene ebensolche Frühverrentungsanreize verlängern wil1.
Die Verlängerung der 58er Regelung steht außerdem im Widerspruch zu den Zielen des "regionalen Beschäftigungspaktes der Bundesregierung für ältere Arbeitslose" und ihrer Initiative zur Schaffung von 50.000 Zuatzjobs für Ältere, mit der die Wiedereingliederung von älteren Arbeitslosen durch längerfristige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im 2. Arbeitsmarkt mit einem Volumen von 540 Mio. Euro gefördert werden sol1.
2. Zu Artikel 5 Nr. 1 Buchstaben a, b - neu - , Nr. 2 - neu - (§ 14 Abs. 2 Sätze 1 bis 3, Abs. 2a, Abs. 3 Satz 4 TzBfG)
Artikel 5 ist wie folgt zu fassen:
- "Artikel 5
Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes
§ 14 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1966), das zuletzt durch ... (BGBl. I S ) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Absatz 2 wird wie folgt geändert:
- a) Sätze 1 und 2 werden wie folgt gefasst:
- "Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht."
- b) Nach Satz 2 wird folgender Satz 3 eingefügt:
- "Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere dann nicht anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von mindestens vier Monaten liegt."
2. Absatz 2a wird aufgehoben.
3. In Absatz 3 Satz 4 wird die Angabe "2006" durch die Angabe "2007" ersetzt."
Begründung
Die Möglichkeit, eine befristete Einstellung ohne sachlichen Grund bis zwei Jahren vornehmen zu können, reicht in einer Vielzahl von Fällen für die Ausweitung der Beschäftigung durch Neueinstellungen nicht aus. Die Flexibilität der Unternehmen ist daher durch eine Verlängerung der Frist auf vier Jahre zu erhöhen. Dies führt zu einer wesentlichen Erleichterung bei Neueinstellungen von Beschäftigten für alle Unternehmen.
Mit der Neuregelung soll zudem die befristete Einstellung bei einem früheren Arbeitgeber erleichtert werden. Die Möglichkeit der mehrfachen - nicht nur dreimaligen - Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses bis zur Höchstdauer von bis zu vier Jahren schließt eine Schlechterstellung von Existenzgründern nach Wegfall der Sonderregelung in § 14 Abs. 2a TzBfG aus.
Die Regelung schafft größere Rechtssicherheit bei befristeten Einstellungen ohne sachlichen Grund bei einem früheren Arbeitgeber. Sie schließt nach dem Ablauf von vier Monaten das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs im Sinne der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu einem früheren Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber aus. Die Rechtsklarheit entlastet auch die Arbeitsgerichte. Die Regelung ermöglicht darüber hinaus auch vor dem Ablauf von vier Monaten eine Einzelfallprüfung. Sie verbessert damit die Rahmenbedingungen für befristete Arbeitsverträge gegenüber der bisherigen Rechtslage.
Die bis Ende 2006 für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem 52. Lebensjahr geltenden erleichterten Befristungsmöglichkeiten werden bis Ende 2007 verlängert.
B
3. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Finanzausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten
empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.