Europäische Kommission Brüssel, den 30. April 2010
Vizepräsident
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Sehr geehrter Herr Präsident,
vielen Dank für die mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 übermittelte
- Stellungnahme des Bundesrates zur Mitteilung der Kommission über das Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der EU - branchenspezifische Pläne zur Verringerung der Verwaltungslasten und Maßnahmen für das Jahr 2009 (KOM (2009) 544 endg.).*
Da die Kommission großen Wert darauf legt, die Meinung der nationalen Parlamente zu erfahren, um den politischen Willensbildungsprozess zu verbessern, möchten wir Ihnen bei dieser Gelegenheit für Ihre Stellungnahme herzlich danken. In der Anlage erhalten Sie die Bemerkungen der Kommission zu dieser Stellungnahme, die, wie ich hoffe, wertvolle Ergänzungen zu Ihren eigenen Beratungen darstellen.
Ich freue mich darauf, unseren politischen Dialog in Zukunft noch vertiefen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Maro efèoviè
Europäische Kommission
Bemerkungen der Europäischen Kommission zu einer Stellungnahme des Bundesrates
KOM (2009) 544 - Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der EU - Branchenspezifische Pläne zur Verringerung der Verwaltungslasten und Massnahmen für das Jahr 2009
Die Kommission begrüßt die positive Reaktion des Bundesrates auf den von Präsident Barosso in seinen politischen Leitlinien angekündigten herausgehobenen Stellenwert der intelligenten Regulierung für die zukünftige Politik der neuen Kommission. Ebenso erfreulich ist, dass der Bundesrat das Aktionsprogramm einschließlich der in unserer Mitteilung vom 22. Oktober 2009 enthaltenen bereichsspezifischen Pläne unterstützt und bedeutende Fortschritte zur Verringerung der Verwaltungslasten auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene ausdrücklich anerkennt. Die Kommission sieht die Stellungnahme des Bundesrates als Ermutigung an, den eingeschlagenen Weg zur Verringerung der Verwaltungslasten für Unternehmen konsequent fortzusetzen.
Abbau der Verwaltungslasten
Der Anwendungsbereich des Aktionsprogramms ist Anfang 2009 nochmals ausgeweitet worden; erste Erfolge durch die mittlerweile verabschiedeten Maßnahmen - etwa im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik - sind bereits spürbar. Damit die Unternehmen von den zahlreichen seitens der Kommission vorgeschlagenen Vereinfachungs- und Entlastungsmaßnahmen zeitnah und in vollem Umfang profitieren können, sieht die Kommission wie der Bundesrat auch Europäisches Parlament und Rat in der Pflicht, die entsprechenden Vorschläge der Kommission rasch zu verabschieden. Die Kommission wird ihrerseits die Umsetzung des Aktionsprogramms aktiv vorantreiben.
Das Aktionsprogramm bezieht sich auf Informationspflichten für Unternehmen. Sofern Durchführungsvorschriften Informationspflichten aus den Rechtsakten im Anwendungsbereich des Aktionsprogramms konkretisieren, sind diese bereits bei den Messungen berücksichtigt worden. Darüber hinaus hat die Kommission bereits in der Vergangenheit für ausgewählte Vorschläge, die im Rahmen des Komitologieverfahrens angenommen wurden, Folgenabschätzungen durchgeführt und dabei auch die Auswirkungen auf und Möglichkeiten zur Reduktion von Verwaltungslasten bewertet. Präsident Barosso hat in seinen politischen Leitlinien für die nächste Kommission bekräftigt, dass dies auch zukünftig für bestimmte grundlegende Komitologievorschläge der Fall sein wird.
Messung des Abbaus der Verwaltungslasten
Ein zusammenfassender Bericht zur EU-Basisberechnung des Unternehmerkonsortiums wird auf der entsprechenden Kommissions-Website veröffentlicht, auf der bereits die bisherigen Berichte eingestellt wurden (http://ec.europa.eu/enterprise/policies/betterregulation/documents/ab_studies_2009_en.htm ). Die Mitteilung der Kommission vom 22. Oktober 2009 enthält darüber hinaus in Anhang A eine Darstellung der angewandten Methodik. Informationen zum Aktionsprogramm und zu den angewandten Methoden im Allgemeinen finden Sie auf der entsprechenden Website der Kommission zum Aktionsprogramm (http://ec.europa.eu/enterprise/policies/betterregulation/administrativeburdens/actionprogramme/index_en.htm ) sowie im Besonderen in den Berichten zu den jeweiligen vorrangigen Bereichen.
Die in der Mitteilung der Kommission genannten geschätzten 32 % der mit EU-Vorschriften verbundenen Verwaltungslasten, die auf Ineffizienz der Verwaltungsverfahren bzw. Entscheidungen der Mitgliedstaaten zurückgehen, über das vom EU-Recht vorgegebene Mindestmaß hinauszugehen ("goldplating"), unterteilen sich wie folgt: Nach den Berechnungen des Konsortiums gehen etwa 4 % der Verwaltungslasten auf das sog. Gold-Plating zurück, während 28 % auf ineffizienten Verwaltungsverfahren beruhen. Bezüglich Letzterem wurden Kosten zu Grunde gelegt, die über eine normaleffiziente Umsetzung europäischen Rechts hinausgehen. Eine detaillierte Darstellung der angewandten Methodik findet sich in einem entsprechenden Vermerk des Konsortiums, der auf der Website der Kommission zum Aktionsprogramm veröffentlicht wurde (http://ec.europa.eu/enterprise/policies/betterregulation/documents/ab_studies_2009_en.htm ).
Gesetzesfolgenabschätzung
Die Selbstverpflichtung der Kommission, Folgenabschätzungen für alle legislativen Vorschläge mit signifikanten Auswirkungen durchzuführen, wurde in den neuen Leitlinien zur Folgenabschätzung vom Januar 2009 angekündigt und wird für den aktuellen Programmzyklus 2010 umfassend umgesetzt. Hinsichtlich der Einschätzung der wesentlichen Auswirkungen des Vorschlags zur elektronischen Rechnungsstellung im Bereich Mehrwertsteuer (KOM (2009) 21) auf die Verwaltungslasten, wurde das Einsparpotential im Rahmen der europäischen Bestandsmessung ermittelt. Grundlage der Berechnung ist das Europäische Standardkostenmodell. Insbesondere wurde auch auf Kohärenz zu den in der Bestandsmessung verwendeten Annahmen und damit auf Nachvollziehbarkeit geachtet. Die in KOM (2009) 21 angeführte und den Mitgliedstaaten übermittelte Berechnung ist nunmehr auch unter http://ec.europa.eu/enterprise/policies/betterregulation/documents/ab_studies_2009_en.htm öffentlich zugänglich.
Damit die Verbesserung der Rechtsetzung erfolgreich ist, müssen alle europäischen Organe ihre Verantwortung wahrnehmen. Für das Jahr 2010 sollte für alle drei Organe der Abschluss der Überprüfung des gemeinsamen Konzepts für die Folgenabschätzung im Vordergrund stehen. Die Kommission ist überzeugt, dass dieses gemeinsame Konzept eine solide Grundlage für die einzelnen Institutionen bietet, um ihre eigenen Konzepte für die Folgenabschätzung zu entwickeln. Die Arbeiten sollten sich darauf konzentrieren, konkrete Möglichkeiten zur Verbesserung der Umsetzung zu ermitteln. Die Kommission ist bereit, die anderen Organe bei der Entwicklung ihrer Kapazitäten zur Bearbeitung der Folgenabschätzungen der Kommission und bei der Durchführung ihrer eigenen zusätzlichen Prüfungen der von ihnen vorgenommenen inhaltlichen Änderungen zu unterstützen. Sie wird von Fall zu Fall konstruktiv über die Aufforderungen von Rat und Parlament entscheiden, bestimmte Aspekte ihrer ursprünglichen Bewertung zu erläutern.
Zusammenwirken von Kommission und Mitgliedstaaten
Die Kommission respektiert die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den Abbau von Verwaltungslasten auf nationaler Ebene. Sie ist gleichwohl bereit, die Bemühungen der Mitgliedstaaten um Entlastung der Unternehmen von überflüssiger Bürokratie, etwa über einen verbesserten Erfahrungsaustausch weiterhin zu unterstützen. Die Abbauleistungen nationaler Programme werden im Übrigen nur insoweit in die Berechnungen einbezogen, als sie die mit EU-Rechtsvorschriften im Anwendungsbereich des Aktionsprogramms und nationalen Umsetzungsmaßnahmen verbundenen Verwaltungslasten betreffen.
Zukunft des EU-Aktionsprogramms zur Verringerung der Verwaltungslasten
Das vom Bundesrat angesprochene Netto-Reduzierungsziel ist aus Sicht der Kommission mit dem integrierten Politikansatz auf europäischer Ebene nicht vereinbar. Verwaltungslasten stellen nur einen Aspekt der vielfältigen politischen Initiativen und Vorhaben dar und müssen daher im Rahmen einer Gesamtschau aller relevanten ökonomischen, sozialen und ökologischen Kosten- und Nutzenaspekte behandelt werden Die Entscheidung darüber, ob eine Initiative notwendig ist (oder nicht) kann daher nicht ausschließlich auf der Grundlage einer isolierten Betrachtung von Verwaltungslasten erfolgen. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die aus einer Initiative tatsächlich resultierenden Verwaltungslasten letztlich in hohem Maße durch die vom Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen an der Kommissionsvorlage sowie die Art und Weise von deren Umsetzung durch die Mitgliedstaaten determiniert werden. Nach der festen Überzeugung der Kommission bietet das Aktionsprogramm zur Verringerung überflüssiger Belastungen der Unternehmen im Rahmen des geltenden Rechtsbestands zusammen mit dem Folgenabschätzungssystem, das eine Beschränkung der Verwaltungslasten auf das absolut notwendige Maß in neuen Rechtsetzungsvorhaben sicherstellt, ausreichend Gewähr dafür, dass die von den Unternehmen erwarteten Ergebnisse auch tatsächlich erreicht werden. Gleichwohl ist die Kommission bestrebt, die Qualität der Untersuchung der Verwaltungslasten im Rahmen der Folgenabschätzungen weiter zu verbessern. Diesem Zweck dient auch die Verlagerung des für den Bürokratieabbau zuständigen Referats in die für Fragen der besseren Regulierung, Folgenabschätzung und Expost Evaluierung zuständige Direktion des Generalsekretariats.
In den Politischen Leitlinien für die nächste Kommission hat Präsident Barroso darüber hinaus unterstrichen, welcher zentrale Stellenwert zukünftig der Evaluierung zukommt. Es gilt sicherzustellen, dass die europäische Gesetzgebung auch zu den erwarteten Ergebnissen führt bzw. entsprechend überarbeitet und korrigiert wird, wenn gewünschte Ergebnisse ausbleiben. Die strategische Aufwertung der expost-Bewertung im Rahmen des Ansatzes der intelligenten Regulierung und ihre synergetische Verbindung mit der Folgenabschätzung trägt dazu bei, die Tätigkeit der EU auf das Wesentliche zu konzentrieren und bürokratische Verfahren sowie unnötige Zentralisierung zu beseitigen. Der Evaluierung von Maßnahmen zur Reduktion von Verwaltungslasten auf den verschiedenen Regulierungsebenen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Die Hochrangige Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten unter der Leitung von Dr. Stoiber hat bereits einen äußerst hilfreichen Beitrag bei der Überprüfung der Machbarkeit von Abbauvorschlägen für das Aktionsprogramm und bei der Ermittlung neuer Ideen zur Verringerung der Verwaltungslasten geleistet. Die Kommission strebt daher die Verlängerung des Mandats dieser überschaubaren, flexibel und mit einem Minimum an bürokratischem Aufwand arbeitenden Gruppe um zwei Jahre an.
Die Kommission hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass sie aus konzeptionellen wie auch institutionellen Gründen im Zusammenhang mit dem Initiativrecht der Kommission eine externe Einrichtung auf europäischer Ebene nicht für angebracht hält. Ein, etwa nach dem Modell des deutschen Normenkontrollrates konzipierter "Norm-TÜV" auf europäischer Ebene würde auf Grund seiner engen Ausrichtung auf Verwaltungslasten nicht den deutlich weiter gefassten Qualitätssicherungsbedürfnissen der Kommission genügen, welche alle zu erwartenden wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Kosten und Nutzen eines Vorschlags zu erfassen versucht. Darüber hinaus besteht mit einem externen Gremium das Risiko einer Beeinträchtigung des institutionellen Gleichgewichts, sei es im Hinblick auf das Vorschlagsrecht der Kommission oder die Rolle des Rats und des Europäischen Parlaments im Legislativprozess. Die Kommission ist davon überzeugt, dass der für die intelligente Regulierung wesentliche Kulturwandel am besten von innen heraus und nicht von außerhalb der Kommission befördert wird. Der Prozess des Abbaus der Verwaltungslasten wird daher bis zum Ende des Jahres 2012 vollständig in die interne Arbeitsweise der Kommission integriert.
Im Übrigen teilt die Kommission die Einschätzung des Bundesrates, dass eine bessere Rechtsetzung ein Schlüsselelement der Strategie für Wachstum und Beschäftigung auch nach 2010 ist. Präsident Barosso hat bereits in seinen politischen Leitlinien den herausgehobenen Stellenwert der intelligenten Regulierung für die zukünftige politische Arbeit der neuen Kommission deutlich gemacht. In enger Zusammenarbeit mit den anderen Institutionen und den Mitgliedstaaten gilt es, ein qualitativ hochwertiges Regelungsumfeld zu schaffen, das Wachstumskräfte fördert, die Beibehaltung hoher Sozial, Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutzstandards gewährleistet und gleichzeitig die Kosten für Unternehmen, Bürger und öffentliche Behörden minimiert.