KOM (2005) 32 endg.; Ratsdok. 6364/05
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) und der Verkehrsausschuss (Vk)empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Zielsetzung der Vereinbarung zwischen der Europäischen Transportarbeiter-Föderation und der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen, die durch den vorliegenden Richtlinienvorschlag durchgeführt werden soll. Die Durchführung dieser Vereinbarung kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr zu fördern sowie die Arbeitsbedingungen des dort eingesetzten fahrenden Personals zu verbessern.
3. Die Regelung in Ziffer 4 Satz 2 der Vereinbarung der Sozialpartner begegnet jedoch erheblichen Bedenken im Hinblick auf ihre Sachgerechtigkeit. Die Forderung einer täglichen Ruhezeit am Wohnort im Anschluss an eine auswärtige Ruhezeit beschränkt die Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung und kann nicht mit dem Gesundheitsschutz begründet werden. Nach ihrem Sinn und Zweck muss die Ruhezeit als frei verfügbare Zeit dem Arbeitnehmer insbesondere Ruhe und Erholung von der täglichen Arbeit ermöglichen. Dieses Ziel kann je nach Arbeitseinsatz auch mit mehreren auswärtigen Ruhezeiten und anschließenden Ruhezeiten am Wohnort erreicht werden. Aus Gründen der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer sollte jedoch unabhängig vom Ort, an dem die Ruhezeiten verbracht werden, die Aufeinanderfolge mehrerer stark verkürzter Ruhezeiten vermieden werden. Die Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung, die gerade auch durch die Richtlinie 2003/88/EG ermöglicht wird, darf nicht durch Ziffer 4 Satz 2 der Vereinbarung eingeschränkt werden. Eine vergleichbare Regelung existiert weder für die Ruhezeiten der Lkw-Fahrer im Straßenverkehr noch für sonstige Beschäftigungsbereiche, in denen Arbeitnehmer grenzüberschreitend bzw. fern vom Wohnort zum Einsatz kommen.
4. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich im weiteren Rechtssetzungsverfahren dafür einzusetzen, dass keine Regelung getroffen wird, die nach nur einer auswärtigen Ruhezeit eine Ruhezeit am Wohnort fordert.
5. Auch hinsichtlich der Mindestruhezeiten und der Möglichkeiten, diese innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen zu verkürzen, sind die Regelungen im Straßenverkehr gemäß der Verordnung Nr. (EWG) 3820/85 weniger restriktiv als die Vereinbarung von ETF und CER.
Nach Schätzungen würde die Durchführung zu einer Erhöhung der Personalkosten der Eisenbahnen im grenzüberschreitenden Verkehr um bis zu 20 % führen. Damit würden Wettbewerbsnachteile des Schienengüterverkehrs gegenüber dem Straßengüterverkehr zementiert.
6. Es stünde zu befürchten, dass die Regelung die Bemühungen um eine Stärkung des Wettbewerbs und einer Liberalisierung des Schienengüterverkehrs konterkariert. Die Regelung würde sich in der Praxis über eine erhebliche Erhöhung der Personalkosten in erster Linie zu Lasten der kleinen und mittleren Eisenbahnverkehrsunternehmen auswirken. Diese bereiten sich derzeit mit teilweise beträchtlichen Investitionen auf die erweiterten Netzzugangsrechte zum l. Januar 2006 und die Aufhebung des Kabotageverbots zum l. Januar 2007 vor. Die noch immer mit großem Abstand marktführenden ehemaligen Staatseisenbahnen stehen dagegen nur sehr eingeschränkt im Wettbewerb zueinander. Sie wickeln grenzüberschreitende Gütertransporte in der Regel gemeinsam ab und sind daher von den Auswirkungen der Vereinbarung weniger betroffen.
7. Auch die vorgesehene Öffnungsklausel zu Ziffer 4 Satz 2 erscheint nicht ausreichend, um den Wettbewerb unter angemessener Berücksichtigung der Interessen auch kleinerer und mittlerer Eisenbahnverkehrsunternehmen zu fördern und eine Gleichstellung des Schienengüterverkehrs mit dem Straßengüterverkehr zu erreichen.
8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung weiter, sich dafür einzusetzen, dass auf eine Definition der Arbeitszeit (s. Ziffer 2 Nr. 3 der Vereinbarung der Sozialpartner) verzichtet wird.
Anlässlich der jüngsten Rechtsprechung des EuGH zur Bewertung von Bereitschaftsdiensten werden derzeit Änderungen der Richtlinie 2003/88/EG mit zusätzlichen Begriffsbestimmungen diskutiert. Da Änderungen im Hinblick auf die Definition der "Arbeitszeit" in der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG zu erwarten sind, bestünde die Gefahr, dass eine eigene Definition der Arbeitszeit in der hier vorgeschlagenen Richtlinie als spezifischere Bestimmung einer zukünftig neuen Definition in der Richtlinie 2003/88/EG vorgehen würde.
9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darüber hinaus, sich im weiteren Rechtsetzungsverfahren dafür einzusetzen, dass die Vereinbarung der Sozialpartner nicht ohne gleichzeitige Harmonisierung mit den Sozialvorschriften in anderen Sektoren, insbesondere dem Straßenverkehr, zu einer Richtlinie wird. Dies sollte unabhängig davon geschehen, ob eine derartige Richtlinie nach Artikel 139 Abs. 2 EGV zur Durchführung dieser Vereinbarung erlassen wird oder ob eine inhaltlich ähnliche Richtlinie auf Vorschlag der Kommission ergeht.
B
10. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.