Der Bundesrat hat in seiner 943. Sitzung am 18. März 2016 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung der Lesbarkeit der Packungsbeilagen von Arzneimitteln
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass trotz vielfältiger Regelungen zur Lesbarkeit der Packungsbeilagen von Arzneimitteln nach wie vor viele Packungsbeilagen wenig verständlich und nicht ausreichend patientenfreundlich gestaltet sind. Packungsbeilagen tragen wesentlich zur Akzeptanz der verordneten Therapien und zur Patientensicherheit bei. Ziel muss es sein, die Packungsbeilagen so zu gestalten, dass Patienten die Inhalte verstehen und Sinn und Zweck der Anwendung der Medikamente bei gleichzeitiger Information über mögliche Nebenwirkungen leicht erfasst werden können.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auch weiterhin auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die Lesbarkeit der Packungsbeilagen von zentral oder dezentral in mehreren Mitgliedstaaten zugelassenen Arzneimitteln für Patientinnen und Patienten verbessert wird.
Darüber hinaus wird die Bundesregierung auf nationaler Ebene gebeten - insbesondere vor dem Hintergrund des demographischen Wandels - zur weiteren Stärkung der Therapietreue und der Patientensicherheit, auch weiterhin darauf zu achten, dass die Zulassungsbehörden für Arzneimittel (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Paul-Ehrlich-Institut (PEI)) ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der "Bekanntmachung von Empfehlungen zur Gestaltung von Packungsbeilagen" des BfArM vom 14. April 2015 legen.
Begründung:
Die Angaben in Packungsbeilagen von Arzneimitteln müssen gemäß Artikel 59 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel allgemeinverständliche und gut lesbare Informationen in der dort angegebenen Reihenfolge und in der jeweiligen Amtssprache enthalten. Diese Richtlinie wurde mit § 11 des Arzneimittelgesetzes (AMG) in nationales Recht umgesetzt.
Seit dem Jahr 2005 müssen mit der Einreichung eines nationalen Zulassungsantrages für ein Humanarzneimittel bei der in Deutschland zuständigen Zulassungsbehörde (BfArM oder PEI) auch die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorgelegt werden, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden (sogenannte LesbarkeitsTests).
Empfehlungen zur Gestaltung und Form der Packungsbeilage sind in der "Guideline on the readability of the label and package leaflet of medicinal products for human use" der EU-Kommission aus dem Jahr 2009 aufgeführt.
Am 14. April 2015 hat das BfArM die Bekanntmachung von Empfehlungen zur Gestaltung von Packungsbeilagen nach § 11 AMG für Humanarzneimittel (gemäß § 77 Absatz 1 AMG) und zu den Anforderungen von § 22 Absatz 7 Satz 2 AMG (Überprüfung der Verständlichkeit von Packungsbeilagen) veröffentlicht.
Derzeit werden fast ausschließlich Arzneimittelzulassungen erteilt, die entweder über das zentralisierte Verfahren bei der European Medicines Agency oder das dezentralisierte Verfahren unter Beteiligung mehrerer Mitgliedstaaten in Auftrag gegeben werden. Für die Zulassung dieser Arzneimittel sind für die Gestaltung der Packungsbeilagen - neben den Vorschriften in § 11 AMG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur - insbesondere die "Productinformation templates" der European Medicines Agency's Working Group on Quality Review of Documents (QRD-Gruppe) maßgeblich (die letzte Aktualisierung erfolgte im Juni 2015 mit der Version 9.1.).
Beipackzettel enthalten wichtige medizinische Informationen, die aber für viele Menschen nicht einfach zu lesen sind. Die Inhalte werden nach den arzneimittelrechtlichen Vorgaben vorgeschrieben. Deshalb ist es für die Patienten schwierig, die für sie relevanten Informationen und Hinweise gleich zu erkennen. Die Leser von Packungsbeilagen sind häufig mit der medizinischen Fachsprache überfordert, oder sie haben Schwierigkeiten damit, einen längeren Text konzentriert durchzulesen und die tatsächlich wichtigen Informationen herauszufiltern.
Für den immer größer werdenden Anteil von älteren Patienten in Zeiten des demographischen Wandels bedeutet dies bei der gleichzeitigen Einnahme meist vieler verschiedener Arzneimittel eine kaum überwindbare Hürde. Die für den Behandlungserfolg so dringend benötigte Therapietreue findet keine Beachtung, Therapieabbrüche sind vorprogrammiert.
Auch die Schriftgröße der Texte auf den Beipackzetteln stellt ein Hemmnis dar. Selbst mit Lesebrille ist es für manche ältere Menschen schwierig, die Texte zu entziffern. Das größte Problem besteht darin, dass Patienten durch die zahlreich aufgeführten Nebenwirkungen verunsichert werden. Doch die Hersteller sind verpflichtet, alle Nebenwirkungen zu nennen, um nicht haftbar zu sein.
Trotz vielfältiger europäischer und nationaler Regelungen zur Lesbarkeit von Packungsbeilagen in Arzneimitteln sind noch nicht alle Packungsbeilagen hinreichend verständlich und patientenfreundlich gestaltet.
Die Gestaltung von Packungsbeilagen sollte deshalb weiter in den Blick genommen werden; die Entschließung soll einen erneuten Impuls setzen, die Arbeit auf nationaler und internationaler Ebene, patientenfreundlichere Packungsbeilagen zu gestalten, voranzutreiben.