Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.
Das Europäische Parlament wird an den Beratungen beteiligt.
Hinweis: vgl.
Drucksache 327/03 (PDF) = AE-Nr. 031592 und
Drucksache 949/08 (PDF) = AE-Nr. 080912 Brüssel, den 3.11.2010 KOM (2010) 618 endgültig 2010/0306 (NLE)
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle Begründung
1. Kontext des Vorschlags
1.1. Gründe und Ziele des Vorschlags
Nach der erfolgreichen Verabschiedung der Richtlinie über die nukleare Sicherheit wurde die Ausarbeitung eines überarbeiteten Vorschlags für einen Rechtsakt über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle in das Arbeitsprogramm der Kommission 2010 aufgenommen (Punkt 2010/ENER/021).
In dem Richtlinienvorschlag wird ein EU-Rechtsrahmen für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle dargelegt. Mit ihm wird der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle1 überarbeitet.
Radioaktive Abfälle gibt es in allen Mitgliedstaaten. Sie fallen bei vielen nützlichen Tätigkeiten an, etwa bei der Stromerzeugung in Kernkraftwerken und bei einer Reihe von Anwendungen von Radioisotopen in Medizin, Industrie, Landwirtschaft, Forschung und Bildung.
Beim Betrieb von Kernreaktoren entstehen außerdem abgebrannte Brennelemente. Zurzeit gibt es zwei Optionen für den Umgang mit abgebranntem (d.h. bestrahltem) Brennstoff: Die Wiederaufarbeitung von Plutonium und Uran für eine eventuelle Wiederverwendung oder die Zwischenlagerung und die direkte Endlagerung, wenn der abgebrannte Brennstoff gemäß der einzelstaatlichen Strategie als Abfall gilt. Aber selbst wenn abgebrannte Brennelemente aufgearbeitet werden2, gibt es noch Restabfall, d.h. abgetrennte verglaste Reststoffe, die den unrezyklierten Teil enthalten, der auch beseitigt werden muss. Mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten betreiben Kernkraftwerke. Mehrere Kernreaktoren sind im Bau, andere werden gerade stillgelegt, und in einigen Mitgliedstaaten gibt es Pläne für neue Reaktoren.
Je nach den Eigenschaften des Abfalls (d.h. Radionuklidgehalt) sind spezielle Vorkehrungen erforderlich, um Mensch und Umwelt vor den Gefahren durch ionisierende Strahlung zu schützen. Das Grundprinzip der Entsorgung radioaktiver Abfälle ist der Einschluss und die Isolierung von den Menschen und der Biosphäre, solange der Abfall eine radiologische Gefahr darstellt. Diese Gefahr wird infolge des radioaktiven Zerfalls mit der Zeit geringer. Die Isolierung wird durch mehrere technische Barrieren gewährleistet und bei längerlebigen Abfällen auch durch die Eigenschaften des Wirtsgesteins.
Radioaktive Abfälle werden anhand ihres Radioaktivitätsgehalts in schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle eingeteilt. Ebenso kann eine Unterscheidung in kurzlebige und langlebige radioaktive Abfälle vorgenommen werden.3 Kurzlebige schwach- und mittelaktive Abfälle (Low and Intermediate Level Waste - LILW) werden in der Regel in oberflächennahen Endlagern entsorgt. Für hoch radioaktive Abfälle (High Level Waste - HLW) besteht weltweit in Wissenschaft und Technik Einigkeit darüber, dass die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen die sicherste und ökologisch tragfähigste Option darstellt4.
In der EU sind mehr als 85 Volumenprozent des Aufkommens radioaktiver Abfälle kurzlebige LILW, ungefähr 5 % langlebige LILW und weniger als 10 % HLW, die sowohl verglaste Abfälle aus der Wiederaufarbeitung als auch als Abfall geltenden abgebrannten Brennstoff umfassen.5
Unabhängig davon, wie die Zukunft der Kernkraft und der sonstigen nicht mit der Stromerzeugung verbundenen Anwendungen aussieht, ist die Endlagerung als Endpunkt der Entsorgung vorhandener und künftiger radioaktiver Abfälle notwendig, um langfristig Sicherheit zu gewährleisten.
Die Zwischenlagerung ist ein wichtiges Stadium des Gesamtprozesses der Entsorgung radioaktiver Abfälle, insbesondere für abgebrannte Brennelemente und HLW. Durch sie kann eine wirksame Kühlung und ein Absinken der Strahlenpegel erreicht werden, so dass die Handhabung sicherer wird. Allerdings besteht ein weitreichender Konsens darüber, dass die Lagerung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle - einschließlich der Langzeitlagerung - nur eine Übergangslösung ist, die aktive, ständige behördliche Kontrollen erfordert. Längerfristig kann nur die Endlagerung mit ihren inhärenten, passiven sicherheitstechnischen Eigenschaften Schutz vor sämtlichen potenziellen Gefahren garantieren.
Die Verantwortung für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle liegt letztlich bei den einzelnen Staaten. Darüber hinaus ist es ein anerkanntes ethisches Prinzip, dass es die Gesellschaft vermeiden sollte, künftigen Generationen unangemessene Lasten aufzubürden. Damit ist es an der heutigen Generation, die von nuklear erzeugter Elektrizität und von nuklearmedizinischen Eingriffen profitiert hat, sämtlichen vorhandenen Abfall angemessen zu entsorgen.
Trotz dieser Erwägungen müssen die meisten Länder noch grundlegende Entscheidungen hinsichtlich der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle treffen. Dies gilt insbesondere für abgebrannte Brennelemente und HLW; nur eine Handvoll Mitgliedstaaten haben Endlagerungsprogramme, die auf festen Füßen stehen. Die Folgen der Verzögerung sind, dass die Lasten an künftige Generationen weitergegeben werden, sowohl hinsichtlich der Verwirklichung der Endlagerung als auch in Bezug auf die Aufrechterhaltung der Zwischenlagerungsoptionen. Die damit verbundenen Risiken sind offenkundig - fehlende Finanzmittel, Mangel an Sachverstand, Störungen infolge unvorhergesehener gesellschaftlicher Umbrüche, terroristische Bedrohungen usw.
Die sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle auf allen Stufen - von der Erzeugung bis hin zur Endlagerung - erfordert einen nationalen Rahmen, der politische Verpflichtungen sowie eine eindeutige Zuweisung der Verantwortlichkeiten garantiert und dafür sorgt, dass bei Bedarf genügend wissenschaftliche, technische und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. Da die Problematik äußerst heikel ist, muss auch für die Information der Öffentlichkeit und deren Beteiligung an den Entscheidungsprozessen gesorgt werden.
Das generelle Ziel dieses Vorschlags liegt daher darin, einen EU-Rechtsrahmen für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle zu schaffen als integralen Bestandteil der sicheren Nutzung der Kernenergie für die Elektrizitätserzeugung und der ionisierenden Strahlung in Medizin, Industrie, Landwirtschaft, Forschung und Bildung.
Zur Verwirklichung des allgemeinen politischen Ziels ist es erforderlich,
- - dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung und die Arbeitskräfte vor den Gefahren durch ionisierende Strahlungen jetzt und künftig ungeachtet nationaler Grenzen geschützt werden;
- - die höchsten sicherheitstechnischen Standards für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle anzuwenden;
- - zu vermeiden, künftigen Generationen unangemessene Lasten aufzubürden;
- - beständiges politisches Engagement für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle auf lange Sicht zu erreichen;
- - dafür zu sorgen, dass politische Entscheidungen in klare Vorschriften über die Durchführung sämtlicher Schritte bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente von der Erzeugung bis zur Endlagerung umgesetzt werden;
- - die fortlaufende Verbesserung des Entsorgungssystems zu erreichen und aufrechtzuerhalten, beruhend auf einer schrittweise erfolgenden Entscheidungsfindung und auf gesellschaftlicher Akzeptanz;
- - für angemessene, transparent verwaltete und bei Bedarf zur Verfügung stehende Finanzmittel zu sorgen, im Einklang mit dem "Verursacherprinzip".
1.2. Vorhandene Rechtsinstrumente mit Bedeutung für die Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente; Subsidiarität
Die Gemeinschaftszuständigkeiten in Bezug auf abgebrannte Brennelemente und radioaktive Abfälle, die bei zivilen kerntechnischen Tätigkeiten entstehen, fallen unter den Rahmen des Euratom-Vertrags. Artikel 2 Buchstabe b des Euratom-Vertrags sieht vor, dass einheitliche Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung festgelegt werden. Artikel 30 verlangt die Festsetzung von Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen, und nach Artikel 37 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission allgemeine Angaben über jeden Plan zur Ableitung radioaktiver Stoffe zu übermitteln.
In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird anerkannt, dass die Bestimmungen des den Gesundheitsschutz betreffenden Kapitels 3 des Euratom-Vertrags eine systematisch gegliederte Gesamtregelung bilden, durch die der Kommission relativ weitgehende Befugnisse zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt gegen die Risiken einer radioaktiven Verseuchung eingeräumt werden6. Ausgehend von dem Grundsatzurteil des Gerichtshof C-29/99 können die bestehenden grundlegenden Sicherheitsnormen, die hauptsächlich dem Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die 6 C-187/87 (Slg. 1988, S. 5013) und C-29/99 (Slg. 2002, S. I-11221)
Gefahren durch ionisierende Strahlung dienen, im Sinne des Euratom-Vertrags "ergänzt" werden durch sicherheitstechnische Anforderungen an die sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente.
Die Frage der Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente ist eindeutig ein Bereich, in dem die nationalen Rechtsvorschriften wegen des grenzüberschreitenden Aspekts der Sicherheit durch Rechtsvorschriften auf EU-Ebene ergänzt werden müssen. Gleichzeitig verlangt der Binnenmarkt, dass die Kommission für gleiche Ausgangsbedingungen sorgen muss, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.
Jedoch erfassen die bestehenden europäischen Rechtsvorschriften nicht alle Tätigkeiten und Anlagen, die im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle stehen. Aspekte wie nationale Strategien und deren Umsetzung sowie die Information der Öffentlichkeit und ihre Beteiligung am Entscheidungsprozess sind darin nicht enthalten.
Die vor kurzem verabschiedete Richtlinie des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen (Richtlinie über nukleare Sicherheit)7 gilt nur für Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente und sonstige Zwischenlager für radioaktive Abfälle, die direkt mit kerntechnischen Anlagen in Zusammenhang stehen und sich auf dem Gelände dieser Anlagen befinden. Darin wird jedoch betont, dass es auch wichtig ist, die sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, auch in Zwischen- und Endlagern, zu gewährleisten. Deshalb ist die vorgeschlagene Richtlinie über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle ein logischer nächster Schritt nach der Richtlinie über nukleare Sicherheit.
Weitere für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle relevante EU-Rechtsinstrumente sind die Rechtsakte über Gemeinschaftsvereinbarungen für den beschleunigten Informationsaustausch im Fall einer radiologischen Notstandssituation8, zur Kontrolle hoch radioaktiver umschlossener Strahlenquellen und herrenloser Strahlenquellen9, einschließlich ausgedienter Strahlenquellen, über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie10 (unter Ausschluss von mit der Radioaktivität zusammenhängenden Aspekten) sowie über die Überwachung und Kontrolle der Verbringungen radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente1112. Daneben gibt es eine Empfehlung der Kommission für die Verwaltung der Finanzmittel für die Stilllegung kerntechnischer Anlagen und die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle13.
Auf internationaler Ebene gibt es Sicherheitsstandards, die in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen von der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) aufgestellt wurden. Sie sind rechtlich nicht verbindlich und ihre Aufnahme in die innerstaatliche Rechtsordnung ist freiwillig. Alle EU-Mitgliedstaaten sind Mitglieder der IAEO und wirken an der Verabschiedung dieser Standards mit.
Das unter der Schirmherrschaft der IAEO abgeschlossene "Gemeinsame Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle" ist das bedeutendste internationale Übereinkommen in seinem Bereich. Allerdings gibt es keine Sanktionen bei Nichteinhaltung. Deshalb garantieren die international anerkannten Grundsätze und Anforderungen des Gemeinsamen Übereinkommens und der zugehörigen IAEO-Sicherheitsstandards kein einheitliches Vorgehen auf EU-Ebene, obschon alle EU-Mitgliedstaaten (ausgenommen Malta) und die Europäische Atomgemeinschaft Vertragsparteien sind.
Damit sichergestellt ist, dass die international anerkannten Grundsätze und Anforderungen auf dem Gebiet der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle auch umgesetzt werden, werden diese mit der vorgeschlagenen Richtlinie rechtsverbindlich und durchsetzbar gemacht. Daher legt der Richtlinienvorschlag spezielle Anforderungen an Umfang, Inhalt und Überprüfung der nationalen Programme für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle fest.
Das Grundkonzept ist das gleiche, das für die Richtlinie über nukleare Sicherheit verfolgt wurde, nämlich die Verankerung in der Zuständigkeit der nationalen Regulierungsbehörden und in den international anerkannten Grundsätzen und Anforderungen der IAEO-Sicherheitsstandards und des Gemeinsamen Übereinkommens, wodurch der zusätzliche Aufwand für die Behörden der Mitgliedstaaten gering gehalten wird.
Die vorgeschlagene Richtlinie wird die höchsten Sicherheitsstandards für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle in umfassender Weise umsetzen und so ein Vorbild und einen Maßstab für Drittländer und andere Regionen darstellen. Sie wird für die Umsetzung der Maßnahmen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle ohne unangebrachte Verzögerung sorgen.
2. Konsultation interessierter Kreise Folgenabschätzung
Bei der Abfassung des überarbeiteten Vorschlags hat die Kommission als Reaktion auf eine Aufforderung des Rates 14 über verschiedene EU-weite Initiativen umfangreiche Konsultationen durchgeführt.
Dabei wurden Regierungen, nationale Aufsichtsbehörden, Entsorgungsunternehmen für radioaktive Abfälle, Erzeuger radioaktiver Abfälle und sonstige Stellen in den Mitgliedstaaten sowie die verschiedenen europäischen Institutionen, Nichtregierungsorganisationen und sonstige Partner angehört. Berücksichtigt wurde auch ein ausführlicher Beitrag der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (European Nuclear Safety Regulators Group ENSREG). Dies war angesichts der speziellen Zuständigkeit von ENSREG, die die einzelstaatlichen Regulierungs- bzw. Sicherheitsbehörden für den Nuklearbereich in sämtlichen Mitgliedstaaten - mit und ohne Kernkraftprogramm - vertritt, von besonderer Bedeutung.
Mit Hilfe einer Vielzahl öffentlicher Konsultationen, einschließlich gezielter EurobarometerUmfragen15 und einer allgemein zugänglichen öffentlichen Konsultation16, wurde besonders auf die gesellschaftliche Dimension eingegangen. Radioaktive Abfälle sind im Kontext einer fortgesetzten Nutzung der Kernenergie für die EU-Bürger eine wichtige Problematik. Darüber hinaus befürwortet eine große Mehrheit Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene.
Eine eingehende Folgenabschätzung kam zu dem Schluss, dass durch den Mangel an verbindlichen EU-Rechtsvorschriften vermutlich wichtige Entscheidungen aufgeschoben werden, was sich potenziell negativ auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft auswirkt und unangemessene Lasten für künftige Generationen sowie möglicherweise Wettbewerbsverzerrungen auf dem Strommarkt nach sich zieht.
Dagegen würden verbindliche EU-Rechtsvorschriften langfristig EU-weit ein einheitlich hohes Maß an Sicherheit für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle bewirken, ohne künftigen Generationen unangemessene Lasten aufzubürden oder deren Fähigkeit, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, einzuschränken.
3. Rechtliche Aspekte
Ziel der Richtlinie ist gemäß Artikel 1 die Festlegung eines Gemeinschaftsrahmens für die verantwortliche Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, wobei sichergestellt wird, dass die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene geeignete Vorkehrungen für ein hohes Sicherheitsniveau treffen und die Unterrichtung und Beteiligung der Öffentlichkeit beibehalten und fördern.
Ihr Geltungsbereich (Artikel 2) erstreckt sich auf alle Stufen der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle aus ziviler Nutzung von der Entstehung bis zur Endlagerung, aber nicht auf die Entsorgung spezieller Arten von Abfällen wie genehmigte Freisetzungen und - möglicherweise radioaktive - Abfälle der mineralgewinnenden Industrie, die unter bestehende europäische Rechtsvorschriften fallen17,18.
Besondere Aufmerksamkeit wurde darauf verwendet, sicherzustellen, dass die Richtlinie mit vorhandenen europäischen Rechtsvorschriften in Einklang steht und mit ihr die international anerkannten Grundsätze und Anforderungen, die in den IAEO-Sicherheitsstandards und dem Gemeinsamen Übereinkommen niedergelegt sind, in der EU rechtsverbindlich und durchsetzbar gemacht werden. Somit stehen die Begriffsbestimmungen in Artikel 3 in Einklang mit den Begriffsbestimmungen sowohl in den vorhandenen europäischen Rechtsvorschriften als auch im IAEO-Sicherheitsglossar (Gemeinsames Übereinkommen)19.
Allgemeine Grundsätze für die sichere und nachhaltige Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle sind in Artikel 4 niedergelegt.
Besonders sorgsam wurde auch darauf geachtet, dass die vorgeschlagene Richtlinie mit der Richtlinie über nukleare Sicherheit in Einklang steht, so dass alle Anlagen zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle dasselbe Sicherheitsniveau aufweisen. Aus diesem Grund ist der Aufbau der vorgeschlagenen Richtlinie und der der Richtlinie über nukleare Sicherheit gleich, insbesondere in den Artikeln 5 bis 7, 9, 12 sowie 16 bis 18.
Zu den mit der Anwendung der allgemeinen Grundsätze verbundenen Verpflichtungen gehören
- - ein nationaler Rahmen für die langfristige Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (Artikel 5);
- - eine Regulierungsbehörde, die für den Bereich der sicheren Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle zuständig ist (Artikel 6);
- - die Regelung, dass die Verantwortung für die Sicherheit in erster Linie beim Genehmigungsinhaber liegt (Artikel 7);
- - Aus- und Fortbildung, um die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erhalten (Artikel 9);
- - Transparenz bei der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (Artikel 12).
Wegen der besonderen Merkmale der Entsorgung radioaktiver Abfälle werden außerdem folgende spezielle Verpflichtungen eingeführt:
- - Artikel 8 legt das sicherheitstechnische Konzept dar, darunter Anforderungen an einen Sicherheitsnachweis und eine Sicherheitsbewertung von Anlagen und Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle.
- - In Artikel 10 wird auf die Notwendigkeit eingegangen, dass ausreichende Finanzmittel für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle zu dem Zeitpunkt zur Verfügung stehen, zu dem sie benötigt werden, wobei das "Verursacherprinzip" anzuwenden ist.
- - In Artikel 11 geht es um eine angemessene Qualität der Sicherheit.
Aufgenommen wurde außerdem eine Reihe von Anforderungen an die nationalen Programme für die Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente, damit die Ziele und Verpflichtungen erfüllt werden können:
- - Mit Artikel 13 werden die grundlegenden Anforderungen an die nationalen Programme eingeführt.
- - In Artikel 14 wird der Inhalt eines nationalen Programms dargelegt.
- - Artikel 15 verlangt die Notifizierung der nationalen Programme bei der Kommission. Folgende Schlussbestimmungen werden festgelegt:
- - In Artikel 16 werden Berichterstattungspflichten festgelegt, die mit dem Berichterstattungsverfahren für die Richtlinie über nukleare Sicherheit übereinstimmen. Die Mitgliedstaaten legen der Kommission einen Bericht über die Durchführung der vorgeschlagenen Richtlinie vor, wobei sie die Berichtszyklen nach dem Gemeinsamen Übereinkommen nutzen. Anhand der Berichte der Mitgliedstaaten legt die Kommission dem Rat und dem Europäischen Parlament einen Bericht über den Stand der Durchführung vor. Die Mitgliedstaaten laden zu einer Prüfung ihres nationalen Rahmens und ihres nationalen Programms durch internationale Experten ein, mit dem Ziel, bei der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle den geforderten hohen Standard zu erreichen. Über die Ergebnisse der Prüfung durch internationale Experten wird den Mitgliedstaaten und der Kommission berichtet.
- - Artikel 17 enthält Anforderungen an die Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie in innerstaatliches Recht.
- - Mit den Artikeln 18 und 19 werden der Termin für das Inkrafttreten der vorgeschlagenen Richtlinie und die Adressaten festgelegt.
4. Auswirkungen auf den Haushalt
Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den EU-Haushalt.
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle
DER Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 31 und 32, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, der nach Stellungnahme der Gruppe der vom Ausschuss für Wissenschaft und Technik bestellten wissenschaftlichen Sachverständigen der Mitgliedstaaten und nach Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses20 ausgearbeitet worden ist, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments21, in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1) Artikel 2 Buchstabe b EAG-Vertrag sieht vor, dass einheitliche Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung festgelegt werden.
- (2) Artikel 30 EAG-Vertrag sieht vor, dass Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festgelegt werden.
- (3) Nach Artikel 37 EAG-Vertrag sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission allgemeine Angaben über jeden Plan zur Ableitung radioaktiver Stoffe zu übermitteln.
- (4) Die Richtlinie 96/29/Euratom des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen 22 gilt für alle Tätigkeiten, die mit einer Gefährdung durch ionisierende Strahlung aus einer künstlichen Strahlenquelle oder aus einer natürlichen Strahlenquelle verbunden sind, wenn hierbei natürliche Radionuklide aufgrund ihrer Radioaktivität, Spaltbarkeit oder Bruteigenschaft verarbeitet werden oder verarbeitet worden sind. Unter sie fallen auch genehmigte Freisetzungen von Stoffen, die aus solchen Tätigkeiten stammen. Die Bestimmungen jener Richtlinie wurden durch speziellere Rechtsvorschriften ergänzt.20
- (5) In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden "der Gerichtshof") wird anerkannt, dass die Bestimmungen des den Gesundheitsschutz betreffenden Kapitels 3 des EAG-Vertrags eine systematisch gegliederte Gesamtregelung bilden, durch die der Kommission relativ weitgehende Befugnisse zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt gegen die Risiken einer radioaktiven Verseuchung eingeräumt werden23.
- (6) Mit der Entscheidung 087/600/Euratom des Rates vom 14. Dezember 1987 über Gemeinschaftsvereinbarungen für den beschleunigten Informationsaustausch im Fall einer radiologischen Notstandssituation24 wurde ein Rahmen für die Benachrichtigung und die Bereitstellung von Informationen aufgestellt, den die Mitgliedstaaten anzuwenden haben, um die Bevölkerung im Falle eines radiologischen Notstands zu schützen. Die Richtlinie 089/618/Euratom des Rates vom 27. November 1989 über die Unterrichtung der Bevölkerung über die bei einer radiologischen Notstandssituation geltenden Verhaltensmaßregeln und zu ergreifenden Gesundheitsschutzmaßnahmen 25 verpflichtete die Mitgliedstaaten zur Unterrichtung der Bevölkerung im Fall eines radiologischen Notstands.
- (7) Die Richtlinie 2003/122/EURATOM des Rates vom 22. Dezember 2003 regelt die Kontrolle hoch radioaktiver umschlossener Strahlenquellen und herrenloser Strahlenquellen26, einschließlich ausgedienter Strahlenquellen.
- (8) Die Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG27 erfasst die Bewirtschaftung möglicherweise radioaktiven Abfalls aus der mineralgewinnenden Industrie, schließt aber speziell mit der Radioaktivität zusammenhängende Aspekte, die unter den Euratom-Vertrag fallen, aus.
- (9) Die Richtlinie 2006/117/Euratom des Rates vom 20. November 0628 enthält ein Gemeinschaftssystem über die Überwachung und Kontrolle der Verbringungen radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente. Diese Richtlinie wurde durch die Empfehlung 2008/956/Euratom der Kommission vom 4. Dezember 2008 über Kriterien für die Ausfuhr radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente in Drittländer 29 ergänzt.
- (10) Die Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates vom 25. Juni 2009 über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen 30 beinhaltet Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines nationalen Rahmens für die nukleare Sicherheit. Auch wenn die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen im Mittelpunkt der genannten Richtlinie steht, wird in ihr darauf hingewiesen, dass es ebenfalls wichtig ist, eine sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, auch in Zwischen- und Endlagern, zu gewährleisten. Allerdings erfasst die Richtlinie 2009/71/Euratom nicht alle Anlagen und Aspekte der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle.
- (11) Die Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, geändert durch die Richtlinie 97/11/EG, die Richtlinie 2003/35/EC und die Richtlinie 2009/31/EG31, gilt für Anlagen zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und für Anlagen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle, soweit sie unter Anhang I der genannten Richtlinie fallen.
- (12) Die Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme 32 bestimmt, dass für alle Pläne und Programme, die für eine Reihe von Bereichen ausgearbeitet werden und einen Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten setzen, die in den Anhängen I und II der Richtlinie 85/337/EWG aufgeführt sind, Umweltprüfungen durchzuführen sind.
- (13) Die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen 33 verweist in der Begriffsbestimmung von "Umweltinformationen" auf radioaktiven Abfall.
- (14) Die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme 34 gilt für Pläne und Programme im Sinne der Richtlinie 2001 /42/EG.
- (15) Die Empfehlung der Kommission vom 24. Oktober 2006 für die Verwaltung der Finanzmittel für die Stilllegung kerntechnischer Anlagen und die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle 35 befasst sich mit der Angemessenheit der Finanzierung sowie mit deren finanziellen Sicherung und Transparenz, damit die Finanzmittel ausschließlich für den geplanten Zweck verwendet werden.
- (16) Die bestehenden gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften enthalten keine speziellen Regeln für die sichere und nachhaltige Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle auf allen Stufen - von der Erzeugung bis hin zur Endlagerung.
- (17) Ziel des unter der Schirmherrschaft der IAEO abgeschlossenen Gemeinsamen Übereinkommens über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle (im Folgenden "Gemeinsames Übereinkommen")36, dessen Vertragsparteien Euratom und nahezu alle Mitgliedstaaten sind, ist die Erreichung und Beibehaltung eines weltweit hohen Sicherheitsniveaus bei der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle durch die Verbesserung innerstaatlicher Maßnahmen und der internationalen Zusammenarbeit.
- (18) 2006 aktualisierte die IAEO ihren gesamten Bestand an Standards und veröffentlichte die grundlegenden Sicherheitsprinzipien 37, die gemeinsam von Euratom, der OECD/NEA und anderen internationalen Organisationen unterstützt wurden. Wie die unterstützenden Organisationen herausstellen, wird die Anwendung der grundlegenden Sicherheitsprinzipien die Anwendung internationaler Sicherheitsstandards erleichtern und für eine stärkere Übereinstimmung der Vorkehrungen verschiedener Staaten sorgen. Deshalb ist es wünschenswert, dass alle Staaten diese Prinzipien einhalten und für sie eintreten. Die Prinzipien werden für die IAEO in Bezug auf ihre Tätigkeiten verbindlich sein und für Staaten in Bezug auf von der IAEO unterstützte Tätigkeiten. Staaten oder unterstützende Organisationen können die Prinzipien nach eigenem Ermessen für ihre eigenen Tätigkeiten übernehmen.
- (19) Das Gemeinsame Übereinkommen ist als Anreiz gedacht, da es keine Sanktionen für die Nichteinhaltung nach sich zieht. Auch die von der IAEO in Zusammenarbeit mit Euratom, der OECD/NEA und anderen internationalen Organisationen entwickelten Sicherheitsstandards sind weder rechtsverbindlich noch durchsetzbar.
- (20) Der Rat hatte in seinen Schlussfolgerungen vom 8. Mai 2007 über die nukleare Sicherheit und die Sicherheit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle dazu aufgefordert, eine hochrangige Gruppe auf EU-Ebene einzusetzen; daraufhin wurde mit dem Beschluss 2007/530/Euratom der Kommission vom 17. Juli 2007 zur Einsetzung der Europäischen hochrangigen Gruppe für nukleare Sicherheit und Abfallentsorgung 38 die Europäische Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (European Nuclear Safety Regulators Group ENSREG) eingesetzt, die zur Erreichung der Ziele der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle beitragen soll.
- (21) Die ersten Schlussfolgerungen und Empfehlungen von ENSREG schlugen sich in der Entschließung des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle nieder. Im Juli 2009 wurde der erste ENSREG-Bericht39 der Kommission vorgelegt und im September an das Europäische Parlament und den Rat weitergeleitet. Er schlug sich nieder in den Schlussfolgerungen des Rates vom 10. November 0940, in denen der Rat die Kommission zudem ersucht, die Erfahrungen der ENSREG-Gruppe in vollem Umfang zu nutzen, sollten Vorschläge für rechtsverbindliche Instrumente im Bereich der sicheren Entsorgung abgebrannter Brennstäbe und radioaktiver Abfälle in Erwägung gezogen werden.
- (22) Das Europäische Parlament forderte harmonisierte Normen für die Behandlung radioaktiver Abfälle41 und forderte die Kommission auf, die einschlägigen Entwürfe ihres Legislativvorschlags zu überarbeiten und einen neuen Vorschlag für eine Richtlinie über die Abfallbewirtschaftung vorzulegen42.
- (23) In der EU und weltweit wird verstärkt die Notwendigkeit einer verantwortlichen Nutzung der Kernenergie anerkannt, wobei die nukleare Sicherheit und Sicherungsmaßnahmen im Vordergrund stehen. In diesem Zusammenhang muss die Frage der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle behandelt werden, um eine sichere, optimale und nachhaltige Nutzung der Kernenergie zu gewährleisten.
- (24) Zwar entscheidet jeder Mitgliedstaat selbst darüber, aus welchen Quellen er seinen Energiebedarf deckt, aber alle Mitgliedstaaten erzeugen radioaktive Abfälle, unabhängig davon, ob sie über Kernreaktoren verfügen oder nicht. Radioaktive Abfälle fallen hauptsächlich bei den Tätigkeiten des Kernbrennstoffkreislaufs an, etwa beim Betrieb von Kernkraftwerken und bei der Wiederaufarbeitung abgebrannten Brennstoffs, aber auch bei anderen Tätigkeiten wie Anwendungen radioaktiver Isotope in Medizin, Forschung und Industrie.
- (25) Beim Betrieb von Kernreaktoren entstehen außerdem abgebrannte Brennelemente. Jeder Mitgliedstaat kann seine Brennstoffkreislaufstrategie festlegen und dabei abgebrannten Brennstoff als eine wertvolle Ressource betrachten, die wiederaufgearbeitet werden kann, oder aber entscheiden, ihn als Abfall endzulagern. Unabhängig davon, welche Option gewählt wird, die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle, die bei der Wiederaufarbeitung abgetrennt werden, oder abgebrannter Brennelemente, die als Abfall angesehen werden, sollte Berücksichtigung finden.
- (26) Für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und die Entsorgung radioaktiver Abfälle sollten dieselben Sicherheitsziele gelten. Daher bestimmen das Gemeinsame Übereinkommen und die IAEO-Sicherheitsstandards dieselben Auflagen für die Endlagerung abgebrannter Brennelemente wie für die Endlagerung radioaktiver Abfälle.
- (27) Radioaktive Abfälle, einschließlich abgebrannter Brennelemente, die als Abfall angesehen werden, müssen eingeschlossen und langfristig vom Menschen und der belebten Umwelt isoliert werden. Ihre spezifischen Eigenschaften (Radionuklidgehalt) verlangen spezielle Vorkehrungen, um die Gesundheit des Menschen und die Umwelt vor den Gefahren durch ionisierende Strahlung zu schützen, einschließlich der Endlagerung in geeigneten Anlagen als Endpunkt ihrer Entsorgung. Die Lagerung radioaktiver Abfälle - einschließlich der Langzeitlagerung - ist eine Übergangslösung, aber keine Alternative zur Endlagerung.
- (28) Ein nationales Klassifizierungssystem für radioaktive Abfälle, das den spezifischen Arten und Eigenschaften radioaktiver Abfälle vollständig Rechnung trägt, sollte diese Vorkehrungen unterstützen. Die genauen Kriterien für die Einteilung radioaktiver Abfälle in eine bestimmte Abfallklasse werden von der speziellen Situation in dem jeweiligen Staat in Verbindung mit der Art des Abfalls und den zur Verfügung stehenden oder in Betracht gezogenen Endlagerungsoptionen abhängen.
- (29) Das typische Endlagerungskonzept für kurzlebige schwach- und mittelaktive Abfälle ist die oberflächennahe Endlagerung. Nach nunmehr dreißigjähriger Forschung ist es auf der technischen Ebene weitreichend anerkannt, dass die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen die sicherste und ökologisch tragfähigste Option als Endpunkt der Entsorgung hoch radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente, die als Abfall angesehen werden, darstellt. Daher sollte auf die Verwirklichung der Endlagerung hingearbeitet werden.
- (30) Auch wenn jeder Mitgliedstaat für seine eigene Strategie zur Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente verantwortlich ist, sollte diese Strategie die von der IAEO festgelegten einschlägigen grundlegenden Sicherheitsprinzipien beachten 43. Es ist eine ethische Pflicht jedes Mitgliedstaats zu vermeiden, künftigen Generationen unangemessene Lasten hinsichtlich vorhandener abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle wie auch hinsichtlich solcher, die aus der Stilllegung bestehender kerntechnischer Anlagen zu erwarten sind, aufzubürden.
- (31) Für die verantwortliche Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle sollte jeder Mitgliedstaat einen nationalen Rahmen schaffen, der politische Verpflichtungen und eine schrittweise erfolgende Entscheidungsfindung gewährleistet, die durch geeignete Gesetzes-, Vollzugs- und Organisationsmaßnahmen umgesetzt werden, wobei die Verantwortlichkeiten eindeutig zugewiesen sind.
- (32) Dass die Verantwortung für die sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle letztlich bei den Mitgliedstaaten liegt, ist ein Grundprinzip, das im Gemeinsamen Übereinkommen erneut bekräftigt wird. Dieses Prinzip der einzelstaatlichen Verantwortung sowie das Prinzip der in erster Linie beim Genehmigungsinhaber liegenden Verantwortung für die sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle unter der Kontrolle der nationalen Regulierungsbehörde sollten mit dieser Richtlinie ebenso gestärkt werden wie die Rolle und die Unabhängigkeit der zuständigen Regulierungsbehörde.
- (33) Durch die Aufstellung eines nationalen Programms sollte dafür gesorgt werden, dass politische Entscheidungen in klare Vorschriften über die rechtzeitige Durchführung sämtlicher Schritte der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle von der Erzeugung bis zur Endlagerung umgesetzt werden. Dieses sollte sämtliche Tätigkeiten einschließen, die mit der Handhabung, Vorbehandlung, Behandlung, Konditionierung, Lagerung und Endlagerung radioaktiver Abfälle zusammenhängen. Das nationale Programm kann ein Referenztext oder eine Textsammlung sein.
- (34) Die einzelnen Schritte bei der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle sind eng miteinander verzahnt. Entscheidungen, die bei einem Schritt getroffen werden, können einen nachfolgenden Schritt beeinflussen. Deshalb sollten solche wechselseitigen Abhängigkeiten bei der Ausarbeitung nationaler Programme berücksichtigt werden.
- (35) Transparenz ist bei der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle wichtig. Sie sollte dadurch geboten werden, dass verlangt wird, dass die Öffentlichkeit effektiv informiert und allen betroffenen Interessengruppen die Möglichkeit gegeben wird, sich an Entscheidungsprozessen zu beteiligen.
- (36) Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und auf internationaler Ebene könnte die Entscheidungsfindung vereinfachen und beschleunigen, da dadurch der Zugang zu Sachkenntnis und Technologie ermöglicht wird.
- (37) Einige Mitgliedstaaten sehen die gemeinsame Nutzung von Anlagen zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, einschließlich Endlagern, als eine potenziell nützliche Option an, wenn sie sich auf eine Vereinbarung zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten stützt.
- (38) Bei der Durchführung dieser Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten in Bezug auf eine spezielle Anlage oder Tätigkeit ein Konzept verfolgen, das deren Gefährdungspotenzial angemessen Rechnung trägt (abgestuftes Konzept), und im Sicherheitsnachweis entsprechende Begründungen liefern.
- (39) Der Sicherheitsnachweis und das abgestufte Konzept sollten eine Grundlage für Entscheidungen über die Entwicklung, den Betrieb und den Verschluss eines Endlagers liefern und die Ermittlung von Unsicherheitsfaktoren ermöglichen, auf die der Schwerpunkt gelegt werden muss, damit ein besseres Verständnis der Aspekte erzielt wird, welche die Sicherheit des Entsorgungssystems beeinflussen, einschließlich der natürlichen (geologischen) und technischen Barrieren und deren im Laufe der Zeit zu erwartenden Entwicklung. Der Sicherheitsnachweis sollte die Ergebnisse der Sicherheitsbewertung und Angaben zur Fundiertheit und Zuverlässigkeit der Sicherheitsbewertung sowie die zugrunde gelegten Annahmen enthalten. Daher sollte er die Zusammenstellung der Argumente und Belege für die Sicherheit einer Anlage oder Tätigkeit im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle darstellen.
- (40) Auch wenn anerkannt wird, dass in dem nationalen Rahmen alle mit abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen verbundenen Gefahren berücksichtigt werden sollten, werden nicht radiologische Gefahren von dieser Richtlinie nicht erfasst; diese fallen unter den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
- (41) Die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle als wesentliches Element zur Gewährleistung hoher Sicherheitsniveaus sollte sich auf eine Kombination von Lernprozessen durch Betriebserfahrung, wissenschaftliche Forschung und technologische Entwicklung sowie technische Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren gründen.
- (42) Prüfungen der nationalen Programme durch Experten, die darauf abzielen, Erfahrung zu gewinnen und auszutauschen sowie hohe Standards zu garantieren, könnten als ausgezeichnetes Mittel zur Bildung von Vertrauen in die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle in der Europäischen Union dienen -
HAT folgende Richtlinie Erlassen:
Artikel 1
Gegenstand und Ziele
- (1) Mit dieser Richtlinie wird ein Gemeinschaftsrahmen für die verantwortliche Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle festgelegt.
- (2) Sie gewährleistet, dass die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene geeignete Vorkehrungen für ein hohes Sicherheitsniveau bei der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle treffen, um die Arbeitskräfte und die Bevölkerung vor den Gefahren ionisierender Strahlung zu schützen.
- (3) Durch sie wird die Unterrichtung und Beteiligung der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle beibehalten und gefördert.
- (4) Diese Richtlinie ergänzt die in Artikel 30 EAG-Vertrag genannten Grundnormen in Bezug auf die Sicherheit abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle und lässt die Richtlinie 96/29/Euratom unberührt.
Artikel 2
Geltungsbereich
- (1) Diese Richtlinie gilt
(a) für alle Stufen der Entsorgung abgebrannter Brennelemente, die beim Betrieb zivil genutzter Kernreaktoren entstehen oder im Rahmen ziviler Tätigkeiten gehandhabt werden;
(b) für alle Stufen der Entsorgung radioaktiver Abfälle, die bei zivilen Tätigkeiten entstehen oder gehandhabt werden, von der Entstehung bis zur Endlagerung.
- (2) Diese Richtlinie gilt nicht für möglicherweise radioaktive Abfälle der mineralgewinnenden Industrie, die in den Geltungsbereich der Richtlinie 2006/21 /EG fallen.
- (3) Diese Richtlinie gilt nicht für genehmigte Freisetzungen.
Artikel 3
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
- (1) "Verschluss" die Beendigung aller betrieblichen Tätigkeiten zu einem Zeitpunkt nach der Einlagerung abgebrannter Brennelemente oder radioaktiver Abfälle in einem Endlager, einschließlich der abschließenden technischen oder sonstigen Arbeiten, die erforderlich sind, um die Anlage in einen langfristig sicheren Zustand zu versetzen;
- (2) "zuständige Regulierungsbehörde" eine Behörde oder ein System von Behörden, die in einem Mitgliedstaat zur Regulierung der sicheren Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle gemäß Artikel 6 benannt wurden;
- (3) "Endlagerung" die Einlagerung abgebrannter Brennelemente oder radioaktiver Abfälle in einer zugelassenen Anlage, wobei eine Rückholung nicht beabsichtigt ist;
- (4) "Genehmigung" jedes Rechtsdokument, das unter der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats zur Erlaubnis der Durchführung einer Tätigkeit im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente oder radioaktiver Abfälle oder zur Zuweisung der Verantwortung für Standortwahl, Auslegung, Bau, Inbetriebnahme, Betrieb, Stilllegung oder Verschluss einer Anlage zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente oder einer Anlage zur Entsorgung radioaktiver Abfälle ausgestellt wird;
- (5) "Genehmigungsinhaber" eine juristische oder natürliche Person, die, wie in einer Genehmigung angegeben, die Gesamtverantwortung für eine Tätigkeit oder eine Anlage im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente oder radioaktiver Abfälle hat;
- (6) "radioaktive Abfälle" radioaktives Material in gasförmiger, flüssiger oder fester Form, für das von dem Mitgliedstaat oder von einer natürlichen oder juristischen Person, deren Entscheidung von dem Mitgliedstaat anerkannt wird, eine Weiterverwendung nicht vorgesehen ist und das im Rahmen von Gesetzgebung und Vollzug des Mitgliedstaates als "radioaktiver Abfall" der Kontrolle durch eine zuständige Regulierungsbehörde unterliegt;
- (7) "Entsorgung radioaktiver Abfälle" sämtliche Tätigkeiten, die mit der Handhabung, Vorbehandlung, Behandlung, Konditionierung, Lagerung oder Endlagerung radioaktiver Abfälle zusammenhängen, ausgenommen die Beförderung außerhalb des Standorts;
- (8) "Anlage zur Entsorgung radioaktiver Abfälle" jede Anlage oder Einrichtung, deren Hauptzweck die Entsorgung radioaktiver Abfälle ist;
- (9) "Wiederaufarbeitung" ein Verfahren oder einen Vorgang, dessen Zweck die Gewinnung von spaltbarem oder brütbarem Material aus abgebrannten Brennelementen für die Weiterverwendung ist;
- (10) "abgebrannte Brennelemente" Kernbrennstoff, der in einem Reaktorkern bestrahlt und dauerhaft aus diesem entfernt worden ist, wobei abgebrannte Brennelemente entweder als verwendbare wiederaufarbeitbare Ressource betrachtet oder, wenn sie als radioaktiver Abfall eingestuft werden, zur Endlagerung bestimmt werden können;
- (11) "Entsorgung abgebrannter Brennelemente" sämtliche Tätigkeiten, die mit der Handhabung, Lagerung, Wiederaufarbeitung oder Endlagerung abgebrannter Brennelemente zusammenhängen, ausgenommen die Beförderung außerhalb des Standorts;
- (12) "Anlage zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente" jede Anlage oder Einrichtung, deren Hauptzweck die Entsorgung abgebrannter Brennelemente ist;
- (13) "Lagerung" das Aufbewahren abgebrannter Brennelemente oder radioaktiver Abfälle in einer anerkannten Anlage, wobei eine Rückholung beabsichtigt ist.
Artikel 4
Allgemeine Grundsätze
- (1) Die Mitgliedstaaten erstellen nationale Strategien für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle und schreiben diese fort. Ihnen obliegt letztlich die Verantwortung für die Entsorgung ihrer abgebrannten Brennelemente und radioaktiven Abfälle.
- (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass
(a) die Erzeugung radioaktiver Abfälle in Bezug auf Aktivität und Volumen durch eine geeignete Auslegung sowie Betriebs- und Stilllegungsverfahren (einschließlich Weiter- und Wiederverwendung konventioneller Materialien) auf das praktisch mögliche Mindestmaß beschränkt wird;
(b) die wechselseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Schritte bei der Entstehung und Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle berücksichtigt werden;
(c) künftigen Generationen keine unangemessenen Lasten auferlegt werden;
(d) abgebrannte Brennelemente und radioaktive Abfälle - auch langfristig - sicher entsorgt werden.
- (3) Radioaktive Abfälle sind in dem Mitgliedstaat endzulagern, in dem sie entstanden sind, es sei denn, Mitgliedstaaten treffen untereinander Vereinbarungen, Endlager in einem der Mitgliedstaaten zu nutzen.
Artikel 5
Nationaler Rahmen
- (1) Die Mitgliedstaaten schaffen einen nationalen Gesetzes-, Vollzugs- und Organisationsrahmen (nachstehend "nationaler Rahmen") für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, durch den langfristig die Zuweisung der Verantwortlichkeiten geregelt und für die Koordinierung zwischen den zuständigen staatlichen Stellen gesorgt wird. Der nationale Rahmen umfasst
(a) ein nationales Programm zur Umsetzung der Strategie für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle;
(b) nationale Anforderungen an die sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle;
(c) ein Genehmigungssystem für Anlagen und Tätigkeiten zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, das u.a. das Verbot enthält, eine Anlage zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente oder radioaktiver Abfälle ohne Genehmigung zu betreiben;
(d) ein System, das eine geeignete behördliche Kontrolle, Inspektionen, Dokumentation und Berichterstattung umfasst;
(e) Durchsetzungsmaßnahmen, einschließlich der Aussetzung der Tätigkeiten und der Änderung oder des Widerrufs einer Genehmigung;
(f) die an den einzelnen Stufen der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle beteiligten Stellen.
- (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der nationale Rahmen fortgeschrieben und gegebenenfalls verbessert wird, wobei sie der Betriebserfahrung, Erkenntnissen aus Sicherheitsnachweisen gemäß Artikel 8, technologischen Entwicklungen und Forschungsergebnissen Rechnung tragen.
Artikel 6
Zuständige Regulierungsbehörde
- (1) Die Mitgliedstaaten richten dauerhaft eine Regulierungsbehörde ein, die für den Bereich der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle zuständig ist.
- (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Regulierungsbehörde funktional von allen anderen Stellen und Organisationen getrennt ist, die mit der Förderung oder Nutzung von Kernenergie oder radioaktivem Material, einschließlich der Elektrizitätserzeugung und der Anwendung von Radioisotopen, oder mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle befasst sind, um die tatsächliche Unabhängigkeit von ungebührlicher Beeinflussung in ihrer Regulierungsfunktion sicherzustellen.
- (3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Regulierungsbehörde mit den rechtlichen Befugnissen sowie mit den personellen und finanziellen Mitteln ausgestattet ist, die erforderlich sind, um ihre Pflichten im Zusammenhang mit dem in Artikel 5 Absatz 1 beschriebenen nationalen Rahmen zu erfüllen, wobei der Sicherheit der gebührende Vorrang eingeräumt wird.
Artikel 7
Genehmigungsinhaber
- (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verantwortung für die Sicherheit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle in erster Linie beim Genehmigungsinhaber liegt. Diese Verantwortung kann nicht delegiert werden.
- (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Genehmigungsinhaber nach dem nationalen Rahmen verpflichtet sind, unter Aufsicht der zuständigen Regulierungsbehörde die Sicherheit ihrer Tätigkeiten und Anlagen regelmäßig in systematischer und nachprüfbarer Weise zu bewerten und zu überprüfen und, so weit wie vernünftigerweise erreichbar, kontinuierlich zu verbessern.
- (3) Die Bewertungen nach Absatz 2 umfassen die Vergewisserung, dass Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen und zur Abmilderung von Unfallfolgen getroffen sind, einschließlich der Überprüfung der physischen Barrieren sowie der administrativen Schutzvorkehrungen des Genehmigungsinhabers, die versagen müssten, bevor
Arbeitskräfte oder die Bevölkerung erheblich durch ionisierende Strahlung geschädigt würden.
- (4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Genehmigungsinhaber nach dem nationalen Rahmen verpflichtet sind, Managementsysteme einzurichten und anzuwenden, die der Sicherheit gebührenden Vorrang einräumen und die regelmäßig von der zuständigen Regulierungsbehörde überprüft werden.
- (5) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Genehmigungsinhaber nach dem nationalen Rahmen verpflichtet sind, dauerhaft angemessene finanzielle und personelle Mittel zur Erfüllung ihrer in den Absätzen 1 bis 4 festgelegten Pflichten in Bezug auf die Sicherheit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente oder radioaktiver Abfälle vorzusehen und bereitzuhalten.
Artikel 8
Sicherheitsnachweis
- (1) Als Teil des Genehmigungsantrags für eine Anlage oder Tätigkeit ist ein Sicherheitsnachweis mit einer entsprechenden Sicherheitsbewertung zu erstellen. Beide sind gegebenenfalls im Verlauf der Entwicklung der Anlage oder Tätigkeit zu aktualisieren. Umfang und Detailgenauigkeit des Sicherheitsnachweises und der Sicherheitsbewertung müssen der Komplexität der betrieblichen Tätigkeiten und der Größe der mit der Anlage oder Tätigkeit verbundenen Gefahren entsprechen.
- (2) In dem Sicherheitsnachweis und der entsprechenden Sicherheitsbewertung sind die Aspekte Standortwahl, Auslegung, Bau und Betrieb sowie die Stilllegung einer Anlage oder der Verschluss eines Endlagers zu behandeln; im Sicherheitsnachweis werden die Normen genannt, die bei dieser Bewertung angewendet wurden. Ferner ist die langfristige Sicherheit nach dem Verschluss zu behandeln, insbesondere, wie diese durch passive Maßnahmen so vollständig wie möglich sichergestellt wird.
- (3) In dem Sicherheitsnachweis einer Anlage sind alle sicherheitsrelevanten Aspekte des Standorts, der Auslegung der Anlage sowie der Managementkontrollmaßnahmen und der behördlichen Kontrollen zu beschreiben. Mit dem Sicherheitsnachweis und der entsprechenden Sicherheitsbewertung ist das Schutzniveau nachzuweisen und der zuständigen Regulierungsbehörde und sonstigen Beteiligten die Gewähr zu bieten, dass die Sicherheitsanforderungen eingehalten werden.
- (4) Der Sicherheitsnachweis und die entsprechende Sicherheitsbewertung sind der zuständigen Regulierungsbehörde zur Billigung vorzulegen.
Artikel 9
Kenntnisse und Fähigkeiten
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der nationale Rahmen Vorkehrungen für die Aus- und Fortbildung enthält, die dem Bedarf aller Beteiligten entsprechen, die mit Aufgaben im Bereich der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle betraut sind, um die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten aufrechtzuerhalten und auszubauen.
Artikel 10
Finanzmittel
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass durch den nationalen Rahmen gewährleistet ist, dass angemessene Finanzmittel für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle zu dem Zeitpunkt zur Verfügung stehen, zu dem sie benötigt werden, wobei die Verantwortung der Erzeuger radioaktiver Abfälle angemessen zu berücksichtigen ist.
Artikel 11
Qualitätssicherung
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, das geeignete Qualitätssicherungsprogramme für die Sicherheit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle aufgestellt und angewendet werden.
Artikel 12
Transparenz
- (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Arbeitskräften und der Bevölkerung Informationen über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle zur Verfügung gestellt werden. Zu dieser Pflicht gehört sicherzustellen, dass die zuständige Regulierungsbehörde die Öffentlichkeit in ihren Zuständigkeitsbereichen informiert. Die Information der Öffentlichkeit erfolgt im Einklang mit nationalem Recht und internationalen Verpflichtungen, sofern dadurch nicht andere Interessen - unter anderem Sicherheitsinteressen - die im nationalen Recht oder in internationalen Verpflichtungen anerkannt sind, gefährdet werden.
- (2) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben wird, sich an der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle effektiv zu beteiligen.
Artikel 13
Nationale Programme
- (1) Als Teil des nationalen Rahmens erstellen die Mitgliedstaaten Programme für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (im Folgenden "nationale Programme"), führen sie durch und aktualisieren sie fortlaufend; die Programme gelten für alle Arten abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle unter ihrer Rechtshoheit sowie für alle Stufen der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle von der Entstehung bis zur Endlagerung.
- (2) Die nationalen Programme müssen den Bestimmungen der Artikel 4 bis 12 entsprechen.
- (3) Die Mitgliedstaaten überprüfen und aktualisieren ihre nationalen Programme regelmäßig, wobei sie gegebenenfalls dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt Rechnung tragen.
Artikel 14
Inhalt der nationalen Programme Die nationalen Programme umfassen
- (1) eine Bestandsaufnahme sämtlicher abgebrannten Brennelemente und radioaktiven Abfälle sowie Prognosen für die künftigen Mengen, einschließlich der abgebrannten Brennelemente und radioaktiven Abfälle aus der Stilllegung. Aus der Bestandsaufnahme müssen eindeutig der Standort und die Menge an Material sowie - auf der Grundlage einer angemessenen Klassifizierung - die Gefahrenstufe hervorgehen;
- (2) Konzepte, Pläne und technische Lösungen von der Entstehung bis zur Endlagerung;
- (3) Konzepte und Pläne für den Zeitraum nach dem Verschluss eines Endlagers, einschließlich des Zeitraums, in der die behördliche Kontrolle noch besteht, sowie der vorgesehenen Maßnahmen, um das Wissen um die Anlage längerfristig sicherzustellen;
- (4) eine Beschreibung der Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationstätigkeiten, die erforderlich sind, um Lösungen für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle umzusetzen;
- (5) größere Zwischenetappen, klare Zeitpläne und die Zuständigkeiten für die Umsetzung;
- (6) Schlüsselleistungsindikatoren für die Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung;
- (7) Abschätzung der Programmkosten sowie Ausgangsbasis und Hypothesen, auf denen diese Abschätzung beruht, u.a. eine Darstellung des zeitlichen Ablaufs;
- (8) eine Beschreibung der geltenden Finanzregelung(en), mit der die Abdeckung sämtlicher Programmkosten entsprechend dem vorgesehenen Zeitplan sichergestellt werden soll.
Artikel 15
Notifizierung
- (1) Die Mitgliedstaaten notifizieren der Kommission ihre nationalen Programme und gegebenenfalls spätere signifikante Änderungen.
- (2) Innerhalb von drei Monaten nach der Notifizierung kann die Kommission Erläuterungen und/oder eine Überarbeitung im Einklang mit dieser Richtlinie anfordern.
- (3) Innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Stellungnahme der Kommission übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission die angeforderten Erläuterungen und/oder unterrichten sie darüber, wie sie das Programm überarbeiten werden.
- (4) Bei ihrer Entscheidung über die Bereitstellung finanzieller oder technischer Hilfe im Rahmen von Euratom für Anlagen oder Tätigkeiten zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle sowie bei ihren Stellungnahmen zu
Investitionsvorhaben nach Artikel 43 EAG-Vertrag berücksichtigt die Kommission die Erläuterungen der Mitgliedstaaten und die Fortschritte im Zusammenhang mit den nationalen Programmen zur Abfallentsorgung.
Artikel 16
Berichterstattung
- (1) Die Mitgliedstaaten legen der Kommission zum ersten Mal bis spätestens zum ... und danach alle drei Jahre einen Bericht über die Durchführung dieser Richtlinie vor, wobei sie die Überprüfungs- und Berichtszyklen nach dem Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle nutzen.
- (2) Anhand der Berichte der Mitgliedstaaten legt die Kommission dem Rat und dem Europäischen Parlament einen Bericht über den Stand der Durchführung dieser Richtlinie vor. Auf derselben Grundlage legt die Kommission ferner eine Bestandsaufnahme der auf dem Hoheitsgebiet der Gemeinschaft vorhandenen radioaktiven Abfälle und abgebrannten Brennelemente sowie Prognosen vor.
- (3) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass mindestens alle zehn Jahre eine regelmäßige Selbstbewertung ihres nationalen Rahmens, ihrer zuständigen Regulierungsbehörde sowie des nationalen Programms und dessen Umsetzung erfolgt, und laden zu einer Prüfung ihres nationalen Rahmens, ihrer Behörde und/oder ihres Programms durch internationale Experten ein, mit dem Ziel, bei der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle einen hohen Standard zu erreichen. Über die Ergebnisse der Prüfung durch internationale Experten wird der Kommission und den Mitgliedstaaten berichtet.
Artikel 17
Umsetzung
- (1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens am ... nachzukommen. Sie unterrichten die Kommission unverzüglich davon. Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.
- (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen, sowie alle späteren Änderungen dieser Vorschriften mit.
- (3) Die Mitgliedstaaten notifizieren der Kommission ihr erstes nationales Programm, das alle in Artikel 14 genannten Aspekte umfasst, so bald wie möglich, spätestens jedoch vier Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie.
Artikel 18
Inkrafttreten
Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Artikel 19
Adressaten Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am [...]
Im Namen des Rates Der Präsident
- 1. Ursprünglicher Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2003 (KOM (2003) 32 endg.) und überarbeitete Fassung aus dem Jahr 2004 (KOM (2004) 526 endg.).
- 2. Mit heutigen und fortgeschrittenen Brennstoffkreislaufmethoden.
- 3. Empfehlung der Kommission vom 15. September 1999 für ein Klassifizierungssystem für feste radioaktive Abfälle, ABl. L 265 vom 13.10.1999, S.37.
- 4. OECD-NEA Radioactive Waste Management Committee: "Collective Statement on Moving Forward to Geological Disposal of Radioactive Waste", ISBN 978-92-64-99057-9.
- 5. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Sechster Lagebericht über die Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennstoffe in der Europäischen Union, KOM (2008) 542 endg. und SEK(2008) 2416.
- 7. Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates, ABl. L 172 vom 2.7.2009, S. 18.
- 8. ABl. L 371 vom 30.12.1987, S. 76.
- 9. ABl. L 346 vom 31.12.2003, S. 57.
- 10. ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 15.
- 11. ABl. L 337 vom 5.12.2006, S. 21.
- 12. ABl. L 338 vom 17.12.2008, S. 69.
- 13. ABl. L 330 vom 28.11.2006, S. 31.
- 14. Schlussfolgerungen des Rates über die nukleare Sicherheit und die sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle vom Juni 2004, 10823/04.
- 15. Eurobarometer Spezial 297 (2008) und Eurobarometer Spezial 324 (2010).
- 16. http://ec.europa.eu/energy/nuclear/consultations/2010 05 31 fuel waste en.htm
- 17. ABl. L 159 vom 29.6.1996, S. 1.
- 18. ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 15.
- 19. http://www-ns.iaea.org/standards/safetyglossary.htm
- 21. ---
- 22. ABl. L 159 vom 29.6.1996, S.1.
- 23. C-187/87 (Slg. 1988, S. 5013) und C-29/99 (Slg. 2002, S. I-11221)
- 24. ABl. L 371 vom 30.12.1987, S. 76.
- 25. ABl. L 357 vom 7.12.1989, S. 31.
- 26. ABl. L 346 vom 31.12.2003, S. 57.
- 27. ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 15.
- 28. ABl. L 337 vom 5.12.2006, S. 21.
- 29. ABl. L 338 vom 17.12.2008, S. 69.
- 30. ABl. L 172 vom 2.7.2009, S. 18.
- 31. ABl. L 175 vom 5.7.1985, S. 40.
- 32. ABl. L 197 vom 21.7.2001, S. 30.
- 33. ABl. L 41 vom 14.2.2003, S. 26.
- 34. ABl. L 156 vom 25.6.2003, S. 17.
- 35. ABl. L 330 vom 28.11.2006, S.31.
- 36. INFCIRC/546 vom 24. Dezember 1997.
- 37. Fundamental Safety Principles, Safety Fundamentals No. SF-1, IAEO, Wien, 2006.
- 38. ABl. L 195 vom 17.7.2007, S. 44.
- 39. Bericht der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit, Juli 2009.
- 40. Schlussfolgerungen des Rates zum Bericht der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden, 10. November 2009.
- 41. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Mai 2007 zu der Bewertung von Euratom - 50 Jahre europäische Atomenergiepolitik.
- 42. Bericht über die Bewertung von Euratom - 50 Jahre europäische Atomenergiepolitik, A6-0129/2007.
- 43 Fundamental Safety Principles, Safety Fundamentals No. SF-1, IAEO, Wien, 2006.