Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zur Gemeinsamen Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Aktionsplan gegen Desinformation

C(2019) 3022 final siehe Drucksache 630/18(B) HTML PDF

Europäische Kommission
Brüssel, 23.4.2019 C(2019)3022 final

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,

Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zur Gemeinsamen Mitteilung der Kommission und der Hohen Vertreterin zum Aktionsplan gegen Desinformation {JOIN(2018) 36 find).

Die Kommission begrüßt die Unterstützung dieser Initiative zur Bekämpfung des Phänomens der Desinformation durch den Bundesrat. Desinformation ist ein Phänomen, das den demokratischen Prozess und das Vertrauen der europäischen Bürger in die Medien und europäische sowie nationale Institutionen zu untergraben droht. Die Kommission teilt die Meinung des Bundesrats, dass eine wirksame Strategie zur Bekämpfung dieses Problems ein Engagement auf europäischer Ebene erfordert und sich auf eine langfristige Strategie stützen muss, die über die kurzfristig anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament hinausgeht.

Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist ein Grundrecht, das in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten verankert ist. Die Notwendigkeit, dieses Grundrecht der europäischen Bürger zu respektieren und zu erhalten spiegelt sich in den Aktivitäten der Kommission in diesem Bereich wider und ist Motiv ihres Handelns.

Die Kommission stellt erfreut fest, dass der Bundesrat die im Aktionsplan dargelegte Strategie begrüßt, insbesondere die Maßnahmen zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Organen der Union beim Austausch von Informationen und bewährten Praktiken, die Maßnahmen zur Einbindung des Privatsektors, insbesondere der sozialen Medien und anderer online-Plattformen, in den Kampf gegen die Desinformation und die Maßnahmen, die auf die Verbesserung der Medienkompetenz, der digitalen Fähigkeiten und des kritischen Denkvermögens der Europäer abzielen.

Herrn Daniel GÜNTHER
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3 - 4
1011 7 Berlin Deutschland

Was den Privatsektor betrifft, so stimmt die Kommission dem Bundesrat zu, dass selbstregulierende Maßnahmen, wie der Verhaltenskodex für den Bereich der Desinformation, sehr hilfreich bei der Verfolgung von Gemeinwohlinteressen und beim Schutz der Meinungsfreiheit sein können. Die Kommission möchte daran erinnern, dass sie die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Verhaltenskodex durch Online-Plattformen aktiv beobachtet. Am 28. Februar 2019 riefen Vizepräsident Ansip sowie die Kommissare Jourovcr, King und Gabriel die Unterzeichner des Verhaltenskodexes auf ihre Verpflichtungen einzuhalten und Desinformation aktiv zu bekämpfen. Wie in der Mitteilung "Bekämpfung von Desinformation im Internet" und im Aktionsplan dargelegt, wird die Kommission, wenn sie zur Auffassung gelangt, dass der Verhaltenskodex nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt hat, möglicherweise andere Maßnahmen in Betracht ziehen, darunter Maßnahmen rechtlicher Natur.

Die Antworten auf die konkreten Aspekte der Stellungnahme entnehmen Sie bitte dem beigefügten Anhang. Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrates angesprochenen Aspekte mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit vorzüglicher Hochachtung,
Frans Timmermans Erster Vizepräsident

Anhang

Die Kommission hat die in der Stellungnahme des Bundesrates angesprochenen Punkte sorgfältig geprüft und möchte dazu folgende Anmerkungen machen.

Punkt 4

In der Mitteilung der Kommission zur Bekämpfung von Desinformation und im Aktionsplan wird Desinformation verstanden als nachweislich falsche oder irreführende Informationen, die mit dem Ziel des wirtschaftlichen Gewinns oder der vorsätzlichen Täuschung der Öffentlichkeit konzipiert, vorgelegt und verbreitet werden und öffentlichen Schaden anrichten können. Unter " öffentlichem Schaden" sind Bedrohungen für die demokratischen politischen Prozesse und die politische Entscheidungsfindung sowie für öffentliche Güter wie den Schutz der Gesundheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger, der Umwelt und der Sicherheit zu verstehen. Irrtümer bei der Berichterstattung, Satire und Parodien oder eindeutig gekennzeichnete parteiliche Nachrichten oder Kommentare sind keine Desinformation.

Die Kommission nimmt die Ansicht des Bundesrats zur Kenntnis, dass es in einigen Fällen schwierig ist, Informationen, die als Desinformation einzustufen sind, von anderen Informationen zu unterscheiden, die subjektiven Elemente der oben angeführten Definition (insbesondere das Ziel der vorsätzlichen Täuschung und des wirtschaftlichen Gewinns aus der Verbreitung der Desinformation) zu beweisen und/oder öffentlichen Schaden zu definieren. Die Kommission ist jedoch der Ansicht, dass eine sorgfältige Definition von Desinformation, die alle vorgenannten Elemente umfasst, zum Erhalt der Meinungsfreiheit notwendig ist. Außerdem wurde diese neuartige Definition von einer Reihe von Beteiligten positiv aufgenommen, da sie ein vorsichtiges Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit des Schutzes der Meinungsfreiheit einerseits und der Notwendigkeit, das Phänomen der Desinformation wirksam zu bekämpfen, andererseits herstellt.

Punkt 5

Die Kommission möchte klarstellen, dass parteiliche Informationen nicht per se von der obigen Definition ausgeschlossen sind. Die Kommission ist der Auffassung, dass die klare Angabe der Quelle sehr wichtig dafür ist, die Bürger zu befähigen, Informationen kritisch zu beurteilen. Ferner legt sie großen Wert darauf die Plattformen dazu zu bringen, ihre Verpflichtungen in Bezug auf die Transparenz politischer Werbung einzuhalten. In diesem Zusammenhang möchte die Kommission an ihre Empfehlung von September 2018' erinnern, die die europäischen und nationalen politischen Parteien, Stiftungen und Wahlkampforganisationen auffordert, sicherzustellen, dass die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger bezahlte politische Werbung und Mitteilungen im Internet leicht erkennen können, und auf ihren Webseiten Informationen über ihre Ausgaben für Online-Tätigkeiten, einschließlich bezahlter Werbung und Mitteilungen im Internet sowie Informationen über die bei der Verbreitung solcher Werbung und Mitteilungen verwendeten Zielgruppen-Kriterien bereitzustellen. Es werden auch spezifische Empfehlungen an europäische und nationale politischen Parteien, Stiftungen und Wahlkampforganisationen gerichtet, sicherzustellen, dass die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger bezahlte politische Werbung und Mitteilungen im Internet sowie die dafür verantwortliche Partei, Stiftung oder Organisation leicht erkennen können.

Punkte 6 bis 8

Die Kommission stimmt dem Bundesrat zu, dass Selbstverpflichtungen, wie der Verhaltenskodex für den Bereich der Desinformation, sehr hilfreich bei der Verfolgung von Gemeinwohlinteressen und beim Schutz der Meinungsfreiheit sein und die Ressourcen von Online-Plattformen wirksam mobilisieren können, um diese Ziele zu erreichen. In diesem Zusammenhang erinnert die Kommission daran, dass die Selbstregulierung es verschiedenen Akteuren in einer Reihe von gewichtigen Wirtschaftszweigen ermöglicht hat, an der Entwicklung des Kodexes mitzuwirken. Die Kommission beobachtet die Einhaltung des Verhaltenskodex durch die Unterzeichner aktiv.

Punkt 10

Die Kommission stimmt dem Bundesrat zu, dass die Transparenz der Quellen aller Informationen und nicht nur der Quellen von Desinformation zu fördern ist. Daher begrüßt die Kommission die Selbstverpflichtungen von Online-Plattformen im Rahmen des Verhaltenskodexes zur Erhöhung der Transparenz politischer oder sachbezogener Werbung.

Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrats, dass die Erhöhung der Medienkompetenz unserer Bürger ein wichtiger Baustein ist, und dass die Medienkompetenz und die digitalen Fähigkeiten der europäischen Bürger umfassend gestärkt werden müssen. Obwohl die Kommission zahlreiche Medienkompetenz-Initiativen unterstützt, ist sie sich der Schlüsselrolle der nationalen Behörden und in einigen Mitgliedstaaten der regionalen und kommunalen Behörden in diesem Bereich bewusst. Die Kommission unterstreicht, dass sie gemäß den Bestimmungen der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste überwachen wird, ob die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zur Förderung der Medienkompetenz ergriffen haben.

Punkt 11

Die Kommission nimmt die kritische Ansicht des Bundesrats bezüglich der Förderung unabhängiger Faktenprüfer und Forscher zur Kenntnis. Sie ist jedoch der Ansicht, dass unabhängige Faktenprüfer und Forscher bei der Bereitstellung von Kontext und Transparenz in Bezug auf den Informationsaustausch über soziale Medien, einschließlich der Analyse von Akteuren, Trends und Mustern, eine wichtige Rolle spielen. Sie sollen keine alternativen Sichtweisen zur Verfügung stellen, sondern das Verständnis der Öffentlichkeit in Bezug auf Desinformation vertiefen und die gesellschaftliche Resilienz stärken. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Effektivität von Faktenprüfern und Forschern von der Erhaltung ihrer Unabhängigkeit von den Behörden abhängt. Die Bemühungen der Kommission zur Unterstützung von Faktenprüfern und Forschern untergraben in keiner Weise ihre Unabhängigkeit.

Punkt 12

Die Kommission stimmt mit dem Bundesrat in Bezug auf die Wichtigkeit des Erhalts der Medienfreiheit und der Medienvielfalt überein. Sie stellt fest, dass gemäß Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union die Meinungsfreiheit die Achtung der Medienfreiheit und des Pluralismus sowie das Recht der Bürger auf Meinungsfreiheit und das Recht einschließt, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Die Kommission ist der Auffassung, dass Qualitätsjournalismus als wirksames Gegenmittel gegen Desinformation fungieren kann. Daher weisen sowohl die Mitteilung zur Bekämpfung von Desinformation im Internet als auch der Aktionsplan auf die Notwendigkeit hin, Qualitätsjournalismus und investigative Medien zu fördern und spezielle Maßnahmen in dieser Hinsicht vorzusehen. Außerdem stimmt die Kommission dem Bundesrat darin vollkommen zu, dass die Behörden nicht in die redaktionelle Verantwortung von Medienunternehmen eingreifen sollen. Sie ist der Ansicht, dass die Selbstregulierung durch die Medien in dieser Hinsicht sehr wirksam sein kann und merkt an, dass der Verhaltenskodex des Deutschen Presserates Modellcharakter hat.

Punkt 13

Im Aktionsplan wird darauf hingewiesen, dass es, was externe Desiüformationsquellen anbelangt, belastbare Beweise im Hinblick auf die Russische Föderation gibt. Andere Drittstaaten setzen aber ebenfalls Desinförmationsstrategien ein und lernen schnell von den Methoden der Russischen Föderation. Nach den Feststellungen der EU-Analyseeinheit für hybride Bedrohungen stellt die Desinformation durch die Russische Föderation die größte Gefahr für die EU dar. Sie arbeitet systematisch, ist finanziell gut ausgestattet und unterscheidet sich in der Größenordnung von anderen Ländern. In Bezug auf die Koordinierung, die Zielebenen und die strategischen Auswirkungen ist die Desinformation aus Russland Teil einer größeren hybriden Bedrohung, die eine Reihe von Instrumenten, Hebeln und auch nichtstaatlichen Akteuren einsetzt. Die Kommission nimmt die Anmerkung des Bundesrates in Bezug auf die Möglichkeit verstärkter diplomatischer Aktivitäten zur Bekämpfung der Verbreitung von Desinformation in solchen Fällen zur Kenntnis.