Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 18. Juni 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 12. Juni 2009 dem Bundesrat zugeleitet.
Die Vorlage ist von der Kommission am 15. Juni 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Hinweis: vgl. AE-Nr. 090460
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat
Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der Bürger Mehr Freiheit und mehr Sicherheit
1. Einleitung
Die Menschen wollen in einer florierenden und friedlichen Europäischen Union leben, in der ihre Rechte respektiert und ihre Sicherheit geschützt werden. Sie möchten frei reisen und ungehindert in einem anderen europäischen Land vorübergehend oder dauerhaft wohnen dürfen, um dort zu studieren, zu arbeiten, eine Familie oder ein Unternehmen zu gründen oder ihren Lebensabend zu verbringen. Mit einer gewissen Sorge nehmen sie daher zur Kenntnis, dass die in den vergangenen Jahren in Europa erreichte Stabilität und Sicherheit durch eine Reihe weltweiter Krisen und anderer Phänomene in Frage gestellt werden.
Die wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten, vor die sich die Welt und insbesondere die Europäische Union gestellt sehen, sowie die komplexen Herausforderungen der Zukunft verlangen nach weltumspannenden und dauerhaften Lösungen. In einer Welt der globalen Mobilität haben die europäischen Bürger, die von diesen Problemen unmittelbar betroffen sind, Anspruch auf ein wirksames und verantwortungsvolles Handeln Europas.
Auf dem Weg zu einem Europa der Bürger in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Freiheit, Sicherheit und Recht sind wichtige, für das europäische Gesellschaftsmodell zentrale Werte und einer der Eckpfeiler der europäischen Integration. Die Europäische Union hat für ihre Bürger bereits einen Binnenmarkt, eine Wirtschafts- und Währungsunion und die Instrumente zur Bewältigung der weltweiten politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen geschaffen. Auch beim Aufbau eines gemeinsamen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat sie wichtige Fortschritte erzielt. Bei seiner Weiterentwicklung muss jetzt vor allem der Bürger in den Mittelpunkt gestellt werden.
Vieles wurde bereits erreicht Mit dem Vertrag von Maastricht wurden Justiz und Inneres, die bis dato ausschließlich auf der zwischenstaatlichen Ebene angesiedelt waren, in den Rahmen der Europäischen Union einbezogen. Seither wachsen die Mitgliedstaaten auch hier immer enger zusammen, und Parlament und Gerichtshof spielen eine immer stärkere Rolle. Mit den Programmen von Tampere und Den Haag erhielt dieser für die Bürger so wesentliche Bereich wichtige politische Impulse.
In den letzten zehn Jahren können wir auf zahlreiche Erfolge zurückblicken:
- - Dank der Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen im Schengen-Raum können inzwischen mehr als 400 Millionen Bürger aus 25 Ländern von der Iberischen Halbinsel bis ins Baltikum und von Griechenland bis nach Finnland reisen, ohne kontrolliert zu werden. Der Schutz der Außengrenzen erfolgt nicht zuletzt durch die Einrichtung und Tätigkeit der Grenzschutzagentur Frontex in kohärenterer Form.
- - Für eine gemeinsame Einwanderungspolitik wurden die Grundlagen geschaffen. Dazu zählen Normen für eine ausgewogenere und berechenbarere legale Einwanderung, ein europäisches Konzept für die gesellschaftliche Integration von Migranten sowie ein intensiveres Vorgehen gegen illegale Einwanderung und Menschenhandel. Auch wurden Partnerschaften mit Drittländern eingegangen, um einen abgestimmten Umgang mit der Migrationsproblematik zu erreichen.
- - Darüber hinaus wurden die Grundlagen für ein gemeinsames Europäisches Asylsystem für die Schutzbedürftigen geschaffen, das in dem Unterstützungsbüro für Asylfragen auch über einen operativen Arm verfügt. Mit Erfolg wurde eine gemeinsame Visumpolitik eingeleitet, die für alle Beteiligten mehr Transparenz und Rechtssicherheit garantiert.
- - Ferner wurden vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den einzelstaatlichen Behörden gefördert. Insbesondere bei Strafsachen wurde der Informationsaustausch verbessert: so können die Polizeibehörden Informationen aus anderen Mitgliedstaaten, sofern verfügbar, ohne größere Einschränkungen erhalten.
- - Der Europäische Haftbefehl hat zu einer drastischen Reduzierung von Aufwand und Dauer der Auslieferungsverfahren (von einem Jahr auf zwischen 11 Tagen und 6 Wochen) geführt.
- - Zahlreiche Maßnahmen wurden zur Bekämpfung des Terrorismus und des organisierten Verbrechens, u.a. der Cyberkriminalität sowie zum Schutz kritischer Infrastrukturen, ergriffen.
- - Fortschritte sind auch in den Bereichen des Zivil- und des Handelsrechts festzustellen. Die EU-Bürger können Forderungen inzwischen leichter und schneller auch im Ausland durchsetzen. Gemeinsame Regeln über das in Haftungs- und Vertragssachen anwendbare Recht wurden aufgestellt. Zudem wurde der Kinderschutz verbessert. So haben Kinder Anspruch auf regelmäßige Kontakte zu beiden Elternteilen auch nach deren Trennung. Ferner wurden Maßnahmen ergriffen, um Kindesentführungen in der EU vorzubeugen.
In einigen Bereichen waren die Fortschritte jedoch langsamer und bescheidener In bestimmten Bereichen, insbesondere dem Straf- und dem Familienrecht, kam die EU vergleichsweise langsam voran, was vor allem an der erforderlichen Einstimmigkeit im Rat liegt, die oft lange Verhandlungen mit wenig greifbaren Ergebnissen oder hinter den Erwartungen zurückgebliebene Instrumente zur Folge hatte.
Auch die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften ist nicht unproblematisch. Vor allem im Bereich der strafrechtlichen Zusammenarbeit verfügt der Gerichtshof nur über begrenzte Kompetenzen, und die Kommission kann keine Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Dadurch kommt es bei der Umsetzung europäischer Normen auf der nationalen Ebene zu erheblichen Verspätungen, so dass viele dieser Vorschriften bisher eher "virtuell" existieren.
Über die verfahrenstechnischen und institutionellen Beschränkungen hinaus besteht noch beträchtlicher Handlungsbedarf. In Zivil- und Handelssachen wird die EU-weite Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen nach wie vor durch Zwischenverfahren behindert, beispielsweise im Falle bestrittener Forderungen. In Streitsachen mit in Drittländern ansässigen Parteien sind Bürger und Unternehmen nur unzureichend geschützt. Auch bei der grenzüberschreitenden Anerkennung von Personenstandsurkunden bestehen noch Hindernisse. Zudem ist auch die Richtlinie über den freien Personenverkehr noch nicht von allen Mitgliedstaaten in ausreichendem Maße umgesetzt worden. Unterschiede sind weiterhin in Bezug auf den Schutz von Personen in Strafverfahren festzustellen. In dieser Legislaturperiode ist es des weiteren nicht gelungen, verfahrensrechtliche Mindestgarantien für Strafverfahren zu verabschieden. Der Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden über verurteilte Straftäter funktioniert nicht immer reibungslos. Auf der operativen Ebene stehen der grenzüberschreitenden Tätigkeit der Polizeibehörden zahlreiche Hindernisse entgegen.
Die künftigen Herausforderungen Die EU-Politik soll dem Bürger bestmöglich dienen. Die wachsende Vielfalt einer Union mit 27 oder mehr Mitgliedstaaten muss sich auch im Umgang mit den Bereichen Recht, Freiheit und Sicherheit niederschlagen. Innerhalb der Union genießen inzwischen 500 Millionen Menschen das Recht, ungehindert zu reisen und ihren Aufenthaltsort frei zu wählen. Die Zahl der persönlichen und wirtschaftlichen Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug nimmt folglich zu. Zudem ist der Migrationsdruck insbesondere an der Südflanke der Union beträchtlich gestiegen.
Die künftigen Herausforderungen sind, wie sich an folgenden Beispielen ablesen lässt, vielfältig:
- - Mehr als 8 Millionen Europäer leben inzwischen in einem anderen Mitgliedstaat, und diese Tendenz dürfte künftig noch zunehmen. Bei der Ausübung des Rechts auf freie Wohnsitzwahl, einem wesentlichen Symbol der Unionsbürgerschaft, sehen sie sich aber noch zahlreichen Hindernissen gegenüber.
- - Fragen des Zivilrechts werden immer bedeutsamer. Bereits jetzt hat jeder zehnte Erbfall in der EU eine internationale Dimension.
- - Die Cyberkriminalität kennt keine Grenzen und entwickelt sich ständig weiter. 2008 wurden 1500 kommerzielle und nichtkommerzielle Websites mit kinderpornographischen Inhalten gezählt.
- - Der Terrorismus bleibt eine Bedrohung. 2007 kam es in 11 Mitgliedstaaten zu fast 600 (gescheiterten, vereitelten oder durchgeführten) Anschlägen.
- - 2006 wurden an den 1636 Grenzübergängen, an denen eine Einreise in die Union möglich ist, rund 900 Millionen Grenzübertritte gezählt. In einer offenen, von wachsender Personenmobilität geprägten Welt stellt die effiziente Verwaltung der Außengrenzen eine immense Herausforderung dar.
- - 18,5 Millionen Staatsangehörige aus Drittländern waren 2006 in der Union registriert; das macht fast 3,8 % der Gesamtbevölkerung aus. Der Migrationsdruck dürfte wegen des Wachstums und der Armut der Bevölkerung in mehreren Herkunftsländern und der Alterung der europäischen Bevölkerung weiter zunehmen. Zwischen 2008 und 2060 dürfte die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter um 15 % bzw. etwa 50 Millionen Menschen zurückgehen.
- - Schätzungen zufolge leben etwa 8 Millionen illegale Einwanderer im Gebiet der EU, von denen viele in der Schattenwirtschaft tätig sind. Für die kommenden Jahre liegt eine wesentliche Herausforderung deshalb darin, die Anreize für illegale Einwanderung anzugehen und illegale Migration wirksam zu bekämpfen.
- - Trotz eines gemeinsamen Asylsystems werden die Antragsteller von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat immer noch recht uneinheitlich behandelt, und die Anerkennungsquoten weichen beträchtlich voneinander ab. 2007 wurde in 25 % der erstinstanzlichen Entscheidungen ein Schutzstatus (Flüchtling oder subsidiärer Schutz) zuerkannt. Hinter diesem Durchschnittswert verbergen sich jedoch erhebliche Unterschiede: in einigen Mitgliedstaaten wird ein Schutzanspruch nur in einer sehr geringen Zahl von Fällen gewährt, wohingegen in anderen die Anerkennungsquote bei ca. 50 % liegt.
Ein neues Mehrjahresprogramm
Die Europäische Union benötigt ein neues Mehrjahresprogramm, in dem ausgehend von den erzielten Fortschritten die Konsequenzen aus den bestehenden Schwächen gezogen werden und die Zukunft ambitioniert angegangen wird. Dort müssen die Prioritäten für die kommenden fünf Jahre festgelegt werden, um für die anstehenden Herausforderungen gewappnet zu sein und dem Bürger die Vorteile eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts spürbar näher zu bringen.
Die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts kommt nicht ohne eine starke Außendimension aus, die mit der übrigen Außenpolitik der Union in Einklang steht und zur Verbreitung unserer Werte unter Beachtung unserer internationalen Verpflichtungen in Bezug auf die Menschenrechte beiträgt. Keines der mit diesem Raum angestrebten Ziele lässt sich ohne die wirksame Anwendung geeigneter außenpolitischer Instrumente erreichen. Umgekehrt stärkt die Union durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Drittländern und internationalen Organisationen im Bereich Justiz und Inneres die Wirksamkeit ihrer eigenen Außenpolitik.
Die politischen Prioritäten
Das Leitmotiv des neuen Programms soll der "Aufbau eines Europas der Bürger" sein. Alle Maßnahmen sollen den Bürger in den Mittelpunkt stellen und folgende Hauptanliegen berücksichtigen:
- 1. Förderung der Rechte der Bürger - Europa als Garant der Grundrechte und Grundfreiheiten: Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts soll vor allem ein gemeinsamer Raum des Grundrechtsschutzes sein, in dem der Respekt der menschlichen Person und ihrer Würde sowie der übrigen in der Grundrechtecharta verankerten Rechte im Mittelpunkt steht. Dazu zählen die Wahrung der persönlichen Freiheitsrechte und der Privatsphäre über Staatsgrenzen hinweg, z.B. durch Datenschutz, die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse sozial Schwacher und die uneingeschränkte Ausübung der individuellen Rechte auch in Drittländern.
- 2. Erleichterungen für die Bürger - Europa als Raum der justiziellen Zusammenarbeit: Der europäische Rechtsraum muss ausgebaut werden, um den aktuellen Flickenteppich zu überwinden. Vorrangig wären Verfahren einzuführen, die den Zugang zur Justiz erleichtern, damit Rechte überall in der Union geltend gemacht werden können. Im Vertrags- und Handelsrecht gilt es, den Wirtschaftsbeteiligten das Rüstzeug an die Hand zu geben, damit sie die Vorteile des Binnenmarkts voll ausschöpfen können. Ferner muss die Zusammenarbeit zwischen den Rechtsberufen verbessert und dafür gesorgt werden, dass die Hindernisse für die Anerkennung von Urkunden in anderen Mitgliedstaaten beseitigt werden.
- 3. Schutz der Bürger - ein Europa, das Schutz bietet: Es sollte eine Strategie für die innere Sicherheit entwickelt werden, um die Sicherheitslage innerhalb der Union zu verbessern und damit das Leben und die Unversehrtheit der europäischen Bürger zu schützen. Die Strategie sollte die Intensivierung der Zusammenarbeit der Polizei- und Justizorgane sowie bessere Sicherheitsvorkehrungen bei der Einreise in die EU bezwecken.
- 4. Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts - ein Europa der Solidarität: Zu den wichtigen Zukunftsaufgaben gehört auch die Konsolidierung und tatsächliche Umsetzung einer Einwanderungs- und Asylpolitik im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und der Partnerschaft mit den Drittländern. Legalen Einwanderern muss ein eindeutiger, einheitlicher Status angeboten werden. Einwanderung und Bedürfnisse des Arbeitsmarktes müssen enger miteinander verknüpft werden. Außerdem bedarf es einer gezielten Integrations- und Bildungspolitik. Die gegen illegale Einwanderung zur Verfügung stehenden Instrumente müssen besser und wirksamer eingesetzt werden. Für diesen Bereich ist die außenpolitische Kohärenz von entscheidender Bedeutung. Die Union muss ihre humanitäre Tradition durch ein großzügiges Schutzangebot für jene bekräftigen, die darauf angewiesen sind.
Die Instrumente
Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des nächsten Mehrjahresprogramms ist die konsequente Einhaltung einer auf fünf Säulen beruhenden Methode:
- (i) Die politischen Initiativen im Bereich Justiz und Inneres stützen sich bei ihrer schrittweisen Ausgestaltung gegenseitig und entwickeln sich allmählich zu einem kohärenten Ganzen, das sich in den kommenden Jahren harmonisch in die übrigen Politikbereiche der Union einfügen muss.
- (ii) Um den beträchtlichen Abstand zwischen den auf europäischer Ebene erlassenen Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen und ihrer Umsetzung auf der einzelstaatlichen Ebene zu verringern, muss letzterer größere Beachtung gewidmet werden. Die rechtliche Umsetzung muss von konkreten Begleitmaßnahmen flankiert werden (z.B. stärkere Vernetzung der beteiligten Berufsgruppen).
- (iii) Eine bessere europäische Rechtsetzung muss oberstes Gebot bleiben. Die Union muss gezielt dort tätig werden, wo ihr Handeln geeignet ist, die Probleme der Bürger zu lösen. Die möglichen Folgen der Vorschläge für die Bürger und ihre Grundrechte, die Wirtschaft oder die Umwelt müssen schon bei ihrer Ausarbeitung bedacht werden. Das einschlägige Gemeinschaftsrecht ist zwar jüngeren Datums, bildet aber inzwischen einen beachtlichen Acquis, dessen Komplexität aufgrund der sukzessiven institutionellen Entwicklungen in diesem Bereich zugenommen hat. Darin liegt einer der Gründe für die bei seiner Anwendung aufgetretenen Schwierigkeiten.
- (iv) Die Bürger wollen die Folgen des Tätigwerdens der EU nachvollziehen können. Daher bleibt die bessere Auswertung der angenommenen Instrumente und der Tätigkeit der einschlägigen Agenturen ein wichtiges Anliegen.
- (v) Es muss gewährleistet sein, dass die politischen Prioritäten mit einer entsprechenden Finanzierung einhergehen, die ihre Verwirklichung ermöglicht und eindeutig auf sie zugeschnitten ist. Die Haushaltsinstrumente der Zukunft müssen mit den politischen Ambitionen des neuen Mehrjahresprogramms Schritt halten und sich auf eine Bestandsaufnahme der Wirksamkeit der derzeitigen Instrumente gründen.
2. Förderung der Rechte der Bürger: Europa als Garant der Grundrechte und Grundfreiheiten
Ein Grundwert des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist die in der Grundrechtscharta verbriefte Achtung des Menschen und der Menschenwürde. In diesem Raum ohne Binnengrenzen können sich die Bürger frei bewegen und ihre Rechte uneingeschränkt ausüben.
Der Schutz der Grundrechte ist im Rechtssystem der Union besonders stark ausgeprägt. Die Union wie auch die Mitgliedstaaten können beispielsweise auf die Expertise der Grundrechteagentur zurückgreifen. Ein deutliches politisches Zeichen soll auch der Beitritt der Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention setzen, womit der Grundrechtsschutz eine zusätzliche Garantie erhält. Ein weiterer positiver Effekt des Beitritts ist die Entwicklung einer einheitlichen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Die Union ist ein Raum, in dem gemeinsame Werte gelten. Diese Werte sind unvereinbar mit den Verbrechen totalitärer Herrschaftssysteme. Die Erinnerung an die Verbrechen gegen die Menschlichkeit muss uns alle zur Versöhnung mahnen. Jeder Staat geht dabei seinen eigenen Weg; die Aufgabe der Union muss darin bestehen, diese Entwicklung zu fördern.
Die Unionsbürgerschaft gründet auf diesen Werten; wer der Union beitreten möchte, muss sich daher zu ihnen bekennen. Die Unionsbürgerschaft ergänzt und vervollständigt die Staatsbürgerschaft. Sie verleiht den europäischen Bürgern besondere Rechte und Pflichten, die konkret ausgestaltet werden müssen.
2.1. Uneingeschränkte Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit
Die Unionsbürgerschaft verleiht den Bürgern das Recht, sich in der Europäischen Union frei zu bewegen. Wer sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, niederlassen oder sich zu Urlaubszecken dort aufhalten möchte, stößt jedoch nach wie vor noch auf Hindernisse. Die wirksame Anwendung der Richtlinie zur Freizügigkeit der Unionsbürger ist ein vorrangiges Ziel, weshalb die Kommission die flankierenden Maßnahmen zu ihrer Umsetzung verstärken möchte und darauf achten wird, dass die geltenden Vorschriften von den Mitgliedstaaten konkret umgesetzt und angewandt werden. Die Inanspruchnahme dieser Freizügigkeit ist aber auch mit Pflichten verbunden. Die Kommission wird prüfen, wie sie den staatlichen Stellen dabei helfen kann, wirksam gegen den Missbrauch dieses Grundprinzips der Union vorzugehen. Ihre diesbezügliche Strategie wird sie in Form von Leitlinien erläutern.
Auch Bürgern, die in Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit bestimmte bürokratische oder rechtliche Hürden zu überwinden haben, muss Unterstützung zuteil werden. Deshalb ist ein Verfahren vonnöten, das es ihnen ermöglicht, sich ohne großen Aufwand und zusätzliche Kosten die wichtigsten Personenstandsurkunden zu beschaffen. Dieses Verfahren muss so konzipiert sein, dass etwaige Sprachbarrieren umgangen werden und die Beweiskraft der Urkunden gewährleistet ist. Auf längere Sicht muss ein ausführlicherer Gedankenaustausch über die gegenseitige Anerkennung der Wirkungen von Personenstandsurkunden stattfinden.
2.2. Zusammenleben in einem Raum, in dem die Vielfalt respektiert und Schutzbedürftige geschützt werden
Die Vielfalt macht den Reichtum der Union aus, die ihrerseits für ein sicheres Umfeld sorgen muss, in dem Unterschiede respektiert und Schutzbedürftige geschützt werden.
Der Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie muss mit aller Entschlossenheit fortgesetzt werden. Die Union wird zu diesem Zweck die vorhandenen Instrumente, darunter vor allem die Finanzierungsprogramme, voll ausschöpfen. Die Anwendung der bestehenden Rechtsvorschriften einschließlich des neuen Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit muss noch besser überwacht werden.
Die in der Grundrechtscharta und in der UN-Kinderrechtskonvention verbrieften Rechte des Kindes - vor allem der Vorrang des Kindeswohls, das Recht auf Leben und Überleben sowie auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit sowie der Grundsatz der Nichtdiskriminierung und der Achtung seiner Meinungen - greifen mehr oder weniger in alle Politikbereiche der Union ein und müssen deshalb systematisch mit in die Überlegungen einbezogen werden. Die Union muss prüfen, mit welchen Maßnahmen sie hier einen Mehrwert erzeugen kann. Ihr besonderes Augenmerk wird dabei Einwanderungskindern gelten, die sich in einer besonders prekären Situation befinden, beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Kinder, die Opfer von Menschenhandel wurden.
Die Union und ihre Mitgliedstaaten müssen sich mit vereinten Kräften für eine vollständige Eingliederung von schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen und speziell der Roma in die Gesellschaft einsetzen, indem sie ihre Einbindung in das Schulsystem und den Arbeitsmarkt fördern und etwaige gegen sie gerichtete Gewaltakte unterbinden. Um gegen etwaige Diskriminierungen von Roma vorzugehen, wird die Union gezielt Mittel aus den Strukturfonds einsetzen und auf eine ordnungsgemäße Anwendung der geltenden Rechtsvorschriften achten. Eine besondere Rolle kommt hierbei der Zivilgesellschaft zu.
Generell gilt es, insbesondere schutzbedürftige Mitglieder der Gesellschaft, weibliche Opfer von Gewalt und abhängige Personen besser zu schützen, auch in rechtlicher Hinsicht. Die Mittel hierfür sollen vor allem aus dem Programm Daphne bereitgestellt werden. Auch in seinen Außenbeziehungen wird die Union in diesem Sinne tätig werden.
2.3. Schutz personenbezogener Daten und Schutz der Privatsphäre
Die Union muss sich dem Problem des wachsenden Austauschs personenbezogener Daten stellen. Dabei darf der Schutz der Privatsphäre nicht beeinträchtigt werden. Das Recht auf Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten ist in der Charta der Grundrechte verankert.
Es muss eine einheitliche Regelung zum Schutz personenbezogener Daten gefunden werden. Die Union muss neue allumfassende Maßnahmen zum Schutz der Daten der Bürger innerhalb der Europäischen Union und im Verhältnis zu Drittstaaten ergreifen. Sie muss auch klären, unter welchen Umständen Behörden in Ausübung ihrer rechtmäßigen Funktionen der Anwendung dieser Vorschriften gegebenenfalls Grenzen setzen könnten.
Die technologische Entwicklung schreitet derzeit mit rasanten Schritten voran. Sie verändert die zwischenmenschliche Kommunikation und den Austausch mit und zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, eine Reihe von Verarbeitungsgrundsätzen erneut ins Blickfeld zu rücken: Zweckgebundenheit, Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, zeitlich begrenzte Speicherung, Vertraulichkeit und Sicherheit der Daten, Wahrung der Rechte des Einzelnen und Beaufsichtigung durch eine unabhängige Stelle.
Der derzeitige rechtliche Rahmen gewährleistet ein hohes Schutzniveau. In Anbetracht des raschen technologischen Wandels bedarf es zusätzlicher Maßnahmen - ob legislativer oder sonstiger Art sei fürs Erste dahingestellt -, um diese Grundsätze aufrechtzuerhalten.
Daneben müssen geeignete neue Technologien entwickelt werden, die den Anforderungen an den Datenschutz Rechnung tragen. Zu diesem Zweck muss die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor speziell im Bereich der Forschung verbessert werden. "Datenschutzfreundliche" Technologien, Produkte und Dienstleistungen sollten eventuell mit einem europäischen Prüfsiegel versehen werden.
Ein wirksamer Datenschutz setzt nicht zuletzt eine gute Kenntnis der Rechte und der Gefahren (vor allem des Internets) voraus. Deshalb sind Informations- und Aufklärungskampagnen geplant, die sich insbesondere an die am stärksten gefährdeten Personengruppen richten.
Alles in allem besteht die Aufgabe der Union darin, bei der Entwicklung und Förderung internationaler Standards im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten und beim Abschluss geeigneter internationaler Instrumente auf bi- oder multilateraler Ebene als treibende Kraft zu wirken. Die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten auf dem Gebiet des Datenschutzes könnte als Vorbild für weitere Abkommen dieser Art dienen.
2.4. Aktive Teilhabe am demokratischen Leben der Union
Im politischen Leben äußert sich die Unionsbürgerschaft in der Möglichkeit, bei den Kommunalwahlen und den Wahlen zum Europäischen Parlament das aktive und passive Wahlrecht in einem anderem als dem Herkunftsmitgliedstaat auszuüben. Allerdings wird in der Praxis noch zu wenig von diesem Recht Gebrauch gemacht. Damit sich dies ändert, müssen Informationskampagnen durchgeführt werden, in denen die Bürger über die mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte aufgeklärt werden.
Mit Blick auf die Europawahlen 2014 sollte daher überlegt werden, wie mehr Bürger an die Wahlurnen gebracht werden können: angestrebt werden sollten Wahlkampagnen, die sich um echte europäische Themen drehen. Für weitere positive Impulse auf dem Weg dorthin könnten Erleichterungen bei allen Wahlvorgängen, bei der Eintragung in das Wählerverzeichnis oder die Festsetzung eines gemeinsamen Wahltermins (beispielsweise in der Woche des 9. Mai) sorgen.
Anhand regelmäßiger Berichte auf der Grundlage der Bestimmungen des EG-Vertrags1 sollte auch geprüft werden, wie die Rechte von Bürgern, die in einem anderen als ihrem Herkunftsland leben, generell ausgebaut werden können, um sie stärker am demokratischen Leben des Aufenthaltsmitgliedstaates zu beteiligen.
2.5. Schutz in Drittländern
Die 27 Mitgliedstaaten sind im Ausland allesamt nur in drei der 166 Drittstaaten vertreten. 8,7 % der Unionsbürger, d.h. sieben Millionen Menschen, reisen in Länder, in denen ihr Herkunftsland nicht vertreten ist.
Jeder Unionsbürger kann im Hoheitsgebiet eines Drittstaates, in dem sein Herkunftsmitgliedstaat nicht vertreten ist, den diplomatischen und konsularischen Schutz eines jeden anderen Mitgliedstaates in Anspruch nehmen, und zwar unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates. Diese in den Verträgen vorgesehene Möglichkeit ist jedoch weithin unbekannt und bleibt daher weitgehend ungenutzt. Deshalb ist es wichtig, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf dieses Recht aufmerksam zu machen.
Damit der konsularische Schutz richtig funktioniert, muss das vorhandene Koordinierungs- und Kooperationsinstrumentarium ausgebaut werden: Drei wichtige Reformansätze sind die Klärung des Begriffs des im Krisenfall federführenden Staates, die Definition des nicht vertretenen Staates anhand gemeinsamer Kriterien und die Regelung der Kostenfrage im Falle einer Rückführung mit Hilfe der vorhandenen Gemeinschaftsinstrumente. Darüber hinaus sollen praktische Übungen für den Ernstfall durchgeführt werden.
2.6. Ausbau des Zivilschutzes
Als flankierende Maßnahme zu den Vorkehrungen der Mitgliedstaaten im Bereich des Zivilschutzes muss der europäische Zivilschutz ausgebaut werden. Die Zusammenarbeit bei der Risikoabschätzung unter Einbeziehung regionaler Aspekte muss intensiviert werden, um gemeinsame Ziele und Maßnahmen festlegen zu können. Gleichzeitig muss die Reaktionsfähigkeit der Union verbessert werden, indem die verschiedenen Formen der Unterstützung besser aufeinander abgestimmt werden und die Interoperabilität der vorhandenen Einsatzmittel gewährleistet wird. Das MIC (Beobachtungs- und Informationszentrum) muss sich zu einer echten Einsatzzentrale entwickeln und zu diesem Zweck mit den entsprechenden Analyse- und Planungskapazitäten ausgestattet werden.
3. Erleichterungen für die Bürger: Europa als Raum des Rechts und der justiziellen Zusammenarbeit
In einem Raum, der durch wachsende Mobilität gekennzeichnet ist, sollten Aufbau und Förderung eines europäischen Rechtsraums für die Bürger Vorrang haben. Hierzu müssen die für die Ausübung ihrer Rechte nach wie vor bestehenden Hindernisse beseitigt werden. So muss dafür gesorgt werden, dass gerichtliche Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten problemlos anerkannt und vollstreckt werden. Die Justizsysteme der 27 Mitgliedstaaten sollten kohärent und effizient unter Wahrung der nationalen Rechtstraditionen interagieren können.
Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ist der Eckstein des europäischen Rechtsraums. In den vergangenen Jahren wurden in diesem Bereich bedeutende Fortschritte erzielt, die konsolidiert und entschlossen umgesetzt werden müssen. Diese Fortschritte können jedoch nur dann konkrete Gestalt annehmen, wenn das Vertrauen der im Justizwesen tätigen Akteure untereinander gestärkt wird.
Die Entwicklung eines europäischen Rechtsraums setzt einen gemeinsamen Mindestbestand an Rechtsnormen in der Europäischen Union voraus. Dies gilt ganz besonders für die Bekämpfung bestimmter Formen der grenzüberschreitenden Schwerkriminalität, aber auch für die effiziente Umsetzung der EU-Politik.
In einem europäischen Rechtsraum muss der Zugang zum Recht erleichtert werden, damit Bürger ihre Rechte überall in der EU geltend machen können. Den Wirtschaftsteilnehmern müssen die notwendigen Instrumente an die Hand gegeben werden, damit sie die Möglichkeiten des Binnenmarkts - gerade in Krisenzeiten - voll ausschöpfen können.
3.1. Weitere Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung
In Zivilsachen müssen gerichtliche Entscheidungen direkt vollstreckt werden können, ohne dass es hierzu weiterer Zwischenmaßnahmen bedarf. Dies bedeutet, dass das Exequaturverfahren für Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, von dem immer noch zu häufig Gebrauch gemacht werden muss, um Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten vollstrecken lassen zu können, generell abgeschafft werden muss. Auf das Exequaturverfahren kann jedoch erst dann verzichtet werden, wenn die Kollisionsnormen in den betreffenden Bereichen harmonisiert worden sind.
Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung könnte auf Rechtsbereiche ausgeweitet werden, die den Alltag der Bürger wesentlich prägen: z.B. Erb- und Testamentsrecht, Ehegüterrecht und vermögensrechtliche Folgen einer Trennung.
Die einschlägigen Rechtsinstrumente sollten in einem Kodex der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen zusammengefasst werden, um ihre Handhabung zu erleichtern.
In Strafsachen muss das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung für alle Verfahrensabschnitte gelten. Bei der gegenseitigen Anerkennung von Strafurteilen wurden bereits große Fortschritte erzielt.
Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung muss darüber hinaus auch für andere Arten von Entscheidungen gelten, die je nach Mitgliedstaat straf- oder verwaltungsrechtlichen Charakter haben können. So müssen beispielsweise besondere Schutzvorkehrungen, die für Zeugen oder Opfer getroffen werden, auch in anderen Mitgliedstaaten wirksam sein. In gleicher Weise müssen bestimmte Geldbußen, die je nach Mitgliedstaat straf- oder verwaltungsrechtlicher Natur sind, in anderen Mitgliedstaaten vollstreckt werden können, z.B. wenn sie der Sicherheit im Straßenverkehr oder ganz allgemein der Durchsetzung der EU-Politik dienen.
Die EU muss mit Blick auf die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen, die Rechtsverluste zum Gegenstand haben, den systematischen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fördern. Rechtsverluste, die für die Sicherheit der Bürger oder für das Wirtschaftsleben von besonderer Bedeutung sind, müssen vorrangig angegangen werden. Hierzu zählen u. a. Berufsverbote, der Entzug der Fahrerlaubnis, das Verbot, ein Unternehmen zu leiten, oder der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. In Anbetracht der derzeitigen Wirtschaftskrise muss die EU ganz besonders darauf achten, dass sich missbräuchliche Verhaltensweisen, die dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts abträglich sind, nicht ungestraft von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat weiterverbreiten.
3.2. Stärkung des Vertrauens
Die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung hat zur Folge, dass auf einzelstaatlicher Ebene ergangene Entscheidungen Auswirkungen in allen anderen Mitgliedstaaten haben, insbesondere auf deren Justizsystem. Um aus der gegenseitigen Anerkennung vollen Nutzen ziehen zu können, bedarf es vertrauensbildender Maßnahmen.
Die Anwendung der Rechtsvorschriften in der Praxis muss besser begleitet werden, inbesondere bei den Personen, die die Vorschriften anwenden müssen. Eurojust und die europäischen Netze für Zivil- und Strafsachen müssen stärker herangezogen werden, damit das europäische Recht von allen Rechtsanwendern besser und effizienter angewandt wird. Den Justizbehörden müssen darüber hinaus konkrete - vor allem elektronische - Hilfsmittel an die Hand gegeben werden (z.B. Übersetzungshilfen, sichere Kommunikationssysteme, Videokonferenzen usw.).
Im europäischen Rechtsraum hat zwar jedes nationale Rechtssystem seinen Platz; das heißt jedoch nicht, dass die Vielfalt dieser Systeme eine Quelle gegenseitigen Unverständnisses sein darf. Es ist daher unerlässlich, dass den Angehörigen der Rechtsberufe mehr Möglichkeiten für einen Austausch geboten werden. Die diversen Netzwerke müssen mit Hilfe der EU ausgebaut, koordiniert und besser strukturiert werden. Die Arbeitsweise des Rechtsforums muss optimiert werden.
Es ist von grundlegender Bedeutung, dass das Bildungsangebot für alle Rechtsberufe einschließlich im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit systematisch erweitert wird. Bis zum Ablauf des Mehrjahresprogramms sollte für alle neuen Richter und Staatsanwälte ein europäisches Modul im Lehrprogramm vorgesehen werden: zumindest die Hälfte der Richter und Staatsanwälte in der EU sollte an einem solchen Lehrgang oder an einem Austausch mit Kollegen aus einem anderen Mitgliedstaat teilgenommen haben. Die Zuständigkeit hierfür liegt in erster Linie bei den Mitgliedstaaten, die von der EU finanziell unterstützt werden müssen. Das Europäische Netzwerk für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten (European Judicial Training Network - EJTN) sollte ausgebaut und mit einer Struktur und Mitteln ausgestattet werden, die seinem Anspruch gerecht werden. Darüber hinaus gilt es, Fernlehrgänge (elearning) und gemeinsame Lehrmaterialien für die Juristenfortbildung im Bereich der europäischen Verfahren zu entwickeln (Beziehungen zum EuGH, Anwendung der Mechanismen der gegenseitigen Anerkennung und der justiziellen Zusammenarbeit, Rechtsvergleichung usw.). Schulungen im Europarecht müssen systematischer Bestandteil der Aus- und Fortbildung aller neuen Richter und Staatsanwälte sein.
Wie in anderen Bereichen auch muss die Ausweitung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung im Bereich der Justiz mit einer umfassenden Evaluierung einhergehen, die insbesondere bei der Effizienz der Rechtsinstrumente und Gemeinschaftspolitiken ansetzen muss. Dabei werden gegebenenfalls auch die Hindernisse zutage treten, die dem reibungslosen Funktionieren des europäischen Rechtsraums entgegenstehen. Die Evaluierung sollte regelmäßig erfolgen und zu einer besseren Kenntnis der nationalen Systeme und der Herausbildung vorbildlicher Praktiken beitragen.
Die EU sollte deshalb die Bemühungen der Mitgliedstaaten um eine Verbesserung der Qualität ihrer Justizsysteme durch die Förderung des Austauschs bewährter Praktiken und die Entwicklung innovativer Projekte zur Modernisierung der Rechtspflege unterstützen2. Hierzu könnte in der nächsten Zeit ein Pilotprogramm aufgelegt werden.
In den Drittstaaten und insbesondere in den Beitrittsländern nutzt die EU Instrumente wie Partnerschaftsprogramme oder Peer Reviews, um die Reform des Justizwesens zu unterstützen und den Rechtsstaat zu stärken. Diese Initiativen müssen fortgesetzt werden.
3.3. Schaffung eines gemeinsamen Sockels an Mindestnormen
Die Entwicklung eines europäischen Rechtsraums erfordert eine gewisse Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten.
In Strafsachen, insbesondere bei terroristischen Straftaten, der organisierten Kriminalität und bei Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU, ist nur ein Vorgehen auf europäischer Ebene Erfolg versprechend. Die Angleichung des materiellen Strafrechts muss deshalb in Bezug auf bestimmte schwere, typischerweise grenzüberschreitende Straftaten fortgeführt werden. Für diese müssen gemeinsame Straftatbestände und Strafen festgelegt werden. Eine solche Rechtsangleichung erlaubt eine umfassendere Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung und hat in manchen Fällen zur Folge, dass es kaum noch möglich ist, die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung aufgrund der einschlägigen Versagungsgründe abzulehnen.
Auch in anderen Bereichen der EU-Politik wie zum Teil im Umweltschutz oder in der Verkehrspolitik könnte es sich zur wirksamen Durchführung dieser Politik als erforderlich erweisen, im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemeinsame Straftatbestände und Sanktionen festzulegen.
In Zivilsachen müssen auf europäischer Ebene Mindestnormen zu bestimmten Aspekten des Zivilverfahrens, die mit dem Erfordernis der gegenseitigen Anerkennung zusammenhängen, festgelegt werden. Auch für die Anerkennung von Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen (einschließlich Sorgerechtsentscheidungen), bedarf es solcher Mindestnormen. Für das reibungslose Funktionieren des europäischen Rechtsraums ist es mitunter erforderlich, dass ein nationales Gericht das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwendet. Die EU muss überlegen, wie die derzeit unterschiedlichen Vorgehensweisen vereinheitlicht werden können.
3.4. Die Vorteile eines europäischen Rechtsraums für die Bürger
3.4.1. Erleichterung des Zugangs zur Justiz
Die Möglichkeiten des europäischen Rechtsraums können nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn der Zugang zur Justiz erleichtert wird. Dies gilt vor allem für Verfahren mit grenzübergreifendem Bezug. Die im Bereich der Prozesskostenhilfe bestehenden Maßnahmen müssen verstärkt werden. Parallel dazu müssen die alternativen Verfahren zur Streitbeilegung, insbesondere im Verbraucherschutz, weiter verbessert werden.
Den Bürgern muss die Überwindung von Sprachbarrieren erleichtert werden, die ihnen den Zugang zum Recht erschweren können: z.B. durch einen vermehrten Einsatz maschineller Übersetzungshilfen, wo dies möglich ist, durch das Bemühen um eine bessere Qualität der Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in der Justiz, durch die gemeinsame Nutzung der verfügbaren Ressourcen in den Mitgliedstaaten, insbesondere mithilfe einer Vernetzung der Dolmetscher-Übersetzer-Datenbanken, sowie durch die Erbringung von Dolmetschleistungen per Videokonferenz. E-Justiz bietet hier ausgezeichnete Möglichkeiten. Über das europäische Portal werden sich die Bürger besser über ihre Rechte informieren und auf Informationen über die verschiedenen Rechtssysteme zugreifen können. Videokonferenzen müssen häufiger zum Einsatz gelangen, beispielsweise um Opfern und Geschädigten unnötige Reisen zu ersparen. Bestimmte EU-Verfahren (z.B. das europäische Mahnverfahren oder Verfahren über geringfügige Forderungen) könnten mittelfristig online abgewickelt werden. Vorgesehen ist auch im Einklang mit den Datenschutzbestimmungen die schrittweise Vernetzung einer Reihe von nationalen Registern (z.B. Insolvenzregister natürlicher und juristischer Personen).
Ein Hindernis oder eine unverhältnismäßige Belastung sind auch bestimmte Formalitäten im Zusammenhang mit der Legalisation von Urkunden. Angesichts der Möglichkeiten, die der Einsatz neuer Technologien einschließlich die Einführung digitaler Unterschriften bietet, sollte die EU erwägen, die Legalisation öffentlicher Urkunden im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten vollständig aufzuheben. Gegebenenfalls könnte an die Einführung einer europäischen öffentlichen Urkunde gedacht werden.
Die EU wird ihre Regelungen zum Opferschutz weiter ausbauen und die Einrichtungen, die konkrete Hilfe leisten, insbesondere über die europäischen Netzwerke stärker unterstützen.
3.4.2. Unterstützung der Wirtschaft
In einem europäischen Rechtsraum muss gerade in Krisenzeiten für einen geregelten Ablauf der Wirtschaftstätigkeit im Rahmen des Binnenmarkts gesorgt werden.
Verfahren müssen schneller abgeschlossen und gerichtliche Entscheidungen effizienter vollstreckt werden. Hierzu sollen einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen beitragen (z.B. durch ein EU-weites Verfahren zur Sperrung von Bankguthaben und durch Gewährleistung einer größeren Transparenz des Schuldnervermögens).
Vertragsverhältnisse müssen rechtlich sicherer gestaltet werden. Die Unterschiede im einzelstaatlichen Vertragsrecht der Mitgliedstaaten können Wirtschaftsteilnehmer daran hindern, das Potenzial des Binnenmarkts voll auszuschöpfen.
Auf der Grundlage bereits vorhandener Arbeiten sollten Musterverträge in mehreren Sprachen bereitgestellt werden, an denen sich Private oder KMU bei der Gestaltung ihrer Vertragsverhältnisse orientieren können.
Darüber hinaus könnte eine fakultative, rein europäische Regelung für Unternehmen ins Auge gefasst werden (zusätzlich zu den 27 einzelstaatlichen Regelungen). Diese Regelung würde wie ähnliche Regelungen in anderen Binnenmarktbereichen - z.B. die Verordnung über die Europäische Aktiengesellschaft, die Verordnung über die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung oder die Verordnung über die Gemeinschaftsmarke - die Entwicklung des innergemeinschaftlichen Handels begünstigen und einheitliche, direkt anwendbare Vorschriften bereitstellen.
Eine Regelung des Gesellschaftsrechts würde zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beitragen. Hier sind Maßnahmen unterschiedlicher Art denkbar: Festlegung gemeinsamer Kollisionsnormen zur Bestimmung des Rechts, das für Gesellschaften, Versicherungsverträge und die Abtretung von Forderungen maßgebend ist, sowie Angleichung der einzelstaatlichen Insolvenzverfahren für Banken.
Die derzeitige Finanzkrise hat deutlich gezeigt, dass die Finanzmärkte reguliert und missbräuchliche Verhaltensweisen unterbunden werden müssen. Im Zusammenhang mit der Richtlinie über Marktmissbrauch läuft derzeit eine Studie, deren Ergebnisse in Kürze vorliegen werden. Die EU könnte erforderlichenfalls strafrechtliche Sanktionen für Betrugshandlungen ins Auge fassen, die das Finanzsystem und die Wirtschaft in der Europäischen Union gefährden können.
3.5. Stärkung der internationalen Präsenz der EU in rechtlichen Fragen
Die Europäische Union muss mit ihren wichtigsten Handelspartnern ein Netz bilateraler Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung zivil- und handelsrechtlicher Entscheidungen knüpfen, um auf diese Weise den Außenhandel zu fördern und gleichzeitig den freien Personenverkehr zu erleichtern. Eine Option könnte darin bestehen, den wichtigsten Partnern der EU den Beitritt zum neuen Luganer Übereinkommen (über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) anzubieten. In Frage kämen auch weitere Arbeiten in den Bereichen Zustellung von Schriftstücken und Beweisaufnahme.
Im Bereich des Strafrechts müssen Prioritäten für die Aushandlung von Rechtshilfe- und Auslieferungsabkommen festgelegt werden. Die EU wird sich darüber hinaus für die internationale justizielle Zusammenarbeit einsetzen und den Austausch bewährter Praktiken und Erfahrungen mit Drittstaaten fördern.
Die Europäische Union muss das Justizwesen in den Partnerländern weiter unterstützen mit dem Ziel, dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in der Welt Geltung zu verschaffen. Sie wird sich weiter dafür einsetzen, dass Todesstrafe und Folter abgeschafft und andere Formen der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung geächtet werden.
4. Ein Europa, das Schutz bietet
Europa stellt die nötigen Rahmenbedingungen für den Schutz der Bürger vor grenzüberschreitenden Bedrohungen. Die Europäische Union muss eine Strategie der inneren Sicherheit entwickeln, die mit den Grundrechten vereinbar ist und der ein gemeinsames Verständnis der Problematik zugrunde liegt. In dieser Strategie muss sich eine wirkliche Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zeigen. Sie wird klarstellen, wofür die nationalen Behörden zuständig sind und was hingegen wirksamer auf Ebene der EU durchgeführt werden kann. Die Strategie muss sich auf Entscheidungsstrukturen stützen können, die die operativen Schwerpunkte vorgeben. Mithilfe der Strategie wird es leichter sein, Ressourcen in koordinierten Aktionsbereichen zu mobilisieren, so dass die Entstehung von großen Gefahren für Personen und die Gesellschaft insgesamt verhindert und die Hauptbedrohungen beherrscht werden können.
Die Strategie wird eine nützliche Ergänzung zur EU-Strategie für die externe Sicherheit sein, indem sie eine engere Verbindung zwischen internen und externen Maßnahmen schafft.
4.1. Ausbau des Instrumentariums
Für die Sicherheit der EU bedarf es eines integrierten Ansatzes, bei dem die im Bereich der Sicherheit Tätigen eine gemeinsame Sicherheitskultur haben, den Informationsaustausch optimieren und auf eine angemessene technische Infrastruktur zurückgreifen können.
4.1.1. Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheitskultur
Damit sich die nationalen Akteure allmählich mit dem europäischen Raum als ihrem Betätigungsfeld identifizieren, muss das gegenseitige Vertrauen noch erheblich verbessert werden. Dazu müssen verstärkt Erfahrungen und gute Praktiken unter allen einschlägig tätigen Berufsgruppen ausgetauscht werden, insbesondere was Fragen der Ethik anbelangt, und es müssen gemeinsame Schulungen und Einsatzübungen durchgeführt werden. Hierfür müssen ehrgeizige Ziele festgelegt werden, beispielsweise könnte vorgegeben werden, dass ein Drittel der Polizei- und Grenzschutzkräfte in Europa in den nächsten fünf Jahren an Fortbildungsmaßnahmen zu Europa betreffenden Aspekten teilnehmen müssen.
Es müssen spezielle Austauschprogramme (nach dem "Erasmus"-Modell) eingeführt werden. Dabei kann von Fall zu Fall beschlossen werden, Drittländer, wie Beitrittskandidaten oder Nachbarländer, gezielt einzubeziehen.
4.1.2. Informationsmanagement
Für die Sicherheit der EU bedarf es leistungsfähiger Systeme für den Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden und den europäischen Stellen. Die EU braucht daher ein europäisches Informationsmodell mit einer verstärkten strategischen Analysekapazität und gleichzeitig einer besseren Erfassung und Verarbeitung operativer Informationen. Dieses Modell muss die bestehenden Strukturen, einschließlich der Zollbehörden, berücksichtigen und auch den Schwierigkeiten des Informationsaustauschs mit Drittstaaten gerecht werden.
Zum einen ist Folgendes festzulegen:
- - Kriterien für die Erfassung, Weitergabe und Verarbeitung der Informationen, die aus Sicherheitsgründen gespeichert wurden, unter Beachtung der Datenschutzgrundsätze,
- - ein Beobachtungsinstrument, um feststellen zu können, ob der Informationsaustausch funktioniert,
- - Methoden zur Bestimmung des künftigen Bedarfs,
- - die Grundlinien einer Politik für den grenzüberschreitenden Informationsaustausch im Zusammenhang mit Sicherheitsmaßnahmen unter Beachtung der strengen Datenschutzanforderungen.
Zum anderen muss die EU ihre Kapazität zur Auswertung und Synthese der ihr zur Verfügung stehenden strategischen Informationen erheblich ausbauen. In dieser Hinsicht müssen die Synergien zwischen Europol und FRONTEX weiterentwickelt werden. Auch müssen die Netze von Verbindungsbeamten in den Mitgliedstaaten oder Drittstaaten besser koordiniert und hierfür eingesetzt werden. Dadurch sollte es möglich werden, bei Einsätzen schneller über die nötigen Maßnahmen zu entscheiden.
4.1.3. Mobilisierung der erforderlichen technischen Instrumente
Die neuen Technologien müssen mit den Entwicklungen der Mobilität mitziehen und diese unterstützen, gleichzeitig aber auch die Sicherheit und Freiheit des Einzelnen gewährleisten helfen.
Zu diesem Zweck müssen Maßnahmen eingeführt werden, die die Netz- und Informationssicherheit in der gesamten Europäischen Union umfassend garantieren. Die Sicherheitsvorsorge und die Ausfallsicherheit der kritischen Infrastrukturen, auch im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und der IKT-Dienste, müssen verbessert werden.
Beim Aufbau eines europäischen Informationsmodells sollte die EU gestützt auf ihre Erfahrungen gleich eine ganze Informationssystemarchitektur ins Auge fassen. Eine solche Architektur wird die Interoperabilität der von den Ländern gewählten technischen Lösungen und der bestehenden oder künftigen europäischen Systeme sowie deren aufeinander abgestimmte und bedarfsgerechte Weiterentwicklung gewährleisten. Sie wird zudem Größenvorteile bieten, wenn nach und nach mehr Systeme einbezogen werden. Schließlich ermöglicht sie eine Planung der Investitionen auf einzelstaatlicher Ebene in die Ziele der Strategie der inneren Sicherheit.
Forschung und Entwicklung im Bereich der Sicherheit müssen mit den Schwerpunkten der Strategie der inneren Sicherheit abgestimmt sein und sich auf die Verbesserung der Interoperabilität, die Ermittlung des Bedarfs und der in Frage kommenden Technologien, die Validierung der Ergebnisse und die Entwicklung geeigneter Standards konzentrieren. Die Forschungsanstrengungen müssen auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Benutzer ausgerichtet sein und müssen von öffentlichprivaten Partnerschaften unterstützt werden, wie das ESRIF zeigt3. Beim Einsatz der Mittel, die für Forschung und technologische Entwicklung zur Verfügung stehen, müssen die Erwartungen der Nutzer voll und ganz erfüllt werden. Längerfristig könnte die Einrichtung eines Fonds für die innere Sicherheit in Erwägung gezogen werden.
4.2. Wirksame Strategien
Die Strategie der inneren Sicherheit muss um drei sich ergänzende und nicht mehr voneinander zu trennende Handlungsachsen herum angelegt sein: Ausbau der polizeilichen Zusammenarbeit, eine geeignete Strafjustiz und eine bessere Kontrolle des Zugangs zum Hoheitsgebiet der Union.
4.2.1. Wirksamere Zusammenarbeit der Polizeibehörden in Europa
Erstes Ziel der polizeilichen Zusammenarbeit ist die Bekämpfung typischer grenzübergreifender Straftaten. Hier kann die EU beweisen, dass ein Handeln auf ihrer Ebene einen Zusatznutzen bringt. Das europäische Informationsmodell wird den operativen Diensten die Arbeit erleichtern, indem es den bestehenden Datenaustauschsystemen eine Struktur gibt.
Es gilt, das Potenzial von Europol besser zu nutzen; die Behörde muss systematisch über den Einsatz von gemeinsamen Untersuchungsteams informiert werden und in wichtige grenzüberschreitende Operationen einbezogen werden. Wenn klar ist, welche Arten von Daten auszutauschen sind, müssen Verfahren für die automatische Datenübertragung an Europol eingerichtet werden. Europol muss zudem seine Verbindungen zu Eurojust ausbauen, damit die gerichtliche Weiterverfolgung der Fälle, mit denen es befasst ist, gewährleistet ist. Schließlich könnte Europol die Schulungsaufgaben der Europäischen Polizeiakademie (EPA) übernehmen.
Europol muss darüber hinaus seine internationale Dimension verstärken und die Beziehungen zu Nachbarregionen und -staaten der EU ausbauen. Die Behörde sollte auch die Verbindungen zu den ESVP-Missionen der Polizei intensivieren sowie Standards und gute Praktiken für die polizeiliche Zusammenarbeit auf europäischer Ebene in Drittländern propagieren.
Allgemein bedarf es für eine wirksame polizeiliche Zusammenarbeit engerer Verbindungen zu den Drittstaaten. Die EU muss bei Bedarf Abkommen über die polizeiliche Zusammenarbeit schließen. Dabei ist darauf zu achten, dass sich die Maßnahmen der EU und die der Mitgliedstaaten noch stärker ergänzen.
Ein weiteres prioritäres Ziel besteht darin zu verhindern, dass Straftäter den Raum ohne Grenzen dazu nutzen, sich Untersuchungen und der Strafverfolgung zu entziehen. Auf welcher Ebene (regionaler, nationaler, europäischer oder internationaler) eine Zusammenarbeit stattfinden sollte, hängt davon ab, wo Operationen am wirksamsten wären. Zwischen einzelstaatlichen, europäischen und internationalen Stellen (Europol, OLAF, wenn es um den Schutz der finanziellen Interessen der EU geht, Interpol) müssen Synergieeffekte entwickelt werden. Die Projekte der grenzüberschreitenden Regionalzusammenarbeit müssen ausgeweitet und vernetzt werden. So sollte ein Modell für ein Zentrum für die Zusammenarbeit von Polizei- und Zollbehörden entwickelt werden, das bei Ereignissen wie Sportwettkämpfen (Olympiade 2012, EM 2012 usw.) oder Großveranstaltungen zum Einsatz kommt, und Pilotvorhaben zur grenzüberschreitenden Bewertung der Kriminalitätsrisiken sollten durchgeführt werden.
Schließlich ist es für die EU von entscheidender Bedeutung, dass sie in der Lage ist, Informationen zu vergleichen und präventiv mehr zu tun sowohl gegen das organisierte Verbrechen als auch gegen die Alltagskriminalität. Um die Wirkung ihrer Politik bewerten zu können, braucht die EU Statistikwerkzeuge zur Messung der kriminellen Aktivitäten. Darüber hinaus muss ein gemeinsames Konzept entwickelt werden, das den lokalen und nationalen Stellen (sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der Zivilgesellschaft) einen Rahmen für ihr Vorgehen bietet. Dieser Rahmen wird auf dem Austausch guter Praktiken und der Festlegung gemeinsamer operativer Standards sowie von Bewertungsmethoden aufbauen. Die Tätigkeit des Europäischen Netzes für Kriminalitätsverhütung (EUCPN) muss im Hinblick auf eine bessere Nutzung seines Potenzials einer Bewertung unterzogen werden. Soweit möglich, ist die gezielte Teilnahme von Beitrittsländern geplant.
4.2.2. Eine Strafjustiz zum Schutz der Bürger
Im Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität darf die Strafverfolgung nicht durch Unterschiede in den Rechtssystemen der verschiedenen Mitgliedstaaten behindert werden.
Die EU braucht ein umfassendes System für die Beweiserhebung in grenzüberschreitenden Angelegenheiten. Das muss auch eine Europäische Beweisanordnung umfassen, die alle bisherigen rechtlichen Instrumente ersetzt. Diese Anordnung, die in der gesamten EU automatisch anerkannt wird und Gültigkeit hat, wird eine flexible und effiziente Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördern. Sie wird feste Ausführungsfristen vorsehen, eine Ablehnung wird nur in ganz begrenzten Fällen möglich sein. Zu prüfen sind außerdem:
- - eine europäische Regelung für die Zulassung elektronischer Belege,
- - ein europäisches System für Anweisungen, Personen zwangsweise vorzuführen, unter Berücksichtigung der Videokonferenzmöglichkeiten,
- - Mindeststandards für die gegenseitige Anerkennung von Beweismitteln unter den Mitgliedstaaten, darunter auch wissenschaftlicher Beweise.
Unter Berücksichtigung der jüngsten Änderungen an seinem Rechtsrahmen muss auch Eurojust weitere Befugnisse erhalten, insbesondere bei Untersuchungen im Bereich des grenzüberschreitenden organisierten Verbrechens.
Der Aufbau des Europäischen Strafregisterinformationssystems (ECRIS) muss weiter vorangetrieben werden, wobei der Informationsaustausch einer Bewertung zu unterziehen ist. Durch die Vernetzung der einzelstaatlichen Strafregister sollten bestimmte Straftaten verhindert werden können (beispielsweise im Zusammenhang mit bestimmten Berufstätigkeiten, vor allem in der Kinderbetreuung). Außerdem sollten auch in der EU verurteilte Drittstaatsangehörige im ECRIS erfasst werden.
Gleichzeitig müssen die Verteidigungsrechte gestärkt werden. Dies ist nicht nur zum Schutz individueller Ansprüche von wesentlicher Bedeutung, sondern schafft auch gegenseitiges Vertrauen unter den Mitgliedstaaten und stärkt das Vertrauen der Bürger in die EU. Auf der Grundlage eines nach Themen strukturierten Aktionsplans können auch der Grundsatz der Unschuldsvermutung und Regeln für die Untersuchungshaft (Haftdauer und Überprüfung der Haftgründe) in die Arbeiten an gemeinsamen Mindestgarantien einbezogen werden.
Da Haftanstalten zu oft Brutstätten der Kriminalität und Radikalisierung sind, wäre hier an ein Gemeinschaftsprogramm zu denken, mit dem Pilotprojekte in den Mitgliedstaaten zur Förderung von Alternativen zu Haftstrafen finanziell unterstützt werden könnten.
4.2.3. Bessere Sicherung des Zugangs zur EU
In einer zunehmend globalisierten Welt muss die EU durch ein integriertes Konzept für die Kontrolle des Zugangs zum EU-Gebiet für mehr Mobilität sorgen und gleichzeitig den Schutz der Bürger gewährleisten.
4.2.3.1. Kontrolle und Überwachung der Grenzen
Ein integriertes Grenzmanagement setzt die weitere Modernisierung des Schengen-Besitzstands und den Ausbau der Kooperationen voraus, so dass die Kontrollziele für den Güter- und den Personenverkehr besser koordiniert werden können. Ein hohes Maß an innerer Sicherheit muss mit der uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte und der Garantie von internationalem Schutz Hand in Hand gehen.
Auch muss über FRONTEX die operative Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten verbessert werden. Die Agentur hat in einem künftigen integrierten System für die Überwachung der Außengrenzen eine wichtige Rolle zu spielen. Ihre operativen Kapazitäten müssen insbesondere durch künftige Regionalbüros und/oder Fachbüros weiter ausgebaut werden: die Übertragung der Befehlsgewalt bei gemeinsamen Operationen auf freiwilliger Basis, der Einsatz von Eigenmitteln, die Erleichterung der Mobilisierung von Einsatzpersonal für Operationen dürften hier vorrangige Maßnahmen sein.
Die Kontrollen (Sicherheits-, Einwanderungs-, Zollkontrollen) an den Grenzübergängen müssen vor allem durch die Trennung von Privat- und Geschäftsreisenden an den Kontrollstellen rationalisiert werden. In bestimmten Fällen sind dazu bauliche Veränderungen an den bestehenden Grenzübergängen und der verstärkte Einsatz neuer Technologien (biometrische Identifikatoren usw.) nötig. Durch eine engere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden werden die Verfahren vereinfacht, wodurch die Unannehmlichkeiten beim Überschreiten der Grenzen verringert werden. Auch können dadurch die Ressourcen optimal eingesetzt werden.
Besondere Aufmerksamkeit ist schutzbedürftigen Personen und Personengruppen zu schenken. Die Erfordernisse der Gewährung von internationalem Schutz und der Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger müssen hier Priorität haben. Beim Aufgreifen von Personen an den Außengrenzen müssen sich FRONTEX und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen unbedingt abstimmen. Die Europäische Union sollte auch eine Klärung der internationalen Vorschriften in Bezug auf die Kontroll- und Überwachungsanforderungen an den Seegrenzen in Erwägung ziehen, ohne die grundlegenden Rettungsverpflichtungen auf See in Frage zu stellen.
Das Europäische Grenzüberwachungssystem (EUROSUR) wird weiter ausgebaut. Bis 2013 sollte ein Datenaustauschsystem für die bei der Überwachung der Ost- und Südgrenzen erfassten Informationen zwischen den Mitgliedstaaten und FRONTEX aufgebaut sein.
Die Europäische Union wird sich für den Aufbau von Verbindungen zur Drittstaaten und den Ausbau bestehender Verbindungen im Bereich des integrierten Grenzmanagements einsetzen.
4.2.3.2. Informationssysteme
Der Aufbau der Systeme SIS-II und VIS4 wird abgeschlossen, womit sie voll funktionsfähig sein werden. Die Verwaltung der Systeme könnte durch die Einrichtung einer neuen Agentur eine feste Struktur erhalten.
Vorgesehen sind ein elektronisches Registriersystem für Ein- und Ausreisen in die bzw. aus den Hoheitsgebieten der EU-Mitgliedstaaten sowie Programme für registrierte Reisende (RTP). Eine neue Agentur könnte diese Systeme, die 2015 operationell sein sollen, entwickeln. Die EU wird auch über die mögliche Einführung eines europäischen Vorabgenehmigungssystems für Reisen entscheiden.
4.2.3.3. Visumpolitik
Die EU muss zunächst die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente wirksam einsetzen. Der gerade in Kraft getretene Visakodex und das VIS, das schrittweise eingeführt wird, werden mehr Kohärenz und Wirksamkeit gewährleisten. Darüber hinaus ist die Visumpolitik ein wichtiges außenpolitisches Instrument der EU. Sie muss daher Teil eines umfassenderen Konzepts sein, in dem alle innen- und außenpolitischen Prioritäten berücksichtigt sind.
Die schrittweise Einführung des VIS wird flankiert von regionalen Programmen der konsularischen Zusammenarbeit. Diese sehen u.a. Folgendes vor: Schulung des konsularischen Personals der Mitgliedstaaten in europäischen Angelegenheiten, systematische Planung der Einrichtung gemeinsamer Visumantragsstellen oder von Vertretungsvereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten, Informations- und Sensibilisierungskampagnen in den betreffenden Ländern und Einführung eines regelmäßigen Dialogs mit diesen Ländern.
Im Rahmen dieser strategischen Planung sollte die Zweckmäßigkeit weiterer Visaerleichterungsabkommen bewertet werden. Voraussetzung für den Abschluss entsprechender Verhandlungen, in die auch die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt einbezogen werden muss, ist die Verfügbarkeit biometrischer Reisepässe.
Im Rahmen einer systematischen Bewertung der Situationen der betreffenden Drittstaaten werden die vorhandenen Positiv- und Negativlisten regelmäßig überprüft. Dabei werden folgende Bewertungskriterien angelegt: die Fälschungssicherheit von Reisedokumenten, die Gründlichkeit der Grenzkontrollen, die konkrete Umsetzung der Asyl- und Einwanderungspolitik, die Wirksamkeit der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und die Achtung der Menschenrechte, die Vereinbarkeit mit der außenpolitischen Linie der EU gegenüber dem betreffenden Staat. Die Möglichkeiten des politischen Dialogs sind hierbei voll auszuschöpfen.
Die EU muss jedoch darüber hinaus auch die Einführung eines einheitlichen Schengen-Visums in Erwägung ziehen. Dieses Visum sollte nach Möglichkeit von einer gemeinsamen konsularischen Stelle auf der Grundlage von Kriterien ausgestellt werden, die die Gleichbehandlung der Antragsteller garantieren. Zudem sollte bei der Prüfung von Visumanträgen die durch eine bestimmte Staatsangehörigkeit begründete Risikovermutung allmählich durch die Bewertung des mit der jeweiligen Person verbundenen Risikos ersetzt werden. Diese Änderung bei der Risikobewertung wird durch die geplante Einführung von Informationssystemen zur Erfassung von Informationen über Personen vor dem Antritt einer Reise in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ermöglicht.
4.3. Gemeinsame Ziele
Die EU kann bei der Bekämpfung bestimmter Bedrohungsarten, die ein abgestimmtes Vorgehen besonders erfordern, einen echten Mehrwert bieten. Die Strategie der inneren Sicherheit muss sich auf diese Bereiche konzentrieren.
4.3.1. Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität
Europa muss in seiner Verbrechensbekämpfungspolitik Schwerpunkte setzen und bestimmte Arten von Straftaten auswählen, gegen die es erstrangig vorgehen möchte. Diese Pilotaktionsbereiche werden als "Ideen- und Methodenschmiede" dienen. Zum Kampf gegen diese Verbrechen bedarf es eines systematischen Informationsaustausches, des umfassenden Einsatzes europäischer Untersuchungswerkzeuge und ggf. der Entwicklung von gemeinsamen Ermittlungs- und Präventionsmethoden. Die so getesteten Methoden können später auch auf andere Formen der grenzübergreifenden Schwerkriminalität übertragen werden, wie auf den Waffenhandel und die Seeräuberei.
Menschenhandel
Da es sich beim Menschenhandel um eine schwere Menschenrechtsverletzung handelt, müssen zu dessen Bekämpfung sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt werden, wobei die Verhütung mit der Verfolgung und dem Opferschutz verbunden werden müssen.
Bei den Präventivmaßnahmen muss die Zivilgesellschaft stärker einbezogen und die Koordinierung zwischen den Behörden, Diensten, Netzen und zuständigen Stellen verbessert werden. Die Drittländer müssen angehalten werden, die einschlägigen internationalen Übereinkünfte zu ratifizieren und anzuwenden.
In den konsularischen Diensten in den Herkunftsländern müssen Kampagnen gegen Betrug bei der Ausstellung von Visa durchgeführt werden. In Zusammenarbeit mit den Behörden vor Ort könnten in den Herkunftsländern Informationskampagnen für potenzielle Opfer, besonders Frauen und Kinder, eingeleitet werden.
Im Kampf gegen Schleppernetze müssen in Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und den Transitländern auch nachrichtendienstliche Tätigkeiten und strategische Analysen durchgeführt werden. Auch müssen die Grenzkontrollen verschärft werden, um den Menschenhandel zu verhindern, vor allem, wenn es um Minderjährige geht.
Die Opfer müssen geschützt und durch verschiedene Maßnahmen unterstützt werden: Gewährung der Straffreiheit, Legalisierung des Aufenthalts, Einführung von Entschädigungsregelungen, Hilfe bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft des Herkunftslandes im Fall der freiwilligen Rückkehr, auch um ihre Kooperationsbereitschaft bei Ermittlungen zu fördern.
Sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie
Zwischen 10 % und 20 % der Kinder in Europa laufen Gefahr, Opfer sexueller Übergriffe zu werden. Der Schutz der Kinder dagegen ist ein wichtiger Bestandteil der Strategie zum Schutz der Rechte des Kindes. Die EU muss Präventivmaßnahmen ergreifen. So muss sie den Austausch von Informationen über verurteilte Pädophile zwischen den Mitgliedstaaten fördern, um eine Tatwiederholung zu verhindern.
Im Kampf gegen die Kinderpornographie im Internet ist eine enge Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft unerlässlich, um unter Beachtung der geeigneten Verfahren Websites mit kinderpornographischen Inhalten ausfindig machen und schließen oder blockieren zu können. Europol dürfte hier eine führende Rolle spielen, indem es eine Plattform für die Online-Meldung von Kinderporno-Websites entwickelt, die die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erleichtert. Ergänzend dazu werden im Rahmen des Programms zur Förderung der sichereren Nutzung des Internets ("Safer Internet") 2009-2013 einschlägige Maßnahmen unterstützt.
Schließlich sind aktive Strategien für die Förderung der internationalen Zusammenarbeit wichtig, um kriminellen Internet-Anbietern ihre IP-Adressen entziehen oder Websites außerhalb Europas schnell schließen zu können.
Cyberkriminalität
Die digitale Wirtschaft ist eine wichtige Wachstumsbranche. Die EU muss Maßnahmen Vorrang geben, mit denen die Sicherheit im Netz umfassend garantiert werden kann.
Die EU muss die gerichtliche Zuständigkeit für den Cyberspace und das für ihn geltende Recht klären, um grenzübergreifende Untersuchungen zu erleichtern. Nötig ist ein rechtlicher Rahmen für Kooperationsvereinbarungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Betreibern. Mithilfe solcher Vereinbarungen kann bei einem Angriff auf Datennetze schneller reagiert werden. Darüber hinaus müssen die Maßnahmen der Mitgliedstaaten über ein Netz der zuständigen nationalen Stellen für den Kampf gegen die Cyberkriminalität besser koordiniert werden. Auch hier wird Europol durch die Schaffung einer europäischen Plattform für die Meldung von Straftaten als europäisches Ressourcenzentrum fungieren.
Wirtschaftskriminalität
Die EU muss das Betätigungsfeld einschränken, das die organisierte Kriminalität in einer globalisierten Wirtschaft, insbesondere in Krisenzeiten, die die Anfälligkeit des Finanzsystems noch verstärken, vorfindet und sich mit den entsprechenden Mitteln ausstatten, um dieser Bedrohung wirksam entgegenzutreten. Hierzu müssen die Ermittlungs- und Analysekapazitäten im Bereich der Finanzkriminalität durch Zusammenlegung der Ressourcen erweitert werden. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Fortbildung.
Im Bereich der Geldwäsche ist eine bessere Abstimmung zwischen den zentralen Meldestellen (Financial Intelligence Units) erforderlich. Ihre Analysen könnten auf der Grundlage des europäischen Informationsmodells in eine beispielsweise bei Europol angesiedelte Datenbank über verdächtige Transaktionen einfließen. Zur Feststellung verdächtiger Bargeldbewegungen müssen alle verfügbaren Informationsquellen herangezogen und miteinander abgestimmt werden.
Steuerbetrug und Korruption in der Privatwirtschaft müssen konsequenter verfolgt werden. Auf den Finanzmärkten gilt es, missbräuchliche Praktiken wie Insidergeschäfte und Marktmissbrauch sowie Finanzdelikte frühzeitig zu erkennen. Gegebenenfalls sind strafrechtliche Sanktionen - auch für juristische Personen - vorzusehen.
Beschlagnahmen und Pfändungen sind inzwischen rechtlich geregelt, so dass es jetzt darum geht, so schnell wie möglich ein europäisches Netz der Vermögensabschöpfungsstellen einzurichten.
Die EU muss sich konkrete Ziele in den Bereichen Transparenz und Korruptionsbekämpfung setzen. Es gilt, ausgehend von einer regelmäßigen Evaluierung der von der EU und den Mitgliedstaaten unternommenen Anstrengungen den Austausch bewährter Präventions- und Repressionspraktiken - vor allem im Rahmen des Antikorruptionsnetzes - zu fördern. Auf der Grundlage vorhandener Systeme und gemeinsamer Kriterien sollten darüber hinaus Indikatoren5 entwickelt werden, mit denen sich die Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung messen lassen. Besonders aufmerksam werden Antikorruptionsmaßnahmen in Bereichen verfolgt, die einen Bezug zu den EU-Finanzen aufweisen (öffentliche Aufträge, Finanzkontrolle usw.).
Fälschungen und Nachahmungen sind eine ernste Gefahr für Verbraucher und Wirtschaft gleichermaßen. Die EU muss zum einen zu einer besseren Einschätzung dieses Phänomens gelangen und die Arbeit der künftigen europäischen Beobachtungsstelle für Nachahmungen und Piraterie um eine repressive Komponente ergänzen und sich zum anderen bei den in gewerbsmäßigem Umfang begangenen Straftaten für eine Angleichung der strafrechtlichen Sanktionen im einzelstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten einsetzen (auf der Grundlage von bereits vorliegenden Vorschlägen der Kommission).
Die EU muss darüber hinaus zu einer Ergänzung des internationalen Regelwerks beitragen, um besser gegen diese Form der Wirtschaftskriminalität vorgehen zu können, und die diesbezüglichen Kapazitäten der Partnerländer stärken.
Strategie zur Drogenbekämpfung
In ihrer Strategie zur Drogenbekämpfung (2005-2012) vertritt die EU einen globalen, ausgewogenen Ansatz, der auf einer gleichzeitigen Reduzierung von Angebot und Nachfrage basiert. Diese Strategie wurde für einen bestimmten Zeitraum festgelegt, der während der Laufzeit des Stockholmer Programms endet. Die Antidrogen-Strategie muss auf der Grundlage einer eingehenden Evaluierung des Drogenaktionsplans 2009-2012, die von der Kommission mit Hilfe von Europol und der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht durchgeführt wird, neu formuliert werden.
Die EU muss sich an vier Grundsätzen orientieren:
- - Verbesserung der Koordination und Kooperation auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene, insbesondere im Verhältnis zu bestimmten Regionen in anderen Teilen der Welt
- - Förderung eines geschlossenen Auftretens bei der Darstellung des von der EU vertretenen ausgewogenen Ansatzes ihrer Antidrogen-Strategie in den internationalen Organisationen und gegenüber Drittstaaten
- - Mobilisierung der Zivilgesellschaft unter anderem mit Initiativen wie der Europäischen Aktion Drogen
- - Intensivierung von Forschung und Information im Hinblick auf den Erhalt zuverlässiger Daten.
4.3.2. Verringerung der terroristischen Bedrohung
Die EU muss dafür sorgen, dass mit allen verfügbaren Mitteln gegen den Terrorismus vorgegangen wird. Aufgabe der mitgliedstaatlichen Behörden ist es, Präventionsmechanismen zu entwickeln, die insbesondere eine Früherkennung von Bedrohungen erlauben.
Die Maßnahmen sollten sich vorrangig auf die drei folgenden Bereiche konzentrieren.
Die Initiativen, die sich gegen die Radikalisierung in gefährdeten Milieus (vor allem Haftanstalten und Schulen) richten, müssen ausgeweitet werden. Als Grundlage sollte eine Bewertung der Wirksamkeit der einzelstaatlichen Maßnahmen dienen. Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft muss verstärkt werden, um alle ursächlichen Faktoren zu erfassen und Strategien für den Ausstieg aus dem Terrorismus zu unterstützen. Gleichzeitig muss der interkulturelle und interreligiöse Dialog vertieft werden, um Wissen und Verständnis zwischen den verschiedenen Kultur- und Religionsgemeinschaften zu vermitteln. Auch ein entschlosseneres Vorgehen gegen Fremdenfeindlichkeit soll Radikalisierungstendenzen entgegenwirken.
Die Nutzung des Internets zu terroristischen Zwecken muss stärker überwacht werden. Hierzu müssen unter anderem die Kapazitäten der für die Kontrolle zuständigen Behörden aufgestockt und entsprechende technische Mittel bereitgestellt werden. Privater und öffentlicher Sektor müssen in diesem Bereich enger zusammenarbeiten. Ziel ist es, der Verbreitung terroristischer Propaganda entgegenzuwirken und die Bereitschaft zur praktischen Unterstützung von Terroraktionen zu reduzieren. Die Zusammenarbeit soll auch dazu dienen, die Identifizierung der Mitglieder von Terrornetzwerken zu erleichtern.
Die Instrumente zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung müssen bei neuen potenziellen Schwachstellen des Finanzsystems und neuen Zahlungsmethoden, die sich Terroristen zunutze machen, ansetzen. Diese Instrumente müssen gewährleisten, dass die Finanzströme in geeigneter Weise überwacht werden und dass Personen oder Gruppen, die als Finanzquelle für Terroristen in Frage kommen, auf wirksame und transparente Weise identifiziert werden. Mit Blick auf Wohltätigkeitsorganisationen sind Empfehlungen auszuarbeiten, die auf mehr Transparenz und Verantwortungsbewusstsein in solchen Organisationen abzielen.
Die EU wird darauf achten, dass ihre Politik internationalen Standards entspricht, und wird sich aktiv in den verschiedenen multilateralen Foren, insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen, für die Bekämpfung des Terrorismus einsetzen.
Darüber hinaus sind gezielte Präventionsmaßnahmen erforderlich, um die terroristische Bedrohung in den Griff zu bekommen. Um die Terrorgefahr auf europäischer Ebene analysieren zu können, müssen zusammen mit Europol gemeinsame Parameter festgelegt werden. Vor diesem Hintergrund muss auch das Gemeinschaftsprogramm zum Schutz kritischer Infrastrukturen umgesetzt werden. Zu den kritischen Infrastrukturen gehören neben der Basisinfrastruktur im Verkehrs- und Energiebereich auch andere Einrichtungen, die für die Bevölkerung und das Wirtschaftsleben von zentraler Bedeutung sind, wie z.B. Informatiknetze. Für CBRN-Stoffe (atomare, radiologische, biologische und chemische Stoffe), die für Terroranschläge von besonderen Ausmaßen genutzt werden können, müssen Vorkehrungen getroffen werden, die die Registrierung, Sicherheit und Rückverfolgbarkeit dieser Stoffe garantieren. Hierzu ist eine Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und die Einrichtung eines Warnsystems für verdächtige Transaktionen erforderlich. Des Weiteren müssen der Aktionsplan der EU zu Sprengstoffen umgesetzt und die Informationen über die Sicherheit von Sprengstoffen optimiert werden. Für Grundstoffe muss in Anbetracht der von ihnen ausgehenden Gefahren eine gesetzliche Regelung vorgesehen werden.
5. Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts: Europa übernimmt im Bereich Einwanderung und Asyl Verantwortung und beweist Solidarität
Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung gehört die effiziente Steuerung der Migrationsströme zu den größten Herausforderungen, denen sich die Europäische Union in den kommenden Jahren stellen muss. Die Einwanderung spielt für die Zunahme der EU-Bevölkerung bereits eine wichtige Rolle und wird auf längere Sicht wesentlich zu der wirtschaftlichen Leistung der Europäischen Union beitragen.
Die Entwicklung einer gemeinsamen Einwanderungs- und Asylpolitik wird gemäß der Mitteilung vom Juni 2008 zu den großen Prioritäten der nächsten Jahre gehören. Die Solidarität muss in der gemeinsamen Politik ihre zentrale Bedeutung behalten, und die Europäische Union ist gefordert, die Mitgliedstaaten, die dem größten Migrationsdruck ausgesetzt sind, stärker zu unterstützen. Die Umsetzung der Grundsätze und Ziele des Europäischen Pakts zu Einwanderung und Asyl wird die Grundlage der diesbezüglichen Tätigkeit der EU bilden. Der Europäische Rat wird darüber regelmäßig Aussprachen führen.
Den finanziellen Mitteln für die Migrationssteuerung muss besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden: Durch eine Evaluierung muss ermittelt werden, ob die Struktur der bestehenden internen Instrumente sowie der Schlüssel für die Mittelverteilung weiterhin den Bedürfnissen der Mitgliedstaaten entsprechen und den neuen Migrationsphänomenen Rechnung tragen.
5.1. Eine dynamische Einwanderungspolitik
Die Einwanderungspolitik muss langfristig angelegt sein und den Schwerpunkt auf die Achtung der Grundrechte und die Menschenwürde legen. Außerdem muss sie so gestaltet sein, dass sie die größere Mobilität, die unsere im Globalisierungsprozess befindliche Welt kennzeichnet, bewältigen kann, indem sie den Fortschritten auf sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet Geltung verschafft.
5.1.1. Konsolidierung des globalen Ansatzes
Die Migrationsthematik muss fester Bestandteil der EU-Außenpolitik sein. Eine wirksame Steuerung der Migrationsströme ist nur durch eine echte Zusammenarbeit mit den Drittländern zu erreichen. Der Gesamtansatz bildet einen kohärenten und innovativen Rahmen, der weiter ausgestaltet werden sollte. Dazu müssen die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten:
- - aktiv an der Vertiefung des Dialogs und der Partnerschaft mit den Drittländern, -regionen und -kontinenten arbeiten und die Herkunfts-, Ziel- und Transitländer systematisch einbeziehen; in diesem Zusammenhang kommt Afrika sowie Ost- und Südosteuropa weiterhin eine vorrangige Stellung zu; ein Dialog und eine enge Zusammenarbeit mit Lateinamerika, der Karibik und Asien dürfen jedoch nicht ausgeschlossen werden;
- - den Abschluss von neuen spezifischen Abkommen mit einem Bezug zu den drei Dimensionen des Gesamtansatzes - Eindämmung der illegalen Migration (einschließlich der Rückübernahme, der Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und der Wiedereingliederung), Förderung der Mobilität und der legalen Einwanderung, Beitrag zur Entwicklung - vorsehen und dabei das Modell der Mobilitätspartnerschaften zugrunde legen;
- - ein effizientes und solidarisches System zur Verhütung der illegalen Migration, zur Steuerung der legalen Migration und zur Unterstützung schutzbedürftiger und asylsuchender Migranten einrichten. Dies ist besonders für den Mittelmeerraum von Bedeutung;
- - das migrationspolitische Instrumentarium, insbesondere Migrationsprofile, Programme für zirkuläre Migration und Kooperationsplattformen, kohärent nutzen und die Rolle der Mobilitätspartnerschaften stärken;
- - illegale Einwanderung und Menschenhandel wirkungsvoller bekämpfen, indem entlang den Migrationsrouten diesbezügliche Informationen angeboten werden, die Zusammenarbeit bei der Überwachung und der Kontrolle der Grenzen gefördert wird und die Rückübernahme durch die Förderung von flankierenden Maßnahmen zur Rückkehr erleichtert wird;
- - zusätzliche Initiativen im Bereich Migration und Entwicklung konzipieren: Erleichterung von Geldüberweisungen unter Berücksichtigung des Rückgangs der Überweisungen infolge der Finanzkrise, Einbeziehung der Migrantengemeinschaften in die Entwicklung ihres Herkunftslandes bzw. ihrer Herkunftsregion und Eindämmung der Abwanderung hochqualifizierter Kräfte;
- - die verschiedenen Kooperationsinstrumente der Europäischen Union mobilisieren, um die Kapazitäten der zentralen, regionalen und lokalen Behörden der Drittländer zur Regelung von Migrationsangelegenheiten zu stärken und unter anderem die Kapazität der Drittländer, einen angemessenen Schutz zu bieten, zu verbessern.
Die Europäische Union muss sich außerdem um die Verknüpfung der Einwanderungspolitik mit anderen Politikbereichen wie Sozial-, Wirtschafts- und Handelspolitik bemühen.
5.1.2. Eine konzertierte Politik im Einklang mit den Arbeitsmarktbedürfnissen
Die Wirtschaftsmigration muss den Erfordernissen des Arbeitsmarktes in den Mitgliedstaaten besser entsprechen. So kann insbesondere den Fähigkeiten der Einwanderer besser Rechnung getragen und ihre Integration erleichtert werden. Die Europäische Union muss sich einen gemeinsamen Rahmen in Form einer flexiblen Aufnahmeregelung geben, die eine Anpassung an die gestiegene Mobilität und die Bedürfnisse der nationalen Arbeitsmärkte ermöglicht. Dieser gemeinsame Rahmen wird voll und ganz die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Zahl der Drittstaatsangehörigen, die zwecks Aufnahme einer Beschäftigung zugelassen werden, achten. Zwei Punkte bedürfen in diesem Zusammenhang besonderer Aufmerksamkeit: die Bedeutung der innereuropäischen Mobilität der Einwanderer und die Auswirkung eines Verlusts des Arbeitsplatzes auf die Gültigkeit des Aufenthaltstitels.
Möglicherweise würde eine Beobachtungsstelle6 dazu beitragen, dass Migrationsphänomene besser analysiert und verstanden werden können; die Einrichtung einer solchen Stelle könnte geprüft werden. Sie würde die Verbreitung und systematische Nutzung durchgeführter Arbeiten und verfügbarer Quellen sowie die Bereitstellung vergleichbarer Statistiken zur Migration ermöglichen. Wichtig wäre es, die Koordinierung zwischen der Beobachtungsstelle und anderen mit Migrationsfragen befassten Netzwerken zu gewährleisten.
Außerdem wäre unbedingt dafür zu sorgen, dass die Fähigkeiten der Einwanderer den Arbeitskräftebedürfnissen der Mitgliedstaaten entsprechen. Deshalb muss die Einwanderung auf der Grundlage einer umfassenden Einschätzung der Qualifikationserfordernisse in Europa bis zum Jahr 2020, bei der auch die Wirtschaftslage Berücksichtigung findet, organisiert werden.
Eine Bedarfsermittlung allein reicht jedoch nicht aus. Wichtig ist, dass Angebot und Nachfrage zusammenpassen. Deshalb wäre die Schaffung einer europäischen Plattform für den Dialog zu erwägen. Mithilfe eines solchen Instruments ließe sich feststellen, wie Arbeitsmigration besser gesteuert werden kann und welche Anpassungen des rechtlichen und des institutionellen Rahmens erforderlich sind. Die Plattform brächte Arbeitgeber, Gewerkschaften, Beschäftigungsagenturen der Mitgliedstaaten, Personalagenturen und sonstige Beteiligte zusammen. Nicht zu unterschätzen ist ferner die Bedeutung der gegenseitigen Anerkennung der Qualifikationen und Fähigkeiten in der Europäischen Union und in den Drittländern.
5.1.3. Eine proaktive Politik auf der Grundlage einer europäischen Rechtsstellung für legale Einwanderer
Im Interesse des größtmöglichen Nutzens der legalen Einwanderung für alle Beteiligten - Herkunfts- und Zielländer, Aufnahmegesellschaften und Einwanderer - bedarf es eines klaren und transparenten Konzepts, das auf Fairness und die Achtung des Menschen abstellt. Zu diesem Zweck sollte ein Einwanderungskodex beschlossen werden, der den legalen Einwanderern einen einheitlichen Rechtsstatus, vergleichbar dem der Gemeinschaftsbürger, garantiert. Diese Kodifizierung der bestehenden Rechtstexte wird gegebenenfalls Änderungen nach sich ziehen, die der Vereinfachung oder Ergänzung der geltenden Vorschriften oder der effektiven Anwendung der Vorschriften dienen.
Die Familienzusammenführung ist einer der Hauptgründe für Einwanderung und macht einen Großteil der legalen Einwanderung aus. Die Europäische Union braucht gemeinsame Vorschriften, um den Zustrom von Migranten, die von der Familienzusammenführung begünstigt werden, wirksam zu steuern. Da die einzelstaatlichen Vorschriften nur in geringem Maße harmonisiert sind, könnte eine Überarbeitung der Richtlinie im Anschluss an eine breite Konsultation in Erwägung gezogen werden.
Einwanderung besitzt das Potenzial, in wirtschaftlicher wie auch in kultureller Hinsicht bereichernd zu wirken; dieses Potenzial kann allerdings nur ausgeschöpft werden, wenn die Integration im Aufnahmeland verbessert wird. Dafür bedarf es intensiverer Anstrengungen nicht nur seitens des Staates und der regionalen und lokalen Behörden, denn auch die Aufnahmegesellschaft und die Einwanderer selbst müssen sich stärker einbringen. Es könnte ein gemeinsamer Koordinierungsmechanismus entwickelt werden, der die Maßnahmen der Mitgliedstaaten aufgrund eines gemeinsamen Bezugsrahmens stützt:
- - Ermittlung gemeinsamer Gepflogenheiten und europäischer Module zur Erleichterung des Integrationsprozesses insbesondere für Neuzuwanderer, einschließlich wesentlicher Bestandteile wie Einführungs- und Sprachkurse, ein festes Engagement der Aufnahmegesellschaft und die aktive Teilhabe der Einwanderer an allen Bereichen des Zusammenlebens;
- - Entwicklung von gemeinsamen Indikatoren zur Bewertung der integrationspolitischen Maßnahmen;
- - Öffnung gegenüber anderen Politikbereichen wie allgemeine und berufliche Bildung, Kultur, Beschäftigung, Mehrsprachigkeit und Jugend. Die entscheidende Rolle von Schulen, insbesondere jener, die durch ihre pädagogischen Konzepte europäische Werte vermitteln, muss herausgestellt werden;
- - wirkungsvollere Konsultation und Einbeziehung der Zivilgesellschaft über die Website zur Integration und das Europäische Integrationsforum.
5.1.4. Wirkungsvollere Eindämmung der illegalen Einwanderung
Die Verhütung und Reduzierung der illegalen Einwanderung unter Wahrung der Menschenrechte sowie die Verhütung und Bekämpfung damit zusammenhängender krimineller Aktivitäten ergänzen die Entwicklung einer gemeinsamen Politik im Bereich der legalen Einwanderung in maßgeblicher Weise. Vor allem die Bekämpfung krimineller Netze muss verstärkt werden.
Gegen die illegale Beschäftigung muss mit vorbeugenden und repressiven Maßnahmen vorgegangen werden, wobei Migranten, die Opfer illegaler Beschäftigung werden, zu schützen sind. Die Umsetzung der Richtlinie über Sanktionen gegen Arbeitgeber muss beobachtet und kontrolliert werden.
Schleusertum und Menschenhandel dürfen in keiner Weise geduldet werden. Angemessene personelle und finanzielle Mittel sind vorzusehen, um insbesondere die Kontrollen am Arbeitsplatz zu verstärken, aber auch, um die Bedingungen für die Ausstellung der Aufenthaltstitel für Opfer zu erleichtern.
Die Arbeiten zur Einführung einer wirksamen Abschiebungs- und Rückführungspolitik müssen unter Wahrung der Menschenrechte und der Menschenwürde fortgesetzt werden. Im Dezember 2010 tritt die Rückführungsrichtlinie in Kraft. Ihre Umsetzung wird insbesondere im Hinblick auf die wirksame Vollstreckung von Abschiebemaßnahmen sowie auf Inhaftnahme, Rechtsbehelfe und die Behandlung von schutzbedürftigen Personen genau verfolgt werden. Ergänzend ist außerdem eine Verstärkung der operativen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten vorzusehen. Ausgehend von einer Evaluierung dieser Vorschriften muss auf längere Sicht der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Abschiebungsentscheidungen konkret ausgestaltet werden. Dank der obligatorischen Aufnahme von Einreiseverboten in das SIS wird dieser Grundsatz seine volle Wirkung entfalten.
Die Priorität der freiwilligen Rückkehr muss insbesondere im Rahmen der bestehenden Finanzierungsinstrumente gefördert und aktiv verstärkt werden. Ungeachtet dessen lassen sich nur allzu häufig Abschiebemaßnahmen aus rechtlichen oder praktischen Gründen nicht vollstrecken. Mangels eindeutiger Vorschriften muss nach einer Analyse der Erfordernisse und Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten geprüft werden, ob gemeinsame Standards für die Aufnahme von illegalen Einwanderern, bei denen ein Abschiebungshindernis besteht, beschlossen werden könnten. Bezüglich Legalisierungen bedarf es eines besseren Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten. Dazu könnten Leitlinien entwickelt werden.
Unbegleitete Minderjährige, die illegal in das Gebiet der Europäischen Union einreisen, stellen ebenfalls eine große Herausforderung dar, die einer eingehenden Prüfung unterzogen werden muss. Vorgesehen wäre im Anschluss daran ein Aktionsplan für die Konsolidierung und Ergänzung der geltenden Rechts- und Finanzierungsinstrumente sowie die Stärkung der in unterschiedlicher Form erfolgenden Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern, einschließlich der Erleichterung der Rückführung der Minderjährigen in ihr Herkunftsland.
5.2. Asyl: ein gemeinsamer Raum für Schutz und Solidarität
Im Jahr 2008 wurden in der Europäischen Union 240 000 Asylanträge gestellt. Einige Mitgliedstaaten sind entweder wegen der Zahl der Anträge oder wegen des Anteils der Antragsteller an der Bevölkerung stärker betroffen.
Die EU muss die bereits in Angriff genommenen Arbeiten fortsetzen, um sich zu einem echten gemeinsamen Raum für Schutz und Solidarität zu entwickeln, der auf der Achtung der Grundrechte, hohen Schutzstandards und der allgemeinen Verbesserung der nationalen Systeme beruht; dabei ist der Kampf gegen Missbrauch zu verstärken.
5.2.1. Ein einziger Raum für Schutz
Die Europäische Union hat im Hinblick auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem, das sich uneingeschränkt auf die Genfer Konvention und die anderen geltenden internationalen Rechtsinstrumente stützt, bedeutende Fortschritte erzielt. Im letzten Jahrzehnt wurden eine Reihe gemeinsamer Standards beschlossen. Die Rechtsetzungsvorschläge der zweiten Harmonisierungsphase müssen zügig verabschiedet werden. Spätestens 2012 sollen nämlich ein einheitliches Asylverfahren und ein einheitlicher internationaler Schutzstatus eingeführt werden.
Auf operativer Ebene muss die EU dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen die notwendigen Mittel an die Hand geben, damit es seine Kapazitäten nutzen kann. Alle in den Mitgliedstaaten mit der Prüfung von Asylanträgen befassten Bediensteten müssen an gemeinsamen Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen. Ihnen sollen außerdem aussagekräftige Informationen über die Herkunftsländer zugänglich gemacht werden. Die Gerichte in den Mitgliedstaaten müssen sich an diesen Arbeiten beteiligen. Nach einer Evaluierung könnten 2013 die Aufgaben des Unterstützungsbüros ausgebaut werden, um den Fortschritten in Sachen Solidarität und Teilung der Verantwortlichkeiten Rechnung zu tragen.
Eine strenge Kontrolle und ordnungsgemäße Anwendung des einschlägigen Rechtsbestands müssen Gewähr für die Glaubwürdigkeit dieser Regelung bieten und das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten in die verantwortungsvolle Verwaltung der Asylsysteme der anderen Mitgliedstaaten garantieren. Zur Erleichterung der Annäherung der nationalen Asylsysteme könnte eine regelmäßige Evaluierung vorgesehen werden.
Die Integration von Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird, muss ebenfalls verbessert werden; dabei sind die Bedingungen ihrer Ankunft in der EU zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund gilt es, Lösungen für diejenigen Asylbewerber zu finden, denen nicht die Rechtsstellung von Flüchtlingen zuerkannt oder subsidiärer Schutz gewährt wird, die aber aus bestimmten Gründen auch nicht abgeschoben werden können.
Im Rahmen einer eingehenden Evaluierung soll ermittelt werden, inwieweit die Rechtsinstrumente der zweiten Phase umgesetzt worden sind und zur Anwendung gelangen und welche Fortschritte bezüglich der Annäherung der Praktiken und Begleitmaßnahmen erzielt wurden. Auf dieser Grundlage wird die EU vor Ende des Jahres 2014 den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung aller Einzelentscheidungen der für Asylentscheidungen zuständigen Behörden über die Gewährung eines Schutzstatus formalisieren; der Schutzstatus ließe sich dann übertragen, ohne dass der europäische Gesetzgeber spezifische Verfahren zu beschließen hätte.
5.2.2. Teilung der Verantwortung sowie Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten
Es müssen Vorkehrungen für eine echte Teilung der Verantwortung für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen getroffen werden. Die Europäische Union hat zwar beschlossen, an den wichtigsten Grundsätzen des Dublin-Systems festzuhalten, aber dennoch müssten neue Möglichkeiten eröffnet werden.
So wäre unter den Mitgliedstaaten ein Verfahren für die interne Wiederansiedlung von Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird, das auf freiwilliger, koordinierter Basis zur Anwendung gelangen würde, in Erwägung zu ziehen. Der erste Schritt bestünde in einer systematischen Planung der Mittel, die für diese Anstrengung im Sinne der internen Solidarität im Rahmen des Europäischen Flüchtlingsfonds vorzusehen wären. Diese Planung sollte auf der Grundlage objektiver Kriterien erfolgen. Denkbar wäre bei dem Verfahren auch, dass die Einrichtung von dauerhaften Aufnahme- und Transitplattformen in bestimmten Mitgliedstaaten unterstützt würde; außerdem könnten spezifische Vorkehrungen für die Organisation einer Partnerschaft mit dem UNHCR vorgesehen werden. Parallel zu diesem ersten Ansatz müssen die Machbarkeit und die rechtlichen und praktischen Auswirkungen der gemeinsamen Bearbeitung von Asylanträgen innerhalb und außerhalb der EU weiter geprüft werden. Diese Prüfung fände in Ergänzung zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem unter Wahrung der einschlägigen internationalen Standards statt. Ausgehend von diesen Prüfungen und der Bewertung des Verfahrens für eine anfängliche Solidarität könnte sodann ab 2013 ein System der dauerhaften Solidarität ins Auge gefasst werden. Die Koordinierung wäre Aufgabe des Unterstützungsbüros.
Im Übrigen ist eine Überprüfung der innereuropäischen finanziellen Solidarität angezeigt. Sie kommt seit zehn Jahren im Wege des Europäischen Flüchtlingsfonds, der die aufeinander folgenden Harmonisierungsphasen begleitet hat, zur Anwendung. Nunmehr gilt es, neue Aufteilungskriterien oder Einsatzgebiete zu ermitteln, wobei die Entwicklungen der gemeinsamen Politik berücksichtigt werden müssen.
5.2.3. Solidarität mit Drittländern
Die Solidarität mit Drittländern, die einen massiven Zustrom von Flüchtlingen erleben oder große Gruppen von Flüchtlingen oder Vertriebenen aufnehmen, ist von wesentlicher Bedeutung. Der Zugang zum Schutz und die Achtung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung müssen gewährleistet sein. Die EU wird außerdem die Stärkung der Kapazitäten der Drittländer für die Weiterentwicklung ihrer eigenen Asyl- und Schutzsysteme unterstützen.
Vor diesem Hintergrund könnten neue schutzspezifische Verantwortlichkeiten in Betracht gezogen werden. Die Verfahren für die geschützte Einreise sowie die Ausstellung von Visa aus humanitären Gründen sollten erleichtert werden; dies könnte beispielsweise mit Hilfe der diplomatischen Vertretungen oder sonstiger Strukturen geschehen, die in Drittländern im Rahmen einer globalen Strategie zur Mobilitätssteuerung errichtet werden.
Um die Außendimension der Asylpolitik weiter zu stärken, könnte die Europäische Union die regionalen Schutzprogramme in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem UNHCR und den beteiligten Drittländern unter Mitwirkung des Unterstützungsbüros ausweiten und dazu auf die Finanzierungsinstrumente für Außenmaßnahmen der Gemeinschaft zurückgreifen.
Die EU wird ihre Anstrengungen mit Blick auf die Neuansiedlung verstärken, um Flüchtlingen dauerhafte Lösungen anbieten zu können.
6. Schlussfolgerung
Die Kommission wünscht, dass der Europäische Rat nach einer ausführlichen Debatte mit dem Europäischen Parlament bis zum Jahresende ein ehrgeiziges Programm billigen kann, das sich auf diese Mitteilung stützt. Auf der Grundlage dieser Elemente wird die Kommission einen Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms vorschlagen, um die zu ergreifenden Maßnahmen sowie die diesbezügliche Planung für den Zeitraum 2010-2014 genau festzulegen.
Anhang
Künftige Handlungsschwerpunkte
Förderung der Rechte der Bürger: Europa als Garant der Grundrechte und Grundfreiheiten
Grundrechte
Durch den Beitritt der Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention soll der Grundrechtsschutz eine zusätzliche Garantie erhalten.
Die Union wird anhand eines Berichts der Kommission bestimmen, wie sie das gemeinsame Andenken an die Verbrechen totalitärer Herrschaftssysteme fördern kann.
Freizügigkeit
Die praktische Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG zur Freizügigkeit ist von grundlegender Bedeutung. Die Kommission wird als Begleitmaßnahme Leitlinien veröffentlichen und die Anwendung der Richtlinie überwachen.
In diesem Zusammenhang soll ein Verfahren eingerichtet werden, mit dessen Hilfe sich Unionsbürger ohne großen Aufwand und zusätzliche Kosten Personenstandsurkunden beschaffen können. Auf längere Sicht wird die Union auf die gegenseitige Anerkennung der Wirkungen von Personenstandsurkunden hinarbeiten.
Achtung der Vielfalt
Die Union muss einen gemeinsamen Ansatz entwickeln, der es ihr ermöglicht, die zur Verfügung stehenden finanziellen und rechtlichen Mittel im Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie besser auszuschöpfen.
Schutzbedürftige Personen
Die Union muss zum Schutz der Rechte des Kindes eine europäische Strategie mit hoch gesteckten Zielen erarbeiten. Die Maßnahmen zugunsten schutzbedürftiger und abhängiger Personen müssen verstärkt werden.
Datenschutz
Die Union muss eine umfassende Regelung zum Schutz personenbezogener Daten schaffen, die für sämtliche Zuständigkeitsbereiche der Union gleichermaßen gilt. In Erwägung zu ziehen ist außerdem die Einführung eines europäischen Prüfsiegels für datenschutzfreundliche Technologien, Produkte und Dienstleistungen. Der Datenschutz erfordert ein hohes Maß an internationaler Zusammenarbeit Die Union muss an der Erarbeitung und Förderung internationaler Standards in diesem Bereich mitwirken.
Teilhabe am demokratischen Leben
Mit Blick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 wird die Union neue Initiativen ergreifen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen.
Konsularischer Schutz
Das vorhandene Koordinierungs- und Kooperationsinstrumentarium muss gestärkt werden.
Erleichterungen für die Bürger: Europa als Raum des Rechts und der justiziellen Zusammenarbeit
Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ist und bleibt der Eckstein des europäischen Rechtsraums.
Das Exequaturverfahren für Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen muss aufgehoben werden und der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ist auf die Bereiche auszuweiten, in denen er bislang noch keine Anwendung findet.
In Strafsachen muss dieser Grundsatz auf allen Verfahrensstufen zur Anwendung gelangen.
Dies muss auch für den Zeugen- und Opferschutz sowie für Rechtsverluste gelten.
Um das Vertrauen in die mitgliedstaatlichen Justizsysteme zu stärken, müssen gemeinsame Bildungsmodule entwickelt werden. Der Austausch unter Juristen muss insbesondere mithilfe des Rechtsforums und der verschiedenen juristischen Netzwerke, die ihre Aktivitäten besser abstimmen müssen, gefördert werden.
Mit einer umfassenderen Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung muss eine eingehende Bewertung der Politik einhergehen, die die EU im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit verfolgt. Die EU muss auch die Bemühungen der Mitgliedstaaten um eine Verbesserung ihrer Justizsysteme unterstützen.
Die Europäische Union muss einen gemeinsamen Sockel an Mindestnormen schaffen, um die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im Bereich bestimmter schwerer, typischerweise grenzüberschreitender Straftaten anzugleichen. Sie sollte erforderlichenfalls im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auf das Strafrecht zurückgreifen können, um sicherzustellen, dass ihre Politik wirksam umgesetzt wird.
In Zivilsachen müssen auf europäischer Ebene Mindestnormen zu bestimmten Aspekten des Zivilverfahrens festgelegt werden. Eine solche Angleichung sollte auch das Sorgerecht einschließen.
Die EU muss vorrangig dafür sorgen, dass der Zugang zum Recht erleichtert wird. Sie muss sich dafür einsetzen, dass die vorhandenen Hilfen (Rechtsberatung, Prozesskosten) ausgebaut und Online-Verfahren (e-Justiz) stärker genutzt werden. Den Bürgern muss vor allem die Hinzuziehung von Übersetzern und Dolmetschern erleichtert werden. Auch die Legalisation von Urkunden sollte erleichtert werden. Opfer von Straftaten müssen insbesondere bei grenzüberschreitenden Fällen eine bessere Unterstützung erhalten.
Die Wirtschaft muss mehr Rückhalt durch die Regelung bestimmter rechtlicher Aspekte erhalten. Die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen muss verbessert werden, insbesondere durch die Einführung eines europäischen Verfahrens der vorläufigen Kontenpfändung. Die Arbeiten an einem Gemeinsamen Referenzrahmen für das Vertragsrecht könnten für künftige Legislativvorschläge herangezogen werden. Außerdem könnten auf dieser Grundlage Musterverträge ausgearbeitet werden. Die Arbeiten zur Angleichung der Kollisionsnormen im Versicherungsvertrags- und Gesellschaftsrecht sollten weitergeführt werden. Für missbräuchliches Verhalten im Finanzsektor könnten erforderlichenfalls strafrechtliche Sanktionen auf Ebene der EU vorgesehen werden.
Ein Europa, das Schutz bietet
Die EU und die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass das Bildungsangebot für Sicherheitsfachleute insbesondere mithilfe geeigneter Austauschprogramme (vom Typ "Erasmus") verbessert wird.
Die EU muss ein europäisches Informationsmodell entwickeln mit dem Ziel, ihre Kapazitäten im Bereich der strategischen Analyse und der operativen Zusammenarbeit auszubauen.
Die EU muss eine Architektur für Informationssysteme entwerfen, die die Interoperabilität der einzelnen Systeme und deren kohärente, bedarfsgerechte Weiterentwicklung gewährleistet.
Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit muss auf die Schwerpunkte der Strategie der inneren Sicherheit ausgerichtet werden, um eine optimale Nutzung der modernsten Technologien zu fördern.
Zur Unterstützung dieser Bemühungen könnte im Rahmen des nächsten Finanzrahmens ein Fonds für die innere Sicherheit eingerichtet werden.
Um zu verhindern, dass sich Straftäter den EU-Raum ohne Binnengrenzen zunutze machen, muss das gesamte rechtliche und operative Instrumentarium eingesetzt werden. Polizeiaktionen jenseits der Landesgrenzen müssen erleichtert und es muss ein Modell für ein Kooperationszentrum der Polizei- und Zollbehörden entwickelt werden, um auf diese Weise die operative polizeiliche Zusammenarbeit zu verbessern.
Europol muss in den Bereichen Koordinierung, Informationsaustausch und Berufsausbildung eine zentrale Rolle übernehmen.
Die Sicherheit der EU erfordert eine Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit mit Drittstaaten, insbesondere mit den Nachbarländern.
Die EU muss dafür sorgen, dass die Beweiserhebung auf europäischer Ebene umfassend geregelt wird.
Die Möglichkeiten des Strafregisterinformationssystems müssen in vollem Umfang genutzt und ergänzt werden (breitere Nutzung und Aufnahme von Drittstaatsangehörigen).
Die EU muss Mindestnormen für Verfahrensgarantien beschließen und Pilotversuche mit Alternativen zum Freiheitsentzug fördern.
Die EU muss ein integriertes Grenzmanagement einrichten, das eine flüssige Abwicklung der Einreise in die Europäische Union erlaubt, ohne die Sicherheit in der EU zu gefährden oder der illegalen Einwanderung Vorschub zu leisten.
An den Grenzübergängen muss ein einheitliches Kontrollsystem für alle Arten von Kontrollen eingerichtet werden ("one stop shop"). Die Koordinierungsaufgaben von Frontex müssen mehr Gewicht erhalten. Die operativen Kapazitäten der Agentur müssen erweitert werden. Dies gilt auch für die Abstimmung ihrer Tätigkeiten mit denen des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen. Das Europäische Grenzüberwachungssystem (EUROSUR) muss schrittweise eingeführt werden.
Die Informationssysteme SIS II und VIS müssen ihre volle Funktionsfähigkeit erreichen. Vorzusehen ist ferner ein elektronisches Registriersystem für Ein- und Ausreisen sowie ein Programm für registrierte Reisende. Es ist zu prüfen, inwieweit ein Vorabgenehmigungssystem für Reisen zweckmäßig wäre.
Die EU muss ein europäisches Schengen-Visum einführen. Als Vorläufer der gemeinsamen Konsularbehörden werden in Drittstaaten gemeinsame Visumantragstellen eingerichtet. Parallel zum Abschluss neuer Visaerleichterungsabkommen mit Drittstaaten werden die Listen der Staaten, die der Visumpflicht unterliegen, weiterhin regelmäßig überprüft. Bei der Prüfung von Visumanträgen muss allmählich dazu übergegangen werden, nicht mehr das mit einer bestimmten Staatsangehörigkeit verbundene Risiko zugrunde zu legen, sondern das mit der jeweiligen Person verbundene Risiko.
Die EU muss bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente optimal einsetzen. Sie wird sich dabei vorrangig auf fünf große Straftatkategorien konzentrieren:
Um den Menschenhandel zu unterbinden, muss wirksamer gegen Schleuserorganisationen vorgegangen werden. Dies erfordert eine Verbesserung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit und der strategischen Analyse, die Bereitstellung geeigneter Verfahren für die Beweiserhebung und eine bessere Unterstützung der Opfer.
Die EU muss entschlossen gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und gegen Kinderpornographie vorgehen und hierzu den Austausch von Informationen über einschlägig vorbestrafte Personen fördern. Gleichzeitig ist eine enge Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft erforderlich, um Websites mit kinderpornographischen Inhalten ausfindig machen und schließen oder sperren zu können. Die EU muss die für die Cyberkriminalität geltenden Vorschriften klären und bei Europol eine europäische Plattform für die Meldung von Straftaten einrichten, um dieses Phänomen wirkungsvoller bekämpfen zu können.
Die EU muss das Betätigungsfeld einschränken, das die organisierte Kriminalität in einer globalisierten Wirtschaft, insbesondere in Krisenzeiten, die die Anfälligkeit des Finanzsystems noch verstärken, vorfindet und sich mit den entsprechenden Mitteln zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ausstatten. Sie muss die Ermittlungs- und Analysekapazitäten im Bereich der Finanzkriminalität ausbauen und dafür sorgen, dass missbräuchliche Praktiken auf den Märkten schneller erkannt werden. Sie muss den operativen Rahmen für die Beschlagnahme und Pfändung von kriminellem Vermögen verbessern, gegen Korruption vorgehen und ein repressives Instrumentarium zur Bekämpfung von Nachahmungen und Fälschungen entwickeln.
Die EU muss ihre Strategie zur Drogenbekämpfung, die einen globalen, ausgewogenen Ansatz verfolgt, der auf einer gleichzeitigen Reduzierung von Angebot und Nachfrage basiert, fortführen und weiterentwickeln. Hierzu zählen eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit bestimmten Regionen in anderen Teilen der Welt, die volle Einbeziehung der Zivilgesellschaft und eine Intensivierung der Forschung.
Die EU muss, um die terroristische Bedrohung in den Griff bekommen, effizient gegen Radikalisierung, gegen die zunehmende Nutzung des Internets durch Terroristen sowie gegen die Terrorismusfinanzierung vorgehen.
Die EU muss das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz weiterentwickeln, um die Maßnahmen der Mitgliedstaaten auch in Bezug auf die Risikoanalyse und Reaktionsfähigkeit zu unterstützen und zu ergänzen.
Die EU muss das Instrumentarium verstärken, um die terroristische Bedrohung in den Griff zu bekommen. Dabei geht es insbesondere darum, das Programm zum Schutz kritischer Infrastrukturen auszuweiten und umzusetzen, eine europäische Strategie für den Umgang mit atomaren, radiologischen, biologischen und chemischen Stoffen (CBRN-Stoffen) zu entwerfen und den Aktionsplan zu den Sprengstoffen anzuwenden.
Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts: Europa übernimmt im Bereich Einwanderung und Asyl Verantwortung und beweist Solidarität
Die Europäische Union muss eine dynamische und gerechte Einwanderungspolitik fördern.
Sie muss den Gesamtansatz, der eine konzertierte Steuerung der Flüchtlingsströme in Zusammenarbeit mit den Drittländern erlaubt, voll nutzen und weiter vertiefen. Die Migrationsthematik ist fester Bestandteil der EU-Außenpolitik.
Die EU muss die positiven Auswirkungen der Migration auf die Entwicklung der Herkunftsländer fördern.
Sie muss sich einen gemeinsamen Rahmen in Form einer flexiblen Regelung zur Aufnahme von Migranten geben, die eine Anpassung an die gestiegene Mobilität und die Bedürfnisse der nationalen Arbeitsmärkte ermöglicht.
Damit die legale Einwanderung allen Beteiligten den größtmöglichen Nutzen bringt, muss die Europäische Union einen Einwanderungskodex und gemeinsame Regeln zur wirksamen Steuerung der Familienzusammenführung beschließen sowie die von den Mitgliedstaaten unternommenen Integrationsbemühungen durch ein gemeinsames Koordinierungsverfahren unterstützen.
Die stärkere Eindämmung der illegalen Einwanderung ergänzt die Entwicklung einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der legalen Einwanderung in maßgeblicher Weise. Die EU muss gegen die illegale Beschäftigung angehen und eine wirksame Rückführungs- und Rückkehrpolitik verfolgen; die bestehenden Instrumente sind dabei umfassend zu nutzen. Sie muss die freiwillige Rückkehr fördern und diesbezüglich ein besonderes Augenmerk auf unbegleitete Minderjährige richten. Sie muss sich zu einem echten gemeinsamen Raum für Schutz und Solidarität entwickeln, der ein einheitliches Asylverfahren und einen einheitlichen internationalen Schutzstatus umfasst.
Sie muss die Teilung der Verantwortung für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen, unter anderem durch die Einrichtung eines freiwilligen Verfahrens zur Umverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und die gemeinsame Bearbeitung von Asylanträgen, sicherstellen. Eine strenge Kontrolle des Rechtsbestands und dessen ordnungsgemäße Anwendung sind unverzichtbar, denn sie gewährleisten die Glaubwürdigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und das Vertrauen unter den Mitgliedstaaten. Auf längere Sicht wird dank des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung aller Entscheidungen über die Zuerkennung eines Schutzstatus die Übertragung von Schutz erleichtert werden.
Die EU muss die operative Zusammenarbeit stärken, indem sie dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen die notwendigen Mittel an die Hand gibt, damit es seine Kapazitäten nutzen kann.
Die Asylpolitik, die auf Solidarität mit den Drittländern beruht, welche mit einem massiven Zustrom von Flüchtlingen konfrontiert sind, muss fortgeführt werden. Die Europäische Union muss ihre regionalen Schutzprogramme ausweiten und ihre Anstrengungen im Bereich der Neuansiedlung intensivieren.
- 1 Artikel 22 EGV.
- 2 Die EU sollte sich dabei vor allem an den Arbeiten des Europarats, insbesondere der Europäischen Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ), orientieren.
- 3 Europäisches Forum für Sicherheitsforschung und Innovation.
- 4 SIS II: Schengener Informationssystem der zweiten Generation, VIS: Visa-Informationssystem.
- 5 Als Anhaltspunkt könnte beispielsweise der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International dienen.
- 6 Bei dieser Beobachtungsstelle würde es sich nicht um eine Agentur handeln.