Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Wissen, Kreativität und Innovation durch lebenslanges Lernen - Entwurf des gemeinsamen Fortschrittsberichts 2008 des Rates und der Kommission über die Umsetzung des Arbeitsprogramms "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" KOM (2007) 703 endg.; Ratsdok. 15292/07

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 20. November 2007 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 12. November 2007 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 12. November 2007 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 830/05 (PDF) = AE-Nr. 053096,
Drucksache 687/06 (PDF) = AE-Nr. 061506 und
Drucksache 470/07 (PDF) = AE-Nr. 070571
Vom Umdruck des fremdsprachigen Anhangs 2 ist abgesehen worden.

1. Einleitung

Die allgemeine und die berufliche Bildung spielen für den wirtschaftlichen und sozialen Wandel eine maßgebliche Rolle. Die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen erfordert Flexibilität und Sicherheit, die wir nur erhalten, wenn wir dafür sorgen, dass alle Bürger Schlüsselkompetenzen erwerben und sich während ihres gesamten Lebens kontinuierlich weiterbilden1. Lebenslanges Lernen fördert Kreativität und Innovationen und ermöglicht den Bürgern eine uneingeschränkte Teilhabe an Wirtschaft und Gesellschaft.

Aus diesen Gründen hat sich der Rat im Arbeitsprogramm "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" ehrgeizige Ziele gesetzt, die wiederum die Umsetzung der Lissabon-Agenda für Wachstum und Beschäftigung unterstützen. Diese Ziele können nur durch kontinuierliche, langfristige Bemühungen erreicht werden. Dabei ist das Fortschrittstempo unweigerlich nicht immer konstant. Deshalb erstellen der Rat und die Kommission alle zwei Jahre einen Gemeinsamen Bericht, um Bilanz aus dem bisher Erreichten zu ziehen und die Bemühungen in den Bereichen, in denen die Entwicklung nicht unbedingt plangemäß verläuft, zu intensivieren.

Im vorliegenden Beitrag zum dritten Gemeinsamen Bericht2 wird deutlich, dass bei der Reform der allgemeinen und beruflichen Bildung bereits erhebliche Fortschritte erzielt wurden, dass es aber auch noch große Herausforderungen gibt. In folgenden Bereichen sind noch besonders intensive Bemühungen erforderlich:

2. Bereiche, in denen Fortschritte zu verzeichnen sind

Europa kann in mehreren Bereichen Fortschritte verzeichnen. Das bedeutet nicht, dass diese Fortschritte einheitlich sind oder dass die Beteiligten ihre Bemühungen zurückfahren können. Vor allem das Tempo der Reformen ist weiterhin eine große Herausforderung. In den nachfolgend genannten Bereichen haben jedoch die meisten Länder Reformen umgesetzt oder in die Wege geleitet.

2.1. Strategien für lebenslanges Lernen und Qualifikationssysteme

Die Mehrheit der Länder hat explizite Strategien für lebenslanges Lernen4 entwickelt5, in denen die nationalen politischen Prioritäten und die Bezüge zwischen den verschiedenen Bereichen der Bildung festgelegt sind.

Die meisten dieser Länder verfolgen dabei ein umfassendes Konzept des lebenslangen Lernens, das alle Arten und Stufen der allgemeinen und beruflichen Bildung abdeckt. Einige konzentrieren sich jedoch auf die formalen Bildungssysteme oder auf die Weiterentwicklung spezifischer Abschnitte des lebenslangen Lernens.

Es deutet einiges darauf hin, dass die Evidenzbasis für die Bildungs- und Berufsbildungspolitik solider wird6. Dies ist für die Gesamtkohärenz der Systeme und eine optimale Ressourcenzuteilung von großer Bedeutung. Dass manche Länder der Förderung flexibler Lernwege und der Durchlässigkeit der verschiedenen Bereiche des Systems Priorität einräumen, trägt ebenfalls zur Steigerung der Kohärenz bei.

Qualifikationsrahmen und Validierung des nichtformalen und informellen Lernens

In den meisten Ländern7 werden nationale Qualifikationsrahmen entwickelt, die mit dem neuen Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen8 verknüpft sind. Dies bringt eine Verlagerung des Schwerpunktes auf die Lernergebnisse mit sich.

Zugleich werden - wenn auch langsamer - Systeme für die Validierung des nichtformalen und informellen Lernens eingerichtet9. Nun besteht die Herausforderung darin, den Übergang von der Erprobung zur allgemeinen Anwendung in den nationalen Qualifikationssystemen (auch für den Zugang zur Hochschulbildung) zu schaffen.

In Portugal wurde im Jahr 2000 ein landesweites Netz von Zentren für die Anerkennung, Validierung und Zertifizierung von Kompetenzen eingerichtet. Derzeit durchlaufen fast 58 000 Erwachsene den Validierungsprozess. Die Zentren bewerten und validieren Kompetenzen für spezifische Qualifikationen. Der Zertifizierungsprozess umfasst auch eine Untersuchung durch ein externes Gremium und erforderlichenfalls eine ergänzende Fortbildung.

2.2. Vorschulbildung

Die Bedeutung der Vorschulbildung wird in ganz Europa zunehmend anerkannt. Bei der Entwicklung neuer Konzepte und Strategien wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Vorschulbildung sowohl zur Effizienz als auch zur Gerechtigkeit der Bildung beitragen kann. Die konkreten Maßnahmen umfassen beispielsweise Folgendes: Überarbeitung der Lehrpläne10, Verbesserung der Kompetenzen der Lehrkräfte11, Ausdehnung der Pflichtschulzeit auf einen Teil der Vorschulbildung12, Qualitätsbewertungen13 sowie höhere Investitionen (z.B. durch die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte in den Vorschulen14).

In mehreren Ländern wurden erfolgreich Pilotprojekte und -programme durchgeführt. Nun besteht die Herausforderung darin, mit Hilfe verstärkter Investitionen (beispielsweise in qualifiziertes Personal) den Schritt von den Pilotmaßnahmen hin zur allgemeinen Anwendung zu schaffen.

In der Zeit von 2000 bis 2005 stieg der Anteil der an der Vorschulbildung teilnehmenden 4-Jährigen in der EU-27 um 3 Prozentpunkte auf 85 %. 2005 besuchten in Frankreich, Belgien, Italien und Spanien fast alle 4-Jährigen (mehr als 99 %) eine Bildungseinrichtung, während die Teilnahmequoten in Irland, Polen und Finnland unter 50 % lagen15.

2.3. Hochschulen: eine klare Rolle in der Lissabon-Agenda

Die Modernisierung der Hochschulbildung ist für das Wissensdreieck und die Lissabon-Strategie von zentraler Bedeutung. Fragen des Managements, der Finanzierung und der Attraktivität der Hochschulen rücken auf europäischer und nationaler Ebene zunehmend in den Blickpunkt, wodurch die Bologna-Reformen ergänzt werden.

Bei der Verbesserung der Hochschulautonomie wurden beträchtliche Fortschritte erzielt, etwa in puncto finanzielle Unabhängigkeit und neue Mechanismen der Eigenverantwortung. Derzeit werden neue Modelle für die Einbindung der Stakeholder - vor allem in das Hochschulmanagement, aber auch in die Lehrplanentwicklung16 und die Definition von Lernergebnissen17 - erprobt.

Der Cluster "Hochschulbildung" erarbeitet momentan ein Kompendium vorbildlicher Verfahren für die Modernisierung von Hochschulen, das sich sowohl an die Politik als auch an die breitere Öffentlichkeit richtet.

2.4. Allgemeine und berufliche Bildung im allgemeinen Kontext der EU-Politik

In den nationalen Lissabon-Reformprogrammen für die Zeit von 2005 bis 2008 misst die große Mehrheit der Mitgliedstaaten der Weiterentwicklung der allgemeinen und beruflichen Bildung und dem Kompetenzaufbau große Bedeutung bei. So spielen diese Aspekte bei der Umsetzung der integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung eine maßgebliche Rolle.

Umfassende Fortschritte wurden bei der Verknüpfung der operationellen Programme der Strukturfonds mit den Prioritäten des Programms "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" erreicht. Dies kommt unter anderem in den Zielgebieten der Indikatoren und Benchmarks zum Ausdruck.

Bei der Entwicklung europäischer Referenzinstrumente sind ebenfalls positive Ergebnisse zu verzeichnen. In den Jahren 2006 und 2007 nahmen das Europäische Parlament und der Rat Empfehlungen in den Bereichen Schlüsselkompetenzen, Qualität der Mobilität und Qualitätssicherung in der Hochschulbildung an. Auch die Verhandlungen über den Europäischen Qualifikationsrahmen stehen kurz vor dem Abschluss.

3. Bereiche, in denen die Fortschritte unzureichend sind

3.1. Praktische Umsetzung des lebenslangen Lernens

Die praktische Umsetzung der Strategien für lebenslanges Lernen ist nach wie vor die größte Herausforderung. Sie erfordert Koordination, ein großes Engagement der betroffenen Einrichtungen sowie Partnerschaften mit allen relevanten Stakeholdern. Nur durch fortwährende Bemühungen lassen sich Absichten in Strategien übertragen, die ihrerseits Ergebnisse liefern. Geeignete Maßnahmen zur Informationsverbreitung sowie bessere Investitionen spielen hier eine wichtige Rolle. Insgesamt bleibt noch viel zu tun.

Die positive Entwicklung, die zwischen 2000 und 2003 bei den öffentlichen Ausgaben für die Bildung registriert wurde, scheint 2004 zum Stillstand gekommen zu sein.

Zwischen 2000 und 2003 stieg in der EU der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am BIP von 4,7 % auf 5,2 % an, im Jahr 2004 ging er jedoch wieder auf 5,1 % zurück. Außerdem sind bei den Ausgaben weiterhin große Unterschiede zwischen den Ländern festzustellen (zwischen 3,3 % des BIP in Rumänien und 8,5 % in Dänemark). Die privaten Ausgaben für Bildungseinrichtungen (Anteil am BIP) haben seit 2000 leicht zugenommen, 2004 verlangsamte sich die Entwicklung jedoch wieder18.

Die EU-Benchmarks schlugen sich zwar in einigen Ländern in nationalen Zielvorgaben nieder, jedoch haben noch nicht alle Länder solche Zielvorgaben festgelegt19.

3.2. Grundfertigkeiten für alle

In den Bereichen Schulabbrecher, Abschluss der Sekundarstufe II und Schlüsselkompetenzen bestehen nach wie vor große Probleme. Seit 2000 wurden zwar Fortschritte verzeichnet; zur Erreichung der EU-Benchmarks bis 2010 sind sie jedoch zu gering, und in manchen Ländern hat sich die Situation zwischen 2000 und 2006 sogar verschlechtert. In mehreren Ländern war der Anteil der Schulabbrecher im Jahr 2006 mit mehr als 20 % noch sehr hoch.

In Europa verlassen viel zu viele junge Menschen das Bildungssystem, ohne über die Kenntnisse und Fähigkeiten zu verfügen, die sie zur Teilhabe an der Wissensgesellschaft und für einen reibungslosen Übergang zum Erwerbsleben benötigen20. Sie laufen Gefahr, sozial ausgegrenzt zu werden, und sind schon im jungen Alter praktisch vom lebenslangen Lernen ausgeschlossen.

Schulabbrecher: Noch immer besitzt in der EU-27 jeder sechste junge Mensch (15,3 %) zwischen 18 und 24 Jahren beim Verlassen der Schule allenfalls einen Abschluss der Sekundarstufe I und nimmt danach an keinerlei Bildungs- oder Berufsbildungsmaßnahmen teil. Um diesen Anteil bis 2010 auf die EU-Benchmark von 10 % zu senken, müssen umfassendere Anstrengungen unternommen werden.

In Bezug auf den Abschluss der Sekundarstufe II wurden langsame, aber kontinuierliche Fortschritte verzeichnet. In den letzten Jahren ist der Anteil der Schüler, die die Sekundarstufe II abschließen, leicht gestiegen; die Zielvorgabe für 2010 kann damit jedoch nicht erreicht werden (mindestens 85 % der 22-Jährigen sollten mindestens die Sekundarstufe II abschließen).

Beim Anteil der Schüler mit schlechten Leseleistungen zeigen die Indikatoren keinerlei Fortschritte21.

In den Zielgebieten der Benchmarks weisen Migranten und Angehörige ethnischer Minderheiten in den meisten Ländern schlechtere Leistungen auf22. Deshalb muss diesen Gruppen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ihre Integration in die Vorschulbildung würde das Erlernen der Landessprache erleichtern und ihre Aussicht auf eine erfolgreiche Schullaufbahn verbessern.

Die bestehenden Initiativen zur Verhinderung des Schulabbruchs und zur Bekämpfung sozioökonomischer Benachteiligungen müssen ergänzt werden, etwa durch außerschulische Aktivitäten (z.B. in den Bereichen Kultur und Sport), lokale Partnerschaften, eine bessere Einbindung der Eltern, Angebote zur Deckung des Lernbedarfs der Eltern und durch Maßnahmen zur Verbesserung des Schulklimas für Schüler und Lehrkräfte.

Das Erlernen von Fremdsprachen wird in keinem nationalen Bericht als Priorität genannt.

3.3. Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften

Lehrkräfte und Ausbilder sind mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert: zunehmende Heterogenität der Klassen, neue Kompetenzanforderungen und Notwendigkeit, besser auf die individuellen Lernbedürfnisse der Schüler einzugehen. Zudem bringt die größere Schulautonomie neue Aufgaben mit sich.

In naher Zukunft müssen zahlreiche ältere Lehrkräfte ersetzt werden, weshalb die Attraktivität des Lehrerberufs verbessert werden muss.

Kein anderer schulinterner Faktor beeinflusst die Leistungen der Schüler so sehr wie die Qualität der Lehrkräfteausbildung23. In ihrer derzeitigen Form vermitteln die Aus- und Weiterbildungssysteme den Lehrkräften jedoch nicht die Kompetenzen, die sie an der Schule benötigen. Dies gilt insbesondere für die berufsbegleitende Weiterbildung und die Unterstützung der beruflichen Entwicklung. Nur in elf Mitgliedstaaten ist die berufsbegleitende Weiterbildung für Lehrkräfte Pflicht.

3.4. Hochschulbildung: Spitzenleistungen, Partnerschaften und Finanzierung

Die Länder schenken dem Ausbau der Rolle der Hochschulen für Forschung und Innovation inzwischen mehr Beachtung, und Partnerschaften zwischen Hochschulen und Unternehmen werden häufiger. Die besten Ergebnisse erzielen hier weiterhin die skandinavischen Länder und das Vereinigte Königreich, während in anderen Ländern noch viel zu tun bleibt.

Maßnahmen zur Förderung von Spitzenleistungen in der Hochschulbildung sollten auf Lehre, Forschung und Wissenstransfer abzielen. Dabei findet die Lehre derzeit oft zu wenig Berücksichtigung. Das vorgeschlagene Europäische Technologieinstitut24 - das sich zu einem Referenzmodell für die Integration von Lehre, Forschung und Innovation entwickeln soll - wird als Inspirationsquelle für Veränderungen in Lehr- und Forschungseinrichtungen dienen.

In Deutschland haben die Länder und die Bundesregierung eine Exzellenzinitiative ins Leben gerufen, in deren Rahmen zwischen 2006 und 2011 zusätzliche Mittel in Höhe von 1,9 Mrd. EUR bereitgestellt werden, um die Spitzenforschung in Hochschulen zu fördern. Die Hochschulen werden im Rahmen eines Wettbewerbs ausgewählt. Die Initiative umfasst drei Förderlinien: Graduiertenschulen, Cluster für die Kooperation zwischen Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen sowie umfassende Konzepte für Hochschulen, an denen Spitzenforschung betrieben wird.

Die Steigerung der Investitionen, auch von privater Seite, ist weiterhin eine große Herausforderung. Mehrere Regierungen haben Instrumente zur Unterstützung privater Investitionen geschaffen, z.B. steuerliche Anreize25, Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor und Sponsoring-Programme26, und einige haben Studien- bzw. Einschreibungsgebühren eingeführt oder diese Gebühren erhöht27.

Die öffentlichen Ausgaben für Hochschulen (Lehre und Forschung) in der EU-27 machten im Jahr 2004 1,1 % des BIP aus. Dabei reichte das Spektrum von 0,6 % (Malta) bis 2,5 % (Dänemark). Allerdings liegt die EU bei den Gesamtinvestitionen weit unter dem Wert der Vereinigten Staaten. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass in den USA der Anteil der privaten Investitionen sieben mal höher ist. Die Ausgaben pro Hochschulstudent betragen in den USA mehr als das Doppelte des EU-Durchschnitts28.

Bei der Verbesserung der Unabhängigkeit und der Eigenverantwortung wurden zwar Fortschritte erzielt, jedoch gibt es nur wenig Anzeichen dafür, dass Hochschulpersonal und -manager angemessen bei der Bewältigung dieser Herausforderung unterstützt werden.

3.5. Beteiligung Erwachsener am lebenslangen Lernen

Bei der Beteiligung der Erwachsenen am lebenslangen Lernen sind die Fortschritte inzwischen für die Erreichung der EU-Benchmark zu gering. Es müssen weiter große Anstrengungen unternommen werden, um das Qualifikationsniveau der Bevölkerung anzuheben und auf dem gesamten Arbeitmarkt für Flexibilität und Sicherheit zu sorgen.

Bis 2005 verliefen die Fortschritte in Richtung der EU-Benchmark (Teilnahmequote von 12,5 %) weitgehend plangemäß29. Im Jahr 2006 beteiligten sich jedoch nur durchschnittlich 9,6 % der Europäer zwischen 25 und 64 Jahren an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, was gegenüber 2005 einen Rückgang darstellt. Zudem verschleiert dieser Gesamtwert ein erhebliches Ungleichgewicht: Bei Erwachsenen mit hohem Bildungsstand ist die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme am lebenslangen Lernen sechs mal höher als bei gering qualifizierten Erwachsenen.

Angesichts der allgemein schon niedrigen Teilnahmequote für die Gesamtbevölkerung ist die schwache Beteiligung älterer und gering qualifizierter Arbeitnehmer besonders problematisch30. Zudem ist unter den Migranten der Anteil gering qualifizierter Arbeitnehmer besonders hoch. Aufgrund der demografischen Entwicklung und des Wandels der Arbeitsmärkte wird jedoch die Nachfrage nach höher qualifizierten Arbeitnehmern steigen, und es wird weniger Beschäftigungsmöglichkeiten für gering qualifizierte Arbeitskräfte geben. Deshalb muss dieser Gruppe verstärkt Beachtung geschenkt werden.

3.6. Attraktivität und Relevanz der beruflichen Aus- und Weiterbildung

Es muss weiter an der Verbesserung der Qualität und der Attraktivität der Berufsbildung gearbeitet werden. Dies ist eine der zentralen Prioritäten des Kopenhagen-Prozesses31.

Einige Länder haben bereits moderne, umfassende Qualitätssicherungssysteme eingerichtet32, während sich andere noch in der Entwicklungsphase befinden33.

Da für berufliche Bildungsgänge und Qualifikationen verstärkt auf Lernergebnissen basierende Konzepte angewandt werden, verbessert sich die Relevanz der Berufsbildung für den Arbeitsmarkt. Dass auch der Ausbildung und dem praxisorientierten Lernen wieder ein größerer Stellenwert beigemessen wird, ist ebenfalls positiv zu werten. Bei der Prognostizierung des Bedarfs an Fachkenntnissen und Qualifikationen sind jedoch kaum Fortschritte zu vermelden.

In der Berufsbildung mangelt es teilweise an der Integration mit dem übrigen Bildungssystem. Eine solche Integration kann dazu beitragen, potenzielle Abbrecher in der allgemeinen oder beruflichen Bildung zu halten; schließlich werden in den unteren Stufen der Schulbildung die für den Einstieg in die Berufsbildung benötigten Schlüsselkompetenzen vermittelt. Außerdem müssen auch bei der Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen Berufsbildung und Weiter- bzw. Hochschulbildung Fortschritte erzielt werden.

3.7. Auslandsmobilität

Bei der Einführung und Nutzung des Europass34 sind gute Fortschritte zu vermelden. Dennoch erfolgt die Auslandsmobilität von Lernenden weiterhin hauptsächlich im Rahmen von EU-Programmen. Die meisten nationalen Maßnahmen sind auf die Hochschulbildung ausgerichtet. Die Mobilität im Bereich der Berufsbildung ist offenbar besonders schwer zu realisieren.

An der Universität Luxemburg ist Auslandsmobilität Pflicht. Alle Studierenden von Bachelor-Programmen müssen einen Teil ihres Studiums im Ausland absolvieren.

4. Blick nach vorn

4.1. Lebenslanges Lernen für mehr Effizienz und Gerechtigkeit verwirklichen

In puncto Kohärenz und Umfang weisen die Strategien für lebenslanges Lernen noch immer große Lücken auf. Die Herausforderung besteht nun in der Umsetzung, die in vielen Fällen gerade erst begonnen hat. Die Glaubwürdigkeit der Strategien ist auch von ihren Bezügen zur Politik und von der Fähigkeit der staatlichen Stellen abhängig, Ressourcen zielgerichtet einzusetzen. Maßgeblich ist ferner die Fähigkeit, nationale Einrichtungen und Stakeholder auf allen Ebenen zu mobilisieren, etwa im Rahmen von Lernpartnerschaften.

Ausbau der Wissensbasis

Es müssen eingehendere Erkenntnisse zu den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Bildungs- und Berufsbildungspolitik gewonnen werden35. Beim Aufbau der europäischen und nationalen Wissensbasis zu Politik und Praxis der allgemeinen und beruflichen Bildung sollten sowohl Effizienz als auch Gerechtigkeit im Blickpunkt stehen.

Peer Learning und der Erfahrungsaustausch zwischen Politikern und Stakeholdern sind wichtige Knowhow-Quellen und sollten unterstützt werden. Auch sollte die Entwicklung und Umsetzung der Strategien für lebenslanges Lernen weiter überwacht werden, so dass im Gemeinsamen Bericht 2010 eine Fortschrittsbilanz gezogen werden kann.

Nachhaltige Investitionen

Höhe, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Investitionen sind weiterhin entscheidende Faktoren. Viele Länder experimentieren mit neuen Instrumenten und Anreizen für private Investitionen, die sich u. a. an Einzelpersonen, Haushalte und Arbeitgeber richten. Diese Anstrengungen müssen verstärkt werden.

Anhebung der Qualifikationsniveaus

Größere Investitionen in eine frühe Bildung sind sowohl in Bezug auf die Effizienz als auch auf die Gerechtigkeit besonders wirkungsvoll36. Durch den frühzeitigen Erwerb von Schlüsselkompetenzen wird eine wirksame Grundlage für das weitere Lernen gelegt, und sowohl die Gerechtigkeit bei den Bildungsergebnissen als auch das allgemeine Qualifikationsniveau werden verbessert. Zudem werden der Übergang zum Arbeitsmarkt erleichtert und Qualifikationsdefizite vermindert.

Allerdings müssen Image, Status und Attraktivität der Berufsbildung verbessert werden. Um den Einstieg in die berufliche Erstausbildung zu erleichtern, die Mobilität zu fördern und die Rückkehr in das Bildungssystem zu unterstützen, sollten flexible, modulare Strukturen entwickelt werden. Ferner sollten allen Bürgern integrierte Systeme für die lebenslange Orientierung zur Verfügung stehen.

Beseitigung sozioökonomischer Benachteiligungen

Allgemeine und berufliche Bildung können dazu beitragen, sozioökonomische Benachteiligungen zu überwinden, diese Benachteiligungen aber auch zementieren. Durch Ungerechtigkeiten in der allgemeinen und beruflichen Bildung entstehen hohe Kosten, die zwar oft versteckt anfallen, jedoch zweifellos existieren. Deshalb muss der Herstellung von Gerechtigkeit beim Zugang, bei der Teilhabe, bei der Behandlung der Lernenden und bei den Ergebnissen weiter Vorrang eingeräumt werden.

Das Potenzial von Migranten nutzen Durch Migration wird die Zusammensetzung der Schulklassen vielfältiger, es entstehen aber auch besondere Bedürfnisse und Probleme im Unterricht. Leistungen, Teilhabe und Abschlussniveau von Migranten liegen in der Regel unter dem Durchschnitt. Dies lässt sich zwar bis zu einem gewissen Maß durch Faktoren wie den sozioökonomischen Hintergrund sowie Sprachprobleme erklären; es gibt jedoch auch Belege dafür, dass die Bildungspolitik und die Bildungssysteme selbst zum Problem beitragen37. Diese Situation erfordert besondere Aufmerksamkeit.

Qualität der Lehre

Die Vorbereitung von Lehramtskandidaten auf den Beruf und die fortlaufende berufliche Entwicklung von Lehrkräften müssen verbessert werden. Dies wird sich positiv auf die Ergebnisse der allgemeinen und beruflichen Bildung auswirken. Auch ist es sehr wichtig, die Lehrkräfte selbst in Innovation und Reformen einzubinden. Die Kommission hat die Herausforderungen in diesem Bereich skizziert38 und führt auch eine öffentliche Konsultation zur Schulbildung durch39. Das Arbeitsprogramm ist der geeignete Rahmen, um die Herausforderungen zu bewältigen.

4.2. Innovation und Kreativität: Bildung als Schlüsselelement des Wissensdreiecks

Bildung ist eine Grundlage des Wissensdreiecks und somit maßgeblich für Wachstum und Beschäftigung. Die Hochschulen stehen im Zentrum dieses Dreiecks. Exzellenzzentren, die sich auf Lehre, Forschung und Wissenstransfer konzentrieren, spielen hier eine entscheidende Rolle. Bei der Schaffung besserer Rahmenbedingungen für Kooperationen zwischen Hochschuleinrichtungen und Unternehmen bleibt jedoch noch viel zu tun.

Forschung und Innovation erfordern eine breite Qualifikationsbasis in der Bevölkerung. Deshalb muss in allen Systemen und auf allen Ebenen der allgemeinen und beruflichen Bildung die Entwicklung von Spitzenleistungen, Kreativität und Lernkompetenz vorangetrieben werden. Sowohl die Schulen als auch die Berufsbildung können umfassend zur Innovation beitragen. So kann beispielsweise eine qualitativ hochwertige Berufsbildung mehr Innovationen am Arbeitsplatz hervorbringen.

4.3. Verbesserte Governance: die Ergebnisse des Programms "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" optimal nutzen

Das Arbeitsprogramm bringt auf europäischer und nationaler Ebene Ergebnisse hervor. Die neu entwickelten europäischen Referenzinstrumente, die Arbeit der Cluster und die Peer-Learning-Maßnahmen dienen als Input und Fundament für die Reformen der Mitgliedstaaten. Die Herausforderungen im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung und die Entwicklung der Humanressourcen stehen in den Lissabon-Reformprogrammen der meisten Mitgliedstaaten ganz oben auf der Prioritätenliste.

Jedoch lässt sich die Effizienz der offenen Methode der Koordinierung in der allgemeinen und beruflichen Bildung, ihre Wirksamkeit und die Identifikation der Politik mit dieser Methode noch verbessern. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene sollte folgenden Punkten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden:

Um zu gewährleisten, dass sich die im Arbeitsprogramm "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" festgelegten Prioritäten voll in der nationalen Politik widerspiegeln, sollten die im Gemeinsamen Bericht 2006 genannten spezifischen Maßnahmen weitergeführt werden.

Es sollten Mechanismen für die Umsetzung des Arbeitsprogramms "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" sowie Strategien für lebenslanges Lernen etabliert werden. Die Koordination mit den Akteuren, die für die allgemeine Wirtschafts- und Sozialpolitik, insbesondere die Lissabon-Reformen und die nationalen Strategien für soziale Eingliederung, verantwortlich sind, muss verbessert werden.

Die nationalen Zielvorgaben und Indikatoren sollten unter Berücksichtigung der europäischen Ziele und Benchmarks weiterentwickelt werden. Politik und Praxis sollten sich auf ein Fundament aus Wissen und Evaluierung stützen. Ferner sollten die auf europäischer Ebene festgelegten gemeinsamen Grundsätze, Leitlinien und Empfehlungen als Bezugspunkte für die nationalen Reformen dienen.

4.4. Was kommt nach 2010?

Das Arbeitsprogramm "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" soll die Reform der allgemeinen und beruflichen Bildung in den Mitgliedstaaten praktisch unterstützen. Seit der Lancierung des Programms im Jahr 2002 wurden beträchtliche Fortschritte erzielt, doch in der Bildung braucht es Zeit, bis Reformen Wirkung zeigen. Nach wie vor bestehen große Herausforderungen, und es sind neue hinzugekommen. Die Arbeiten, auch im Rahmen der Bologna- und Kopenhagen-Prozesse, müssen deshalb fortgeführt und intensiviert werden, und zwar bis weit über das Jahr 2010 hinaus. Deshalb sollten wir bereits jetzt über die wichtigsten Prioritäten des Arbeitsprogramms in der Zeit nach 2010 nachdenken. Da die allgemeine und berufliche Bildung in der Strategie für Wachstum und Beschäftigung eine zentrale Rolle spielt, ist eine enge Verknüpfung mit der weiteren Entwicklung des Lissabon-Prozesses unabdingbar.

Anhang 1
Situation in den Ländern in Bezug auf Folgendes:

Annahme einer expliziten Strategie für lebenslanges Lernen, Festlegung eines Qualifikationsrahmens, Validierung des nichtformalen / informellen Lernens, nationale Zielvorgaben in den Benchmark-Gebieten

Länder Explizite nationale Strategie für lebenslanges Lernen Nationale Qualifikationsrahmen System zur Validierung des nichtformalen und informellen Lernens Nationale Zielvorgaben in allen oder manchen EU-Benchmark-Gebieten eingerichtet
ATJEEN
Be frJEEJ
Be nlJEJJ
BGEENN
CYENNN
CZJEEN
DE JENN
DKJEJJ
EEJENJ
ELJNNJ
ESJEEJ
FIJEJJ
FRPJJJ
HRJENJ
HUJENJ
IEEJJJ
ISPNEN
ITPEEN
LIPNNN
LTJEEJ
LUPEEN
LVJENJ
MTEJNJ
NLPEJJ
NOJNJN
PLENEJ
PTPEJJ
ROENEJ
SEJNEN
SIEEJJ
SKJEEJ
TREENN
UKJJEJ