Das Bundesministerium für Gesundheit hat mit Schreiben vom 11. Juli 2012 Folgendes mitgeteilt:
Der Bundesrat hat am 24. September 2010 eine Entschließung angenommen, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, 24 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) über die Erfahrungen mit der Preisbildung und Erstattung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu berichten (Drucksache 484/10(B) ).
Anbei übersende ich Ihnen den erbetenen Bericht der Bundesregierung.
Bericht der Bundesregierung an den Bundesrat über die Erfahrungen der Preisbildung und Erstattung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zwei Jahre nach Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG)
I. Berichtsauftrag
Der Bundesrat hat in seiner 874. Sitzung am 24. September 2010 zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) Stellung genommen und die Bundesregierung aufgefordert, 24 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Erfahrungen mit der Preisbildung und Erstattung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu berichten (Drucksache 484/10(B) ).
II. Inhalt und Ziel der gesetzlichen Regelung
Mit dem am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen AMNOG wurde ein neues Verfahren zur Bewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen eingeführt. Für erstattungsfähige Arzneimittel, die in Deutschland neu auf den Markt kommen, muss seitdem der Zusatznutzen im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie nachgewiesen werden. Auf dieser Grundlage vereinbart dann der GKV-Spitzenverband mit dem jeweiligen pharmazeutischen Unternehmer einen Erstattungsbetrag sowie Anforderungen an die Zweckmäßigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Verordnung.
Während es international im Allgemeinen einer Genehmigung des Preises und/oder der Erstattungsfähigkeit bedarf, reichte in Deutschland bis zum Inkrafttreten des AMNOG die arzneimittelrechtliche Zulassung für die Erstattungsfähigkeit bei freier Preisfestsetzung durch den pharmazeutischen Unternehmer aus. Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte lediglich nachträglich die Möglichkeit, Arzneimittel wegen Unwirtschaftlichkeit oder Unzweckmäßigkeit von der Erstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen.
Neue Arzneimittel bringen häufig große Vorteile und Chancen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten. Häufig stellen sie einen therapeutischen Fortschritt dar, jedoch nicht immer in dem Ausmaß, welches die oft hohen Preisunterschiede rechtfertigen würde. Gelegentlich sind sie aber auch nur deutlich teurer als die bisherige Standardtherapie und haben dieser gegenüber keinen Vorteil. Dies und die Tatsache, dass die Ausgabensteigerungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich der Arzneimittel in den vergangenen Jahren ausschließlich durch neue Arzneimittel verursacht wurde, machte es erforderlich, einen neuen Weg zu einer fairen Preisbildung für neue Arzneimittel einzuschlagen.
Ziel des neuen Verfahrens ist es, auf Grundlage des belegten therapeutisch relevanten Zusatznutzens einen fairen Erstattungspreis zu verhandeln.
Der pharmazeutische Unternehmer muss den therapeutisch relevanten Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Standardtherapie bei Markteinführung des Arzneimittels oder bei Zulassung eines neuen Anwendungsgebiets belegen und reicht hierzu beim Gemeinsamen Bundesausschuss ein Dossier mit den erforderlichen Unterlagen ein. Er kann sich vor Erstellung des Dossiers, insbesondere zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, beraten lassen. Legt der Hersteller kein oder ein unvollständiges Dossier vor, gilt der Zusatznutzen als nicht belegt.
Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Nutzenbewertung selbst durchführen oder das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) oder Dritte damit beauftragen. In der Regel prüft das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses innerhalb von drei Monaten, ob mit den eingereichten Unterlagen der Zusatznutzen tatsächlich belegt wird, und gibt eine Empfehlung zum Ausmaß des Zusatznutzens ab. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt auf dieser Grundlage und nach Anhörung der Fachkreise innerhalb weiterer drei Monate über den Zusatznutzen des Arzneimittels. Die Nutzenbewertung wird im Internet veröffentlicht.
Pharmazeutische Unternehmer sind auf Antrag von der Pflicht zur Einreichung eines Dossiers freizustellen, wenn nur ein geringfügiger Umsatz zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erwarten ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann diese Freistellung befristen.
Für Arzneimittel zur Behandlung seltener Krankheiten müssen keine Nachweise zum medizinischen Nutzen und Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie erbracht werden. Der medizinische Zusatznutzen gilt durch die Zulassung als belegt. Erst wenn der Umsatz des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung den Betrag von 50 Millionen Euro innerhalb eines Jahres übersteigt, ist auch für diese Arzneimittel der Zusatznutzen nachzuweisen.
Auch für Arzneimittel, die vor dem 1. Januar 2011 bereits zugelassen und in Verkehr gebracht wurden (sogenannter Bestandsmarkt) kann der Gemeinsame Bundesausschuss eine Nutzenbewertung veranlassen. Dabei sind vorrangig Arzneimittel zu bewerten, die für die Versorgung von Bedeutung sind oder mit Arzneimitteln im Wettbewerb stehen, für die eine Nutzenbewertung vorliegt.
Ist ein Zusatznutzen nicht belegt, wird das Arzneimittel - soweit möglich - unmittelbar in eine bestehende Festbetragsgruppe eingruppiert. Ist ein Zusatznutzen belegt oder kann das Arzneimittel nicht in eine Festbetragsgruppe eingruppiert werden, vereinbart der GKV-Spitzenverband mit dem pharmazeutischen Unternehmer einen Erstattungsbetrag auf Grundlage der vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Nutzenbewertung sowie Anforderungen an die Zweckmäßigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Verordnung. Die Vereinbarung soll vorsehen, dass Verordnungen des Arzneimittels als Praxisbesonderheiten anerkannt werden, wenn der Arzt die vereinbarten Anforderungen an die Verordnung eingehalten hat. Ist der Zusatznutzen nicht belegt und die Eingruppierung in eine Festbetragsgruppe nicht möglich, ist der Erstattungsbetrag so festzulegen, dass keine höheren Jahrestherapiekosten entstehen als bei Anwendung der zweckmäßigen Vergleichstherapie.
Kommt eine Vereinbarung nicht innerhalb von sechs Monaten zu Stande, entscheidet eine Schiedsstelle innerhalb von drei Monaten über den Erstattungsbetrag und die weiteren Inhalte der Vereinbarung.
Der Erstattungsbetrag gilt ab dem 13. Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen des Arzneimittels. Innerhalb der ersten zwölf Monate ist der pharmazeutische Unternehmer in seiner Preisbildung weiterhin frei.
III. Stand der Umsetzung und bisherige Erfahrungen
a) Nutzenbewertung
Seit Inkrafttreten des Gesetzes hat der Gemeinsame Bundesausschuss 43 Nutzenbewertungen abgeschlossen (Stand Juni 2013). Alle Verfahren wurden fristgerecht durchgeführt und abgeschlossen.
Dabei konnte für rund zwei Drittel der Arzneimittel ein Zusatznutzen belegt werden. Davon war in rund der Hälfte der Fälle, in denen ein Zusatznutzen belegt werden konnte, dessen Ausmaß gering und in rund einem Drittel beträchtlich. In vier Fällen war der Zusatznutzen nicht quantifizierbar. Zwei Arzneimittel wurden im Einvernehmen mit den pharmazeutischen Unternehmern in bestehende Festbetragsgruppen eingruppiert. Fünf Arzneimittel wurden auf Antrag der pharmazeutischen Unternehmer von der Nutzenbewertung freigestellt, da zu erwarten ist, dass den Krankenkassen nur geringfügige Ausgaben entstehen werden. In den meisten Fällen hat der Gemeinsame Bundesausschuss die Empfehlung des IQWiG mit seinem Beschluss bestätigt, in sechs Fällen hat der Gemeinsame Bundesausschuss nach Anhörung der Fachkreise entgegen der Empfehlung des IQWiG einen Zusatznutzen anerkannt, in acht weiteren Fällen ist er hinsichtlich des Ausmaßes des Zusatznutzens von der Empfehlung abgewichen. Dies zeigt, dass die Teilung der Nutzenbewertung in eine rein wissenschaftliche Begutachtung und eine zusätzlich auch versorgungsorientierte Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses mit gesondertem Stellungnahmeverfahren sinnvoll ist.
Im Juni 2012 hat der Gemeinsame Bundesausschuss erstmals beschlossen, Arzneimittel aus dem Bestandsmarkt zu bewerten. Dabei handelt es sich um die Wirkstoffgruppe der Gliptine zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2.
Die Ergebnisse der Nutzenbewertung liegen noch nicht vor. Eine Klage gegen den Aufruf wurde vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg abgelehnt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Revision zum Bundessozialgericht ist zugelassen. Im April 2013 hat der Gemeinsame Bundesausschuss den Aufruf weiterer 14 Wirkstoffe angekündigt.
b) Preisbildung und Erstattung
Erfahrungen bezüglich der Preisbildung und Erstattung liegen bislang nur in einem relativ geringen Umfang vor. Aufgrund der gesetzlichen Übergangsregelung für Arzneimittel, die bis zum 31. Juli 2011 erstmals in Verkehr gebracht wurden, wurde die erste Vereinbarung über einen Erstattungsbetrag rund 1,5 Jahre nach Inkrafttreten des AMNOG abgeschlossen. Während bislang insgesamt 43 Beschlüsse über den Zusatznutzen von Arzneimitteln vorliegen, wurden erst 21 Vereinbarungen über Erstattungsbeträge abgeschlossen. Die Mehrzahl der bisher vereinbarten Erstattungsbeträge ist bislang weniger als zwölf Monate in Kraft. Nach Angaben des GKVSpitzenverbandes beträgt das zu erwartende Einsparvolumen aufgrund der bisher vereinbarten Erstattungsbeträge in den Jahren 2012 und 2013 rund 135 Mio. Euro.
In rund 85 Prozent der Fälle konnten sich der GKV-Spitzenverband und der pharmazeutische Unternehmer auf eine Vereinbarung über den Erstattungsbetrag verständigen. In insgesamt lediglich vier Fällen musste bislang die Schiedsstelle den Inhalt der Vereinbarung festsetzen. In zwei Fällen war dabei ein Zusatznutzen nicht belegt, so dass die Schiedsstelle hinsichtlich des Erstattungsbetrags an die mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie entstehenden Jahrestherapiekosten gebunden war. In lediglich zwei Fällen hatte die Schiedsstelle bislang über die Abbildung eines Zusatznutzens in einem Erstattungsbetrag zu befinden. In einem der beiden Fälle konnte im Nachgang eine den Schiedsspruch wieder ablösende Verhandlungslösung gefunden werden. Insgesamt lässt die bislang relative geringe Anzahl an Schiedsverfahren erwarten, dass der Grundgedanken des AMNOG trägt, auf Verhandlungslösungen zwischen den pharmazeutischen Unternehmern und dem GKV-Spitzenverband zu setzen.
Bezüglich der Höhe der vereinbarten Erstattungsbeträge zeigt sich, dass die Differenz zwischen Listenpreis und Erstattungsbetrag stark variiert. Verallgemeinerungsfähige Aussagen lassen sich aus den bisherigen Verhandlungsergebnissen kaum ableiten. Insbesondere lässt die Höhe des Rabatts im Einzelfall alleine keine aussagekräftigen Rückschlüsse auf die Angemessenheit der Erstattungsbeträge zu.
Zum 1. Februar 2013 sind von den Partnern der Selbstverwaltung die technischen Voraussetzungen für die Meldung der bis dato vereinbarten Erstattungsbeträge geschaffen worden. Damit ist gewährleistet, dass die Krankenkassen wie auch die übrigen Kostenträger zum jeweils vereinbarten Erstattungsbetrag abrechnen können. Aufgrund der gewählten Ausgestaltung des Meldeverfahrens besteht derzeit allerdings noch ein hohes Maß an Intransparenz über die gültigen Erstattungsbeträge (siehe auch IV.). Gleichzeitig besteht nach wie vor bei einigen Beteiligten offensichtlich Unsicherheit hinsichtlich der Geltung des Erstattungsbetrages bei Anwendung der Arzneimittelpreisverordnung.
c) Bisherige Erfahrungen und Weiterentwicklung
Die Implementierung des mit dem AMNOG eingeführten Verfahrens der Nutzenbewertung einschließlich anschließender Erstattungsbetragsverhandlung für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen stellt für alle Beteiligten eine Herausforderung dar. Die Umsetzung erfordert die Bereitschaft aller Akteure, sich konstruktiv zu beteiligen, aus den gemachten Erfahrungen zu lernen und auf dieser Grundlage zur Weiterentwicklung des Systems beizutragen. Das Verfahren war von Anfang an als lernendes System konzipiert, das sich aus den im Rahmen der Umsetzung gemachten Erfahrungen weiterentwickelt. Dies ist in einigen Punkten bereits geschehen. Gesetzliche Anpassungen wurden mit dem Zweiten und mit dem Dritten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vorgenommen (Drucksache 487/12 (PDF) und 492/13 (PDF) ).
Jenseits gesetzlicher Anpassungen ist für den Erfolg des gesamten Verfahrens vor allem die Fähigkeit des Systems entscheidend, Erfahrungen in der Praxis zur Weiterentwicklung des Verfahrens unterhalb der gesetzlichen Ebene zu nutzen. Beispiele hierfür sind die Veröffentlichung der zweckmäßigen Vergleichstherapie zu einem frühen Zeitpunkt einschließlich Begründung, die Möglichkeit zum Nachreichen fehlender Unterlagen nach Vorprüfung des Dossiers durch den Gemeinsamen Bundessausschuss oder die Überarbeitung der Dossierunterlagen aufgrund der Erfahrungen der ersten beiden Jahre.
Es hat sich jedoch auch gezeigt, dass zahlreiche in den bisherigen Verfahren aufgeworfene Fragen dem jeweiligen Einzelfall geschuldet und nicht Ausdruck struktureller oder grundsätzlicher Probleme sind.
IV. Erfahrungen aus Sicht der beteiligten Akteure bei der Preisbildung und Erstattung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen
Das Bundesministerium für Gesundheit hat den beteiligten Akteuren im Vorfeld der Erstellung dieses Berichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Davon Gebrauch gemacht haben: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen, Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller, Bundesverband der Arzneimittel-Importeure, Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Gemeinsamer Bundesausschuss, GKVSpitzenverband, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Pro Generika, Verband der Arzneimittel-Importeure Deutschlands, Verband der Privaten Krankenversicherung, Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Im Folgenden werden die wesentlichen in den eingegangenen Stellungnahmen vertretenen Positionen zusammengefasst wiedergegeben.
Die Mehrzahl der Stellung nehmenden Verbände begrüßt die mit dem AMNOG eingeführte Nutzenbewertung und die damit verfolgten Ziele. Das Verfahren wird überwiegend als sinnvoll und geeignet beschrieben, den Nutzen von Arzneimitteln zu bewerten und damit eine tragfähige Grundlage für die Verhandlung fairer Preise zu schaffen. Nach Auffassung der Mehrzahl der Stellungnehmer hat es sich bewährt und etabliert. Von Seiten der Industrie wird anerkannt, dass neue Arzneimittel einem Bewertungsprozess zu unterziehen sind und betont, dass auch die pharmazeutischen Unternehmer ihren Teil zum Gelingen des Verfahrens beitragen. In vielen Stellungnahmen wird auf die mit der Einführung des neuen Systems verbundenen Herausforderungen hingewiesen sowie dabei gleichzeitig die grundsätzliche Lernfähigkeit des Systems und der beteiligten Akteure in diesem Zusammenhang bekräftigt. Kritisch sehen die pharmazeutischen Unternehmen allerdings die hohen Kosten der Dossiererstellung und sehen Überprüfungsbedarf, ob die umfassenden Anforderungen an die Dossiers zur Zielerreichung erforderlich sind.
Positiv hervorgehoben wird, dass durch das neue Verfahren frühzeitig unabhängige Informationen über neue Arzneimittel zur Verfügung gestellt werden, die eine Einschätzung darüber ermöglichen, ob ein Arzneimittel in einer bestimmten Indikation einen Zusatznutzen aufweist und gegebenenfalls welche Patientengruppen davon profitieren.
Gleichzeitig wird weiterer Optimierungsbedarf angemahnt. Dies gilt insbesondere für die Beratung der pharmazeutischen Unternehmer beim Gemeinsamen Bundesausschuss. Wenngleich angemerkt wird, dass gerade im Hinblick auf diesen Verfahrensschritt bereits eine Entwicklung stattgefunden hat, besteht der Wunsch nach einer Weiterentwicklung und Verbesserung des Verfahrens, z.B. größere Transparenz im Rahmen der Entscheidungsfindung bei der Nutzenbewertung, Beteiligung von Fachgesellschaften und der Zulassungsbehörden.
Der am häufigsten kritisierte Punkt ist die aus Sicht verschiedener Akteure mangelnde Transparenz über die Erstattungsbeträge (s.o.). Von verschiedenen Seiten wird beklagt, dass die Informationen über vereinbarte Erstattungsbeträge nicht, nicht zeitnah oder nicht einfach zugänglich zur Verfügung stünden. Auch auf das unter III. angesprochene Problem der Anwendung der Arzneimittelpreisverordnung auf den Erstattungsbetrag wird mehrfach hingewiesen. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller beklagt dagegen ein bereits heute zu hohes Maß an Transparenz und spricht sich für einen vertraulichen Umgang mit dem Erstattungsbetrag aus, da er negative Auswirkungen auf die Preisbildung in anderen Ländern befürchtet.
Verschiedentlich angemahnt wird, die Möglichkeit zur Vereinbarung von Praxisbesonderheiten stärker zu nutzen.
Einzelne Aspekte werden von den Stellung nehmenden Verbänden differenziert bewertet. So hebt beispielsweise die Patientenvertretung ausdrücklich positiv hervor, dass die Nutzendossiers in deutscher Sprache zu verfassen sind, während von Seiten der Industrie die hohen Kosten für die Übersetzung von Studien beklagt werden.
Unterschiedlich bewertet wird auch die Höhe der bislang vereinbarten Erstattungsbeträge. Während von verschiedener Seite kritisch angemerkt wird, die bislang vereinbarten Erstattungsbeträge seien zu hoch, ist dies für die Industrieseite ein Beleg dafür, dass die bisherigen, vom Unternehmer frei gewählten Preise nicht in dem Maße zu hoch waren, wie häufig behauptet worden sei.
Die Ausnahmeregelung für die Bewertung des Zusatznutzens von Arzneimitteln zur Behandlung seltener Erkrankungen wird ebenfalls uneinheitlich beurteilt. Es wird sowohl gefordert, diese Arzneimittel vollständig zu bewerten, als auch, sie gänzlich von der Nutzenbewertung auszunehmen, während schließlich von weiteren Stellungnehmern die bestehende Regelung als sachgerecht beschrieben wird.
V. Fazit
Zusammenfassend ist festzustellen, dass das mit dem AMNOG eingeführte Verfahren der Nutzenbewertung und anschließender Vereinbarung eines Erstattungsbetrags für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen grundsätzlich funktioniert. Aus Sicht der Bundesregierung wie auch der zur Stellungnahme aufgeforderten Institutionen reichen die bisherigen Erfahrungen jedoch noch nicht für eine abschließende Bewertung über die Wirkungen der frühen Nutzenbewertung aus.
Es hat sich gezeigt, dass anders als bei Inkrafttreten des AMNOG von verschiedener Seite befürchtet wurde, der Nachweis eines Zusatznutzens zum Zeitpunkt der Markteinführung grundsätzlich möglich ist, auch wenn zu diesem Zeitpunkt nicht alle Fragen abschließend beantwortet werden können. Dies belegen die unter III. dargelegten Zahlen. Die bisher abgeschlossenen Verfahren zeigen eine durchaus differenzierte Bewertung des Zusatznutzens, die zu mehr Transparenz über die bewerteten Arzneimittel führen und damit zur Verbesserung der Qualität der Versorgung beitragen können.
Wenngleich bezüglich der Preisbildung und Erstattung bislang vergleichsweise wenige Erfahrungen vorliegen, so kann doch zusammenfassend festgestellt werden, dass sich die dem AMNOG zu Grunde liegende Idee einer Verhandlungslösung grundsätzlich bewährt hat. Die Spannbreite der bisher verhandelten Rabatte deutet darauf hin, dass sich die differenzierten Ergebnisse der Nutzenbewertung auch in den Ergebnissen der Verhandlungen über die Erstattungsbeträge niederschlagen, wohl aber nicht alleiniges Kriterium bei der Preisfindung sind.
Positiv zu bemerken ist aus Sicht der Bundesregierung, dass bei den beteiligten Akteuren die Bereitschaft, aus den gemachten Erfahrungen zu lernen und konstruktiv an der Weiterentwicklung des Systems mitzuwirken, vorhanden ist und eine Optimierung des Verfahrens auch innerhalb des gesetzlichen Rahmens stattfindet. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass auch in den Bereichen, in denen noch Optimierungsbedarf besteht, adäquate Lösungen gefunden werden.
Die Bundesregierung wird die frühe Nutzenbewertung und die Preisverhandlungen hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die Entwicklung der Ausgaben für Arzneimittel, die Qualität der Versorgung der Patientinnen und Patienten, die Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln sowie den Forschungs- und Pharmastandort Deutschland kontinuierlich weiter beobachten und evaluieren.