Der Bundesrat hat in seiner 840. Sitzung am 20. Dezember 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage insgesamt:
- 1. Der Bundesrat nimmt die Vorlage des Grünbuchs "Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt" kritisch zur Kenntnis. Er lehnt die im Grünbuch enthaltenen Überlegungen der Kommission ab, soweit sie auf der Annahme einer europäischen Zuständigkeit für den Stadtverkehr beruhen. Insbesondere die im Grünbuch skizzierten Vorschläge der Kommission, die in das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen und die verfassungsmäßigen Kompetenzen der Mitgliedstaaten oder der deutschen Länder unzulässig eingreifen und auf legislative Maßnahmen der Kommission abzielen (z.B. Einführung einer City-Maut, Markteinführung sauberer und energieeffizienter Fahrzeuge durch eine umweltbewusste öffentliche Beschaffungspolitik), lehnt er ab.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Bemühungen der Kommission, programmatische Aussagen zum Stadtverkehr zu beschließen, nicht fortgeführt werden.
- 2. Lösungsansätze für die Herausforderungen des Stadtverkehrs sind vielmehr vorrangig von den Akteuren vor Ort zu entwickeln. Ein Handlungsbedarf der EU kann nur dann akzeptiert werden, wenn die EU einen Mehrwert gegenüber lokalen oder regionalen Initiativen schaffen kann. Dieser Mehrwert ist jedoch nicht erkennbar. Nach dem Subsidiaritätsprinzip ist die kommunale Verkehrspolitik Gegenstand der kommunalen Selbstverwaltung. Die Rolle der Kommission sollte sich darauf beschränken, eine Kommunikationsplattform zu bilden und einen Wissensaustausch zwischen Städten und Kommunen zu befördern.
Der Bundesrat erkennt an, dass die Kommission mit dem Grünbuch den Kommunen Hilfeleistungen anbietet für Auflagen und Vorschriften der EU, z.B. im Bereich der Luftreinhaltung. Bei deren Umsetzung kann die mit dem Grünbuch initiierte Diskussion helfen, Lösungsansätze zu finden.
- 3. Allerdings steht zu befürchten, dass mit dem für Herbst 2008 angekündigten Aktionsplan weitere Regularien folgen werden, die dazu führen, dass die EU zusätzliche Kompetenzen an sich zieht. Im Sinne der Umsetzung des von der EUzu beachtenden Subsidiaritätsprinzips sollte dies verhindert werden.
- 4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass in Deutschland in vielen Stadtregionen mehr Menschen in suburbanen Räumen als in den Kernstädten leben.
Neben Stadtregionen, deren Wachstum weiter ungebrochen ist, gibt es Städte und Regionen, die mit massiven Schrumpfungsprozessen zu kämpfen haben.
Daraus ergeben sich unterschiedliche Anpassungsbedarfe.
- 5. In der Stadt trifft in konzentrierter Form eine Vielzahl von Mobilitätsansprüchen und Gütertransporterfordernissen aufeinander, beispielsweise für die Wirtschaft, für die Berufsausübung, für die Ausbildung, für Besorgungen und für die Freizeit.
- 6. Die dadurch ausgelöste Verkehrsnachfrage samt den notwendigen Verkehrsinfrastrukturen konkurrieren in der Stadt mit anderen Ansprüchen der Einwohner, wie zum Beispiel mit den Anforderungen an eine gesunde Lebens- und Aufenthaltsqualität, die durch Lärm- und Schadstoffemissionen oder durch das erhöhte Risiko, in Verkehrsunfälle verwickelt zu werden, beeinträchtigt werden können.
- 7. Aus Sicht des Bundesrates muss es das grundsätzliche Ziel sein, die Verkehrsprobleme der Kernstädte und ihrer suburbanen Räume zu reduzieren, ohne dass dies die Mobilität der Bürger und Bürgerinnen, die städtische Lebensqualität oder die Qualität der Städte als Wirtschaftsstandorte beeinträchtigt. Dabei ist der demografische Wandel zu berücksichtigen.
- 8. Der Bundesrat ruft in Erinnerung, dass zur Bewältigung der Verkehrsprobleme in den Städten der deutschen Flächenländer und in den Stadtstaaten bereits viele Lösungsansätze erarbeitet und umgesetzt worden sind.
Beispiele sind vor allem
- - der massive Ausbau des städtischen ÖPNV mit S-Bahnen, U-Bahnen und Bussen sowie die Verknüpfung von Städten und Umland über dichte und vertaktete Angebote im regionalen Schienenverkehr,
- - die Errichtung innerstädtischer Verkehrsleit- und Informationssysteme und deren Zusammenschluss auf regionaler Ebene,
- - die Entwicklung und der Einsatz umweltfreundlicher Fahrzeuge,
- - die Stärkung des Rad- und Fußverkehrs,
- - auf längerfristige Verkehrsvermeidung angelegte Maßnahmen der Siedlungs-, Verkehrs- und Stadtentwicklungsplanung, z.B. durch Stärkung und Belebung der Innenstädte.
- 9. Was die räumliche und funktionale Zuständigkeit für die Gestaltung des Verkehrs in den Städten betrifft, so weist der Bundesrat mit Nachdruck darauf hin, dass in Deutschland die Zuständigkeiten bereits auf nationalstaatlicher Ebene zwischen Bund, Ländern und Gemeinden nach dem Subsidiaritätsprinzip geteilt sind: So viele Aufgaben wie möglich werden von der kommunalen Ebene wahrgenommen.
- 10. Der Bundesrat unterstreicht die originäre Zuständigkeit der Kommunen für die Mobilität in der Stadt und erwartet deshalb von der Kommission die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips.
- 11. Der Bundesrat betont den Unterstützungsbedarf durch die EU bei allen Aufgaben, die auf kommunaler Ebene durch Maßnahmen der europäischen Ebene ausgelöst werden.
- 12. Auch für den Verkehrsbereich bestehen in Deutschland klare Aufgabenzuweisungen und gut funktionierende Strukturen. Dies trifft z.B. auf die Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs zu.
- 13. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass in Deutschland gerade angesichts dieser bestehenden föderalen Strukturen bereits jetzt ein hoher Entwicklungsstand bei der Ausgestaltung der städtischen Mobilität erreicht ist. Daher kämen für den von der Kommission nach Vorliegen der Stellungnahmen zum Grünbuch angekündigten Aktionsplan mit Vorschlägen im Hinblick auf die Mobilität in Städten nur wenige Handlungsfelder in Betracht.
- 14. Hierzu zählen aus Sicht des Bundesrates allenfalls
- - die Kommunikation von Best-Practice-Beispielen für die Ausgestaltung der städtischen Mobilität innerhalb der EG,
- - die Weiterentwicklung der europäischen Sicherheitsnormen für Fahrzeuge,
- - die Weiterentwicklung der Richtlinien für die Emissionen und Immissionen von Schadstoffen und Lärm im Zusammenhang mit dem motorisierten Verkehr,
- - die Weiterentwicklung des Wettbewerbsrahmens für den öffentlichen Personennahverkehr mit dem Ziel, dessen Attraktivität zu steigern und Kosten zu senken, wobei dem Schutz von KMU und der Schaffung größtmöglicher Rechtssicherheit und -klarheit besondere Bedeutung zukommen muss.
- 15. Der Bundesrat erkennt, dass ein europäischer Harmonisierungsbedarf insbesondere bei technischen Fragen besteht. So kann beispielsweise eine europaweit einheitliche Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge entsprechend ihrem Schadstoffausstoß die Interoperabilität des Straßenverkehrs erleichtern, zur Verwaltungsvereinfachung bei der Umsetzung beitragen sowie die Akzeptanz bei den Kraftfahrzeughaltern erhöhen.
- 16. Der Bundesrat unterstützt die Kommission, wenn sie den Schwerpunkt der geplanten Aktivitäten auf das Partnerschaftsprinzip legt und den EU-weiten Austausch von guten Praktiken oder den Informations- und Erfahrungsaustausch organisieren und gewährleisten will. Eine Bevormundung der Städte, z.B. durch den Erlass von Rechtsakten zur City-Maut oder zur Parkraumbewirtschaftung, wird der Bundesrat nicht akzeptieren.
- 17. Der Bundesrat begrüßt in diesem Zusammenhang den von der Kommission gewählten Ansatz, den Erfahrungsaustausch zwischen den Städten auf europäischer Ebene zu unterstützen und Demonstrationsprojekte mit innovativen Maßnahmen zu fördern.
- 18. Im Einzelnen nimmt der Bundesrat zu dem vorgelegten Grünbuch wie folgt Stellung:
Das Grünbuch verfolgt fünf Ziele: flüssiger Stadtverkehr, umweltfreundliche Städte, intelligenterer Nahverkehr, bessere Zugänglichkeit der Innenstädte und höhere Straßenverkehrssicherheit. Unter diesen Gesichtspunkten hält der Bundesrat grundsätzlich eine Neuordnung des Stadtverkehrs mit dem Ziel der Stärkung des ÖPNV, des Fußgänger- und Radverkehrs für sinnvoll.
- 19. Es stellt sich jedoch bei nahezu allen angesprochenen Aspekten die Frage, ob der jeweils aufgegriffene Sachverhalt zum einen grundsätzlich neu ist (Ziel des Grünbuchs soll eine "neue Kultur der Mobilität in der Stadt" sein) oder ob zum anderen verbindliche Regelungen auf europäischer Ebene sinnvoll und zulässig sind.
- 20. Bereits in der Einleitung verweist die Kommission darauf, dass alle Städte unterschiedlich seien, aber vor ähnlichen Herausforderungen stünden. Daraus wird der Schluss gezogen, dass "gemeinsame Lösungen" anzustreben seien.
Dieser Ansatz steht dem Subsidiaritätsprinzip entgegen; denn so unterschiedlich die Städte und Stadtregionen sind, so unterschiedlich müssen auch die Strategien sein die zur Lösung von Problemen vor Ort Anwendung finden.
- 21. Das Augenmerk der EU-Verkehrspolitik sollte sich vielmehr auf die Verwirklichung großräumiger Vorhaben mit echtem europäischen Mehrwert richten insbesondere auf den Ausbau des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V), und nicht auf Bereiche, in denen - zumindest in Deutschland - klare Aufgabenzuweisungen bestehen und gut funktionierende Strukturen existieren.
Dies betrifft etwa die Organisation des ÖPNV, die Parkraumbewirtschaftung oder intelligente Gebührensysteme.
- 22. Dabei sollte die Finanzierung im Haushalt der EU durch Umschichtung erfolgen.
- 23. In anderen Teilen des Grünbuchs werden Konzepte aufgegriffen, deren Umsetzung wiederholt gescheitert ist, so etwa bei der zentral gesteuerten Güterverteilung in der Stadt in Form der City-Logistik. In der von der Kommission geforderten Form würde die Stadtlogistik zudem einen deutlichen Eingriff in unternehmerische Freiheiten in diesem Marktsegment bedeuten.
- 24. Der Bundesrat begrüßt die integrierte Sichtweise der Kommission für die Lösung von Verkehrsproblemen der Städte und Stadtregionen. Ein integrierter Ansatz liegt der Verkehrsplanung in Deutschland bereits vielerorts in einer der lokalen Situation angepassten Weise zu Grunde. Die im Grünbuch geforderte Integration des Umlands von Städten bei der Verkehrsplanung wird in Deutschland durch die Regionalplanung seit Jahrzehnten durchgeführt. Gerade der Bau und Ausbau einer guten ÖPNV-Infrastruktur kann zur Steuerung der Besiedlung und damit zur vermehrten Nutzung des ÖPNV beitragen.
- 25. In weiteren Teilen ist im Grünbuch die räumliche Bezugsebene falsch gewählt; so wird etwa die große Bedeutung intelligenter Verkehrssysteme für die Städte betont. Dabei wird übersehen, dass auch die Städte nur Teile größerer Verkehrsnetze sind, die im Grünbuch jedoch unerwähnt bleiben. So müssen auch nicht die Schnittstellen zu diesen Systemen gestärkt werden; vielmehr ist eine umfassende informationstechnische Standardisierung der Verkehrstelematik anzustreben die städtische Systeme ebenso betrifft wie alle anderen Systeme zur Verkehrslenkung.
- 26. Auch im Bereich "Verkehrssicherheit" werden vor allem von Unternehmen große Anstrengungen unternommen, um neue Technologien - insbesondere in Zusammenhang mit eingesetzter oder neu zu entwickelnder Verkehrstelematik - zu entwickeln.
- 27. Die im Grünbuch einseitig positiv dargestellten Stadtmautsysteme sind aus mehreren Gründen (insbesondere Grundrechte der Anlieger, Vereinbarkeit mit dem Gemeingebrauch, datenschutzrechtliche Aspekte, sozialpolitische Verträglichkeit) kritisch zu beurteilen. Jedenfalls besteht kein Bedarf für eine europaweite Harmonisierung, zumal die rechtlichen Voraussetzungen sich in den Mitgliedstaaten erheblich voneinander unterscheiden.
- 28. Harmonisierungsbedarf besteht aber bei den technischen Anforderungen an elektronische Systeme zur Bezahlung von Straßenbenutzungs- und Parkgebühren.
Diese Harmonisierung wird zur Kostensenkung bei gewerblichen und privaten Verkehrsteilnehmern beitragen und zugleich die Marktchancen der innovativen deutschen Anbieter dieser Systeme stärken.
- 29. Das Grünbuch empfiehlt zudem eine Förderung von Nahverkehrsmaßnahmen durch die EU und nennt Schnellbussysteme als positives Beispiel. Aus Subsidiaritätsgesichtspunkten ist aber insbesondere eine über die bestehenden Möglichkeiten (z.B. Strukturfonds) hinausgehende Einbindung der EU in die Finanzierung schon im Grundsatz abzulehnen. Besonders sollte die Kommission darauf verzichten, inhaltliche Vorstellungen durchzusetzen, die im Widerspruch zu bestehenden Festlegungen der zuständigen Regionen und Kommunen stehen (z.B. zum vorrangigen Einsatz des komfortableren und i. d. R. energieeffizienteren schienengebundenen Verkehrs, wie er in zahlreichen ÖPNV-Gesetzen niedergelegt ist).
- 30. Unabhängig von den vorgenannten Kritikpunkten weist der Bundesrat darauf hin dass einige Abschnitte der Vorlage selbst für ein Grünbuch viel zu allgemein gehalten sind. Dies betrifft beispielsweise die Forderung nach umweltbewusstem Fahren, die bereits Teil der Führerscheinrichtlinie ist. Ansätze, um die in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse - etwa durch wiederholtes Training - aufzufrischen, um so eine nachhaltige Verkehrsmittelnutzung zu fördern fehlen jedoch. Auch für den Bereich der Infrastrukturfinanzierung, in dem in erster Linie die Mitgliedstaaten gefordert sind, ihre vorhandenen Rechtsinstrumente an den Einsatz von Public-Private-Partnership ("PPP") oder andere Finanzierungsalternativen anzupassen, sind die im Grünbuch enthaltenen Anregungen wenig praxistauglich. Gleiches gilt für die vagen Aussagen zur Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Zu einzelnen Fragen:
- 31. Zu Frage 6 stellt der Bundesrat fest, dass das deutsche Recht eine Reihe von Möglichkeiten kennt, den Verkehr zu beschränken und zu lenken. Zu nennen sind die Landes- und Regionalplanung, die Verkehrsplanung, die Straßenplanung, die Bauleitplanung mit der Ausweisung von verkehrsberuhigten Bereichen, der Städtebau, die Gemeindeverkehrsfinanzierung, der Straßenbau, das Straßenrecht (Widmung) und das Straßenverkehrsrecht (Fußgängerzonen, verkehrsberuhigte Bereiche, Sonderwege, Tempo-30-Zonen, Umweltzonen u. a.). Damit gibt es in der Bundesrepublik Deutschland bereits jetzt einen breiten Ansatz von Mitteln, um den Verkehr intelligent zu erzeugen, zu kanalisieren und zu lenken. Die Überschrift "Verkehrsbeschränkungen?" greift aus diesen vielfältigen Ansätzen demgegenüber nur Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverbote sowie den monetären Ansatz zu Lasten des Straßenverkehrs heraus. Das ist nach bisherigem Verständnis nur als Ultima Ratio zu sehen. "Leitlinien" für Verkehrsbeschränkungen sind, allein schon mit Hinweis auf die StVO und die dort zahlreich verankerten Möglichkeiten von weichen (wie Einbahnstraße, vorgeschriebene Fahrtrichtung, Lichtzeichenanlage), härteren (wie Geschwindigkeitsbeschränkung, Tempo-30-Zonen) und harten Maßnahmen (wie zeitweise Verkehrsverbote, Verkehrsverbote für bestimmte Fahrzeugarten, Verkehrsverbot für alle), nicht notwendig.
- 32. Zu Frage 7 weist der Bundesrat darauf hin, dass sich bereits jetzt in den Vorschriften zur Führerscheinausbildung und -prüfung zahlreiche Regelungen zum energiesparenden Fahren finden. Das im Rahmen der Fahrschulausbildung hierzu vermittelte Wissen wird in der Führerscheinprüfung abgefragt. Damit werden auch die Regelungen aus Anhang II zur Richtlinie 2006/126/EG (bzw. der Vorgängerrichtlinie) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein, dortige Ziffer 2.1.9, in nationales Recht umgesetzt.
- 33. Zu Frage 12 stellt der Bundesrat fest, dass das deutsche Straßenverkehrsrecht privilegien- und präferenzenfeindlich ausgebildet ist. Dies bedeutet, dass sich alle Verkehrsteilnehmer ohne Rücksicht auf den Grund der Verkehrsteilnahme grundsätzlich nach den gleichen Verkehrsregeln verhalten müssen. Darauf dürfen auch alle Verkehrsteilnehmer vertrauen. Ferner ermöglicht unser Straßennetz, auch und gerade in den Städten, die Bereitstellung gesonderter Spuren nur sehr eingeschränkt. Davon wird, wo immer möglich, zur Förderung des ÖPNV (Sonderfahrstreifen für Linienomnibusse) Gebrauch gemacht. Hinzu kommt die Beschleunigung der Straßenbahnen durch Bevorrechtigung bei Lichtzeichenanlagen.
- 34. Zu Frage 16 weist der Bundesrat darauf hin, dass die EU von der Möglichkeit, Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit zu erlassen, bisher nur wenig (beispielsweise Kindersicherung in Kraftfahrzeugen) Gebrauch gemacht hat. Grund dafür sind das Subsidiaritätsprinzip und die unterschiedlichen Verhältnisse innerhalb der EU. Eine überragende Notwendigkeit besteht auch deshalb nicht, weil 1968 mit dem so genannten Wiener Übereinkommen die wesentlichen Verkehrsregeln international festgeschrieben wurden; die StVO von 1970 trägt diesen Regeln Rechnung. Es ist zudem auch nicht vorstellbar, dass die EU den Städten mit verbindlichen Vorgaben bei der Sicherstellung der Straßenverkehrssicherheit Hilfestellung leisten könnte.
- 35. Zu Frage 18 ist der Bundesrat der Auffassung, dass ortsfeste Geschwindigkeitsmessanlagen ihre Wirkung ausschließlich punktuell im Nahbereich der Überwachungsörtlichkeit entfalten und deshalb sinnvolle Einsatzmöglichkeiten nur im Bereich von Unfallhäufungsstellen bestehen, an denen Geschwindigkeitsunfälle eine herausragende Rolle spielen. Im Gegensatz zu mobilen Geschwindigkeitsüberwachungen gilt es bei stationären Anlagen besonders zu berücksichtigen dass diese - gerade ortskundigen Kraftfahrern - in relativ kurzer Zeit bekannt sind und deshalb ein Großteil der Verkehrsteilnehmer vor dem Messbereich abbremst und in diesem Bereich die zulässige Höchstgeschwindigkeit exakt einhält. Vor und nach dem Mess- bzw. Erfassungsbereich der Anlage wird dagegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Grund der geringen Wahrscheinlichkeit einer weiteren Kontrolle erfahrungsgemäß häufig überschritten.
- 36. Zur Thematik der Frage 19 halten die Innenressorts der Länder eine intensivere Nutzung bereits vorhandener Videoaufzeichnungen und eine sinnvolle Ausweitung dieses Instrumentariums für erforderlich. Es wurde festgestellt, dass Videoüberwachung im öffentlichen Raum eine nachhaltige Wirkung in der Kriminalitätsbekämpfung entfaltet. Neben dem präventiven Effekt dieser Maßnahme ergibt sich regelmäßig auch der Nebeneffekt der Beobachtung und Aufzeichnung strafrechtlich relevanter Sachverhalte. Vor dem Hintergrund, dass auch im Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen eine gewisse Häufung auf Ziele im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV) erkennbar ist wird gerade in diesen Bereichen eine Ausweitung der Videoüberwachung als unverzichtbar angesehen. Der Bundesrat schließt sich dieser Auffassung an.
Die Videoüberwachung ist durchaus ein geeignetes Werkzeug zur Gewährleistung der Sicherheit auch im Nahverkehr.
Allgemeine Feststellungen:
Darüber hinaus stellt der Bundesrat Folgendes fest:
- 37. Zukunftsfähige Mobilitäts- und Verkehrskonzepte müssen das Zusammenspiel von Verkehrs-, Wirtschafts-, Raumordnungs-, Energie-, Stadt-, Sozial- und Umweltpolitik berücksichtigen. Dies muss sich im Planungs- und Entscheidungsprozess widerspiegeln. Den Siedlungsstrukturen und einer integrierten Raum- und Verkehrsplanung/-entwicklung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
- 38. Verkehrsinfrastruktur und Verkehrsangebote sind für die Funktionsfähigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft von grundlegender Bedeutung. Verkehr ist das Hilfsmittel zur Umsetzung von Mobilität und dient der Gewährleistung von Teilhabechancen an sozialen und wirtschaftlichen Austauschprozessen.
- 39. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, mit ihrer Stellungnahme darauf hinzuwirken dass in das weitere Verfahren die Geschlechterperspektive regelmäßig einbezogen wird. Dazu sind die nach Geschlecht unterschiedlichen Anforderungen an Mobilität zu thematisieren und Strategien auf diese Bedürfnisse auszurichten. So unterscheiden sich die Geschlechter z.B. in der Verfügbarkeit von PKW, in der Häufigkeit und Art der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, in der Häufigkeit der Nutzung mit Kindern und im Sicherheitsbedürfnis.
- 40. Defizite im Straßennetz können zwar durch Telematikeinrichtungen gemindert werden. Eine grundlegende Beseitigung der Defizite ist aber nur durch Bereitstellung und Verknüpfung ausreichend leistungsfähiger Infrastrukturen der verschiedenen Verkehrsträger möglich.
- 41. Die europaweite Bereitstellung von Daten zum städtischen Verkehr sollte - soweit sinnvoll - eingebunden werden in die europäische Geodateninfrastruktur, die auf den Festlegungen der INSPIRE-Richtlinie aufbaut.
- 42. Mobilitätsfolgenabschätzungen dürfen keinen unbegrenzbaren Untersuchungsaufwand initiieren.
Zum Verfahren:
- 43. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei ihrer Stellungnahme zum laufenden Konsultationsverfahren des Grünbuchs die Länder intensiv zu beteiligen.
- 44. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.