Empfehlungen der Ausschüsse
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel KOM (2008) 40 endg.; Ratsdok. 6172/08

844. Sitzung des Bundesrates am 23. Mai 2008

A

Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Agrarausschuss (A) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zur Vorlage insgesamt

Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die mit dem Verordnungsvorschlag verfolgten Ziele des Verbraucherschutzes und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit mittels Nährwertkennzeichnung.

11. Zu Artikel 2 Abs. 1 Buchstabe e

In Artikel 2 Abs. 1 Buchstabe e sollte die Begriffsbestimmung für "Fleisch" geteilt werden:

In der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 sind zwei Sorten Separatorenfleisch beschrieben und mit unterschiedlichen Anforderungen versehen. In Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nr. 3 sind die (höheren) Anforderungen für Separatorenfleisch enthalten, "das nach Verfahren hergestellt wird, welche die Struktur der Knochen, die bei der Herstellung von Separatorenfleisch verwendet werden, nicht ändern und dessen Kalziumgehalt den von Hackfleisch/Faschiertem nicht signifikant übersteigt". (Der betreffende Kalziumgehalt ist auf 0,1% (= 100 0mg/100 g oder 10000 ppm) limitiert (s. Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 2074/2005)).

In Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nr. 4 sind die (geringeren) Anforderungen für solches Separatorenfleisch festgelegt, das mit anderen Verfahren als das nach Nummer 3 hergestellt wird (also mit Verfahren, bei denen die Struktur der für die Herstellung verwendeten fleischtragenden Knochen geändert werden). Der Kalziumgehalt dieses Separatorenfleisches ist nicht limitiert, ein mikrobiologisches Lebensmittelsicherheitskriterium existiert nicht.

Während Separatorenfleisch nach Nummer 3 allgemein bei der Herstellung von Fleischerzeugnissen und zudem bei der Herstellung von zum Verzehr in durcherhitztem Zustand vorgesehenen Fleischzubereitungen verwendet werden darf, darf Separatorenfleisch nach Nummer 4 generell nur zur Herstellung hitzebehandelter Fleischerzeugnisse verwendet werden.

Nach geltender Rechtslage ist die Verwendung von Separatorenfleisch bei der Kennzeichnung von Endprodukten unabhängig davon, ob es sich um solches nach Nummer 3 oder nach Nummer 4 handelt, deklarationspflichtig.

Diese Deklarationspflicht ist für das qualitativ hochwertigere Separatorenfleisch fachlich nicht begründbar. Sie sollte deshalb durch die vorgeschlagene Änderung gestrichen werden.

12. Zu Artikel 2 Abs. 2 Buchstabe l

In Artikel 2 Abs. 2 Buchstabe l sollten die Wörter "rechtmäßige Bezeichnung" durch das Wort "Verkehrsbezeichnung" ersetzt werden.

Der Begriff "Verkehrsbezeichnung" wurde in den im vorliegenden Verordnungsvorschlag zusammengeführten Rechtsvorschriften verwendet und ist durch die laufende Rechtsprechung in der Zwischenzeit konkretisiert (auch in den anderen Amtssprachen). Sein Ersatz durch den erklärungsbedürftigen Begriff "rechtmäßige Bezeichnung" führt zu erneuter Unsicherheit. Zudem müssten die nationalen Vorschriften, z.B. in § 9 Abs. 2 der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung, angepasst werden. So wäre z.B. zu klären, ob Angaben, die jetzt in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung stehen müssen (z.B. mit Süßungsmitteln), dann in Verbindung mit der rechtmäßigen, gebräuchlichen bzw. beschreibenden Bezeichnung aufgeführt werden müssen.

14. Zu Artikel 4 Abs. 1 Buchstabe b Nr. iii

Hier werden die Risiken und Folgen "eines schädlichen und gefährlichen Konsums von Lebensmitteln" als mögliche Informationspflichten aufgeführt. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es einen "schädlichen und gefährlichen Konsum" von Lebensmitteln nicht gibt. Sofern diese Regelung auf Informationen bzw. Warnhinweise zur Vermeidung eines Lebensmittelmissbrauchs abzielt (z.B. Warnhinweise bei alkoholischen Getränken oder Nahrungsergänzungsmitteln), sollte entweder die Wortwahl überdacht oder der Text durch weitere klarstellende Ausführungen ergänzt werden.

15. Zu Artikel 7 Abs. 1

Nach dieser Festlegung dürfen Informationen über Lebensmittel nicht "ernstlich" irreführend sein. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das hier verwendete Adjektiv "ernstlich" ersatzlos gestrichen werden sollte, da eine "nicht ernstliche Irreführung" ansonsten künftig zu tolerieren wäre. Dies auch deshalb, weil in der sogenannten Basisverordnung, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, keine solche Einschränkung bezüglich des generellen Verbots irreführender Praktiken im Verkehr mit Lebensmitteln enthalten ist.

16. Zu Artikel 8 Abs. 3

In Artikel 8 Abs. 3 sollte das Wort "erstmals" in der ersten Zeile ersatzlos gestrichen werden. Dem Lebensmittelunternehmer obliegt die Verpflichtung, die Richtigkeit der Lebensmittelinformation zu gewährleisten, ständig und nicht nur beim erstmaligen Inverkehrbringen.

Zu Artikel 20 Nr. 1 Buchstabe e

In Artikel 20 Nr. 1 Buchstabe e sind insoweit die Sätze 2 und 3 zu streichen.

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Das Reinheitsgebot für Bier bestimmt die bei der Bierherstellung zulässigen Zutaten. Zur Stützung des Reinheitsgebots ist in Deutschland ein Zutatenverzeichnis in der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) zwingend vorgeschrieben. Diese Regelung dient im Sinne des Verbraucherschutzes und des Schutzes vor unlauterem Wettbewerb der Absicherung des Reinheitsgebots. Dies spielt insbesondere bei Bier aus anderen Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle, für die das Reinheitsgebot nicht gilt.

Nach Artikel 20 Buchstabe e ist bei Bier - abweichend von der Grundregel des Artikels 9 - ein Zutatenverzeichnis nicht erforderlich. Gemäß Artikel 40 kann Deutschland die Regelung der LMKV über ein verbindliches Zutatenverzeichnis bei Bier zwar beibehalten. Das gilt aber nur bis zum Erlass von Regeln für die Kennzeichnung von Zutaten bei Bier durch die Kommission nach Artikel 20 Buchstabe e. Erlässt die Kommission solche Regeln - gleich welchen Inhalts - entfallen die einschlägigen LMKV-Vorschriften. Unzureichende oder nicht verbindliche Regeln der Kommission könnten dem Verbraucher die erforderliche Klarheit über die Einhaltung des Reinheitsgebots nicht geben. Die Artikel 37, 38 und 44 VO lassen nationale Regelungen, die den geltenden Vorschriften der LMKV über ein verbindliches Zutatenverzeichnis bei Bier gleichwertig wären, nicht zu.

Deutschland soll die Möglichkeit erhalten, an den verpflichtenden LMKV-Vorschriften nicht nur bis auf Weiteres, sondern auf Dauer festzuhalten. Nur durch ein umfassendes und obligatorisches Zutatenverzeichnis lässt sich das Reinheitsgebot bei Bier als eine der ältesten, bewährtesten und traditionsreichsten Verbraucherschutzvorschriften unseres Landes sichern. Denn ein Zutatenverzeichnis macht dem Verbraucher die Einhaltung des Reinheitsgebots per Etikettierung augenfällig.

Zur Klarstellung: Kennzeichen des Reinheitsgebots sind vor allem Verbote der Verwendung von Zusatzstoffen. Diese Verbote können gemäß Artikel 3a der Richtlinie 89/107/EWG bei dem traditionellen Lebensmittel "Bier" ungeachtet des nun zu diskutierenden Normentwurfs bestehen bleiben. Wichtig ist jedoch, dass die Einhaltung auch durch entsprechende Kennzeichnung der Zutaten flankiert wird. Zur Absicherung bedarf es dieser bindenden und zeitlich unbefristeten Pflicht, die Zutaten umfassend anzugeben. Eine solche zweifelsfreie Kennzeichnung beabsichtigt daher diese Stellungnahme.

22. Zu Artikel 29 Abs. 1 Buchstabe b

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass bei der Nährwertdeklaration gemäß Artikel 29 Abs. 1 Buchstabe b auch die Menge an Eiweiß angegeben wird.

23. Zu Artikel 41

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Bislang ist im europäischen Recht die Möglichkeit vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten auch für allergene Zutaten nicht fertig abgepackter Lebensmittel die verpflichtende Kennzeichnung abbedingen, "sofern die Unterrichtung des Käufers gewährleistet ist" (Artikel 14 der Richtlinie 2000/13/EG). Deutschland hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, indem der Anwendungsbereich der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) auf Lebensmittel in Fertigpackungen beschränkt wurde.

In der Praxis stellen etliche Lebensmittelunternehmer, die nicht fertig abgepackte Lebensmittel abgeben (z.B. Bäcker, Konditoren), freiwillig Informationen über die verkauften Lebensmittel zur Verfügung. Dies geschieht beispielsweise durch das Vorhalten von Zutatenverzeichnissen, die auf Nachfrage oder durch Auslage im Verkaufsraum eingesehen werden können. Eine lückenlose Unterrichtung der Verbraucher ist dadurch jedoch nicht gewährleistet.

25. Zu Artikel 53

Nach Artikel 53 ist vorgesehen, die Gültigkeit der Vorschrift nach dem Inkrafttreten zeitlich zu staffeln nach der Anzahl der Beschäftigten und der Jahresbilanz der Unternehmen. Der Bundesrat hält eine zeitliche Staffelung zwar für sinnvoll, jedoch sind die genannten Kriterien für die Behörden der amtlichen Lebensmittelüberwachung nicht ohne Weiteres überprüfbar. Zur Vermeidung von zusätzlichem Verwaltungsaufwand schlägt der Bundesrat daher vor, diese Kriterien in Artikel 53 zu streichen und durch eine vollzugsnahe Lösung zu ersetzen. Er hält es für akzeptabel, die Gültigkeit der Vorschrift generell auf fünf Jahre nach dem Inkrafttreten festzulegen.

26. Zu Anhang I

In Anhang I sollte der Vollständigkeit halber auch eine Definition für "Ballaststoff" aufgenommen werden.

27. Zu Anhang XI Teil B

Die in Teil B des Anhangs XI festgelegte Referenzmenge für den Energiegehalt von 2.000 kcal sollte nach Einschätzung des Bundesrates auf 1.800 oder 1.700 kcal gesenkt werden.

Die mangelnde Bewegung weiter Bevölkerungskreise verbunden mit einer überhöhten tagtäglichen Energiezufuhr lassen eine solche Absenkung des Energiereferenzwertes sinnvoll erscheinen. Aktionen wie "Plattform Ernährung und Bewegung (peb)" könnten durch eine derartige Maßnahme unterstützt werden, indem dem Verbraucher bereits beim Kauf und Verzehr von Lebensmitteln frühzeitiger eine drohende Überschreitung des täglichen Energiebedarfs signalisiert wird. Allein durch die redaktionelle Absenkung dieser Energiereferenzmenge könnte, ohne damit verbundene größere Kosten, ein wesentlicher Beitrag zur Kalorienreduktion und zur Gesunderhaltung der Bevölkerung geleistet werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in diesem Sinne bei der Kommission vorstellig zu werden, um ggf. auf der Grundlage einer diese Aspekte berücksichtigenden wissenschaftlichen Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit einen wesentlichen Beitrag zur Energiereduktion leisten zu können.

28. Zu Anhang XI

Die Referenzmenge für Kohlenhydrate ist mit 230 g angegeben, diejenige für Zucker mit 90 g. Entsprechend einer Stellungnahme der DGE zur Anwendung von "Guidline Daily Amounts (GDA)" in der freiwilligen Kennzeichnung von verarbeiteten Lebensmitteln (Oktober 2007) wird diese Referenzmenge für Kohlenhydrate als zu niedrig und die für Zucker als zu hoch eingeschätzt. Da die Festlegung von Referenzmengen letztlich Auswirkungen auf die Bewertung des Lebensmittels und damit die Kaufentscheidung des Verbrauchers hat, vertritt der Bundesrat die Auffassung, dass alle Referenzwerte einer wissenschaftlichen Prüfung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit unterzogen werden sollten.

B