Antrag des Landes Brandenburg
Entschließung des Bundesrates zur Abschaffung der Abgeltungsteuer

Der Ministerpräsident des Landes Brandenburg Potsdam, 27. Oktober 2016

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Landesregierung von Brandenburg hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Abschaffung der Abgeltungsteuer zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der Bundesratssitzung am 4. November 2016 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dietmar Woidke

Entschließung des Bundesrates zur Abschaffung der Abgeltungsteuer

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, nach erfolgter Einführung des internationalen automatischen Informationsaustauschs von Steuerdaten die Abgeltungsteuer abzuschaffen und Kapitalerträge wieder dem persönlichen Einkommensteuersatz der Steuerpflichtigen zu unterwerfen. Gleichzeitig ist durch Anpassung von Einkommen- und Körperschaftsteuer das Ziel der Rechtsformneutralität der Besteuerung von Kapitalerträgen sicherzustellen und eine gleichmäßige Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und laufenden Einkünften im Bereich von Kapitalanlagen zu gewährleisten.

Begründung:

Mit dem Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 wurden in Deutschland die Einkünfte aus Kapitalvermögen aus der progressiven Einkommensbesteuerung herausgenommen und einem abgeltenden Steuersatz von 25 Prozent unterworfen. Auf diese Weise sollten illegale Kapitalflucht weniger attraktiv gemacht und die Steuerehrlichkeit erhöht werden.

Die Abgeltungsteuer privilegiert Kapitaleinkünfte gegenüber Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und anderen Einkunftsarten, indem der Steuersatz insoweit auf 25 Prozent begrenzt wird. Die Abgeltungsteuer wurde mit der Begründung eingeführt, dass sie der Eindämmung der Steuerflucht diene und aus fiskalischen Gründen gerechtfertigt sei.

Kapitalerträge werden seitdem gegenüber anderen Einkunftsarten privilegiert, ohne dass diese Ungleichbehandlung zu rechtfertigen ist. Während private Kapitalerträge pauschal mit einem Steuerabzug in Höhe von 25 Prozent belegt werden, sind etwa Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einem progressiv ansteigenden Tarifverlauf unterworfen. Die steuerliche Ungleichbehandlung wirkt umso stärker, je höher die Kapitalerträge und je höher die Einkünfte der Steuerpflichtigen überhaupt ausfallen. Im Vergleich zum Spitzensteuersatz in Höhe von 42 Prozent bzw. zur sog. Reichensteuer von 45 Prozent stellt die pauschale Besteuerung mit 25 Prozent eine unverhältnismäßige Bevorzugung von hohen Kapitalerträgen dar.

Die Einführung der Abgeltungssteuer hat nicht zu den ihr ursprünglich zugeschriebenen positiven fiskalischen Effekten geführt. Vielmehr konnten Steuermehreinnahmen aus Kapitalvermögen in erster Linie deshalb generiert werden, weil den Finanzbehörden wiederholt Kontodaten von in- und ausländischen Banken bekannt wurden. Mit dem steigenden Entdeckungsrisiko für Steuerhinterziehungen aus Kapitalanlagen im Ausland ist auch die Zahl der Selbstanzeigen stark angestiegen.

Die Abgeltungsteuer entspricht nicht den an ein gerechtes Steuersystem zu stellenden Ansprüchen. Die massive Privilegierung von Kapitaleinkünften gegenüber anderen Einkünften, insbesondere solchen aus nichtselbständiger Arbeit, untergräbt die Steuermoral und verstößt gegen das Gerechtigkeitsempfinden der Steuerpflichtigen.

Es hat sich gezeigt, dass ein geringer Steuersatz von 25 Prozent kein wirksames Mittel gegen Kapitalflucht und Steuerhinterziehung darstellt. Dies gilt umso mehr, als nunmehr mit dem Gesetz zum automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen die Grundlage für eine effektive Besteuerung von im Ausland angelegtem Kapital geschaffen wurde. Damit wird zukünftig ein zeitnaher Austausch von steuerrelevanten Informationen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU sowie zwischen den zahlreichen OECD-Ländern ermöglicht. Bei Vorliegen der technischen Voraussetzungen erhält Deutschland dann alle zur Besteuerung der in Deutschland steuerpflichtiger Personen erforderlichen Informationen über ausländische Konten in diesen Staaten. Grenzüberschreitende Steuerhinterziehung wird wirksamer bekämpft werden können.

Für Anleger mit niedrigem Steuersatz (unter 25 Prozent) auf die übrigen Einkünfte ändert sich mit der Abschaffung der Abgeltungsteuer nichts, da sie aktuell bereits meist ihre Kapitalerträge - insoweit diese über dem Werbungskosten-Pauschbetrag liegen - gegenüber der Finanzverwaltung erklären. Hohe Kapitaleinkünfte dagegen sind nicht länger anonym, sondern werden für die Finanzbehörden wieder transparent und in ihrer weiteren Entwicklung nachvollziehbar. Die mit der Abgeltungsteuer entstandene Gerechtigkeitslücke wird geschlossen, da Kapitalerträge wieder wie die Arbeitseinkommen dem progressiven Steuersatz unterliegen.

Die Besteuerung von Kapitaleinkünften mit dem individuellen Steuersatz bedingt auch eine Neuregelung der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und deren ausgeschütteten Gewinnen. Neben einem Teileinkünfteverfahren könnten hier auch andere Möglichkeiten untersucht werden.

Außerdem wäre zu prüfen, ob Veräußerungsgewinne im Bereich von Finanzanlagen (Wertpapiergeschäfte, Termingeschäfte etc.) weiterhin ohne Spekulationsfrist steuerpflichtig bleiben sollen.

Mit Abschaffung der Abgeltungsteuer wäre auch die Zulassung des Abzugs tatsächlicher Werbungskosten zu eruieren. Über angemessene Frei- und Pauschbeträge könnte erreicht werden, dass die Fallzahlen, in denen Ermittlungen zu den Kapitaleinkünften notwendig werden, und der administrative Aufwand begrenzt bleiben.

Eine Rückkehr zum progressiven Steuersystem für Kapitaleinkünfte schafft ein gerechteres Steuerrecht und zieht alle Steuerpflichtigen mit hohen Kapitaleinkünften entsprechend ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gemeinwesens heran.