A. Problem und Ziel
- Moderne Entwicklungen in der Gendiagnostik ermöglichen heute, mit genetischem Vergleichsmaterial des biologischen oder rechtlichen Vaters und des Kindes eine zuverlässige genetische Abstammungsuntersuchung durchzuführen. Da als genetische Proben leicht zu gewinnende Körpersubstanzen, wie Spuren von Speichel oder Haare, genügen, werden derartige Tests von zweifelnden Vätern bei Genlaboren ohne Zustimmung des Kindes oder der Mutter in Auftrag gegeben.
- Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Januar 2005 entschieden (XII ZR 60/03 und XII ZR 227/03, FamRZ 2005, 342), dass eine auf diese Weise heimlich eingeholte DNA-Analyse im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht verwertbar ist. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 13. Februar 2007 (1 BvR 421/05, NJW 2007, 753) bestätigt. Zugleich hat es dem Gesetzgeber jedoch aufgegeben, bis zum 31. März 2008 eine gesetzliche Regelung zur isolierten Feststellung der Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater zu treffen, da zu dem grundrechtlich garantierten Anspruch des Mannes auf Kenntnis der Abstammung eines ihm rechtlich zugeordneten Kindes auch die Verwirklichung dieses Rechts durch ein geeignetes Verfahren gehöre. Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung dieser Forderung.
B. Lösung
- Den nach bürgerlichem Recht anfechtungsberechtigten Personen wird ein Rechtsanspruch auf Durchführung der gendiagnostischen Abstammungsuntersuchung eingeräumt. Dieser Rechtsanspruch richtet sich auf Einwilligung in den Test und auf Gewinnung der dafür erforderlichen genetischen Probe. Der Anspruch richtet sich gegen das Kind oder die andere Vergleichsperson, bei denen die genetische Probe gewonnen werden muss. Das minderjährige Kind wird durch die Sorgeberechtigten vertreten. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge kann das Familiengericht auf Antrag dem anderen Elternteil die Entscheidung über die Einwilligung in die Untersuchung und die Gewinnung der hierfür erforderlichen Probe übertragen, wenn sich die Eltern über die Durchführung der Untersuchung nicht einigen können. Beim allein sorgeberechtigten Elternteil soll das Familiengericht die Einwilligung ersetzen können. Das Verfahren vor dem Familiengericht folgt den Grundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ist damit flexibel und unbürokratisch. Das Familiengericht kann Anordnungen zur Durchführung der Untersuchung treffen oder bei erheblichen Einwendungen, insbesondere einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls, zunächst von der Übertragung der Entscheidungsbefugnis bzw. der Ersetzung der Einwilligung absehen. In den seltenen Ausnahmefällen, in denen der Anspruch gerichtlich gegen einen Volljährigen durchgesetzt werden muss, entscheiden die Zivilgerichte.
C. Alternativen
- Keine
- Die bloße Legalisierung des Gentests ohne Zustimmung (vgl. den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Persönlichkeitsrechte bei Abstammungsuntersuchungen - Antrag des Landes Baden-Württemberg - BR-Drs. 280/05 (PDF) ) ermöglicht dem zweifelnden Vater nicht, später verwertbare Testergebnisse zu erzielen. Der Test kann nicht nach den anerkannten Regeln für gendiagnostische Untersuchungen durchgeführt werden, weil schon die Entnahme der Genprobe nicht dokumentiert werden kann. Eine bloß prozessuale Lösung, die die Anforderungen an die Anfechtungsklage senkt, zwingt den Vater in ein Abstammungsverfahren, das von vornherein auf Auflösung des verwandtschaftlichen Bandes zielt.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- I. Bund
Die Regelung verursacht keine unmittelbaren Haushaltsausgaben.
- II. Länder und Kommunen
Die Haushalte der Länder werden geringfügig mit den Kosten für etwa anfallende familiengerichtliche Verfahren - einschließlich der Vergütung für eventuell zu bestellende Verfahrenspfleger bei Mittellosen - belastet.
E. Sonstige Kosten
Der Wirtschaft und den sozialen Sicherungssystemen entstehen keine Kosten. Auswirkungen des Gesetzes auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten. Die Möglichkeit eines preisgünstigen privaten Tests spart den Familien Gerichts- und Sachverständigenkosten.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in der Familie
Der Bundesrat hat in seiner 832. Sitzung am 30. März 2007 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in der Familie Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl I S. 42, 2909, 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
- 1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 1600e folgende Angabe eingefügt:
§ 1600f Anspruch auf gendiagnostische Abstammungsuntersuchung
- 2. Nach § 1600e wird folgender § 1600f eingefügt:
§ 1600f Anspruch auf gendiagnostische Abstammungsuntersuchung
- Eine anfechtungsberechtigte Person im Sinne von § 1600 hat einen Anspruch gegen das Kind auf Einwilligung in eine gendiagnostische Abstammungsuntersuchung und auf Gewinnung einer hierfür erforderlichen genetischen Probe nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft. Die Mutter und das Kind haben den Anspruch auch gegen die andere anfechtungsberechtigte Person, wenn deren Mitwirkung bei der Untersuchung erforderlich ist."
- 3. § 1628 wird wie folgt geändert:
- a) Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1.
- b) Folgender Absatz 2 wird angefügt:
(2) Das Familiengericht überträgt einem Elternteil auf dessen Antrag die Entscheidung über die Einwilligung in eine gendiagnostische Abstammungsuntersuchung und die Gewinnung der hierfür erforderlichen genetischen Probe nach § 1600f, wenn sich die Eltern über die Durchführung der Untersuchung nicht einigen können. Es kann die für die Durchführung der Abstammungsuntersuchung und Probengewinnung erforderlichen Anordnungen treffen."
- 4. Dem § 1629 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:
"Ist ein Elternteil allein sorgeberechtigt, ersetzt das Gericht im Falle einer Entscheidung nach § 1600f dessen Einwilligung; § 1628 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend."
- 5. In § 1673 Abs. 2 Satz 3 wird nach der Angabe "§ 1628" die Angabe "Abs. 1" eingefügt.
Artikel 2
Inkrafttreten
- Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
I. Allgemeiner Teil
Die modernen Möglichkeiten der Gendiagnose erlauben es heute, mit genetischen Proben die Abstammung mit der erforderlichen Sicherheit zu klären. Hierfür genügen beispielsweise Haare oder Speichelreste. Deshalb greifen vor allem an ihrer Vaterschaft zweifelnde Väter zur Möglichkeit des privaten Gentests, den Genlabore anbieten, ohne vorher die Zustimmung des Kindes einzuholen.
Derartige Tests verschaffen zweifelnden Vätern zwar zunächst Klarheit; sie sind aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtlich nicht verwertbar. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Januar 2005 in zwei Verfahren (XII ZR 60/03 und XII ZR 227/03, FamRZ 2005, 342) entschieden, dass eine heimlich eingeholte DNA-Analyse im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht verwertbar ist. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass ein solches Gutachten zur Darlegung von Umständen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von dem als Vater geltenden Mann zu wecken, nicht geeignet sei. Die heimliche DNA-Untersuchung verstoße gegen das Grundrecht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung. Die Untersuchung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greife in das durch Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG verbürgte Persönlichkeitsrecht des Kindes ein. Das Interesse des Vaters an der Kenntnis der Abstammung überwiege nicht. Dies führe dazu, dass die heimlich veranlasste DNA-Vaterschaftsanalyse rechtswidrig und im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar sei.
Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 13. Februar 2007 (1 BvR 421/05, NJW 2007, 753) bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht hat aber zugleich anerkannt, dass einem Mann als Ausformung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG nicht nur ein Recht auf Kenntnis der Abstammung eines ihm rechtlich zugeordneten Kindes zustehe, sondern auch auf Verwirklichung dieses Rechts; der Gesetzgeber habe es unter Verletzung dieses Grundrechtsschutzes unterlassen, eine gesetzliche Regelung zur Feststellung der Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater zu treffen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber daher aufgegeben, die Rechtslage bis zum 31. März 2008 durch eine verfahrensrechtliche Regelung in Einklang mit dem Recht auf Kenntnis der Abstammung zu bringen. Dabei hat es diesen Gesetzentwurf in seiner zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Fassung als eine mögliche Verfahrensgestaltung ausdrücklich erwähnt.
Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Regelung hat sich an folgenden Grundsätzen zu orientieren:
- - Der gesetzlichen Regelung muss ein angemessener Ausgleich zwischen den berührten Grundrechten der Beteiligten zu Grunde liegen. Nicht angemessen ist eine Abwägung, die einseitig die Interessen des Kindes oder des Vaters in den Vordergrund rückt.
- - Die Lösung muss einen rechtlich verwertbaren, privat in Auftrag gegebenen und nach den anerkannten Regeln der Gendiagnose de lege artis durchgeführten Test ermöglichen, der dann als Entscheidungsgrundlage für ein weiteres Vorgehen des Vaters dienen kann, wenn dies gewünscht ist.
- - Die Lösung muss auf Konsens in der Familie zielen und die Dialogbereitschaft in der Familie fördern. Nur so kann sie familienerhaltend wirken.
- - Die Regelung muss sich derzeit auf den außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens privat in Auftrag gegebenen und von einem privaten Genlabor durchgeführten Test beschränken. Sie betrifft einen Ausschnitt aus der Gesamtproblematik gendiagnostischer Untersuchungen am Menschen und behält Bestimmungen über Zulässigkeit und Durchführung eines Tests ohne Zustimmung der Beteiligten dem geplanten Gendiagnostikgesetz vor. Der legal erlangte Test kann in einem gegebenenfalls nachfolgenden Vaterschaftsanfechtungsverfahren verwendet werden, weil ein Beweisverwertungsverbot nicht mehr greift. Ob darüber hinaus die Schwelle der Schlüssigkeitsprüfung als Zulässigkeitsvoraussetzung für das Vaterschaftsanfechtungsverfahren gesenkt werden muss, sollte im Zusammenhang mit der anstehenden Neuordnung des familiengerichtlichen Verfahrens erörtert werden. Hier sollte auch geklärt werden, ob und inwieweit im Anfechtungsverfahren verstärkt das Interesse des Kindes am Erhalt seiner rechtlichen und sozialfamiliären Zuordnung zu wahren ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 -, a.a.O.).
Der Anspruch auf Durchführung einer gendiagnostischen Abstammungsuntersuchung greift in das Persönlichkeitsrecht des Kindes, insbesondere in dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG) ein. Der Eingriff ist verhältnismäßig. Er ist erforderlich, um den Belangen der anfechtungsberechtigten Personen Rechnung zu tragen. Der Wunsch eines Mannes nach Kenntnis, ob ein Kind von ihm abstammt, betrifft sein von Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG geschütztes Persönlichkeitsrecht (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 -, a.a.O.). Ebenso wird der Mutter des Kindes ein Anspruch auf Durchführung der Abstammungsuntersuchung zuerkannt, um ihr verfassungsrechtlich verbürgtes Persönlichkeitsrecht zu gewährleisten.
Ein Verfahren, das das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Kindes in geringerem Umfang tangieren würde, steht nicht zur Verfügung. Die Anfechtungsberechtigten können nicht darauf verwiesen werden, die Abstammungsuntersuchung gegebenenfalls ohne Kenntnis des Kindes durchzuführen. Ein derartiger Test verletzt, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, das Persönlichkeitsrecht des Kindes. Im Übrigen wäre ein solcher Test weder hinreichend zuverlässig noch in einem etwaigen Abstammungsprozess verwertbar.
Der Anspruch der Anfechtungsberechtigten auf Durchführung der Abstammungsuntersuchung kann nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft oder auf bestimmte Fallgruppen beschränkt werden. Insoweit lassen sich keine geeigneten Kriterien finden. Außerdem geht das Interesse der Anfechtungsberechtigten auf Klärung der Abstammung den Belangen des betroffenen Kindes grundsätzlich vor.
In dem Entwurf wird ein sachgerechter Interessenausgleich vorgenommen:
Die anfechtungsberechtigte Person erhält einen Anspruch gegen das Kind oder die andere anfechtungsberechtigte, in den Test einzubeziehende Person auf Durchführung des Tests. In den weit überwiegenden Fällen (zweifelnder Vater) wird der rechtliche Vater zur Durchführung der gendiagnostischen Abstammungsuntersuchung eine Genprobe des Kindes benötigen. In den wenigen Fällen, in denen die Mutter Zweifel über die Abstammung klären lassen will, muss der Untersuchung Material des Kindes und des rechtlichen oder biologischen Vaters zu Grunde gelegt werden. Der Anspruch richtet sich auf Einwilligung in den Test und Gewinnung der hierfür erforderlichen genetischen Probe.
Aus der Grundrechtsabwägung ergibt sich, dass der Anspruch des Anfechtungsberechtigten in der Regel zu erfüllen sein wird. Deshalb wird gegen den Anspruch nur der Einwand des Rechtsmissbrauchs möglich sein, der sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergibt. Damit wird in dem Regelfall, in dem das Kind minderjährig ist und deshalb durch die Sorgeberechtigten vertreten werden muss, vermieden, dass eigene Interessen des Sorgeberechtigten die für das Kind zu treffende Entscheidung überlagern. Rechtsmissbrauch wird vor allem in der Fallgruppe des eigenen widersprüchlichen Verhaltens des Anspruchstellers vorliegen können. Außerdem können besondere Lebenslagen und Entwicklungsphasen, in denen sich das Kind befindet, es im Einzelfall rechtfertigen, wegen besonderer Gefährdung des Kindeswohls für begrenzte Zeit von der Eröffnung eines Verfahrens abzusehen, mit dem dem Recht des Mannes auf Kenntnis der Abstammung des Kindes von ihm zur Durchsetzung verholfen werden soll (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 -, a.a.O.).
Das minderjährige, nicht einwilligungsfähige Kind kann nicht selbst handeln. Die Entscheidung über die Erfüllung des Anspruchs (Zustimmung zum Test und Gewährung der genetischen Probe) oder die Erhebung des Einwands des Rechtsmissbrauchs müssen für das Kind bei gemeinsamer Sorge die beiden sorgeberechtigten Elternteile oder bei Alleinsorge der Mutter die allein sorgeberechtigte Mutter fällen. Hierzu enthält der Entwurf klarstellende Regelungen:
Werden sich die gemeinsam sorgeberechtigten Elternteile nicht einig, kann vor dem Familiengericht ein Verfahren nach § 1628 Abs. 2 Satz 1 BGB-E durchgeführt werden: Das Familiengericht kann einem Elternteil die Entscheidung übertragen. Dieser Elternteil übt dann nach § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB das Sorgerecht insoweit allein aus, ohne dass der andere ein Vetorecht hätte. Das familiengerichtliche Verfahren ist ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ( § 621a Abs. 1 ZPO). Es ist damit flexibel und unbürokratisch. Bei Bedarf kann für das Kind ein Verfahrenspfleger bestellt werden, der dessen Rechte wahrnimmt (§ 50 Abs. 1 FGG). Das Gericht muss, bevor es entscheidet, auf eine Einigung der Eltern hinwirken, weil es dem Familienfrieden in der Regel dienlicher ist, wenn bei Meinungsverschiedenheiten keine förmliche gerichtliche Entscheidung ergeht (§ 52 FGG). Auch insoweit ist die Regelung familienschonend und dialogfördernd, weil sie den Streit in ein Sorgerechtsverfahren einbettet. Wenn eine einvernehmliche Lösung auch vor Gericht nicht erzielt werden kann und das Gericht die Entscheidung über die Einwilligung dem antragstellenden Elternteil überträgt, kann es zugleich Auflagen zur Durchführung der Untersuchung treffen (§ 1628 Abs. 2 Satz 2 BGB-E). Es kann damit eine schonende Umsetzung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung sicherstellen.
Ist die Mutter allein sorgeberechtigt, kann ihr das Familiengericht nach geltendem Recht unter bestimmten Voraussetzungen die Vertretung des Kindes für einzelne Angelegenheiten entziehen (§ 1629 Abs. 2 Satz 3, § 1796 BGB). Würde dies auch für das Verfahren nach § 1600f BGB-E gelten, müsste für das Kind ein Ergänzungspfleger bestellt werden ( § 1909 BGB), dem die Entscheidung über die Erfüllung des Anspruchs oder die Geltendmachung des Einwands des Rechtsmissbrauchs obläge.
Die Einschaltung eines Dritten, der außergerichtlich tätig wird, birgt jedoch zusätzlichen Streitstoff; es kann zu erheblichen Verzögerungen bei der Durchführung der Abstammungsuntersuchung oder gar zu einem neuen gerichtlichen Verfahren kommen, was für alle Beteiligten eine Belastung bedeutet. Das Gericht soll daher die Auseinandersetzung umfassend lösen, indem es die Einwilligung ersetzt und nötigenfalls Anordnungen zur Durchführung trifft (§ 1629 Abs. 2 Satz 4 BGB-E). Auch dieses Verfahren ist ein familiengerichtliches Verfahren; dem Kind kann zur Geltendmachung seiner Rechte ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt werden. Außerdem hat das Gericht nach § 1697a BGB diejenigen Entscheidungen zu treffen, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Hierdurch ist es dem Gericht möglich, die Ersetzung der Einwilligung zunächst zurückzustellen, wenn eine besondere Gefährdung des Kindeswohls dies gebietet.
In wenigen, praktisch kaum relevanten Fällen wird sich der Anspruch gegen einen Volljährigen richten. Denkbar ist dies, wenn die Mutter den Anspruch verfolgt und biologischer oder rechtlicher Vater nicht zur Gewährung der Genprobe bereit sind, oder wenn ein volljähriges Kind das Verfahren betreiben möchte. Der Gesetzentwurf sieht davon ab, das Verfahren dem Familiengericht zuzuweisen, so dass die Zivilgerichte zuständig sind. Zum einen wird hier zur Durchsetzung des Anspruchs praktisch die Zwangsvollstreckung zu eröffnen sein. Außerdem wird in der anstehenden FGG-Reform mit der Schaffung des Großen Familiengerichts eine umfassende Neuordnung der Verfahrensgegenstände des familiengerichtlichen Verfahrens vorgenommen werden. Dem soll hier nicht vorgegriffen werden.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (bürgerliches Recht).
II. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 (Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)
Es handelt sich um eine durch Einfügung des § 1600f BGB-E bedingte Folgeänderung.
Zu Nummer 2 (§ 1600f - neu -)
§ 1600f BGB-E gewährt einen Anspruch auf Durchführung der gendiagnostischen Abstammungsuntersuchung für den Anfechtungsberechtigten im Sinne von § 1600 BGB. Die Einräumung des Anspruchs sichert zum einen den gewünschten Dialog in der Familie. Der Anspruch muss zu seiner Verwirklichung - in der Regel vom rechtlichen Vater - gegenüber dem Anspruchsgegner - dem minderjährigen Kind - geltend gemacht werden. Für das Kind wird die allein- oder mitsorgeberechtigte Mutter zu handeln haben. Der Anspruch sichert zum anderen die praktische Durchführbarkeit des Tests. Der Anspruchsberechtigte erhält neben dem Anspruch auf Einwilligung in die gendiagnostische Untersuchung einen Anspruch auf Gewinnung der notwendigen Genprobe, die sodann nach den anerkannten Standards vom Genlabor dokumentiert und vorgenommen werden kann.
Schon aus der Grundrechtsabwägung ergibt sich, dass der Anspruch zur Klärung der Abstammung in der Regel bestehen wird. Ihm kann deshalb nur der aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abzuleitende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden. Rechtsmissbrauch kann in erster Linie in der Fallgruppe des eigenen widersprüchlichen Verhaltens des Anspruchsberechtigten vorliegen. Denkbar ist etwa, dass bereits mehrfach ein Test die biologische Vaterschaft des rechtlichen Vaters erwiesen hat, dieser aber gleichwohl auf einer neuen Untersuchung besteht. Außerdem können es besondere Lebenslagen oder Entwicklungsphasen des Kindes im Einzelfall rechtfertigen, wegen einer besonderen Gefährdung des Kindeswohls die Entscheidung über die Durchführung einer Abstammungsuntersuchung für begrenzte Zeit zurückzustellen (vgl. § 1697a BGB).
Im Ergebnis wird also in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht möglich sein.
Zu Nummer 3 (§ 1628 Abs. 2 - neu -)
Sind beide Elternteile gemeinsam sorgeberechtigt, müssen sie auch gemeinsam über die Erfüllung des Anspruchs aus § 1600f BGB-E entscheiden. Widerspricht die Mutter, kommt eine Einigung nicht zustande. Es bietet sich deshalb an, für diesen Fall das Verfahren nach § 1628 BGB für anwendbar zu erklären. Auf Antrag des Vaters oder der Mutter kann das Familiengericht die Entscheidung einem der beiden Elternteile allein übertragen. Die Vorschrift hat klarstellende Funktion. Die Verfahrensregeln des FGG, die zur Anwendung gelangen, sind für die zu entscheidende Fallkonstellation hervorragend geeignet.
Wenn eine einvernehmliche Lösung auch vor Gericht nicht erzielt werden kann und das Gericht die Entscheidung über die Einwilligung dem antragstellenden Elternteil überträgt, kann es zugleich Auflagen zur Durchführung der Untersuchung treffen. Es kann damit eine schonende Umsetzung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung sicherstellen.
Zu Nummer 4 (§ 1629 Abs. 2 Satz 4 - neu -)
Ist ein Elternteil allein sorgeberechtigt, sollte anstelle einer bereits nach geltender Rechtslage möglichen teilweisen Entziehung der Vertretungsbefugnis nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1796 BGB die Ersetzung seiner Zustimmung durch das Familiengericht vorgesehen werden. Die ansonsten notwendige Bestellung eines Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB) wird hierdurch vermieden. Das Gericht kann abschließend über den Anspruch entscheiden, was zu einer möglichst schnellen Befriedung beiträgt. Darüber hinaus soll es auch Anordnungen zur Umsetzung des Anspruchs treffen können, um erneuten Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten vorzubeugen. Dies wird durch den Verweis auf § 1628 Abs. 2 Satz 2 BGB-E sichergestellt. So kann das Gericht einer Mutter z.B. aufgeben, mit ihrem Kind zu einer bestimmten Zeit das vom Vater zu beauftragende Diagnoseinstitut zwecks Probenentnahme aufzusuchen. Die gerichtlichen Anordnungen können notfalls über § 33 FGG durchgesetzt werden. In jedem Fall ist das Gericht gehalten, das Kindeswohl besonders im Auge zu behalten ( § 1697a BGB).
Zu Nummer 5 (§ 1673 Abs. 2 Satz 3)
Es handelt sich um eine Folgeänderung, die durch Ergänzung des § 1628 um einen Absatz 2 veranlasst ist.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.