A. Problem und Ziel
Im Beschluss der Kommission 2014/995/EU vom 18. Dezember 2014 zur Änderung des Europäischen Abfallverzeichnisses wurde eine neue Regelung aufgenommen, wonach für
1. persistente organische Schadstoffe (POP), die durch die sog. POP-Verordnung der EU geregelt werden, die dort genannten Konzentrationsgrenzen zur Bewertung der Gefährlichkeit von Abfällen zu verwenden sind. Enthalten Abfälle diese gefährlichen Stoffe in Konzentrationen über den in der POP-Verordnung festgelegten Grenzen, bedeutet dies, dass sie so beseitigt werden müssen, dass der Schadstoff zerstört oder unumkehrbar umgewandelt wird. Damit soll gewährleistet werden, dass die besonders kritischen persistenten organischen Schadstoffe aus dem Wirtschaftskreislauf ausgeschleust werden. Im März 2016 wurde das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD/HBCDD) wegen seiner umweltschädlichen Eigenschaften neu in die POP-Verordnung der EU aufgenommen.
Der Bundesrat hatte im Zuge der Beratungen zur Abfallverzeichnisverordnung beschlossen, statt der Einzelaufzählung der 15 persistenten organischen Schadstoffe in die Abfallverzeichnis-Verordnung einen dynamischen Verweis auf die jeweils aktuelle Fassung der POP-Verordnung aufzunehmen, um der damals bereits absehbaren Ergänzung der POP-Verordnung um weitere persistente organische Schadstoffe wie HBCD Rechnung zu tragen.
Mit Hilfe des dynamischen Verweises auf die jeweils aktuelle Fassung der POP-Verordnung in der Abfallverzeichnis-Verordnung des Bundes kann der Vollzug der Regelungen der POP-Verordnung zur Entsorgung POP-haltiger Abfälle wirksam überwacht werden. Abfälle, die in der POP-Verordnung aufgeführte persistente organische Schadstoffe oberhalb der dort genannten Konzentrationswerte enthalten, werden als gefährlich eingestuft und unterliegen damit dem abfallrechtlichen Nachweisverfahren für gefährliche Abfälle. Somit wird die notwendige Transparenz bei der Ausschleusung dieser Schadstoffe aus dem Wirtschaftskreislauf sichergestellt.
Aktuell zeigt sich jedoch, dass die Anwendung der Abfallverzeichnisverordnung auf HBCD-haltige Wärmedämmstoffe zu erheblichen Problemen bei der Entsorgung führt, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Bau-, Abbruch- und Dachdeckerbetrieben.
B. Lösung
Mit einer Änderung wird der in Nummer 2.2.3 der Anlage zu § 2 Absatz 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) enthaltene dynamische Verweis auf die POP-Verordnung übergangsweise um eine auf ein Jahr befristete Ausnahmeregelung für Hexabromcyclododekan (HBCD/HBCDD) ergänzt. Dieser Aufschub ermöglicht es den Fachgremien des Bundes und der Länder, für die Abfälle, die auf Grund ihres Gehaltes an HBCD
Bewirtschaftungsmaßnahmen gemäß POP-Verordnung unterliegen, Anforderungen für einen bundesweit einheitlichen Vollzug zu erarbeiten, die notwendig sind, um eine rechtskonforme Entsorgung und die Einhaltung der Regelungen der POP-Verordnung sicherzustellen sowie die Rückverfolgbarkeit und Dokumentation des Entsorgungswegs zu gewährleisten. Durch die Befristung der Ausnahmeregelung wird gleichzeitig der Umweltrelevanz des Stoffes Rechnung getragen.
C. Alternativen
Die Länder müssten individuelle Lösungen finden, um eine rechtssichere Entsorgung von HBCD-haltigen Abfällen zu gewährleisten.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Bund und Ländern entstehen durch die Verordnung keine zusätzlichen Haushaltsausgaben.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger
Bürgerinnen und Bürgern entsteht durch die Verordnung kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft wird der Erfüllungsaufwand voraussichtlich sinken, u.a., da die Kosten für die Entsorgung bei HBCD-haltigen Abfällen voraussichtlich zurückgehen werden, wenn diese übergangsweise nicht mehr als "gefährliche Abfälle" eingestuft sind.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Für die Verwaltung des Bundes und der Länder entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
F. Weitere Kosten
Weitere Kosten oder Auswirkungen auf Einzelpreise oder das Verbraucherpreisniveau entstehen nicht.
Verordnungsentwurf des Bundesrates
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Abfallverzeichnis-Verordnung
Der Bundesrat hat in seiner 952. Sitzung am 16. Dezember 2016 beschlossen, die Vorlage für den Erlass einer Rechtsverordnung gemäß Artikel 80 Absatz 3 des Grundgesetzes in der aus der Anlage ersichtlichen Fassung der Bundesregierung zuzuleiten.
Der Bundesrat hat ferner beschlossen, dass der Beschluss über die Zuleitung der Vorlage für den Erlass einer Rechtsverordnung an die Bundesregierung gemäß Artikel 80 Absatz 3 des Grundgesetzes die Zustimmung des Bundesrates zum unmittelbaren Erlass einer solchen Rechtsverordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes umfasst
Anlage
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der AbfallverzeichnisVerordnung1
Vom ...
Auf Grund des § 48 Satz 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212) verordnet die Bundesregierung nach Anhörung der beteiligten Kreise:
Artikel 1
Änderung der Abfallverzeichnis-Verordnung
In Nummer 2.2.3 der Anlage zu § 2 Absatz 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3379), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 4. März 2016 (BGBl. I S. 382) geändert worden ist, werden nach den Wörtern "für persistente organische Schadstoffe" die Wörter ", mit Ausnahme von Hexabromcyclododekan," eingefügt.
Artikel 2
Weitere Änderung der Abfallverzeichnis-Verordnung
In Nummer 2.2.3 der Anlage zu § 2 Absatz 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3379), die zuletzt durch Artikel 1 dieser Verordnung geändert worden ist, werden nach den Wörtern "für persistente organische Schadstoffe" die Wörter ", mit Ausnahme von Hexabromcyclododekan," gestrichen.
Artikel 3
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt vorbehaltlich des Satzes 2 am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Artikel 2 tritt am 31. Dezember 2017 in Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt.
Berlin, den Begründung
Zu Artikel 1
Mit der Änderung wird der in Nummer 2.2.3 der Anlage zu § 2 Absatz 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) enthaltene dynamische Verweis auf die POP-Verordnung befristet für ein Jahr um eine Ausnahmeregelung für Hexabromcyclododekan (HBCD/HBCDD) ergänzt.
Durch die EG-POP-Verordnung werden Abfälle, die persistente organische Schadstoffe (POP) oberhalb bestimmter Konzentrationsgrenzen enthalten, besonderen Abfallbewirtschaftungsvorgaben unterworfen. D. h., für ihre Entsorgung sind, um eine dauerhafte Zerstörung der POP zu gewährleisten, nur eine beschränkte Auswahl von Entsorgungswegen zugelassen. Mit der Novelle der geltenden AVV sind solche Abfälle als "gefährliche Abfälle" einzustufen. Hintergrund dieser Regelung war die Überlegung, dass nur dadurch die Überwachung dieser Abfälle sichergestellt werden kann.
Hexabromcyclododekan wurde seit den 70er Jahren Wärmedämmplatten aus Polystyrol (Styropor) als additives Flammschutzmittel zugesetzt. Im Mai 2013 wurde HBCD auf Grund seiner zwischenzeitlich identifizierten toxischen Eigenschaften in das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe (POP) aufgenommen. Von HBCD-haltigen Dämmplatten, die fachgerecht in Gebäuden verbaut sind, gehen nach heutigem Kenntnisstand aber keine gesundheitlichen Gefahren aus.
Die im Stockholmer Übereinkommen gelisteten Verbindungen müssen in die Europäische Verordnung (EG) Nr. 850/2004 über persistente organische Schadstoffe (EG-POP-VO) übernommen werden. Auf europäischer Ebene werden Grenzwerte festgelegt, um diese POP aus dem Wertstoffkreislauf durch Zerstörung auszuschleusen. Im Bereich der Behandlung und Entsorgung POP-haltiger Abfälle gilt insbesondere Artikel 7 i.V.m. Anhang IV der EG-POP-Verordnung. Hiernach sind Abfälle, deren POP-Gehalt größer oder gleich dem Grenzwert in Anhang IV ist, so zu beseitigen oder zu verwerten, dass der POP-Gehalt zerstört oder unumkehrbar umgewandelt wird2. In diesem Anhang wurde für HBCD dieser Grenzwert auf 1 000 mg/kg mit qualifizierter Mehrheit im Komitologieverfahren festgelegt. Dieser Grenzwert ist seit dem 30. September 2016 rechtswirksam.
Aktuell zeigt sich, dass die Anwendung dieser Regelung der AVV auf HBCD-haltige Wärmedämmstoffe für die Entsorgung eines solchen Massenabfalls zu erheblichen Problemen, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Bau-, Abbruch- und Dachdeckerbetrieben führt. Für die bisher als nicht gefährlich eingestuften Abfälle brechen etablierte Entsorgungswege weg. Die Entwicklung neuer Wege ist nach Einschätzung von Experten und der betroffenen Wirtschaft zeitaufwändig, beispielsweise weil Anlagenzulassungen in einem Genehmigungsverfahren nach Bundesimmissionsschutzrecht erweitert werden müssen.
In Teilen Deutschlands konnte mindestens im Oktober 2016 von einem Entsorgungsnotstand für die betroffenen Abfälle gesprochen werden. Diesem
Bei diesen Regelungen handelt es sich im Kern um Ausnahmen vom Getrennthaltungsgebot für gefährliche Abfälle nach § 9 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Im Ergebnis können gemischte Bauabfälle mit einem geringen Anteil (potenziell) HBCD-haltiger-Dämmstoffe als nicht gefährliche Abfälle in dafür genehmigten Anlagen entsorgt werden. Ein bedeutender Teil von in der Praxis auftretenden Konstellationen ist mit diesen Regelungen aber noch nicht erfasst und konfrontiert derzeit speziell das Handwerk mit erheblichen Problemen.
Zusätzlich wird die eingetretene Situation durch teilweise unverhältnismäßig und ungerechtfertigt erscheinende Preissteigerungen bei den Abfallentsorgern verschärft. Derzeit wird diese Preissteigerung den im Baubereich tätigen Handwerkern aufgelastet. Letztlich werden die Preise aber auf die einzelnen Abfallerzeuger rückwirken, also zum Großteil die einzelnen Bürgerinnen und Bürger.
Qualitativ hat sich bei den betroffenen Abfällen seit dem 30. September 2016 jedoch nichts geändert:
Nach wie vor ist die Verbrennung HBCD-haltiger Abfälle (auch EU-rechtlich) der richtige Entsorgungsweg. Diese kann durchaus in Hausmüllverbrennungsanlagen erfolgen. Auch vor dem Stichtag gelangte ein Großteil dieser Abfälle in die Verbrennung und wurde dort umweltgerecht entsorgt.
Da nach Aussage des Umweltbundesamtes in Häusern mit HBCD-haltigen Dämmplatten in der Nutzungsphase nur sehr wenig HBCD aus den Platten austritt, das über die Luft oder den Hausstaub von den Bewohnern aufgenommen werden könnte, sind nach heutigem Kenntnisstand bei fachgerechter Anwendung insoweit keine negativen Effekte auf die menschliche Gesundheit zu befürchten. Vor diesem Hintergrund und um es der betroffenen Wirtschaft zu ermöglichen, sich auf die geänderten Bedingungen einzustellen und es den Fachgremien des Bundes und der Länder zu ermöglichen, für die Abfälle, die aufgrund ihres Gehaltes an HBCD
Bewirtschaftungsmaßnahmen gemäß POP-Verordnung unterliegen, Anforderungen für einen bundesweit einheitlichen Vollzug zu erarbeiten, die notwendig sind, um eine rechtskonforme Entsorgung und die Einhaltung der Regelungen der POP-Verordnung sicherzustellen, erscheint die vorgeschlagene Übergangsregelung von einem Jahr für HBCD-haltige Abfälle vertretbar.
Zu Artikel 2 und Artikel 3
Ein Inkrafttreten der Verordnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt ermöglicht es, zeitnah die gebotene ordnungsgemäße Entsorgung insbesondere von HBCD-haltigen Wärmedämmplatten zu gewährleisten. Nach einer Übergangszeit von einem Jahr tritt die Verordnung außer Kraft.
- 1. Diese Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. L 312 vom 22.11.2008, S. 3; L 127 vom 26.5.2009, S. 24), die durch die Verordnung (EU) Nr. 1357/2014 vom 18. Dezember 2014 (ABl. L 365 vom 19.12.2014, S. 89) zur Ersetzung von Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG geändert worden ist, und der Umsetzung des Beschlusses der Kommission vom 18. Dezember 2014 (ABl. L 370 vom 30.12.2014, S. 44) zur Änderung der Entscheidung 2000/532/EG über ein Abfallverzeichnis gemäß der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. Die Verpflichtungen aus der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2008 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21.7.1998, S. 37), die zuletzt durch die Richtlinie 2006/96/EG vom 20. November 2006 (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 81) geändert worden ist, sind beachtet worden.
- 2. Dies ist bei Wärmedämmplatten nur durch energetische Verwertung in Müllverbrennungsanlagen (MVA) möglich.